Vergütung beigeordneter Rechtsanwälte im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Anrechnung von Dritten geleisteter Zahlungen auf die Verfahrensgebühr und an die Berücksichtigung von
Synergieeffekten bei der Bewertung der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten wegen der Bewertung von Synergieeffekten bei mehrfacher Vertretung und wegen der Anrechnung für das
Widerspruchsverfahren erstatteter Rechtsanwaltskosten über die Höhe der der Erinnerungsführerin aus der Landeskasse zu zahlenden
Vergütung.
Die Erinnerungsführerin war den Klägern des Ausgangsverfahrens, einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern, die eine
Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bildeten, im Klageverfahren zum Az. S 9 AS 529/13 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Die Klage hatte die Erinnerungsführerin für die Kläger mit Schriftsatz
vom 1. Oktober 2013 erhoben. Gegenstand des Verfahrens war die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für die Heizung aufgrund
der Heizkostenabrechnung des Vermieters vom 18. April 2013 für das Abrechnungsjahr 2012. Außerdem war die Erinnerungsführerin
den Klägerinnen in weiteren Klageverfahren als Prozessbevollmächtigte beigeordnet, nämlich in den Verfahren S 9 AS 309/12 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Aufwendungen für die Heizung im Zeitraum März bis August 2012), S 9 AS 539/13 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Bedarfe für die Heizung im Zeitraum Mai bis August 2013) und S 9 AS 679/13 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Bedarfe für die Heizung im Zeitraum September 2013 bis Februar 2014).
Die Klage zum Az. S 9 AS 309/12 nahm die Erinnerungsführerin für die Kläger auf gerichtlichen Hinweis "wegen doppelter Rechtshängigkeit" zurück. In dem Verfahren
zum Az. S 9 AS 529/13 wurde ein schriftlicher Vergleich, in den verbleibenden zwei Verfahren in einem späteren Termin zur mündlichen Verhandlung
ein Vergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossen.
Im Verfahren zum Az. S 9 AS 529/13 beantragte die Erinnerungsführerin nach Abschluss des Verfahrens am 13. Oktober 2016 die Festsetzung ihrer Vergütung aus
der Landeskasse in Höhe von 1.273,30 EUR. Sie bestimmte die Verfahrensgebühr inklusive der Gebührenerhöhungen für zwei weitere
Auftraggeber in Höhe von 480,00 EUR (Mittelgebühr), eine Terminsgebühr (fiktiv) in Höhe von 270,00 EUR (90 Prozent der Mittelgebühr),
sowie eine Einigungsgebühr in Höhe von 300,00 EUR (Verfahrensgebühr ohne Gebührenerhöhungen) und berechnete zusätzlich die
Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Umsatzsteuer.
Mit Festsetzungsbeschluss vom 17. November 2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung zunächst antragsgemäß
fest. Nachdem die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 angezeigt hatte, dass der Beklagte des Ausgangsverfahrens
Kosten des Widerspruchsverfahren in Höhe von 96,15 EUR (20 Prozent der bestimmten Vergütung in Höhe von 480,76 EUR gemäß Kostenquote
aus dem gerichtlichen Vergleich) erstattet habe, änderte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Festsetzungsbeschluss vom
17. November 2016 mit Beschluss vom 22. Juni 2017 ab und setzte die Vergütung der Erinnerungsführerin auf 1.227,60 EUR neu
fest und rechnete dabei die gezahlte Geschäftsgebühr (netto 76,80 EUR) zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr an.
Gegen diesen Beschluss hat zunächst die Erinnerungsführerin am 27. Juni 2017 Erinnerung eingelegt und die hälftige Anrechnung
der gezahlten Geschäftsgebühr beanstandet. Sie hat geltend gemacht, dass die Anrechnung der Vorschrift des § 15a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) widerspreche. Sie dürfe beide Gebühren (Geschäfts- und Verfahrensgebühr) fordern, jedoch insgesamt nicht mehr als den um
den Anrechnungsbetrag (maximal 175,00 EUR) verminderten Betrag beider Gebühren. Im vorliegenden Falle ergebe sich ein Betrag
von 689,00 EUR, der bei Addition von 480,00 EUR Verfahrens- und 76,80 EUR Geschäftsgebühr noch nicht erreicht sei.
Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017 hat der Erinnerungsgegner ebenfalls Erinnerung eingelegt und beantragt, die anwaltliche
Vergütung auf 811,10 EUR festzusetzen. Er ist der Erinnerung der Erinnerungsführerin entgegengetreten und hat zusätzlich geltend
gemacht, dass die Verfahrensgebühr seitens der Erinnerungsführerin unbillig hoch bestimmt worden sei. Angesichts der Synergieeffekte
wegen der weiteren drei Klageverfahren, bei denen es auch um Kosten der Unterkunft für lediglich unterschiedliche Zeiträume
gegangen sei, seien Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit als unterdurchschnittlich zu bewerten. Es erscheine daher nur eine
Verfahrensgebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr gerechtfertigt.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2017 hat das Sozialgericht Schleswig den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom
17. November 2016 auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wiederhergestellt und die Erinnerung des Erinnerungsgegners zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorliegend nicht stattfinde.
Nach § 15a Abs. 1 RVG i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 4 Vergütungsverzeichnis (VV) in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (a.F.) könne der Rechtsanwalt eine oder beide
der genannten Gebühren in der Höhe ihrer Wahl geltend machen, solange der durch die vorgeschriebene Anrechnung bestimmte Maximalbetrag
nicht überschritten werde. Dies sei hier nicht der Fall. Im Übrigen sei auch die Bestimmung der Verfahrensgebühr nicht unbillig.
Es sei insgesamt von einem Durchschnittsfall auszugehen, auch wenn die Bedeutung der Angelegenheit unterdurchschnittlich gewesen
sei. Umfang und Schwierigkeit seien angesichts 15 gefertigter Schriftsätze - wenngleich teilweise kurz und redaktioneller
Art - insgesamt überdurchschnittlich gewesen. Wenn der Erinnerungsgegner im Hinblick auf die Kostenrechtsprechung des Senats
die Auffassung vertrete, in allen KdU-Verfahren der gleichen Bedarfsgemeinschaft die gleiche Wohnung betreffend seien von
vornherein Synergieeffekte zu berücksichtigen, schließe sich die Kammer dem angesichts der Vielfältigkeit der Fallgestaltungen
im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht an. Der vorliegende Gesamtfall sei von Einzelfallbesonderheiten in
den jeweiligen Klageverfahren geprägt gewesen, auch wenn die Aufwendungen für die Heizung das Generalthema gewesen seien.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe (Bl. 31 ff. der Akte) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 20. Dezember 2017 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsgegner am 22. Dezember 2017 Beschwerde erhoben.
Er hat zur Begründung im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Erinnerungsverfahren Bezug genommen. Die Frage der Anrechnung
werde von den Sozialgerichten im Land unterschiedlich beantwortet und habe deshalb grundsätzliche Bedeutung. In der Sache
sei der Auslegung des Sozialgerichts nicht zu folgen. Zwar liege die von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Forderung
unter dem ihr maximal zustehenden Betrag. Dies resultiere jedoch daraus, dass sie den von den Klägern geschuldeten Anteil
von diesen nicht gefordert habe. Dies führe im Ergebnis dazu, dass sowohl die Landeskasse als auch der Verfahrensgegner beschwert
sei, erstere durch die Nichtanrechnung und letzterer durch den höheren Forderungsübergang. Auch bei der Berücksichtigung von
Synergieeffekten stellten sich grundsätzlich bedeutsame Fragestellungen. So sei insbesondere zu klären, wie weit sich die
verschiedenen Klageverfahren, die ein Rechtsanwalt für eine Bedarfsgemeinschaft führe, ähneln müssten, damit ein Synergieeffekt
gebührenmindernd zum Tragen komme.
