Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Schulter(teil)steife links (so genannte Frozen shoulder, im Folgenden: FS) als Folge eines
Ereignisses vom 30. April 2002 sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen.
Laut Anzeige ihres Arbeitsgebers vom 12. August 2002 erlitt die 1945 geborene Klägerin am 30. April 2002 (Dienstag) gegen
10.15 Uhr einen Unfall. Gemäß ihren eigenen - der Unfallanzeige beigefügten - Angaben vom 21. Mai 2002 befand sie sich mit
einem Pkw des Typs Nissan Micra auf dem Weg von ihrem Wohnsitz zum Sitz des Arbeitgebers in F. Die von ihr befahrene Pstrasse
in F habe sich in einem sehr schlechten Zustand befunden. Außerdem habe es zuvor sehr stark geregnet, so dass die Straße voll
Wasser gestanden habe, wodurch die vorhandenen Schlaglöcher nicht mehr sichtbar gewesen seien. Man sei "von einem Loch in
das nächste" gefahren. Ein Schlagloch war den Angaben zufolge so tief, dass sie mit ihrem linken Ellenbogen auf die an der
Innenseite der Tür befindliche Armauflage aufschlug. Erst am Abend habe sie leichte Schmerzen im Schultergelenk gespürt. Die
Schmerzen hätten immer weiter zugenommen und die Beweglichkeit des Arms abgenommen, so dass sie am 06. Mai 2002 (Montag) erstmals
den Arzt habe aufsuchen müssen. Eine Unfallmeldung bei der Polizei sei nicht erfolgt, da zwar der Aufprall des Ellenbogens
auf der Armauflage sehr heftig gewesen, jedoch ihr und dem Auto auf den ersten Blick nichts geschehen sei (so die ergänzenden
Angaben der Klägerin gegenüber ihrer Krankenkasse - der TK - vom 26. Juni 2002). Nach dem Ereignis setzte sie ihren Weg fort
und fuhr weiter zu ihrer Arbeitsstelle in F und später wieder nach Hause.
Die Beklagte holte zunächst ein Vorerkrankungsverzeichnis von der TK betreffend Erkrankungen der oberen Extremitäten sowie
einen Befundbericht des erstbehandelnden Allgemeinmediziners Dr. L vom Oktober 2002 ein. Darin schilderte dieser den Verdacht
auf eine Schulterläsion/Rotatorenmanschettenläsion nach Prellung. Dem Befundbericht waren ein MRT-Befund des linken Schultergelenks
vom 10. Juni 2002 ("mäßige Arthrose im AC-Gelenk, ansonsten unauffälliges MRT des linken Schultergelenks ohne Anhalt für ein
Impingement"), ein Röntgenbefund der HWS vom 27. Juni 2002 ("Steilhaltung der HWS im Segment C6/7 und Verdacht auf Gefügelockerung
in C 5/6 und C 4/5. Uncarthrose aller HWS-Segmente. Noch keine auffällige Abflachung von Zwischenwirbelräumen.") sowie ein
Arztbrief des Dr. S vom Mai 2002 (Diagnose: Tendinitis calcarea der linken Schulter aufgrund Sonografie vom 06. Mai 2002)
beigefügt.
Nachdem der beratende Facharzt für Chirurgie Dr. H einen Ursachenzusammenhang zwischen einer Tendinitis calcarea und dem Unfallereignis
verneint hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06. Februar 2003 einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung ab.
In ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch gab die Klägerin an, sie habe unmittelbar nach dem Einfahren in ein sehr großes
Schlagloch einen starken Schmerz in der linken Schulter verspürt. Die Schmerzen hätten anschließend zugenommen und die Beweglichkeit
abgenommen. Am Montag, den 06. Mai 2002 sei sie aufgrund der Bewegungseinschränkung der linken Schulter nicht mehr in der
Lage gewesen, ein Auto selbst zu lenken. Am 06. Dezember 2002 sei sie an der Schulter wegen eines subacromialen Impingements
operiert worden.
Die Beklagte zog zunächst den Operations- sowie den Entlassungsbericht des Krankenhauses M-O GmbH bei. Im OP-Bericht vom 09.
Dezember 2002 fand sich die Diagnose "subacromiales Impingement-Syndrom II° linkes Schultergelenk, sekundäre FS". Außerdem
zog die Beklagte unter anderem Berichte der Schulter-Sprechstunde des V Klinikum H vom 04. Juli 2002, 02. Oktober 2002 und
20. März 2003, einen MRT-Befund der linken Schulter vom 15. Oktober 2002 (Ergebnis: "Läsion im Ansatz der Supraspinatussehne
ohne sicheren Nachweis einer Unterbrechung der Grenzflächen. Verschmälerte acromio-humerale Distanz. Geringe fettige Degeneration
des Musculus supra- und infraspinatus. Deutliche Arthrose im AC-Gelenk.") sowie einen Bericht des Orthopäden Dr. H vom 29.
Juli 2003 bei.
Anschließend veranlasste die Beklagte die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie Dr.
J. Im Rahmen der Begutachtung am 07. November 2003 gab die Klägerin an, unmittelbar nach dem Unfall starke Schmerzen im linken
Ellenbogen mit nachfolgender Schmerzausstrahlung bis in die HWS-Region verspürt zu haben. Die Schmerzen im Ellenbogenbereich
seien am Abend des Unfalltags verschwunden gewesen. Stattdessen seien zunehmend Schmerzen im Bereich der linken Schulter in
den Vordergrund getreten. Äußerliche Verletzungszeichen waren der Klägerin nicht erinnerlich. Zunächst habe sie eine Selbstbehandlung
(Ruhigstellung, Kühlung) durchgeführt. Die Erstbehandlung beim Arzt habe in einer orthetischen Ruhigstellung und Ultraschalltherapie
bestanden. Nach Erstellung eines MRT sei mit Krankengymnastik begonnen worden.
