Zusatz- oder Sonderversicherung der neuen Bundesländer; Feststellung weiterer Entgelte in Form von Jahresendprämien und Treueprämien
- Treueprämie Energiewirtschaft; Jahresendprämie; Schätzung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem
Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger im Zeitraum 1. Januar 1974 bis 31. Dezember 1989 höhere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung
von Jahresendprämien sowie im Zeitraum 1. April 1970 bis 31. Januar 1978, die jeweils als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung
der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt sind, in Form von Treueprämien festzustellen.
Der 1944 geborene Kläger ist berechtigt, aufgrund der Abschlussprüfung an der Ingenieurschule für Energiewirtschaft Z....
seit 15. Juli 1967 den Titel "Ingenieurökonom (Energie)" und nach der Prüfung an der Technischen Universität A.... seit 31.
August 1973 die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur" zu führen. Im streitigen Zeitraum ab April 1970 war er als Objekt-Ingenieur
für 110 KV-Anlagen, ab 15. Dezember 1972 als Gruppenleiter Rationalisierung und Plan-Wi-Technik und ab Januar 1976 bis zum
30. Juni 1990 als Ingenieur für Erzeugnisgruppenarbeit im Volkseigenen Betrieb (nachfolgend: VEB) Energiekombinat Ost tätig
(vgl. Eintragungen im Sozialversicherungsausweis Bl. 53 f. sowie Arbeitsverträge Bl. 35 ff. GA). Mit Feststellungsbescheid
vom 14. Januar 2004 (Bl. 19 Verwaltungsakte [VA]) stellte die Beklagte den Zeitraum 4. September 1967 bis 30. Juni 1990 als
Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nach Anlage 1 zum AAÜG mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 22. Dezember 2007 begehrte der Kläger die Berücksichtigung
weiterer Entgelte in Form von Jahresendprämien (Bl. 5 VA). Zum Nachweis legte er ein Schreiben der ENSO Strom AG vom 25. März
2008 vor, in dem ausgeführt wird, Jahresendprämien seien durch die Rechtsvorgänger der ENSO Strom AG bis einschließlich 1991
(davon 1990 und 1991 als Jahresgeld) jährlich gezahlt worden. Grundlage der individuellen Zahlung sei der Monatsverdienst,
errechnet aus dem durchschnittlichen Jahresverdienst, gewesen, wobei die Jahresendprämie zwischen 85 und 105% betragen habe.
Unterlagen zur individuellen Höhe würden nicht vorliegen. Des Weiteren hätten die Beschäftigten jährliche Treueprämien auf
der Grundlage der Rahmenkollektivverträge Bergbau und Energie, die zwischen dem Ministerium für Kohle und Energie und dem
Zentralvorstand der Industriegewerkschaft abgeschlossen worden seien, erhalten. Anspruchsvoraussetzung sei eine mindestens
zweijährige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit gewesen. Die letztmalige Zahlung sei im Juni 1992 für 1991 erfolgt. Weiterhin
legte der Kläger zwei Schreiben datiert auf den 22. April 1970 bzw. 13. März 1973 zur Zahlung von Treueprämien "für ununterbrochene
Beschäftigungsdauer der Intelligenz" in Höhe von 5 bzw. 8% ab dem 1. April 1970 bzw. 1. April 1973 vor (Bl. 14 f. VA). Die
Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 ab.
Der Zufluss von Jahresend- und Treueprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Das vorgelegte Schreiben der ENSO
Strom AG sei hierfür nicht ausreichend.
Mit seiner am 4. März 2010 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die
Beklagte hat u.a. Auszüge aus dem Rahmenkollektivvertrag Nr. 104/78 über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen
der volkseigenen Betriebe der Energiewirtschaft (RKV Energie) aus dem Jahr 1978 übersandt. Unter Ziffer 2. (Treueprämie) 2.1.
ist ausgeführt:
"Anspruch auf Treueprämie haben alle Arbeiter und Angestellten, soweit sie nicht Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer
gemäß den Rechtsvorschriften für die Angehörigen der technischen Intelligenz erhalten.