Er beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Dezember 2017 sowie die Festsetzungsbeschlüsse vom 17. November 2016 und
22. Juni 2016 zu ändern und die Vergütung der Erinnerungsführerin auf 811,10 EUR festzusetzen.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Ergänzend weist sie darauf hin, dass ihre Rechtsauffassung inzwischen durch den
zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG bestätigt werde. Der Gesetzgeber habe diese Änderung ausweislich der Gesetzesbegründung als klarstellend begriffen.
Beide Beteiligten haben zur Verteidigung ihrer jeweiligen Rechtsauffassung auf zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen
hingewiesen.
Dem Senat haben die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie die Gerichtsakten zu den Az. S 9 AS 309/12, S 9 AS 529/13, S 9 AS 539/13 und S 9 AS 679/13 vorgelegen. Auch diese Akten wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Die Beschwerde des Erinnerungsgegners hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert
des Beschwerdegegenstands für den Erinnerungsgegner 200,00 EUR übersteigt (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Sozialgericht den
ursprünglichen Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 17. November 2016 auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin
wiederhergestellt und die Erinnerung des Erinnerungsgegners zurückgewiesen. Das Gericht weist die Beschwerde nach eigener
Prüfung und Überzeugungsbildung aus den wesentlichen Gründen der angegriffenen Entscheidung zurück, soweit sich nicht aus
den folgenden Ausführungen anderes ergibt, und sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Gründe ab (§
142 Abs.
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz [SGG], § 1 Abs. 3 RVG).
Auch der Senat geht im Ergebnis davon aus, dass die Bestimmung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG a.F. durch die Erinnerungsführerin in Höhe der Mittelgebühr der Billigkeit entspricht. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt
die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem
Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Zumindest diese vier Kriterien sind bei der Überprüfung der anwaltlichen Bestimmung der Gebühr regelhaft zu berücksichtigen.
Vorliegend geht der Senat - anders als das Sozialgericht - nur von einem durchschnittlichen Umfang und einer durchschnittlichen
Schwierigkeit der Angelegenheit aus.
Dem Sozialgericht ist zwar im Ausgangspunkt beizupflichten, dass die Anzahl der Schriftsätze zunächst für einen überdurchschnittlichen
Umfang der Tätigkeit zu sprechen geeignet ist.
Es entspricht jedoch ständiger Senatsrechtsprechung, sowohl beim Umfang als auch bei der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Synergieeffekte zu berücksichtigen, die daraus resultieren, dass der Rechtsanwalt für denselben Auftraggeber in mehreren ähnlich
gelagerten Angelegenheiten tätig wird. So geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Parallelverfahren mit
den gleichen Beteiligten und weitgehend identischen Sach- und Rechtslagen, erhebliche Arbeitserleichterungen beinhalten (Schleswig-Holsteinisches
LSG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - L 5 SF 12/13 E - juris Rn. 22), und dass ein Synergieeffekt, der sich gebührenmindernd auswirkt, dann eintritt, wenn der Rechtsanwalt
in weiteren Verfahren der gleichen Beteiligten zum gleichen Streitstoff identisch vorgetragen hat (Schleswig-Holsteinisches
LSG, Beschluss vom 15. Februar 2018 - L 5 SF 271/17 B E - juris Rn. 12). Daran hält der Senat weiterhin fest. Ganz generell ist festzustellen, dass allein schon der Umstand,
dass der Rechtsanwalt denselben Mandanten schon einmal vertreten hat, zu Arbeitserleichterungen führen sollte: Der Rechtsanwalt
kennt bei Übernahme des neuen Mandats bereits die Rahmendaten des Mandanten, seine Lebensumstände, seine Persönlichkeit und
seine Befindlichkeiten und muss sich dieses Wissen nicht erst aneignen. Diese Arbeitserleichterungen wirken sich umso eher
aus, je ähnlicher die für den Auftraggeber erledigten Angelegenheiten sind und je mehr der Rechtsanwalt auf Arbeitsergebnisse
aus früheren Mandaten desselben Auftraggebers zurückgreifen kann.