In dem Gutachten vom 13. November 2003 gelangte Dr. J zu dem Schluss, bei der Klägerin bestehe eine aktivierte Acromioclaviculargelenkarthrose
(AC-Gelenkarthrose) links sowie ein Zustand nach operativ versorgter FS und subacromialem Impingementsyndrom bei Bursitis
subacromialis. Es sprächen mehr Gründe dafür als dagegen, dass die bei der Klägerin eingetretene FS links durch das angeschuldigte
Ereignis verursacht und das subacromiale Impingementsyndrom wesentlich mitverursacht worden seien. Denn letzteres habe bis
zum Unfallereignis keine Erkrankung dargestellt. Es habe vielmehr lediglich eine synergistisch zur traumatischen Exposition
wirkende Anlage dargestellt. Die wesentliche Bedeutung komme dem Unfallereignis als dem eigentlichen Krankheitsauslöser zu.
Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei für die Zeit vom 06. Mai 2002 bis April 2003 zu bejahen. Unfallunabhängig bestünden
die aktivierte Arthrose des AC-Gelenks links sowie cervicale Funktionsstörungen bei Uncovertebralarthrose. Die unfallbedingte
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 10 v. H. einzuschätzen.
Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. H vom 06. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ereignis sei nicht geeignet gewesen,
die festgestellten Gesundheitsstörungen herbeizuführen. Die Tatsache, dass vor dem Unfall Beschwerdefreiheit bestanden habe,
genüge nicht, um den ursächlichen Zusammenhang zu begründen. Eine - von Dr. J angenommene - erhebliche indirekte Gewalteinwirkung
auf die linke Schulter sei nicht nachzuvollziehen. So habe die Klägerin ursprünglich im Gegensatz zu ihren Angaben bei Dr.
J nicht von einem bis in die HWS ausstrahlenden Schmerz berichtet. Hingegen sei eine degenerative Erkrankung der HWS bekannt.
Eine Prellmarke oder andere Verletzungen des Ellenbogens seien nicht angeführt worden. Weiterhin spreche gegen eine unfallbedingte
Verursachung, dass die MRT-Untersuchung sechs Wochen nach dem Unfall keinen Hinweis für eine Verletzung der betroffenen Schulter
ergeben habe. Nachweislich lägen aber eine HWS-Uncarthrose mit leichter Osteochondrose sowie eine AC-Gelenkarthrose vor. Beide
Erkrankungsbilder begünstigten das Zustandekommen einer Bursitis subacromialis.
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sowohl Dr. H als auch Dr. J hätten bestätigt, dass das beim Unfallereignis
erlittene Anpralltrauma geeignet gewesen sei, ihre Beschwerden hervorzurufen. Dr. J habe festgestellt, dass die bei ihr latent
vorhandenen Anlagen keinen Krankheitswert besessen hätten und daher das Unfallereignis wesentliche Ursache für die Funktionsstörungen
der linken Schulter sei. Sie habe vor dem Unfall keine Beschwerden in der linken Schulter gehabt und sich auch nie in Behandlung
wegen derartiger Beschwerden befunden. Im Übrigen lasse der von ihr geschilderte Geschehensablauf eine erhebliche Einwirkung
am Ellenbogen durch den Aufprall gerade auch unter Berücksichtigung der normalen Fahrgeschwindigkeit eines Pkws als sehr wahrscheinlich
erscheinen. Schon geringe Geschwindigkeiten von 10-20 km/h wirkten sich dahingehend aus, dass erheblich höhere Kräfte freiwürden
als bei einem stehenden Fahrzeug. Sie sei in dem Schlagloch stecken geblieben und nicht darüber hinweg gefahren.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2006 hat das SG eine Augenscheinseinnahme des Fahrzeugs der Klägerin vorgenommen. Dabei wurde folgendes festgehalten:
"Auf die Tür aufgesetzt zeigt sich die Armlehne, die ungepolstert aus Plastik ist. Es handelt sich bei dem Fahrzeug um einen
blauen Nissan Micra. Es zeigt sich, dass sich der Arm der Klägerin beim Festhalten des Lenkrads etwa in einem Abstand von
gut 10 cm über der Armlehne befindet. Dieser 10 cm-Abstand gilt dann, wenn das Lenkrad oben angefasst wird. Dann ist es sogar
etwas mehr, wird das Lenkrad unten angefasst, ist es weniger bis hin zum Auflegen des Armes auf die Armlehne. Der Augenschein
ergibt, dass die Klägerin bei einem Schlagloch mit dem linken Arm nicht an der Armlehne (mit dem Arm zwischen Körper und Armlehne)
vorbei kommt, sondern auf die Armlehne aufschlägt, sei es, dass sich der Arm gegen die Armlehne oder die Armlehne gegen den
Arm bewegt, weil das Auto federt."
Durch Urteil vom selben Tag hat das SG die Beklagte antragsgemäß unter Änderung des Bescheids vom 06. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
21. April 2004 verurteilt, das posttraumatische Frozen-shoulder-Syndrom als Unfallfolge anzuerkennen und zu entschädigen.
Zur Begründung hat sich die Kammer auf das Gutachten von Dr. J sowie die Augenscheinseinnahme gestützt. Nach dem Ergebnis
der Augenscheinseinnahme habe so gut wie ausgeschlossen werden können, dass die Klägerin bei einem plötzlichen unfallartigen
Ruck zwischen Körper und Armlehne vorbei mit dem Ellenbogen ins Leere stoße. Die Klägerin habe nachvollziehbar geschildert,
dass sie in ein relativ tiefes Schlagloch gefahren sei, in welchem sie dann stecken geblieben sei. Dies sei mit einem plötzlichen
Ruck verbunden, der auch erhebliche Energie entfalten könne, wenn der Ellenbogen ungebremst auf die Armlehne treffe. Somit
habe nach Auffassung der Kammer ein ausreichendes Trauma im Sinne der Schilderungen von Dr. H und Dr. J vorgelegen. Ausschlaggebend
sei weiterhin, dass bisher bei der Klägerin keine Schulterbeschwerden aufgetreten seien, was durch die Auskunft ihrer Krankenkasse
zumindest für die Zeit ab 1998 bewiesen sei.