Angehörige der technischen Intelligenz, die bisher Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer erhielten und gemäß Ziff.
39 entlohnt werden, haben im zweiten Kalenderjahr nach Abschluß der Einführung des neuen Tarifs für Hochschul- und Fachschulkader
Anspruch auf Treueprämie."
Mit Urteil vom 13. September 2012 hat das Sozialgericht Dresden die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. Oktober
2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2010 verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 14. Januar 2004
abzuändern und einmalig gezahltes Arbeitsentgelt in Gestalt von Treueprämien in Höhe von 5%, bezogen auf den jeweiligen Jahresbruttolohn,
für den Zeitraum ab dem 1. April 1970 sowie in Höhe von 8%, bezogen auf den jeweiligen Jahresbruttolohn, für den Zeitraum
ab dem 1. April 1973 als glaubhaft gemachten Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen. Im Übrigen hat es
die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder den Zufluss noch die Höhe von Jahresendprämien nachweisen oder glaubhaft machen
können. Die Zahlung von Treueprämien habe er jedoch im tenorierten Umfang glaubhaft gemacht. Er habe durch Vorlage der Arbeitsverträge
und des Sozialversicherungsausweises den Nachweis erbracht, dass er seit dem 1. April 1970 ununterbrochen dem Geltungsbereich
des für die Gewährung der Treueprämie maßgebenden Rahmenkollektivvertrages unterfiel. Danach habe er Anspruch auf Zahlung
der im Rahmenkollektivvertrag bestimmten Treueprämie. Unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen
vom 22. April 1970 und 13. März 1973 über die Zahlung bzw. Erhöhung der Treueprämie sei glaubhaft gemacht, dass der Kläger
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt in Form von Treueprämien in Höhe von 5 bzw. 8% des jeweiligen Jahresbruttolohnes erhalten
habe. Dieser sei zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen.
Gegen das ihr am 12. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Oktober 2012 Berufung eingelegt und diese mit
Schreiben vom 30. Dezember 2014 insoweit beschränkt, als das Sozialgericht sie verurteilt hat, im Zeitraum 1. April 1970 bis
31. Dezember 1979 jährliche Zuschläge in Form von Treuegeld als weiteres Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Im Energiesektor
der DDR seien bis Ende der 70er Jahre keine jährlichen Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigung (Treueprämien) gezahlt
worden. Angehörige der technischen Intelligenz hätten vielmehr einen monatlichen Zuschlag von 5% des Gehaltes bei mindestens
zwei- bzw. von 8% bei mindestens fünfjähriger ununterbrochener Beschäftigungsdauer erhalten. Gemäß der "Vereinbarung über
die schrittweise leistungsabhängige Erhöhung der Gehälter von Hoch- und Fachschulkadern in den Betrieben, die Grundlöhne für
Produktionsarbeiter einführen" vom 7. September 1977 seien die Treueprämien Bestandteil des Grundgehaltes geworden. Dies spiegele
sich in der an den Kläger gerichteten Mitteilung über die leistungsabhängige Erhöhung der Grundgehälter vom 9. Januar 1978
wieder. Im Rahmenkollektivvertrag Nr. 104/78 habe auch die Treueprämie eine Neuregelung erfahren. Der Treueprämienanspruch
in Gestalt einer jährlichen Einmalzahlung sei - auch für den Kläger - ab dem Kalenderjahr 1980 entstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Dresden vom 13. September 2012 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als die Beklagte
verpflichtet wird, unter Abänderung des Bescheides vom 28. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar
2010 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 14. Januar 2004 Treueprämien vom 1. April 1970 bis 31. Dezember
1979 jeweils bezogen auf den Jahresbruttolohn als glaubhaft gemachten Teil des Verdienstes zu fünf Sechstel zu berücksichtigen
sowie
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 13. September 2012 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
28.. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2010 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides
vom 14. Januar 2004 zu verurteilen, Jahresendprämie für die Jahre 1974 bis 1989 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten
festzustellen.