Ob sich daraus ergebende Synergieeffekte indes auch gebührentechnisch auswirken, ist eine Frage, die kaum abstrakt und losgelöst
vom konkreten Einzelfall beantwortet werden kann. Eine rein schematische Betrachtung etwa dergestalt, dass in KdU-Verfahren
regelhaft beim Folgezeiträumen nur noch eine Gebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr verlangt werden könnte, lässt sich schon
angesichts der Notwendigkeit, grundsätzlich zumindest alle vier Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG in die Betrachtung einzubeziehen, nicht begründen.
Im vorliegenden Fall führen die Synergieeffekte dazu, den bei isolierter Betrachtung überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen
Tätigkeit unter Berücksichtigung der in den Parallelverfahren entfalteten Bemühungen als insgesamt lediglich durchschnittlich
zu bewerten. Denn die Erinnerungsführerin konnte wegen der durchaus bestehenden Variationen des Generalthemas Heizkosten zwar
nicht in vollem Umfang auf inhalts- und wortgleiche Schriftsätze aus Parallelverfahren zurückgreifen. Sie war aber in der
Lage, Arbeitsprozesse effizienter zu strukturieren, als dies bei Einzelverfahren möglich gewesen wäre, und hat diese Möglichkeiten
auch genutzt. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass jeweils unter bestimmten Daten Serien von Schriftsätzen in mehreren
der insgesamt vier Verfahren gefertigt wurden, so unter dem 1. Oktober 2013, 14. Oktober 2014, 27. November 2014, 16. Februar
2015, 26. Mai 2015, 23. Juli 2015, 3. August 2015, 7. September 2015 und 18. Juli 2016.
Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend durchschnittlich. Die Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten
und die der Bestimmung der Angemessenheit gehören zu den Standardproblemen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, weisen
aber durchaus tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten im Einzelfall auf, so dass für ein allgemein im Sozialrecht tätigen
Rechtsanwalt (zu diesem Maßstab vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, juris Rn. 35) tendenziell von einer leicht überdurchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen ist.
Dies gilt umso mehr, als es speziell in diesem Verfahren nicht um die Berücksichtigung des laufenden Bedarfs, sondern um die
Berücksichtigung einer Heizkostennachzahlung im Fälligkeitsmonat gegangen ist.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeber ist als insgesamt durchschnittlich bis allenfalls leicht überdurchschnittlich
anzusehen. Zwar geht die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Angelegenheiten, die Ansprüche auf existenzsichernde Leistungen
betreffen, tendenziell von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Sache aus (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, juris Rn. 37). Dies gilt jedoch nicht unumschränkt für jede Streitigkeit in Angelegenheiten der
Grundsicherung für Arbeitsuchende, sondern die Bedeutung ist auch hier unter Berücksichtigung der Einzelumstände zu ermitteln,
die Differenzierungen zulässt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019 - B 14 AS 48/18 R - SozR 4-1935 § 14 Nr 4, juris Rn. 23). Vorliegend ging es um die Berücksichtigung einer einmaligen Bedarfsspitze durch
eine Heizkostennachforderung in Höhe von 400,00 EUR. Bezieht man diesen Betrag auf den monatlichen Leistungsanspruch jedes
einzelnen Auftraggebers, errechnet sich ein Betrag im ein- bis unteren zweistelligen Bereich. Dies rechtfertigt auch bei existenzsichernden
Leistungen nicht die Annahme einer deutlich überdurchschnittlichen Bedeutung; die Bewertung als leicht überdurchschnittlich
erscheint bei vergleichender Betrachtung mit den den höchstrichterlichen Entscheidungen zugrundeliegenden Fällen allerdings
durchaus vertretbar.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, die das Sozialgericht in seine Bewertung nicht mit einbezogen
hat, die aber auch in Angelegenheiten, die existenzsichernde Leistungen betreffen, mit einzubeziehen sind, sind im vorliegenden
Fall deutlich unterdurchschnittlich. Die Kläger bezogen Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld; dabei wurde bei der Leistungsberechnung
außer dem Kindergeld für die Kläger zu 2. und 3. kein weiteres Einkommen berücksichtigt. Die Kläger verfügten insbesondere
nicht über Erwerbseinkommen, das das verfügbar Gesamteinkommen wegen der darauf gewähren Freiträge (§ 11b Abs. 2 und 3 SGB II) über das unmittelbar existenzsichernde Niveau gehoben hätte (vgl. § 3 Abs. 2 Regelbedarfsermittlungsgesetz [RBEG]).