Gegen das am 13. März 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. April 2006 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
(LSG) eingegangene Berufung der Beklagten. Entgegen der vordergerichtlichen Entscheidung handele es sich bei den vorliegenden
Schultergelenkbeschwerden nicht um Folgen des Unfalls vom 30. April 2002. Tatsächliche Anhaltspunkte für das Einwirken gravierender
Kräfte während des Unfalls fänden sich im gesamten Aktenverlauf nicht. Die Tatsache, dass die Beschwerden am primär betroffenen
linken Ellenbogen bereits am Abend des Unfalltags verschwunden gewesen seien, spreche eindeutig gegen die Annahme eines erheblichen
Anpralltraumas. Auch der Umstand, dass das Fahrzeug der Klägerin weder im Bereich der Armlehne noch im Bereich des im Schlagloch
stecken gebliebenen Rads Schäden aufgewiesen habe, stütze die Grundvoraussetzung der erheblichen Energie nicht. Dr. H habe
sich mit der Tatsache nicht vorhandener äußerer Verletzungszeichen auseinander gesetzt und unter Bezugnahme auf anerkannte
unfallmedizinische Fachliteratur darauf hingewiesen, dass bei einer primär vorliegenden Stauchung im Ellenbogenbereich dortige
Beschwerden oder Verletzungszeichen eine Minimalvoraussetzung darstellten, um darüber hinaus vorliegende Weichteilverletzungen
der Schulter als Folge zu diskutieren. Darüber hinaus seien bei der Klägerin eine unfallunabhängige Tendinitis calcarea, degenerative
Veränderungen des AC-Gelenks und ein subacromiales Impingement nachgewiesen. Weder die röntgenologischen Untersuchungen noch
die Arthroskopie hätten unfallbedingte Verletzungen im Bereich des linken Schultergelenks erbracht. Das Unfallereignis habe
lediglich ein Anlassgeschehen für die Auslösung akuter Erscheinungen einer bereits vorbestehenden und leicht ansprechbaren
Krankheitsanlage im linksseitigen Schulterbereich dargestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass
sie an der rechten Schulter bisher keine Beschwerden habe, weshalb davon auszugehen sei, dass die linksseitigen Beschwerden
tatsächlich unfallbedingt seien. Im Übrigen seien die Schmerzen im Ellenbogenbereich noch lange Zeit spürbar gewesen, jedoch
nicht so gravierend wie die Schmerzen im Schultergelenk gewesen. Sie betont nochmals, dass sie vor dem Unfall keinerlei Beschwerden
gehabt habe.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. W-R mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstellung eines Sachverständigengutachtens
beauftragt. In seinem am 08. August 2006 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin
lägen folgende Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten vor:
1. Tendinitis calcarea beide Schultern
2. Zustand nach Acromioplastik linkes Schultergelenk
3. AC-Gelenkarthrose beidseits
4. Schultersteife links
5. chronisch degenerative HWS-Veränderungen mit Uncovertebralarthrosen der Etagen HWK 4-6 und geringer Gefügelockerung des
Segments C 6/7.
Keine dieser Veränderungen sei Folge des Ereignisses vom 30. April 2002. Durch das Aufschlagen des Ellenbogens auf die Armlehne
sei es zu einer Stauchung des Ellenbogens bzw. auch der Schulter gekommen. Als Folge einer inneren Schadensanlage habe sich
reaktiv eine Schulterteilsteife mit nachfolgender subacromialer Enge entwickelt. Ursächlich hierfür seien die erkennbare Veränderung
an der Muskelmanschette (Kalkmetaplasie am Ansatz der Supraspinatussehne) und am Schultereckgelenk. Primärer Schadensort sei
der Ellenbogen und nicht das Schultergelenk gewesen. Entsprechende Veränderungen bei schwerer Krafteinwirkung hätten dort
gefunden werden müssen. Jedoch sei es hier zu einer raschen Remission der lokalen Beschwerden gekommen, Prellmarken an den
Weichteilen seien nicht zu erkennen gewesen. Strukturschäden am Schultergelenk bzw. an den angrenzenden Weichteilen seien
durch Sonografie sowie Röntgen- und MRT-Untersuchungen ausgeschlossen worden. Ein erforderlicher sofortiger Funktionsverlust
der Schulter nach dem Unfall sei nicht eingetreten. Die heute bestehenden erkennbaren Funktionsdefizite seien gering. Aufgrund
einer Ellenbogen-/Schulterkontusion habe für maximal zwei Wochen Behandlungsbedürftigkeit bestanden.
Die Klägerin kritisiert das Gutachten eingehend und macht erneut Ausführungen zur Wesentlichkeit des Ursachenzusammenhangs.
Der Sachverständige habe sich nicht hinreichend mit der Bewertung von Dr. J auseinander gesetzt. Insbesondere moniert sie,
der Sachverständige widerspreche dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme. Danach sei festgestellt, dass der angewinkelte
linke Arm sich beim Fahren auf der ungepolsterten Armlehne aus Plastik befinde, wenn das Lenkrad unten angefasst werde. Beim
Fahren in das Schlagloch hätten sich automatisch Kraft und Bewegung des Autos direkt in ihre Schulter übertragen. Darüber
hinaus sei es irrelevant, wenn der Sachverständige nach nunmehr über vier Jahre nach dem Unfall eine beiderseitige Tendinits
calcarea sowie eine AC-Gelenkarthrose feststelle. Zum Unfallzeitpunkt habe ein derartiger Befund nicht vorgelegen.