Darüber hinaus beantragt die Beklagtenbevollmächtigte,
das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
Der Kläger hat am 12. November 2012 ebenfalls Berufung eingelegt, mit der er sich gegen die Nichtberücksichtigung von Jahresendprämien
wendet. Die Beklagte verfüge über Dokumente, aus denen sich die Höhe der gezahlten Jahresendprämien nachweisen lasse. Ein
Kollege im VEB habe gegenüber der Beklagten den Nachweis über die Zahlung von Jahresendprämien erbracht, weshalb die Zahlung
auch an ihn glaubhaft gemacht worden sei. Die technische Intelligenz habe nach zwei- bzw. fünfjähriger ununterbrochener Beschäftigungsdauer
einen Zuschlag von 5 bzw. 8% des monatlichen Grundgehaltes erhalten, der sich auch in den vorgelegten Arbeitsverträgen wieder
spiegele. Im Zeitraum April 1970 bis Januar 1978 sei eine Treueprämie in der vereinbarten Höhe gezahlt worden. Erst ab Februar
1978 sei dieser Zuschlag mit einer lohnpolitischen Maßnahme in einen festen Lohnzuschlag umgewandelt worden, was aus der Mitteilung
vom 9. Januar 1977 als Änderung des Arbeitsvertrages mitgeteilt worden sei. Die Aussage der Beklagten treffe deshalb erst
ab dem 1. Februar 1978 zu.
Das Gericht hat die ehemaligen Arbeitskollegen B.... und C.... zur Zahlung von Treueprämien im Zeitraum April 1970 bis Januar
1978 sowie von Jahresendprämien im Zeitraum April 1970 bis 1989 schriftlich befragt. Frau B.... gab an, sie sei von 1969 bis
1990 Arbeitskollegin des Klägers im VEB Energiekombinat A.... gewesen. Die Auszahlung von Treue- und Jahresendprämien sei
durch den Vorgesetzten stets in einem verschlossenen Umschlag, so auch an den Kläger, erfolgt, weshalb sie keine Kenntnis
über die Höhe der an den Kläger ausgezahlten Beträge habe. Herr C.... gab an, mit dem Kläger von 1975 bis 1996 als Kollege
im selben VEB gearbeitet zu haben. Die Jahresendprämie sei seiner Erinnerung nach in allen Jahren vom Leiter der Nichtöffentlichen
Wärmeversorgung (NÖWV) in einem Kuvert übergeben worden. Basiswert sei das Gehalt unter Berücksichtigung besonderer Leistungen
gewesen. Eine Anfrage des Gerichts beim Archiv der Stadtwerke A.... GmbH über die Auszahlung von Jahresendprämien blieb erfolglos.
Weiter hat das Gericht die Verfügung Nr. 6/75 vom 29. Juli 1975 zur Zahlung einer Treueprämie für Werktätige in der Energiewirtschaft
sowie die Verfügung Nr. 4/72 vom 29. Februar 1972 zur Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit beigezogen.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des
Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zu einem großen Teil begründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Urteil vom 1. Juli
2014 zu Unrecht abgewiesen, soweit der Kläger im tenorierten Umfang die Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung
gezahlter Jahresendprämien begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. Februar 2010 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung zusätzlicher Arbeitsentgelte
in Form von Treueprämien im noch streitigen Zeitraum 1. April 1970 bis 31. Januar 1978.
1.
Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung glaubhaft gemachter Jahresendprämienzahlungen
für die Jahre 1974 bis 1989.
Insoweit hat die Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X zu Unrecht abgelehnt. Denn die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X liegen vor. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 14. Januar 2004 ist dahingehend abzuändern,
dass für die Jahre 1974 bis 1989 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren
nach §
149 Abs.
5 des
Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996
- 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend
hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 14. Januar 2004 die Zeit vom 4. September 1967 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit
der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§
256a Abs.
2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von §
14 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R -, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 - juris Rn. 25 m.w.N.).
a)
Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich
um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte,
wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen
ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 - juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§
256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des
Bundessozialgerichts im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem
"aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen
unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall
mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen
der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv,
Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei
die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe
entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv.
Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch
für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben,
war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch"
auf Jahresendprämie, wenn
- die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart
war,
- der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte
und
- der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).
Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen
der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich,
dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher
Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen
Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also
tatsächlich gezahlt worden ist.
Nach §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist
neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des
Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft
gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile
vom 21. Juli 2015 - L 5 RS 668/14 -, vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 424/14 - und vom 28. April 2015 - L 5 RS 450/14 - sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 - L 33 R 151/13 - juris Rn. 38).
Der Kläger hat den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1974 bis 1989 (für die Beschäftigungsjahre 1973 bis 1988) zwar
nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht. Die Höhe der Jahresendprämien hat er weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Der Senat macht hierbei von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
b)
Der Zufluss der Jahresendprämien konnte nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht werden.
aa) Der Kläger verfügt nicht über Quittungen oder ähnliche Unterlagen, auf denen die Auszahlung der jeweiligen Prämie bestätigt
wurde. Insbesondere ist das vorgelegte Schreiben der ENSO Strom AG vom 25. März 2008 nicht geeignet, die Auszahlung von Jahresendprämien
gerade an den Kläger nachzuweisen. Darin wird die allgemeine Rechtslage in der DDR im Hinblick auf die Zahlung von Jahresendprämien
dargelegt, nicht jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestätigt, dass u.a. der Kläger sämtliche Anspruchsvoraussetzungen
erfüllt hat. Andere Nachweise in Form von Lohnunterlagen oder ähnlichen Materialien konnte der Kläger ebenfalls nicht vorlegen.
Schließlich blieb die Anfrage des Gerichts bei der Stadtwerke A.... GmbH erfolglos, weil dort keine Nachweise über Prämienzahlungen
vorhanden sind.
bb) Der Kläger konnte den Zufluss der Prämien jedoch glaubhaft machen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf
sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun
überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus
gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 9 ff - juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 - 12 RK 42/80 - BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 - juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 - juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit
des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es,
wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten
ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht
zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben
- Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit - reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen
zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 - juris Rn. 5). Ausgehend von diesen Maßstäben
hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien vorlagen und
er sie jeweils erhalten hat.
(a) Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 20. März 1968 in der Fassung der Änderungsverträge vom 7. Januar 1970, 5. Januar
1972, 14. März 1979, 1. Oktober 1979 und 23. Dezember 1983 (vgl. Bl. 31 ff. GA) sowie ausweislich den Eintragungen in seinem
Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis, Bl. 53 ff. GA) war der Kläger während der gesamten (Plan-)Jahre 1973 bis 1988 im VEB
beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt
war.
(b) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte,
im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie der Kläger und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien
in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.
Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen
Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung
abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen
Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR
auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung
von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich
zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung
und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972
- (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur-
und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2
der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe - Prämienfond-VO 1982 -
(BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2
Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren,
unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen
des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.
Für die (generelle) Zahlung von Jahresendprämien im VEB sprechen auch die Angaben der Rechtsnachfolgerin des VEB, der ENSO
AG. Danach seien Jahresendprämien durch die Rechtsvorgänger der ENSO AG, wozu auch der VEB gehörte, weil er laut Auskunft
der ENSO AG mit Wirkung vom 1. Juli 1990 gemäß dem Treuhandgesetz in die AG umgewandelt wurde, bis einschließlich für das
Jahr 1991 (davon 1990 und 1991 als sog. Jahresgeld) jährlich gezahlt worden. Grundlage der individuellen Zahlung sei der Monatsverdienst
der Mitarbeiter, errechnet aus dem durchschnittlichen Jahresverdienst, gewesen.
Aufgrund der schriftlichen Angaben der Zeugen B.... und C.... ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv,
dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung
2 AGB-DDR). Die Zeugen gaben übereinstimmend an, Jahresendprämien seien ihrer Erinnerung nach in jedem Jahr durch Übergabe
in einem verschlossenen Umschlag, auch an den Kläger, ausbezahlt worden. Insbesondere stimmen die Zeugenaussagen hinsichtlich
der Modalitäten der Zahlung dahin überein, dass die Beträge vom jeweiligen Vorgesetzten übergeben wurden, und zwar in einem
geschlossenen Umschlag. Die unabhängige Wiedergabe dieser Einzelheiten spricht ebenfalls für die Glaubhaftigkeit der Angaben.
c)
Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte der Kläger - da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang - nicht nachweisen.
