Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Beitragsforderung im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Beitragsforderung
der Antragsgegnerin.
Mit Beitragsbescheid vom 8. August 2012 forderte die Antragsgegnerin im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1
SGB IV Beiträge einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 3.147,69 EUR für die Kalenderjahre 2007 bis 2010 nach. Grundlage
der Beitragsforderung waren Entgeltzuschläge für Nachtarbeit. Unter "Hinweise zur Verjährung" führte die Antragsgegnerin zur
Begründung aus, dass Sozialversicherungsbeiträge zwar grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem
sie fällig geworden seien, verjährten. Bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen erfolge die Verjährung jedoch erst in 30 Jahren.
Vorsatz liege bereits vor, wenn die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen worden sei. Ein solcher Sachverhalt
sei hier gegeben, da der Lohnsteuerhaftungsbescheid des Finanzamtes aus dem Jahre 2011 nur hinsichtlich der Steuernachforderungen
beachtet worden sei, eine Auswertung in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht jedoch nicht erfolgte. Hiergegen legte der
Antragsteller Widerspruch mit der Begründung ein, das Jahr 2007 sei bereits Gegenstand einer Betriebsprüfung gewesen, die
mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 abgeschlossen worden sei. Ohne Aufhebung dieses Bescheides dürften daher für 2007 keine
Beiträge nachgefordert werden. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2012 zurück
und führte ergänzend aus, frühere Betriebsprüfungen begründeten nach der Rechtsprechung des BSG keine Vertrauensgrundlage und Entlastung des Beitragsschuldners. Ein Schutz des Beitragsschuldners verbiete sich schon deshalb,
weil die Betriebsprüfung nicht umfassend und erschöpfend sein könne und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken
dürfe. Soweit das Bayerische LSG hierzu eine andere Rechtsauffassung vertrete, sei dem nicht zu folgen. Sie stehe im Widerspruch
zu der zitierten Rechtsprechung des BSG.
Der Antragsteller hat am 21. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs
gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2012 beantragt. Er wiederholt seinen Vortrag, dass die dreißigjährige Verjährung
mangels Vorsatzes nicht zur Anwendung komme. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 5. März 2013 den Antrag, ausgelegt als
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid und den Widerspruchsbescheid vom 14.
Dezember 2012, abgelehnt. Dem Antrag sei nicht stattzugeben, weil die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen sei, dass
mit Bekanntgabe des Lohnsteuerhaftungsbescheides des Finanzamtes P________ vom 31. Januar 2011 der Antragsteller bedingt vorsätzlich
von einer Beitragspflicht ausgegangen sei. Dass das Jahr 2007 bereits Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen sei,
sei unerheblich, wie das BSG in seinem Urteil vom 14. Juli 2004 (B 12 KR 1/04 R) entschieden habe. Das Vorliegen eines Härtefalls habe der Antragsteller von vornherein nicht im Ansatz glaubhaft gemacht.
Gegen den ihm am 6. März 2013 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde, eingegangen beim Sozialgericht Itzehoe
am 8. April 2013, einem Montag. Zur Begründung wiederholt der Antragsteller seinen bisherigen Vortrag, es bestünden ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2007. Von einem Vorsatz
mit Bekanntgabe des Lohnsteuerhaftungsbescheides des Finanzamtes P________ könne nicht ausgegangen werden. Er sei nämlich
von seinem Steuerberater dahingehend beraten worden, dass eine Nachforderung wegen der vorherigen Prüfung nicht möglich sei.
Außerdem könne, was das Protokoll des damaligen Prüfers zeige, nicht nur von einer stichprobenartigen Prüfung zum damaligen
Zeitpunkt ausgegangen werden. In dem Prüfbericht habe der Prüfer der Antragsgegnerin lediglich die fehlenden Aufzeichnungen
zu den Zuschlägen moniert und man habe sich auf eine pauschalierte Forderung geeinigt. Auf die Entscheidung des Bayerischen
LSG werde weiterhin hingewiesen. Die Antragsgegnerin erwidert, die Betriebsprüfung könne auf Stichproben beschränkt werden.