Der Senat hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Dr. W-R veranlasst. In seiner Stellungnahme vom 04. Dezember 2006
hat dieser unter anderem darauf verwiesen, dass es unabhängig von der Frage der Sitzposition der Klägerin im Pkw an einem
fixierenden Gegenhalten der Schulter fehle. Ein Ausweichen nach oben sei aufgrund der Anatomie der Schulter jederzeit möglich.
Eine strukturelle Schulterschädigung aufgrund des Ereignisses sei durch die MRT-Untersuchung vom 10. Juni 2002 ausgeschlossen.
Im Rahmen dieser Untersuchung habe sich eine mäßige AC-Gelenkarthrose ohne Aktivierungszeichen gefunden. Auf weitere Kritik
der Klägerin hat der Sachverständige am 29. Januar 2007 eine weitere ergänzende Stellungnahme abgegeben, in deren Rahmen er
von seiner bisherigen Beurteilung jedoch nicht abgewichen ist.
Die Klägerin legt anschließend ergänzend dar, dass ihr Arm aufgrund der beengten Verhältnisse im Fahrzeug wie in einem Schraubstock
zwischen Lenkrad, Armlehne und Schultergelenk festgestellt gewesen sei, während ihr Körper nach vorne geschnellt sei. Dies
entspreche der Situation bei einem Treppensturz mit Festhalten.
Auf Antrag der Klägerin nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Senat sodann den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. L mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstellung eines
Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 10. Oktober 2007 zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestehe
eine fibrosierte Bursitis subacromialis mit sekundärer Schultersteife links. Die sekundäre FS sei mit Wahrscheinlichkeit durch
das Ereignis vom 30. April 2002 verursacht worden. Das Krankheitsbild der Kapsulitis adhäsiva oder FS sei ein eigenständiges
Krankheitsbild, wobei die Ätiologie sehr multivariant sein könne. Genaueste wissenschaftliche Belege, weshalb es zur Schrumpfung
des Schultergelenkkapselvolumens komme, stünden aus. Es werde unterschieden zwischen einer primären und einer sekundären FS.
Die bildgebende Diagnostik versage bei derartigen Krankheitsbildern vollständig. Auch hier habe die klinische Diagnose nicht
durch Röntgen-, Sonografie- oder MRT-Befunde untermauert werden können. Der veränderte und verdickte Schleimbeutel sei nicht
Krankheitsursache und auch nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, vielmehr sei er sekundäres Folgeereignis der FS. Eine
posttraumatische FS im engeren Sinne, d. h. ein Zustand nach massiven strukturellen Veränderungen wie z. B. Brüchen im Oberarmkopfnahen
Bereich oder Schulterluxationen, liege hier nicht vor. Eine Schulterluxation sei durch die Röntgenuntersuchung vom 06. Mai
2002 ausgeschlossen worden. Initialereignis der sekundären FS sei hier das Kontusionsereignis, welches über eine indirekte
Fortleitung der Kraft durch einen massiven Ellenbogenanprall auf das Schultergelenk ursächlich für die FS verantwortlicht
gemacht werden könne. Wissenschaftliche Grundlagen zur Entstehung dieser Formen der Schultereinsteifung steckten noch in den
Kinderschuhen. Häufig seien sie bei Diabetikern, bei Patienten eines bestimmten HLA-Status, bei Patienten mit bestimmten Chromosomenapparationen
bzw. Veränderungen im Kollagengerüst zu beobachten. Alle diese Dinge seien bei der Klägerin auszuschließen. Dies sei letztlich
aber nicht beweisend dafür, dass das Unfallereignis nicht den Prozess der FS in Gang gesetzt habe. Arbeitsunfähigkeit habe
ab dem 06. Mai 2002 für mehr als 72 Wochen bestanden. Eine Therapiebedürftigkeit sei aus Sicht der Klägerin bis zum Januar
2004 gegeben. Die MdE betrage vom 01. Mai 2002 bis zum 04. Dezember 2002 40 v. H., vom 05. Dezember 2002 bis zum 12. Dezember
2002 100 v. H., vom 13. Dezember 2002 bis zum 31. Januar 2004 40 v. H. und vom 01. Dezember 2004 bis zum 17. Juli 2007 - dem
Untersuchungstag - 20 v. H..
Die Beklagte meint, das Gutachten des Dr. L erfülle nicht die Mindestanforderungen eines im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung
zu fordernden wissenschaftlichen Gutachtens. Der Sachverständige begründe seine Schlussfolgerungen allein mit seinen persönlichen
Erfahrungen und nicht mit wissenschaftlichen Belegen. Im Übrigen sei eine - von Dr. L angenommene - Verletzung der Schultergelenkkapsel
durch die MRT-Untersuchung vom 15. Oktober 2002 ausgeschlossen worden. Ebenso wenig sei es im Rahmen des Unfalls vom 30. April
2002 zu einem - von Dr. L weiterhin angenommenen - massiven Kontusionsereignis gekommen. Es habe sich somit um ein "Minorereignis"
gehandelt, welches, wie Dr. L selber in seinem Gutachten ausführe, als beliebiges Gelegenheitsereignis geeignet gewesen sei,
den Krankheitsverlauf in Gang zu setzen.
In einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 21. Januar 2008 hat Dr. W-R Dr. L insbesondere insoweit kritisiert,
als dieser das Vorliegen einer AC-Gelenkarthrose für irrelevant für die Krankheitsentwicklung der Klägerin halte. Hierzu hat
er sich auf die Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, "Arbeitsunfall und Berufskrankheit" bezogen. Im vorliegenden
Fall habe im Rahmen der vorgenommenen Diagnostik weder an den Weichteilen noch innerhalb des Gelenks ein Verletzungskorrelat
etwa in Form einer Schwellung oder eines Hämarthros aufgedeckt werden können. Eine direkte Verletzung der Schulter, auch in
Form eines direkten Anpralltraumas, habe nicht stattgefunden. Leichtgradige Zerrungen und Prellungen der Schulter führten
in der Regel nach der unfallmedizinischen Standardliteratur nur dann zu einer Schultersteife, wenn verletzungsbedingte Schmerzen
zu einer länger anhaltenden Schonung bzw. Ruhigstellung des Schultergelenks führten.