Insoweit macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
aa) Weder den Erklärungen der Zeugen noch denen des Klägers selbst konnte die Höhe der Jahresendprämien entnommen werden.
Die Zeugen konnten hierzu keine konkreten Angaben machen. Sie bestätigten lediglich, dass die Prämien in verschlossenen Umschlägen
übergeben wurden. Auch aus den Angaben der ENSO AG ist keine konkrete Höhe der an den Kläger gezahlten Prämien ersichtlich.
Im Gegenteil wird damit die Leistung von individuellen Zahlungen an die jeweiligen Mitarbeiter bestätigt, wobei sie zwischen
85 und 105% der individuellen durchschnittlichen Monatsvergütung betragen habe. Auch besitzt der Kläger keinerlei Aufzeichnungen
zur Höhe der Jahresendprämien. Die von ihm eigens angefertigten Berechnungen auf der Grundlage der an einen Kollegen gezahlten
Prämien sind nicht geeignet, die konkrete Höhe der an ihn geleisteten Zahlungen nachzuweisen.
bb) Das Gericht macht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach §
202 SGG in Verbindung mit §§
287 Abs.
2 und Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 - L 5 RS 462/13 - und vom 12. Mai 2015 - L RS 382/14). Gemäß §
287 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes
Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen
Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig
ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung
des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es
sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit.
Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet.
Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen
Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold
in Thomas/Putzo,
Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage
für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl.
§ 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden
Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der jeweils im Planungsjahr erzielte durchschnittliche
Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 14. Januar 2004 ergibt. Diese
Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen
festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an
den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO
1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Dies entspricht
im vorliegenden Fall zudem den Angaben der ENSO AG, wonach sich die Höhe der Jahresendprämie am Monatsverdienst des jeweiligen
Mitarbeiters, errechnet aus dem durchschnittlichen Jahresverdienst, orientierte.
Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie
von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt
der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie
(nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR
bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden
oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter
nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung.
Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets
100 % oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer
Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil die Klägerin bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich
glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten,
wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.
Hieraus ergeben sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämien:
Anspruchsjahr
|
Jahresarbeits-verdienst in Mark
|
Monatsdurch-schnittsverdienst in Mark
|
70%
|
5/6
|
Zuflussjahr
|
1973
|
11.579,95
|
965
|
675,50
|
562,91
|
1974
|
1974
|
13.211,42
|
1.100,95
|
770,67
|
642,22
|
1975
|
1975
|
13.503,55
|
1.125,30
|
787,71
|
656,42
|
1976
|
1976
|
11.731,76
|
977,65
|
684,35
|
570,29
|
1977
|
1977
|
11.840,82
|
986,74
|
690,71
|
575,60
|
1978
|
1978
|
12.982,52
|
1.081,88
|
757,31
|
631,09
|
1979
|
1979
|
14.180,58
|
1.181,72
|
827,20
|
689,33
|
1980
|
1980
|
14.488,32
|
1.207,36
|
845,15
|
704,29
|
1981
|
1981
|
14.238,53
|
1.186,54
|
830,58
|
692,15
|
1982
|
1982
|
14.331,27
|
1.194,27
|
835,99
|
696,66
|
1983
|
1983
|
15.638,51
|
1.303,21
|
912,25
|
760,21
|
1984
|
1984
|
16.707,49
|
1.392,29
|
974,60
|
812,17
|
1985
|
1985
|
15.784,25
|
1.315,35
|
920,75
|
767,29
|
1986
|
1986
|
17.040,13
|
1.420,01
|
994,01
|
828,34
|
1987
|
1987
|
17.766,74
|
1.480,56
|
1.036,39
|
863,66
|
1988
|
1988
|
16.022,75
|
1.335,23
|
934,66
|
778,88
|
1989
|
Soweit der Kläger die Berücksichtigung höherer Jahresendprämien als 70% von 5/6 des durchschnittlichen Monatsbruttoverdienstes
geltend macht, ist die Berufung unbegründet, weil deren Höhe aus den oben genannten Gründen weder nachgewiesen noch glaubhaft
gemacht wurde.