Insgesamt entspricht bei Zugrundelegung zweier durchschnittlicher Kriterien, eines (leicht) überdurchschnittlichen und eines
(deutlich) unterdurchschnittlichen Kriteriums die Bestimmung der Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr zumal unter Berücksichtigung
des dem Rechtsanwalt eingeräumten Toleranzrahmens der Billigkeit. Dies gilt umso mehr, als die Erinnerungsführerin bei ihrer
Abrechnung im Verfahren zum Az. S 9 AS 309/12 die Gebühr mit Rücksicht auf die vermeintliche - aber tatsächlich nicht vorliegende (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45, juris Rn. 15) - doppelte Rechtshängigkeit selbst mit 400,00 EUR unterhalb der Mittelgebühr bestimmt
und damit gewisse Synergien bereits in einem Parallelverfahren berücksichtigt hat.
Zu Recht ist das Sozialgericht ferner davon ausgegangen, dass eine (anteilige) Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
vorliegend nicht in Betracht kommt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind. Zwar bestimmt Vorbem.
3 Abs. 4 VV RVG a.F., dass eine wegen desselben Gegenstands entstehende Geschäftsgebühr nach Teil 2 bis zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr
des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird, wobei der Anrechnungsbetrag bei Betragsrahmengebühren maximal 175,00 EUR beträgt.
Diese Regelung ist jedoch im Kontext mit der allgemeinen Anrechnungsvorschrift des § 15a Abs. 1 RVG zu verstehen, wonach der Rechtsanwalt, sofern das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, beide
Gebühren fordern kann, insgesamt jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
Rechtsfehlerfrei hat das Sozialgericht aus diesen Regelungen abgeleitet, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs.
4 VV RVG a.F. solange nicht zu einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr führt, wie tatsächlich auf die Geschäftsgebühr geleistete
Zahlungen den um den Anrechnungsbetrag bereinigten Betrag der entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG a.F. nicht übersteigen und der Rechtsanwalt sein Wahlrecht dahingehend ausübt, dass er die Verfahrensgebühr in voller Höhe
geltend machen wolle.
Daran gemessen scheidet vorliegend eine Anrechnung der Zahlung von netto 76,80 EUR, die die Erinnerungsführerin auf die in
Höhe von 384,00 EUR bestimmte Geschäftsgebühr (Schwellengebühr nach Nr. 2400 VV RVG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung zzgl. zwei Gebührenerhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG) erhalten hat, aus, weil der sich aus der geltend gemachten Verfahrensgebühr (480,00 EUR) und der auf die Geschäftsgebühr
erhaltenen Zahlung (76,80 EUR) ergebende Gesamtbetrag (556,80 EUR) unterhalb des sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Höchstbetrags (hier: 384,00 EUR + 480,00 EUR - 175,00 EUR = 689,00 EUR) bleibt.