In diesem Zusammenhang habe das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p
SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung nicht verpflichtet seien.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
Die Aussetzung der Vollziehung soll nach der maßgebenden Vorschrift des §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung
für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Zwar richten sich diese Voraussetzungen an die Herstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Stelle, die den Verwaltungsakt
erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat. Sie finden jedoch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und
der Rechtsprechung des beschließenden Senats auch auf die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich Anwendung (vgl. etwa Beschluss
des Senats vom 27. März 2012 - L 5 KR 27/12 B ER).
Die von der Antragsgegnerin und dem Sozialgericht vertretene Auffassung hinsichtlich der Beendigung der vierjährigen Verjährung
durch Bekanntgabe des Lohnsteuerhaftungsbescheides und damit die Kenntnis von der Grundlage der späteren Beitragsnachforderung
entspricht der zitierten Rechtsprechung des BSG. Gleiches gilt hinsichtlich der Auswirkungen vorheriger Betriebsprüfungen. Dass dem Steuerberaters des Antragstellers diese
Rechtsprechung offensichtlich nicht bekannt war, stellt einen grundsätzlich unerheblichen Rechtsirrtum dar.
Letztlich werden diese Fragen einschließlich der Rechtzeitigkeit der Klage im Klageverfahren zu klären sein. Hinsichtlich
der von dem Antragsteller begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerspruchsbescheid und den
Beitragsbescheid der Antragsgegnerin fehlt es nämlich an der für eine solche Anordnung notwendigen Dringlichkeit einer gerichtlichen
Eilentscheidung.
Ebenso wie die einstweilige Anordnung hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht den Sinn, Rechtslagen (endgültig)
zu klären. Dazu dient das Hauptsacheverfahren auf Klage des Betroffenen hin. Einstweiliger Rechtsschutz dient vielmehr dazu,
durch eine vorgezogene Entscheidung einer aktuellen Notlage begegnen zu können bzw. Härten durch den Vollzug eines Verwaltungsaktes
im Bereich der Leistungsverweigerung zu mindern. Dies wird auch in §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG deutlich. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Notlage ist derjenige der aktuellen gerichtlichen Entscheidung
(vgl. Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2011 - L 5 KR 225/11 B ER -). Eine solche konkrete Notlage ist hier nicht gegeben. Auch wenn der Antragsteller mit seinem Antrag die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Beitragsforderung insgesamt beantragt, wendet sich seine Begründung allein
gegen die Beitragsforderung aus dem Jahr 2007. Diese Beitragsforderung umfasst lediglich einen Betrag von 1.377,97 EUR. Es
ist von dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt, auch nach den Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss,
nicht einmal im Ansatz glaubhaft gemacht worden, dass ein Härtefall gegeben sei, der eine von der gesetzlichen Regelung abweichende
aufschiebende Wirkung seiner Klage notwendig mache. Auch ergeben sich aus dem Akteninhalt keine Gründe für eine solche besondere
Härte. Vielmehr zeigt die Beitragsnachforderung in dem Bescheid vom 17. Dezember 2009 mit 59.419,91 EUR die relative Geringfügigkeit
der jetzigen Forderung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 197a Abs. 1
SGG, 154 Abs. 2
VwGO.
Ebenso wie das Sozialgericht nimmt der beschließende Senat bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der
Bemessung des Streitwertes einen Abschlag vor, und zwar regelmäßig im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung auf
ein Drittel des im Hauptsacheverfahren streitigen Betrages (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2012 - L 5 KR 27/12 B ER -). Auszugehen ist von der gesamten Beitragsforderung in Höhe von 3.147,69 EUR, da der Antragsteller die aufschiebende
Wirkung seiner Klage hinsichtlich der gesamten Beitragsforderung ohne Einschränkung begehrt. Ein Drittel dieses Betrages bestimmt
den Streitwert des Eilverfahrens, nämlich 1.049,00 EUR.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).