2.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Berücksichtigung weiterer einmalig gezahlter
Arbeitsentgelte im noch streitigen Zeitraum 1. April 1970 bis 31. Januar 1978 zu.
Die Beklagte hat ihre Berufung mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 ausdrücklich auf den Zeitraum 1. April 1970 bis 31. Dezember
1979 beschränkt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 25. Januar 2015 klargestellt, das er noch Treueprämien für die Zeiträume
1. April 1970 bis 31. Januar 1978 sowie vom 1. Januar 1980 bis 30. Juni 1990 begehrt. Beschwert ist er aufgrund der Berufung
der Beklagten lediglich noch für den Zeitraum 1. April 1970 bis 31. Januar 1978, für den weiteren Zeitraum hat das Sozialgericht
rechtskräftig zugunsten des Klägers entschieden. Damit hat der Kläger seine Klage auf den noch streitigen Zeitraum 1. April
1970 bis 31. Januar 1978 beschränkt. Über den Zeitraum Februar 1978 bis Dezember 1979 war mithin nicht mehr zu entscheiden.
a)
Zwar dürfte es sich bei der geltend gemachten Treueprämie ebenfalls um Arbeitsentgelt im Sinne von §
14 SGB IV und damit im Sinne von § 6 Abs. 1 AAÜG handeln.
Bei den Zahlungen handelte es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung, wobei
es wiederum nicht darauf ankommt, ob dieser Verdienst nach DDR-Recht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist
(BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 - juris Rn. 21 ff.). Aus den vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen vom 22. April 1970 und 13.
März 1973 geht hervor, dass die Treueprämien in Form eines Zuschlags für die ununterbrochene Beschäftigungsdauer im VEB gezahlt
wurden, und zwar nach der weiterhin vorgelegten Änderung des Arbeitsvertrages vom 5. Januar 1973 zusätzlich zum (monatlichen)
Bruttolohn (Bl. 121 GA). Danach handelt es sich um Entgelt oder Einkommen, das dem Berechtigten "aufgrund" seiner Beschäftigung
im jeweiligen VEB "zugeflossen" ist, mithin um eine Gegenleistung für verrichtete Dienste bzw. erbrachte Arbeitsleistung.
b)
Allerdings ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass es sich hierbei um zusätzlich (einmalig) gezahltes Arbeitsentgelt
handelt, das über die bereits von der Beklagten festgestellten Arbeitsentgelte hinaus zugeflossen ist.
Bei dem vom Kläger geltend gemachten Zahlungen handelt es sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts gerade nicht um
Treueprämien, die aufgrund des Rahmenkollektivvertrages über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen im Industriezweig
Energie vom 9. Dezember 1964 in der Fassung des 9. Nachtrages vom 17. Mai 1973 (Bl. 16 GA) bzw. des RKV Energie aus dem Jahr
1978 (Bl. 17 ff. GA) gezahlt wurden und auf die die ENSO AG im Schreiben vom 25. März 2008 verweist. Zwar wird in Ziffer 7
des Rahmenkollektivvertrages vom 9. Dezember 1964 ausgeführt, dass für alle Werktätigen in den Betrieben und Einrichtungen
des Ministeriums für Kohle und Energie, die nach dem Rahmenkollektivvertrag entlohnt werden, jährlich ein einmaliger Treueanteil
gezahlt wird. Hierzu gehört grundsätzlich auch der Kläger, der im VEB Energiekombinat Ost beschäftigt war. Für die Einzelheiten
verweist der Kollektivvertrag auf die Verfügung Nr. 4/72 vom 29. Februar 1972 (zur Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit).