Der Senat hat die Akten des Landgerichts (LG) Berlin zum Rechtsstreit mit der privaten Unfallversicherung (Az.: 7 O 296/04) eingesehen und hieraus insbesondere das fachchirurgisches Gutachten des Dr. H vom 27. Juni 2005, die fachchirurgische Stellungnahme
desselben Arztes vom 11. September 2005, das Protokoll der öffentlichen Sitzung des LG Berlin vom 18. Mai 2006, das Urteil
des LG Berlin vom 13. Juli 2006, das orthopädisch-rheumatologische Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. S vom
13. Juni 2007, die Stellungnahme desselben Arztes vom 23. Juli 2007, das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Kammergerichts
(KG) Berlin vom 12. Oktober 2007 sowie das Urteil des KG Berlin vom 23. November 2007 in den Rechtsstreit eingeführt.
Die Klägerin ist der Auffassung, aus den im Rahmen des Zivilrechtsstreits erstellten Gutachten ergebe sich, dass der Unfall
ursächlich für die Verletzung der linken Schulter gewesen sei. Altersgerechte Vorschäden seien nicht zu berücksichtigen. Die
Beklagte verweist demgegenüber darauf, dass sowohl Dr. H als auch Prof. Dr. S unmittelbar an den Unfall anschließende posttraumatische
Schäden im Gelenkbereich ausgeschlossen und auf degenerative Vorschäden hingewiesen hätten. Soweit im Rahmen des zivilrechtlichen
Streits eine prozentuale Aufteilung der Schadensanteile erfolgt sei, sei dies im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung
nicht möglich.
Der Senat hat zwei weitere Auskünfte der TK zu Vorerkrankungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin eingeholt (Auskünfte
vom 03. März und 29. Mai 2009).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2009 hat der Senat die Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L gehört. Auf das
Protokoll sowie dessen Anlagen 1 bis 3 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat - entgegen der Ansicht des SG - keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztengeld, Verletztenrente
etc.).
Der Anspruch der Klägerin scheitert bereits daran, dass das - behauptete - Ereignis vom 30. April 2002 keinen Arbeitsunfall
i. S. v. §
8 Abs.
2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) darstellt.
Gemäß §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit
(so genannter Wegeunfall). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem
Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§
8 Abs.
1 S. 2
SGB VII).
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der
versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten,
von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis
einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen
von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung
für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG vom 04. September 2007,
- B 2 U 28/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 24 m. w. N.).
Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität,
haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten
die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich
des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht
sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang
spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG vom 02. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, in Juris m. w. N.). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes
nach §§
2 ff
SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale.
Es mag hier dahin gestellt bleiben, ob ein Arbeitsunfall bereits deshalb nicht festzustellen wäre, weil das äußere Ereignis
nicht nachgewiesen ist. Für die von der Klägerin geschilderten Ereignisse vom 30. April 2002 existieren nämlich weder Zeugen
noch urkundliche Beweise. Zeugen z. B. in Gestalt von Mitfahrern oder Passanten gab es nicht, eine Unfallmeldung bei der Polizei
hat nicht stattgefunden, eine Vorstellung in einer Kfz-Werkstatt ist mangels Schadens am Fahrzeug ebenfalls nicht erfolgt.
Auch ist im Arztbrief des Orthopäden Dr. S der 29. April 2002 als Unfalltag benannt worden.
Vorliegend fehlt es jedenfalls am erforderlichen Nachweis eines Gesundheitserstschadens. Ausweislich der - nicht objektivierbaren
- Angaben der Klägerin war primärer Schadensort ihr linkes Ellenbogengelenk. Nur hier hat der Aufprall auf die Armlehne der
Fahrertür stattgefunden. Ein Anstoßen mit dem Kopf oder der Schulter an Fahrzeugteilen unmittelbar ist nicht vorgetragen worden.
Ein Körperschaden im Bereich des Ellenbogengelenks ist nicht nachgewiesen. Die Klägerin selber gab hierzu zunächst lediglich
initiale Schmerzen an, die am Abend des Unfalltags verschwunden gewesen seien. In einer späteren Version hat sie fortdauernde,
offensichtlich aber nur untergeordnete, Schmerzen behauptet. Äußere Verletzungen in diesem Bereich oder Prellmarken sind ihr
- so ihre Angaben bei Dr. J - nicht erinnerlich. Im Übrigen sind weder äußere Verletzungszeichen noch Schädigungen des Gelenks,
der Weichteile oder Knorpel bzw. Bänder medizinisch dokumentiert. Die Klägerin hat sich erst circa eine Woche nach dem Ereignis
in medizinische Behandlung begeben. Eine Vorstellung beim Durchgangsarzt, was bei Angabe eines Wegeunfalls im Rahmen der Behandlung
durch den behandelnden Arzt Dr. L oder durch Dr. S eigentlich hätte veranlasst werden müssen, ist nie erfolgt. In der Folge
sind lediglich Befunde betreffend die Schulter erhoben und nur diesbezüglich Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Allein
aufgrund dieser Umstände ist bereits zu bezweifeln, dass bei dem von der Klägerin geschilderten Aufprall größere Kräfte gewirkt
haben, ansonsten hätte es zu sichtbaren und andauernden Schäden im Bereich des Ellenbogens kommen müssen. Soweit der Sachverständige
Dr. W-R in seinem Gutachten von einer Ellenbogenprellung ausgeht, handelt es sich um eine bloße Annahme aufgrund des von der
Klägerin beschriebenen Unfallhergangs und der angegebenen Schmerzen. Ein entsprechender Erstbefund fehlt. Eine solche Prellung
(d. h. Schädigung von Organen oder Körperteilen durch direkte, stumpfe Gewalt von außen ohne sichtbare Verletzungen der Haut)
wäre aber in jedem Fall folgenlos ausgeheilt.
