Grundsätzlich keine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache beim Eilrechtsschutz
Sozialhilfe als Eingliederungshilfe für bedürftige Behinderte
Übernahme der Kosten für eine Rollstuhlverladehilfe (Einzelfallentscheidung)
Gründe
Die am 6. März 2013 erhobene Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 6. Februar 2013
mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 6. Februar 2013 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, ihr - der Antragstellerin - eine einmalige Beihilfe für eine Rollstuhlverladehilfe zu bewilligen und
ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K____, O________, zu bewilligen,
hat keinen Erfolg.
In dem angegriffenen Beschluss hat das Sozialgericht die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend
aufgeführt und im Einzelnen dargestellt, dass die Antragstellerin weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht habe. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) insoweit auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.
Auch im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Vorwegnahme der Hauptsache geboten wäre.
Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll die endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich
nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz -
GG -), ist von diesem Grundsatz dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende
Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht
- BVerfG -, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -; Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -; Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Mai 2013 - L 9 AS 247/13 B ER -). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Sozialgericht darin zuzustimmen, dass die Antragstellerin
auf den Ausgang des Widerspruchs- bzw. ggfs. eines Klage- und Berufungsverfahrens verwiesen werden kann. Sie ist seit dem
Jahre 2011 im Besitz eines Leichtrollstuhls der Marke Sopur Helium. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für
öffentliches Gesundheitswesen E_________ vom 4. September 2012 nebst der ergänzenden Stellungnahme vom 12. September 2012
wurde eine Verladehilfe für den Rollstuhl befürwortet, sofern sie nur über einen üblichen schweren Rollstuhl verfüge. Das
Heben eines Leichtrollstuhls sei möglich, wenn dieser maximal 10 kg wiege. Laut Prospekt der Firma Sopur wiegen die Modelle
der Ausführung Helium 6,5 bis 9 kg (Gesamtgewicht) und 4,2 bis 5,6 kg (Transportgewicht). Bei dem Transportgewicht ist berücksichtigt,
dass die Leichtgewichträder für den einfachen Transport abgenommen werden können. Die Antragstellerin trägt vor, ihr Rollstuhl
wiege 11,4 kg. Insoweit ist nicht klar, ob es sich dabei um den Leichtrollstuhl handelt oder den normalen, schwergewichtigeren
Rollstuhl, über den die Antragstellerin ebenfalls verfügt. Sollte es sich dabei tatsächlich um den Leichtrollstuhl Sopur Helium
handeln, so ist die Erhöhung des Gewichts auf Umstände zurückzuführen, die die Antragstellerin selbst zu vertreten hat. Offenbar
hat sie durch zusätzliche Einrichtungen an dem Rollstuhl selbst das Gewicht erheblich erhöht. Das kann nicht zu Lasten des
Antragsgegners gehen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Räder abgenommen werden können. Die Antragstellerin selbst
hat nicht vorgetragen, welche Ausführung des Leichtrollstuhls sie hat. Selbst bei der Ausführung "Neutron" mit einem Gesamtgewicht
von 9 kg und einem Transportgewicht von 5,6 kg läge das Gewicht bei Abnahme der Räder inklusive der Zusatzeinrichtungen immer
noch unter 10 kg. Es ist der Antragstellerin zuzumuten, jedenfalls für eine Übergangszeit den Rollstuhl in Einzelteilen in
ihren Pkw zu heben. Dies ist ihr gewichtsmäßig möglich.
Im Übrigen hat die Antragstellerin - abgesehen von Zitaten von Grundrechtsartikeln (Art.
1,
2,
3 und
20 GG) sowie von Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Neuntes Buch (
SGB IX) - keine drohenden, unzumutbaren Beeinträchtigungen vorgetragen, die ihr gegenwärtig ohne Verladehilfe entstünden. Aus den
Verwaltungsvorgängen ist ersichtlich, dass sie diverse Ärzte in Hamburg und andernorts aufsucht und wiederholt an Aktionen
teilnimmt, um auf Beeinträchtigungen von Behinderten auch im öffentlichen Raum hinzuweisen. Sie kann also offenbar auch ohne
Verladehilfe Fahrten mit ihrem Pkw unternehmen.
Das Sozialgericht hat weiterhin zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin neben einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
und Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (
SGB XI), noch Pflegegeld nach § 64 SGB XII in Verbindung mit Art. 51 Pflegeversicherungsgesetz im Zuge der Besitzstandswahrungsgarantie, Hilfen zur Weiterführung des Haushalts von sieben Stunden
in der Woche und Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets erhält. Diese Hilfen können teilweise dazu eingesetzt
werden, vereinzelt Personen zu bitten, den Rollstuhl in den Pkw der Antragstellerin zu verbringen. Durch die Hilfe anderer
und/oder selbst ist die Antragstellerin gegenwärtig in der Lage, nicht nur Ärzte zu besuchen, sondern auch ihren Anspruch
auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wahrzunehmen. Bei einem Zuspruch der Kostenübernahme für die Verladehilfe und einem
entsprechenden Einbau in den Pkw der Antragstellerin wäre die Vorwegnahme der Hauptsache erfüllt ohne die Möglichkeit, das
wieder rückgängig zu machen. In Anbetracht der hohen Kosten (7.439,88 EUR bzw. 8.911,91 EUR) kann der Antragsgegner hierzu
im Rahmen der einstweiligen Anordnung nicht verpflichtet werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kann nicht bewilligt werden, denn die dafür erforderlichen Erfolgsaussichten
in der Hauptsache gemäß §
73a SGG in Verbindung mit §
114 Zivilprozessordnung sind - wie aus diesem Beschluss ersichtlich - nicht gegeben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).