Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; sachlicher Zusammenhang bei der Freistellung für
das Sporttraining für Spitzensportler
Gründe:
I
Umstritten ist insbesondere die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die im Jahre 1961 geborene Klägerin ist Steuerfachgehilfin. In den Jahren 1979 bis 1994 war sie Mitglied im Polizeisportverein
B. (PSV), von dem sie keine finanziellen Zuwendungen erhielt und der kein Direktionsrecht ihr gegenüber ausübte. Vom Jahr
1980 bis Ende des Jahres 1995 war sie eine international erfolgreiche Kaderathletin des Deutschen Judobundes (DJB) und Mitglied
der Nationalmannschaft. Vom 1. August 1987 bis zum 31. März 1991 war die Klägerin bei der V AG in W. als Steuer- und Zollsachbearbeiterin
beschäftigt. Sie hatte sich aufgrund einer Empfehlung des Judo-Bundestrainers bei der V AG beworben und war wegen ihrer leistungssportlichen
Betätigung auf einer Planstelle der Sportförderung des Unternehmens eingestellt worden. Ihre Kaderzugehörigkeit und die Befürwortung
durch den Olympiastützpunkt Hannover/Wolfsburg des DJB waren eine Einstellungsvoraussetzung für die V AG gewesen. Zur Hälfte
ihrer regulären Arbeitszeit von 37 Std pro Woche war sie für die Ausübung von Sport und Teilnahme am Training unter Fortzahlung
des vollen Arbeitsentgeltes von ihrer Bürotätigkeit freigestellt. Sie trainierte täglich vier Stunden. Am 27. September 1990
zog sie sich beim Judotraining im Olympiastützpunkt eine Verletzung des linken Kniegelenkes zu.
Seit dem 1. April 1991 ist die Klägerin in einem Steuerberatungsbüro beschäftigt, von dem sie ebenfalls zur Sportausübung
freigestellt wird. Am 28. Juli 1995 erlitt sie bei einem Judotraining eine Verletzung des rechten Knies, die von der beklagten
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, dem für das Steuerberatungsbüro zuständigen Unfallversicherungsträger, als Arbeitsunfall
anerkannt wurde und zur vorübergehenden Gewährung einer Verletztenrente führte. Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens machte
die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 29. Oktober 1997 den früheren Sportunfall vom 27. September 1990 als weiteren Versicherungsfall
geltend.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Unfalls als Arbeitsunfall, für den sie zuständig sei, ab, weil die Klägerin in
keinem Beschäftigungsverhältnis zum PSV oder dem DJB gestanden habe (Bescheid vom 9. November 2000, Widerspruchsbescheid vom
14. November 2001).
Das angerufene Sozialgericht Braunschweig (SG) hat die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, als zuständigen Unfallversicherungsträger
für die V AG beigeladen und diese verpflichtet, den Unfall der Klägerin am 27. September 1990 als Arbeitsunfall anzuerkennen,
bestimmte Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen festzustellen sowie der Klägerin eine Verletztenrente zu gewähren, weil der
Unfall sich in Ausübung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber der V AG ereignet habe (Urteil vom 14. Juli 2005).
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beigeladenen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. November 2007). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Versicherungsschutz
durch die Beigeladene scheide aus, weil das Judotraining, bei dem sich der Unfall ereignet habe, nicht im sachlichen Zusammenhang
mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit der Klägerin als Steuer- und Zollsachbearbeiterin bei der V AG gestanden habe.
Unfallversicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt "Betriebssport" komme unstreitig nicht in Betracht. Die Handlungstendenz
der Klägerin zum Unfallzeitpunkt sei auf ihre persönlichen Interessen (Erzielung von Höchstleistungen im Judosport, Siege
bei Wettkämpfen) und nicht auf eine ihrer Arbeitgeberin dienenden Tätigkeit gerichtet gewesen. Hieran ändere auch die Freistellung
unter Fortzahlung des vollen Entgelts seitens der V AG nichts. Selbst wenn von den sich aus den Angaben der Klägerin und der
Auskunft von der V AG ergebenden mündlichen Nebenabreden zum schriftlichen Arbeitsvertrag ausgegangen werde, führe dies nicht
dazu, dass die Sportausübung der Klägerin als Teil ihrer versicherten Tätigkeit bei der V AG anzusehen sei. Es habe keine
vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Ausübung des Hochleistungssports bestanden. Wenn sie diesen nicht mehr hätte ausüben
wollen, hätte sie ihre eigentliche versicherte Beschäftigung im vollen Umfang verrichten oder den Arbeitgeber wechseln müssen.
Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der V AG sei nicht mit dem Vertrag eines Profifußballspielers mit seinem Verein
vergleichbar. Es fehle das wesentliche Kriterium - Verfolgung wirtschaftlicher Interessen von Seiten des Vereins und des Spielers,
in dem der wirtschaftliche Erfolg der sportlichen Leistung unmittelbar dem Verein und durch teilweise Weitergabe mittelbar
dem Sportler zugute komme (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 18. März 2003 - B 2 U 25/02 R -). Die V AG habe mit der Freistellung der Klägerin unter Fortzahlung des Entgelts im Rahmen seines allgemeinen Sportförderungsprogramms
gehandelt, ohne hierbei gezielte wirtschaftliche oder sonstige betriebsdienliche Zwecke zu verfolgen. Das Sportförderungsprogramm
sei Bestandteil eines Marketingkonzepts und Teil eines "Mäzenatentums" zur Förderung ganz unterschiedlicher Projekte und Initiativen
in Kultur und Sport gewesen. Die Förderung der Klägerin habe keinem konkreten messbaren Werbezweck für das Unternehmen gedient.
Es sei nicht beabsichtigt gewesen, die V AG vermittels der Klägerin publik zu machen. Der Hilfsantrag auf Verurteilung der
Beklagten habe keinen Erfolg, weil die Klägerin gegenüber dem DJB und dem PSV nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden
habe und von diesen auch kein Entgelt, sondern nur eine Aufwandsentschädigung bezogen habe.
Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere
des § 548 iVm § 539 Abs 1 Nr 1
Reichsversicherungsordnung (
RVO). Der Unfall sei ein Arbeitsunfall gewesen, für den die Beigeladene zuständig sei. Die Tätigkeit als Steuer- und Zollsachbearbeiterin
habe sie nur nebenbei ausgeübt, im Vordergrund habe die Ausübung des Leistungssports für und bei dem Unternehmen gestanden.
Sie sei arbeitsvertraglich zur Trainingsteilnahme verpflichtet gewesen. Sie habe auch kein Entgelt als Steuer- und Zollsachbearbeiterin
nach der Stufe 11, sondern nur nach der niedrigeren Stufe 08 erhalten. Entgegen den Feststellungen des LSG habe die V AG hinsichtlich
Zeitpunkt, Umfang, Art und Dauer des Trainings ein Weisungs- bzw Direktionsrecht ihr gegenüber gehabt. Dies sei durch deren
Leiter der Sportförderung, dem Zeugen N., ausgeübt worden. Dieser habe in Absprache mit dem Judotrainer, dem Zeugen F., Trainingszeiten,
Umfang und Trainingsort bestimmt. Aus dem vom LSG festgestellten Marketingkonzept des Unternehmens, sein Markenimage durch
die Verbindung mit dem Ansehen der geförderten olympischen Sportarten zu heben, folge auch, dass die Sportförderung nicht
aus altruistischen Motiven erfolgt sei, sondern um die eigenen Produkte gewinnbringend abzusetzen. Sie - die Klägerin - sei
als Hochleistungssportlerin und regionale Imageträgerin Teil einer spezifischen öffentlichkeitswirksamen Werbemaßnahme gewesen.
Das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es ihren Beweisanträgen
im Schriftsatz vom 4. April 2008 nicht nachgekommen sei. Durch die Vernehmung der genannten Zeugen hätten die vom LSG als
ausschlaggebend angesehenen Fragen, ob das Unternehmen ein Weisungsrecht hinsichtlich des Trainings gehabt habe und ob sie
vertraglich zur Ausübung des Hochleistungssportes verpflichtet gewesen sei, geklärt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. November 2007 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen
gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 14. Juli 2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende
Entscheidung über die von der Klägerin begehrten Feststellungen, dass ihr Unfall am 27. September 1990 ein Arbeitsunfall ist
und bestimmte Gesundheitsstörungen Folgen dieses Arbeitsunfalls sind, und die Gewährung einer Verletztenrente nicht aus.
Vorliegend sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden §§ 537 ff
RVO und nicht das ab dem 1. Januar 1997 geltende Siebte Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII) anzuwenden, weil die Anerkennung eines Unfall am 27. September 1990 als Arbeitsunfall geltend gemacht wird (vgl nur §§
212 ff
SGB VII).
Rechtsgrundlage für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist § 548 Abs 1
RVO, der im Wesentlichen dem heutigen §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII entspricht. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der
versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten,
von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen
Gesundheits (-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von
länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits-(-erst-) schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung
für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern insbesondere für die Gewährung einer Verletztenrente (vgl nur BSG vom 9. Mai
2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; jeweils RdNr 10 mwN).