Ein direktes Anpralltrauma der linken Schulter (etwa an der Tür) wird - wie schon erwähnt - von der Klägerin nicht behauptet.
Die Klägerin argumentiert vielmehr mit einer fortgeleiteten Krafteinwirkung. Es habe eine starke Krafteinwirkung durch den
Aufprall des Ellenbogens auf die Armlehne stattgefunden, welche - ungedämpft - über das Ellenbogengelenk an das Schultergelenk
fortgeleitet worden sei. Dort habe dies zu einer "kranialen Subluxation des Humeruskopfes mit Quetschung des subacromialen
Gewebes und Dehnungs- bzw. Scherkraftreiz auf die Kapsel-Bandstrukturen" geführt (so Dr. J auf S. 10 seines Gutachtens).
Abgesehen davon, dass bereits das erste Glied der Argumentationskette der Klägerin - die starke Krafteinwirkung bzw. das "massive
Kontusionsereignis" - angesichts der fehlenden Schäden am Ellenbogengelenk sowie am Fahrzeug, angesichts der dem Straßenzustand
angemessenen anzunehmenden geringen Fahrgeschwindigkeit, angesichts der tatsächlichen Dämpfung des Aufpralls durch Federung
des Pkws bzw. des Fahrersitzes sowie im Körper durch Knorpel und Bänder, angesichts der Beschleunigungshemmung durch den Sicherheitsgurt
sowie letztlich angesichts der Anatomie der Schulter, die nach oben nicht fixiert war und jederzeit ausweichen konnte, nicht
plausibel ist, fehlt es am Nachweis eines Primärschadens an der Schulter. Entscheidend ist nicht so sehr die Frage, ob überhaupt
ein Reiz irgendwelcher Art auf das Schultergelenk eingewirkt hat, sondern ob strukturelle Schäden zeitnah zum Unfall nachgewiesen
sind. Demzufolge ist es auch nicht von Bedeutung, ob - wie die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung behauptet hat
- eine dreifache Krafteinwirkung stattgefunden hat. Da die Klägerin sich erst ca. eine Woche nach dem behaupteten Ereignis
in Behandlung begeben hat, muss sich die Nachweisführung stützen auf die folgenden zeitnächsten Befunde:
- Sonografie vom 06. Mai 2002
- Röntgenbilder der linken Schulter vom 06. Mai 2002
- MRT des linken Schultergelenks vom 10. Juni 2002
- Röntgenbilder der HWS vom 27. Juni 2002.
Die Sonografie war laut dem Brief des Dr. S vom 06. Mai 2002 bis auf Kalk in der Supraspinatussehne unauffällig. Verletzungszeichen
wurden von ihm nicht festgestellt, die Bizepssehne war unauffällig.
Die Röntgenbilder der linken Schulter vom 06. Mai 2002 ergaben laut der Nachbefundung von Dr. L (S. 9 seines Gutachtens) weder
eine wesentliche kraniale Dezentrierung noch nennenswerte degenerative Veränderungen am Oberarmkopf oder an der Gelenkpfanne.
Der acromiohumerale Abstand war dezent verringert. Am AC-Gelenk waren kaudale Osteophyten i. S. einer initialen AC-Gelenkarthrose
nachweisbar. Im Bereich des Tuberculum majus fand sich eine 3 mm kalkdichte Verschattung i. S. einer Tendinosis calcarea Typ
Gärtner III.
Im MRT der linken Schulter vom 10. Juni 2002 zeigte sich gemäß dem Befund vom 11. Juni 2002 eine mäßige Arthrose im AC-Gelenk.
Ansonsten war das MRT unauffällig. Es fanden sich keine Anhaltspunkte für ein Impingement, eine Schädigung der Rotatorenmanschette
(RM), eine Bursitis, eine Verletzung der Schultergelenkkapsel oder des Labrum glenoidale. In seiner Nachbefundung bestätigt
Dr. L dies (S. 9 seines Gutachtens), sieht jedoch darüber hinaus im Bereich der Ansatzzone der Sehne des Supraspinatus eine
hyperintense Zone i. S. einer kleinsten bursaseitigen Partialruptur. Prof. Dr. S hat im Rahmen seines für das KG Berlin erstellten
Gutachtens nach Aktenlage das MRT ebenfalls nachbefundet. Er fand in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007 einen leichten Hochstand
des Oberarmkopfs, eine sehr kleine Bursa subacromialis und einen so genannten Neer-Sporn, d. h. eine degenerative knöcherne
Ausziehung am AC-Gelenk.
Hinsichtlich der Schlussfolgerungen hieraus sind sich die Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L einig. Auch die weiteren medizinischen
Sachverständigen Dr. J, Dr. H (für das LG Berlin) und Prof. Dr. S (für das KG Berlin) sind zu keinen anderen Schlussfolgerungen
gelangt. Danach sind eindeutige traumatische Veränderungen - insbesondere durch die MRT-Untersuchung vom 10. Juni 2002 - nicht
nachweisbar. Die MRT-Aufnahme zeigt keinen Schultergelenkerguss, keine traumatische Veränderung der RM, keinen vermehrten
Flüssigkeitssaum um die Bizepssehne, keine knöchernen Verletzungsfolgen am großen und kleinen Knorren. Auch am Schulterdach
selbst besteht ein unauffälliger Befund. Es ergibt sich kein Hinweis auf eine Verletzung der Gelenkkapsel oder des so genannten
Labrum glenoidale. Einblutungen in die Gelenkkapsel bestehen nicht. Eine Schultergelenkluxation ist bereits durch die Röntgenuntersuchung
vom 06. Mai 2002 ausgeschlossen worden. Jedoch sind in der MRT-Aufnahme vom 10. Mai 2002 degenerative Veränderungen zu erkennen,
nämlich ein leichter Hochstand des Oberarmkopfes sowie ein Neer-Sporn. Darüber hinaus zeigt sich in den Röntgenbildern des
linken Schultergelenks im Bereich des Tuberculum majus eine 3 mm dichte Kalkverschattung i. S. einer Tendinosis calcarea Typ
Gärtner III, welche ebenfalls nicht traumatisch ist.