Soweit bisher eine Anzahl von Obergerichten eine hälftige Anrechnung der auf die Geschäftsgebühr geleisteten Zahlungen generell,
also auch bei Unterschreitung des Höchstbetrags nach § 15a Abs. 1 RVG befürwortet hat (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Dezember 2018 - L 7 AS 4/17 B - juris Rn. 26; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - L 39 SF 41/18 B E - Rn. 32 ff.; LSG Thüringen, Beschluss vom 1. November 2018 - L 1 SF 1358/17 B - juris Rn. 16; wohl auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 26. Juli 2017 - L 8 AS 640/15 B KO - juris Rn. 22; a.A. aber Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - L 15 SF 133/15 - juris Rn. 49; vgl. auch Hessisches LSG, Beschluss vom 3. Februar 2015 - L 2 AS 605/14 B - juris Rn. 21), vermag sich der Senat dem schon unter bloßer Beachtung der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Rechtslage
nicht anzuschließen. Die tatsächliche Entgegenahme von Zahlungen auf die Geschäftsgebühr ist danach zwar eine notwendige (statt
vieler zuletzt LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - L 39 SF 41/18 B E - juris Rn. 29 m.w.N.; a.A. aber zuletzt noch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Januar 2020 -L 19 AS 773/19 B - juris Rn. 24), aber keine hinreichende Bedingung für die Anrechnung. Bereits die Regelung des § 58 Abs. 2 RVG a.F., wonach Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Beiordnung für seine Tätigkeit erhalten hat,
zunächst auf die Vergütungen anzurechnen sind, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht, deutet auf den gesetzgeberischen
Willen hin, dem Rechtsanwalt auch im Falle der der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe sein aus § 15a Abs. 1 RVG folgendes Wahlrecht zu erhalten (so auch Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Juni 2019 - L 2 AS 241/18 B - juris Rn. 36). Dagegen spricht auch nicht die Vorschrift des § 55 Abs. 5 Satz 3 und 4 RVG a.F., nach der der Rechtsanwalt bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr diese Zahlungen sowie den Betrag der Gebühr mit
dem Festsetzungsantrag anzugeben und nach Antragstellung zugeflossene Zahlungen unverzüglich anzuzeigen hat. Diese spricht
nicht für eine generelle (hälftige) Anrechnungspflicht geleisteter Zahlungen. Die Informationen benötigt der Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle vielmehr, um prüfen zu können, ob die Summe aus den auf die Geschäftsgebühr geleisteten Zahlung und der
mit dem Festsetzungsantrag geforderten Verfahrensgebühr den sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Maximalbetrag überschreitet (vgl. auch BT-Drucks. 19/23484 S. 81).
Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses streitet nunmehr zusätzlich auch noch die Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG in der seit 1. Januar 2021 geltenden Fassung des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3229). Ist danach eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch
gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch
eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr
als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde. Zwar gilt diese Vorschrift, die den bisherigen Meinungsstreit im Sinne der hier vertretenen
Auffassung für die Zukunft beenden dürfte, für den hier streitigen Anspruch noch nicht. Die Erinnerungsführerin weist in ihrem
Schriftsatz vom 4. Januar 2021 allerdings zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber der Einfügung des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG lediglich klarstellende Bedeutung beigemessen hat (BT-Drucks. 19/23484 S. 81).
Wegen der klarstellenden Regelung des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG kommt der Rechtssache inzwischen keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, so dass eine Übertragung auf den Senat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG) nicht angezeigt gewesen ist.
Auf die ggf. weiterhin streitige Frage, ob im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach § 55 RVG die Billigkeit der vom Rechtsanwalt bestimmten anzurechnenden Geschäftsgebühr überprüft und eine anteilige Anrechnung der
auf eine überhöhte, vom Dritten aber unbeanstandete Geschäftsgebühr geleisteten Zahlungen auch insoweit erfolgen kann, als
der Höchstbetrag des § 15a Abs. 1 RVG bei Zugrundelegung lediglich der angemessenen Geschäftsgebühr überschritten wäre (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 17.
Juni 2019 - L 2 AS 241/18 B - juris Rn. 39 f., das einen "abstrakten Gesamtbetrag gemäß § 15a Abs. 1 RVG" unter Berücksichtigung der "hälftigen angemessenen Geschäftsgebühr" bildet), kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Allerdings
wird der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle durch die ihm nach § 55 Abs. 5 Satz 3 und 4 RVG zu gewährenden Informationen schon tatsächlich nicht in die Lage versetzt, die Angemessenheit der bestimmten Geschäftsgebühr
überhaupt eigenständig prüfen zu können.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, §
177 SGG).