Dass die Klägerin am 27. September 1990 beim Judotraining im Olympiastützpunkt Hannover/Wolfsburg des DJB einen Unfall, der
zu einer Verletzung ihres linken Kniegelenkes führte, erlitten hat, ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, gegen die
insofern von keinem Beteiligten Rügen erhoben wurden. Aus diesen Feststellungen ergibt sich ebenfalls, dass die Klägerin zu
dieser Zeit in einem Beschäftigungsverhältnis bei der V AG stand, für das der beigeladene Unfallversicherungsträger zuständig
ist, sodass entsprechend dem Vorbringen der Klägerin ein Versicherungsschutz nach §§ 548, 539 Abs 1 Nr 1
RVO in Betracht kommt.
Für einen Versicherungsschutz nach einer anderen Vorschrift des § 539
RVO oder aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses zum PSV oder DJB mangelt es an entsprechenden Feststellungen des LSG, von
Seiten der Beteiligten wurden insofern auch keine Rügen erhoben. Über die aufgezeigten Voraussetzungen für die Feststellung,
ob der Unfall der Klägerin am 27. September 1990 ein Arbeitsunfall im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der V AG
ist, kann aber vom Senat aufgrund der derzeitigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden.
Das LSG seinerseits hat den für die Bejahung eines Arbeitsunfalls notwendigen sachlichen Zusammenhang zwischen diesem Beschäftigungsverhältnis
bei der V AG und dem zur Zeit des Unfalls ausgeübten Judotraining verneint. Diese Beurteilung des LSG hält zwar einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand, an den für eine Entscheidung seitens des Senats notwendigen tatsächlichen Grundlagen mangelt es jedoch.
Für die Beurteilung, ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten
Tätigkeit steht, ist entscheidend, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
reicht (vgl zuletzt nur BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14 jeweils RdNr 6 mwN). Bei den nach § 539 Abs 1 Nr 1
RVO (bzw heute §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII) versicherten Beschäftigten ist dabei maßgebend, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit
ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl nur BSG vom
10. Oktober 2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19, RdNr 14 mwN). Handelt der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden
Verpflichtung, ist dies unmittelbar zu bejahen. Bei gesetzlich (vgl § 550
RVO, heute §
8 Abs
2 SGB VII) oder aufgrund der Rechtsprechung anerkannten Erweiterungen des Versicherungsschutzes zB auf Dienstreisen (vgl BSG vom 19.
August 2003 - B 2 U 43/02 R - SozR 4-2200 § 550 Nr 1), bei Betriebssport (grundlegend: BSGE 16, 1 ff; BSG vom 13. Dezember 2005 - B 2 U 29/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 16), bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen (so schon BSGE 1, 179, 181 ff; zuletzt BSG vom 7. Dezember 2004 - B 2 U 47/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 11) sind weitere Feststellungen notwendig.
Feststellungen des LSG oder Rügen der Beteiligten, die auf einen Versicherungsschutz der Klägerin zur Zeit ihres Unfalls aufgrund
einer solchen Erweiterung des Versicherungsschutzes hinweisen, sind nicht gegeben. Insbesondere scheidet ein Unfall während
eines versicherten Betriebssports aus.
Ob das Judotraining zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Klägerin gehörte oder nicht, kann den Feststellungen des LSG
nicht entnommen werden. Das LSG hat einerseits ausgeführt, wenn auch von den sich aus den Angaben der Klägerin und der Auskunft
der Arbeitgeberin ergebenden mündlichen Nebenabreden zum schriftlichen Arbeitsvertrag ausgegangen werde, führe dies nicht
dazu, den Sport als Teil der versicherten Tätigkeit der Klägerin in dem Unternehmen anzusehen (LSG Urteil S 10). Als solche
Angaben hat das LSG festgestellt, der Leiter der Sportförderung von der V AG habe die Teilnahme am Sporttraining überwacht.
Trainingszeiten, Umfang und Trainingsort seien von der Sportförderung in Abstimmung mit dem Judotrainer des DJB vorgegeben
worden, insofern habe ein Weisungsrecht des Leiters der Sportförderung bestanden und die Klägerin habe sich auch aus arbeitsvertraglicher
Sicht nicht weigern können, am Training teilzunehmen (LSG Urteil S 8). Andererseits hat das LSG ausgeführt, bei der Ausgestaltung
des Judotrainings hinsichtlich Zeitpunkt, Umfang, Art und Dauer habe die V AG kein Weisungs- oder Direktionsrecht gehabt.