Im Übrigen fehlt es nach den Angaben der Klägerin an einem sofortigen Funktionsverlust als Hinweis auf eine strukturelle Schädigung
der Schulter. Schließlich konnten bei der OP am 06. Dezember 2002 ebenfalls keine Verletzungen der Schultergelenksstrukturen
einschließlich der Bänder und Weichteile nachgewiesen werden. Eine Schädigung bzw. Veränderung (z. B. i. S. einer Schrumpfung)
der Schultergelenkkapsel wurde nicht beschrieben. Zudem zeigen die vorliegenden medizinischen Berichte des Dr. L vom Oktober
2002, des Dr. S von Mai 2002, des Krankenhaus M-O vom 12. Dezember 2002 sowie der Schulter-Sprechstunde des V Klinikum H vom
04. Juli 2002 und 02. Oktober 2002 kein klares Muster einer spezifischen aktiven bzw. passiven Bewegungseinschränkung der
linken Schulter, wie es für eine FS typisch ist.
Die von Dr. L diagnostizierte sekundäre FS - d. h. Schultersteife - stellt selbst keinen Primärschaden - insbesondere keine
"Verletzung" wie die Klägerin meint - dar, wie sich bereits aus den Ausführungen des Dr. L in seinem Gutachten ergibt. Die
FS stellt nach den übereinstimmenden Bekundungen der Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L vielmehr eine reaktive Erkrankung
dar.
Der Begriff der Schultersteife fasst Erkrankungen zusammen, deren Leitsymptom die aktive und passive Bewegungseinschränkung
ist. Im Allgemeinen versteht man darunter das zyklische Krankheitsbild der kapsulären Schultersteife oder "FS" bzw. "adhäsiven
Kapsulitis". Es handelt sich um eine eigenständige Erkrankung mit regelmäßigem Verlauf. Tritt die Erkrankung ohne Hinweis
auf weitere Ursachen auf, liegt eine primäre oder genuine Schultersteife vor. Sind dagegen Ursachen, seien sie exogen oder
endogen, erkennbar, welche in irgendeiner Art und Weise die Bewegungseinschränkung des Schultergelenks beeinflusst oder hervorgerufen
haben, liegt eine sekundäre Form vor. Diese Ursachen liegen z. B. in der Immobilisation nach Verletzungen oder Eingriffen,
in mechanischen Störungen (z. B. durch die Blockierung einer bestimmten Bewegung des Schultergelenks), in überschießender
Narbenbildung, schmerzbedingten Schonhaltungen oder anderen Läsionen. Ebenso sind Schultersteifen bei systemischen Problemen
wie Stoffwechselstörungen, Infekten, Omarthrosen usw. möglich (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, "Die eingesteifte
Schulter" in Der Orthopäde 2008 Vol. 37: 1065-1072; V. Echtermeyer, "Praxisbuch Schulter", 2004, S. 167). Sie kann zudem im
Rahmen von Erkrankungen des Subacromialraums oder der RM eintreten (vgl. V. Echtermeyer, aaO., S. 167). In der medizinischen
Literatur wird weiterhin beschrieben, dass der Bewegungsverlust aus Schmerzen vergesellschaftet mit jeglichem krankhaften
Zustand der Schulter resultieren kann (vgl. Joseph C. Tauro, M. D., and Melyssa Paulson, M. D., in Arthroscopy: The Journal
of Arthroscopic and Related Surgery; Vol. 24, No. 8, 2008: 949-955).
Die FS entwickelt sich klinisch laut den Bekundungen der Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L typischerweise in drei Phasen.
Beginnend mit einer leichtgradigen Synovitis mit Schmerzen und noch geringer Bewegungseinschränkung entwickelt sich eine proliferative
Synovitis und zunehmende Kapsulitis mit Schrumpfung und Verklebung des Gelenkrezessus. Schließlich nimmt die Synovitis ab
und der Gelenkraum ist deutlich verkleinert. Die Phasen werden wie folgt beschrieben:
Stadium des "Einfrierens": In dieser Zeit steht ein diffuser Schulterschmerz im Vordergrund, der weniger belastungsabhängig
als dauerhaft ist. Zunehmend wird eine Schonhaltung eingenommen und es entwickelt sich eine aktive und passive Bewegungseinschränkung.
Stadium des "Gefrorenseins". Unter zunehmender konzentrischer Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit lässt die
Schmerzsymptomatik allmählich nach.
Stadium des "Auftauens": In dieser Phase kommt es langsam zu einer Besserung der Schultergelenksbeweglichkeit mit weiterer
Schmerzabnahme. (alles zitiert aus: V. Echtermeyer, aaO. S. 167f).
Das typische Merkmal der Schultersteife ist die aktive und passive Einschränkung der glenohumeralen Beweglichkeit. Bei der
häufigsten primären oder genuinen Form der kapsulären Schultersteife (FS) liegt eine Einschränkung aller Bewegungsrichtungen
vor. Die klinische Testung zeigt vorrangig eine Innenrotations-, Abduktions- und eine Außenrotationsstörung. Gleiche Befunde
zeigen systemische sekundäre Formen. Mechanische Alterationen weichen von dieser Vorgabe häufig ab. Abhängig von der auslösenden
mechanischen Störung liegt dann ein anderes Muster der Beweglichkeitseinschränkung vor. Sind sekundäre, nicht-entzündliche
Ursachen für die Schultersteife bedeutend, sind die klinischen Beweglichkeitseinschränkungen nicht in allen Ebenen in gleichem
Maße ausgeprägt (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, aaO.).