Darin ist vorgesehen, dass für Werktätige im Bereich des Ministeriums für Kohle und Energie, die nach dem Energietarif entlohnt
werden, die Jahresendprämie ab 1973 mit der Gewährung von Treueanteilen verbunden wird (Ziffer I.1.). Nach Ziffer II.6. sind
vom Erhalt der Treueanteile ausgenommen Werktätige, die bereits entsprechend der Fünften Durchführungsbestimmung zur Verordnung
zur Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Kultur des deutschen Volkes und zur weiteren Verbesserung der Arbeits-
und Lebensbedingungen der Intelligenz - Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer - vom 24. Januar 1956 (nachfolgend
5. DB, GBl. DDR Teil I Nr. 18 Bl. 163) Treueprämie erhalten. Diese Regelung findet sich wieder in der Verfügung Nr. 6/75 zur
Zahlung einer Treueprämie für Werktätige in der Energiewirtschaft vom 29. Juli 1975 sowie im RKV Energie aus dem Jahr 1978
(Bl. 17 ff. GA). In der Verfügung Nr. 6/75 wird unter Ziffer 3 ausgeführt, dass Anspruch auf Treueprämie alle Werktätigen
mit Ausnahme der Angehörigen der technischen Intelligenz haben, die bereits eine Treueprämie auf der Grundlage der 5. DB erhalten.
Eine entsprechende Regelung findet sich in Abschnitt V (Sonstige Regelungen), Unterabschnitt V.2 (Treueprämie) des RKV Energie,
in dem der Kreis der Berechtigten genauer umrissen wird. Auch danach haben Anspruch auf Treueprämie (nach dem Rahmenkollektivvertrag)
alle Arbeiter und Angestellte (nur), soweit sie nicht Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer gemäß den Rechtsvorschriften
der 5. DB erhalten.
Diese in beiden Rahmenkollektivverträgen enthaltene und auf den Verfügungen Nr. 4/72 vom 29. Februar 1972 bzw. Nr. 6/75 vom
29. Juli 1975 beruhende Ausschlussregelung ist auf den Kläger anwendbar. Denn ausweislich der an ihn gerichteten Bescheinigungen
vom 22. April 1970 bzw. 13. März 1973 beruhte die Zahlung der Treueprämie (allein) auf der 5. DB und deshalb gerade nicht
auf den Rahmenkollektivverträgen über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen in der Energiewirtschaft. In den Bescheinigungen
wird ausdrücklich Bezug genommen auf die 5. DB und erklärt, dass der namentlich benannte Kläger aufgrund der Erfüllung der
Wartezeit von zwei bzw. fünf Jahren Treueprämien in Höhe von 5 bzw. 8% erhält. Dies deckt sich mit der Beschäftigungsdauer
des Klägers im VEB Energieversorgung A...., die ausweislich der Eintragung im SV-Ausweis sowie des mit dem VEB geschlossenen
Arbeitsvertrages am 20. März 1968 begann und am 1. April 1970 zwei bzw. am 1. April 1973 fünf Jahre ununterbrochen andauerte.
Das Schreiben der ENSO AG vom 25. März 2008 bezieht sich hingegen ausdrücklich auf die Regelungen im Rahmenkollektivvertrag
und kann für den Kläger mithin nicht fruchtbar gemacht werden.
Es ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass es sich bei den an den Kläger gezahlten Treueprämien - wohl anders
als bei den nach den Rahmenkollektivverträgen gezahlten Prämien - um (bisher unberücksichtigt gebliebenes) einmalig gezahltes
Arbeitsentgelt handelt. Nach der 5. DB erhielten Angehörige der technischen Intelligenz bei mehrjähriger ununterbrochener
Beschäftigungsdauer im gleichen Betrieb einen Zuschlag zu ihrem Gehalt, und zwar in Höhe von 5% des monatlichen Grundgehaltes
bei mindestens zweijähriger bzw. in Höhe von 8% bei mindestens fünfjähriger ununterbrochener Beschäftigungsdauer im gleichen
Betrieb, § 1 Abs. 1 und 2 der 5. DB. Nach § 2 Buchstabe a der 5. DB durften die Zuschläge nur gezahlt werden an Angehörige
der technischen Intelligenz in volkseigenen Produktionsbetrieben, wozu der Kläger als Ingenieur zählte. Nach § 9 Abs. 4 der
5. DB erfolgte die Zahlung monatlich mit der Gehaltszahlung und unterlag - anders als einmalig gezahlte Prämien - der Lohnsteuer-
und Sozialversicherungspflicht. Danach erfolgte die Auszahlung dieser Treueprämie nicht einmal jährlich, sondern monatlich,
und zwar gleichzeitig mit der Gehaltszahlung. Zudem wurde die Prämie - anders als die jährlichen Einmalzahlung - auf der Grundlage
des monatlichen Gehaltes berechnet, § 9 Abs. 1 der 5. DB. Danach handelte es sich um einen zusätzlichen Teil des Gehaltes,
der regelmäßig monatlich in gesetzlich - und nicht individuell - festgelegter Höhe gezahlt wurde und damit gerade nicht um
eine jährliche Einmalzahlung, die gesondert geführt wurde.