Der Umstand, dass der Leiter der Sportförderung der V AG die Teilnahme der Klägerin an den Trainingseinheiten kontrolliert
habe, stelle kein Weisungsrecht dar, sondern habe nur der Kontrolle gedient, ob die Klägerin überhaupt trainiert habe (LSG
Urteil S 10). Es habe keine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Ausübung des Hochleistungssports bestanden, wenn sie
dies nicht mehr hätte ausüben wollen, hätte sie ihre eigentliche versicherte Tätigkeit in vollem Umfang verrichten oder den
Arbeitgeber wechseln müssen (LSG Urteil S 11). Zwischen den sich aus den vom LSG festgestellten Angaben der Klägerin und der
Auskunft des Unternehmens und den anderen Feststellungen des LSG ergeben sich Widersprüche hinsichtlich der Folgen einer Weigerung
der Klägerin zu trainieren und eines möglichen Weisungsrechts des Leiters der Sportförderung der V AG ihr gegenüber.
Von daher greift die von der Klägerin erhobene, auf §
103 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gestützte Aufklärungsrüge durch, das LSG habe entgegen ihren Beweisanträgen im Schriftsatz vom 4. April 2006 zum Beweis
der Tatsachen, dass sie arbeitsvertraglich zur Teilnahme am Judotraining verpflichtet gewesen sei, dass die V AG ein Weisungsrecht
hinsichtlich Ort, Art, Dauer ihrer sportlichen Betätigung gehabt habe, dass sie sich arbeitsvertraglich nicht hätte weigern
können, am Training teilzunehmen, die namentlich benannten Zeugen nicht vernommen. Hätte das LSG die Zeugen vernommen, hätte
festgestellt werden können, ob ein Weisungsrecht und damit der erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen ihrer arbeitsvertraglich
geschuldeten Tätigkeit bei dem Unternehmen und ihrem Training bestand.
Da der Senat die notwendigen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG).
Dabei wird vom LSG zu beachten sein (vgl auch BSG vom 18. März 2003 - B 2 U 25/02 R - RdNr 27): Ausgangspunkt zur Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs der vom Versicherten zur Zeit des Unfalls ausgeübten
Verrichtung mit seiner grundsätzlich versicherten Tätigkeit ist bei einem Beschäftigten nach § 539 Abs 1 Nr 1
RVO (heute §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII), wie der Klägerin, das dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegende Arbeitsverhältnis (vgl §
7 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag, auf dem es
beruht. Da ein Arbeitsvertrag grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden kann, kann sein Inhalt sich auch aus mündlichen
Abreden ergeben. Maßgeblich für die Beurteilung, ob das zum Unfall führende Judotraining der Klägerin Teil ihrer arbeitsvertraglichen
Pflichten war, also für den Umfang des Beschäftigungsverhältnisses, sind dieselben Anhaltspunkte wie für die Beurteilung,
ob überhaupt ein Beschäftigungsverhältnis iS des §
7 Abs
1 SGB IV vorliegt: eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens.
Gegenstand eines Arbeitsvertrages kann auch die Ausübung von Sport sein (vgl schon BSGE 16, 98), zumal sehr verschiedene Arbeiten Gegenstand eines Arbeitsvertrages sein können, einschließlich einer Tätigkeit als "Werbeträger".
Dass der Beschäftigte sich bei Wahrnehmung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag auch selbst verwirklicht oder diese Selbstverwirklichung
sogar für ihn persönlich ggf im Vordergrund steht, schließt ein Beschäftigungsverhältnis nicht aus, wie zahlreiche künstlerische
Berufe belegen. Bei der Tätigkeit - Ausübung von Sport - muss jedoch die Handlungstendenz zur Zeit des Unfallereignisses darauf
gerichtet gewesen sein, dem Unternehmen zu dienen.
Aus der bloßen Verwendung des Begriffs "Freistellung" kann nichts hergeleitet werden. Denn trotz Freistellung können bestimmte
arbeitsvertragliche Verpflichtungen fortbestehen (vgl nur Bundesarbeitsgericht vom 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - BAGE 119, 232) oder die Freistellung kann sich nur auf bestimmte Verpflichtungen, wie zB die Bürotätigkeit bei der Klägerin, beziehen.
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das LSG vor allem klären muss, ob die Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag,
einschließlich eventueller ergänzender Abreden, zu der Ausübung des Judosports verpflichtet war, ob sie im Rahmen des Judotrainings
dem Direktions- und Weisungsrecht des Unternehmens unterstand, ob sie in die Sportförderung als Teil der Arbeitsorganisation
des Unternehmens eingegliedert war.
Ausgehend von der Entscheidung über die begehrte Feststellung der Klägerin, dass ihr Unfall am 27. September 1990 ein Arbeitsunfall
ist, sind anschließend deren weitere Begehren hinsichtlich der Feststellung von Unfallfolgen und der Gewährung einer Verletztenrente
zu beurteilen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt ebenfalls dem LSG vorbehalten.