Gesetzliche Unfallversicherung
Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Leistung
Nichterbringung einer Leistung
Rechtswidrige Leistungsablehnung
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet.
Nach §
73a des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in Verbindung mit §
114 der Zivilprozessord-nung (
ZPO), erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (Abs. 1 Satz 1).
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf
Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage 2017, §
73a Rn. 7a). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlich-keit
für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte,
ist der Antrag auf Gewährung von PKH abzulehnen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R; BVerfG, Beschluss vom 24. April 2012 - 1 BvR 2869/11, beide nach Juris).
Nach dem sich aus der Gerichts- und Behördenakte sowie dem Vortrag der Beschwerdeführe-rin ergebenden Sachstand ist bei summarischer
Überprüfung ein Klageerfolg im Verfahren der ersten Instanz derzeit nicht ausgeschlossen, sondern erfordert weitere Ermittlungen
des Sozialgerichts. Eine Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation findet allein
unter den Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) statt; diese Vorschrift ist in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar, da hier eine Regelungslücke hinsichtlich
der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2014 - B 2 U 21/12 R - BSGE 115, 247-256, Juris, Rn. 14 f.). Ob ein solcher Anspruch auf Übernahme der Kosten für die im Zeitraum vom 5. bis 18. September 2017
durchgeführte EAP-Maßnahme analog §
13 Abs.
3 SGB V besteht, ist zur Zeit offen.
Der tragende Grund für die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht, nämlich die fehlende Zulassung der von
der Beschwerdeführerin zwecks Durchführung einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) aufgesuchten H.M. Klinik in B.L.,
rechtfertigt die Verneinung eines Erfolgs der Klage nicht. Die Beklagte hat selbst in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2019
eingeräumt, dass die M.H.M. Klinik B.L nicht nur die Voraussetzungen für die berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung
(BGSW) sondern auch für die Vornahme einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) erfüllt. Dass nur qualifizierte Einrichtungen
eine EAP durchführen sollen beruht auf §
26 Abs.
5 S. 1
SGB VII, wonach die Unfallversicherungsträger im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens die Einrichtungen bestimmen können, die bestimmte
Behandlungen durchführen. Aus den mit einer EAP verfolgten Zielen (= danach ist EAP eine im Rahmen der Reha über Physiotherapie/Krankengymnastik,
Massage und Elektrotherapie hinausgehende Maßnahme, die der "Funktionswiederherstellung oder Funktionsverbesserung nach Unfallverletzungen
mit Störungen ganzer Funktionsketten oder nach Berufskrankheiten" dient) ergibt sich, dass diese nicht von jedem in der Gesetzlichen
Krankenversicherung zu konventioneller Heilmittelversorgung zugelassenen physiotherapeutischen Leistungserbringer erbracht
werden kann, sondern eine Beschränkung auf die Erbringung in besonders geeigneten Reha-Zentren, die spezielle, von den UV-Trägern
vorgegebene personelle, apparative und räumliche Anforderungen erfüllen, angezeigt ist. Ist eine Einrichtung allerdings fachlich
qualifiziert, eine BGSW durchzuführen, sind grundsätzlich keine Gesichtspunkte erkennbar, die es ermöglichen würden, im Rahmen
der zu treffenden Ermessensentscheidung, dieser Einrichtung die Qualifikation zur Durchführung einer EAP abzusprechen. Denn
entscheidender Unterschied zwischen beiden Maßnahmen ist nur, dass letztere ambulant durchgeführt wird.
Eine Erstattung der der Beschwerdeführerin durch die M. Klinik in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 846,40 EUR kommt
daher nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des analog anzuwendenden §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V erfüllt sind. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie in anderen Sozialversicherungsbereichen das Sachleistungsprinzip,
d.h. der Unfallversicherungsträger hat die zur Heilbehandlung bzw. beruflichen Wiedereingliederung erforderlichen Maßnahmen
grundsätzlich als Sachleistung bzw. Naturalleistung zu gewähren; ein unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Unfallversicherungsträger
für eine selbst beschaffte Leistung ist i.d.R. nicht gegeben. Das Sachleistungsprinzip für die Leistungen der gesetzlichen
Unfallversicherung zur Heilbehandlung und Rehabilitation wurde eigens in §
26 Abs.
4 Satz 2
SGB VII normiert. Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn dies im
SGB VII ausdrücklich vorgesehen ist. Eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften
Leistung kann daher nur erfolgen, wenn der Unfallversicherungsträger (1.) eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig
erbringen konnte oder wenn er (2.) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zusätzlich muss ein Kausalzusammenhang zwischen
dem die Haftung begründenden Umstand (bei der Alternative 1.: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2.: rechtswidrige
Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) bestehen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom
30. Januar 2017 - L 1 U 120/16, Juris). Es kommt daher entscheidend darauf an, ob nach §
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII eine medizinische Indikation für eine solche Therapiemaßnahme gegeben war.
Hierfür gilt grundsätzlich, dass der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln den durch den Versicherungsfall
verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern
hat (§
26 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII). In diesem Rahmen haben Versicherte gemäß den §§
26 Abs.
1,
27 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII Anspruch auf Heilbehandlung, hinsichtlich deren Art, Umfang und Durchführung dem Unfallversicherungsträger gemäß §
26 Abs.
5 SGB VII im Einzelfall ein pflichtgemäßes Auswahlermessen eingeräumt ist. Nach dem vorhandenen medizinischen Befunden und Gutachten
kann ein solcher Anspruch jedenfalls offensichtlich nicht ausgeschlossen werden. Gegebenenfalls sind weitere Ermittlungen
durch das Sozialgericht unter Umständen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Formale Gründe, die
einem Kostenerstattungsbegehren entgegenstehen könnten, sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin
hatte vorher einen Antrag bei der Beklagten gestellt, und diese hatte mit Bescheid vom 4. September 2017 einen entsprechenden
Antrag abgelehnt.
Der Beschluss ist nach §
177 SGG unanfechtbar.