Bestätigt wird die monatliche Zahlung der Treueprämie an den Kläger zudem durch den Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom
5. Januar 1973, worin neben dem monatlichen Bruttogehalt eine Treueprämie von 5% explizit ausgewiesen ist (Bl. 121 GA). Gemäß
der Vereinbarung über die schrittweise leistungsabhängige Erhöhung der Gehälter von Hoch- und Fachschulkadern in den Betrieben,
die Grundlöhne für Produktionsarbeiter einführen, vom 7. September 1977 (Bl. 97 ff. GA) wurden die "monatlichen Zuschläge
für ununterbrochene Beschäftigungsdauer" gemäß der 5. DB Bestandteil des Grundgehaltes, vgl. Ziffer 3.3 der Vereinbarung.
Dies wurde dem Kläger durch die Mitteilung über die leistungsabhängige Erhöhung des Grundgehaltes für Hoch- und Fachschulkader
vom 9. Januar 1978 (Bl. 40 GA) entsprechend mitgeteilt. Aus dieser Überführung in das Grundgehalt folgt nicht, dass es sich
zuvor um eine unberücksichtigt gebliebene (Einmal-)Zahlung gehandelt hat. Denn mit der Überführung der Treueprämie in das
Grundgehalt hat sich an deren Rechtsgrundlage, der 5. DB, die eine monatliche Zahlung, die zudem der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht
unterlag, vorsah, nichts geändert. Neu war lediglich, dass die Treueprämie nicht mehr "zusätzlich" zum Gehalt gezahlt wurde,
sondern "als" Gehalt. Eine jährliche Sonderzahlung wurde - dies geht u.a. hervor aus dem RKV Energie aus dem Jahr 1978 - erst
zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt. Ziffer 2.1. des RKV Energie regelt hierzu, dass Angehörige der technischen Intelligenz,
die bisher Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer erhielten, im zweiten Kalenderjahr nach Abschluss der Einführung
des neuen Tarifs für Hochschul- und Fachschulkader Anspruch auf Treueprämie haben.
Eine zusätzliche Zahlung im streitigen Zeitraum ist nach alldem zumindest nicht überwiegend wahrscheinlich, zumal dies auch
weder anhand der Entgeltbescheinigung (Bl. 51 GA) noch des Sozialversicherungsausweises (Bl. 52 ff. GA) im Einzelnen nachvollzogen
werden kann. Im Gegenteil sind die monatlichen Zahlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits in den bescheinigten und von
der Beklagten berücksichtigten Entgelten enthalten. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus den vom Kläger vorgelegten
Lohnabschnitten für die Monate Januar 1973 und August 1974. So ist beispielsweise für Januar 1973 ein steuerpflichtiger Bruttolohn
von 1.270,50 Mark aufgeführt. Das monatliche Bruttogehalt betrug laut Änderung des Arbeitsvertrages vom 5. Januar 1973 (Bl.
121) ab 15. Dezember 1972 1.100 Mark brutto zzgl. 5% Treueprämie, was insgesamt (1.155 Mark) jedenfalls einen Betrag unterhalb
von 1.270,50 Mark ergibt. Im August 1974 bezog der Kläger einen Bruttolohn von 1.188 Mark, was wiederum jedenfalls nicht unter
dem laut Arbeitsvertrag zu entrichtenden Bruttolohn zzgl. Treueprämie von insgesamt 1.155 Mark liegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.