Da ein Gesundheitserstschaden irgendeiner Art - und sei es auch lediglich ein unspezifischer seröser Erguss im linken Schultergelenk
- nicht i. S. d. Vollbeweises nachgewiesen ist, kommt es auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung von 24. Juni
2009 erneut problematisierte Frage der Geeignetheit des Unfallhergangs für den Eintritt eines Gesundheitsschadens gar nicht
an. Hinzu kommt, dass der Unfallhergang nicht mehr objektiv rekonstruierbar ist und die Angaben der Klägerin sowohl zum Hergang
als auch zur anschließenden Beschwerdeentwicklung wechselhaft sind.
Selbst wenn man jedoch einen Gesundheitserstschaden (z. B. in Form einer Prellung des linken Schultergelenks) hier als nachgewiesen
annähme, hätte die Klägerin dennoch keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Zwar wäre dann ein Arbeits- bzw. Wegeunfall i. s. d. §
8 SGB VII zu bejahen, es fehlte dann jedoch an der haftungsausfüllenden Kausalität, denn die diagnostizierte sekundäre FS links wäre
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die erlittene Prellung zurückzuführen.
Hierbei sollen Zweifel an der Diagnose einer FS zum Zeitpunkt der Operation am 06. Dezember 2002 hintan gestellt beleiben.
Solche bestehen immerhin, denn spezifische Funktionstests für eine FS bzw. spezifische Funktionseinschränkungen sind nicht
aktenkundig. Weder in den Berichten der Schulter-Sprechstunde noch in den Berichten des Krankenhauses M-O sind diese zu finden.
Dies ist auch von Dr. L in seinem Gutachten vom 10. Oktober 2007 kritisiert worden. Im Bericht der Schulter-Sprechstunde vom
04. Juli 2002 ist nur der Verdacht auf eine sekundäre FS geäußert worden. Zudem beschreibt der OP-Bericht vom 06. Dezember
2002 keine Schrumpfung der Gelenkkapsel, die jedoch - wie oben dargelegt - charakteristisch für eine FS sein soll.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Arbeitsunfalls muss zwischen dem Unfallereignis und
den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens, z. B. bei einem Sprunggelenksbruch, der zu
einer Versteifung führt, oder direkt, z. B. bei einer Amputationsverletzung, ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht
geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen.
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen
Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen
Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen
solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird,
und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/07 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung
unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§
7 Abs.
2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden
als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt
wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungs-amt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; stRspr vgl. u. a. Urteile des BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 sowie vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, aaO.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere
Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai
2006 - B 2 U 1/05 R -, aaO.).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich
war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder
"annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben)
(vgl. u. a. BSG in SozR Nr. 69 zu § 542 a. F.
RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589
RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Anm. 1.3.6.1). Ist jedoch eine Ursache
oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n)
Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG in SozR Nr. 27 zu § 542
RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589
RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich"
anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet,
kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG in SozR 2200 § 589
Nr. 10; BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 75; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits
vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark
oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher
äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung
ausgelöst hätte (BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - aaO.).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten
Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache
unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen
wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden
und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen
sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG in SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).
Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten
Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang
bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung
hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen
bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis
nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.
Es gilt der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31;
BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., Anm. 2.3.4.3).
Ausgangsbasis für die Feststellung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnistandes müssen die Fachbücher und Standardwerke
insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich sein (vgl. u. a. Fritze, Ärztliche Begutachtung, 6. Aufl 2001, Mehrhoff/Meindl/Muhr,
Unfallbegutachtung, 11. Aufl. 2005; Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO.; Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen
Begutachtung, 2004; Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 5. Aufl. 2009). Außerdem sind, soweit
sie vorliegen und einschlägig sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften
(AWMF) zu berücksichtigen sowie andere aktuelle Veröffentlichungen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, aaO.). Die verschiedenen Veröffentlichungen sind jeweils kritisch zu würdigen.
Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung
der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09.
Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, aaO.; BSG SozR Nr. 33 zu §
128 SGG). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand stellt die wissenschaftliche Grundlage dar, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen
des konkreten Versicherten zu bewerten sind (vgl. BSG in SozR Nr. 61 zu § 542
RVO). Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das objektivierte individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten
abgestellt werden. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung
seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl.
Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - aaO.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss.
Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche
Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr
führen würde (vgl. BSG in SozR Nr. 62 zu § 542 a. F.
RVO; Urteil vom 07. September 2004 - B 2 U 34/03 R - und vom 02. April 2009 -, jeweils in Juris). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden
und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das bei der Klägerin aufgetretene Krankheitsbild
einer FS bzw. steifen Schulter auf die - unterstellte - Prellung der Schulter zurückzuführen ist.
Für die Entstehung einer FS werden in der medizinischen Wissenschaft vielfältige Ursachen diskutiert. So sind die Ursachen
der primären FS nach wie vor unbekannt (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, aaO.; V. Echtermeyer, aaO. S. 167).
Die Häufigkeit der primären Schultersteife wird mit 2-5% in der Bevölkerung angegeben. Das Vorkommen wird im Altersbereich
von 40-70 Jahren mit einem statistischen Höhepunkt bei 56 Jahren angesiedelt, eine Seitenpräferenz besteht nicht. Allerdings
besteht eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Erkrankung bei der Nichtgebrauchsschulter. Die Erkrankung
tritt bei Frauen etwas häufiger auf als bei Männern. Die Chance, ein beidseitiges Vorkommen zu erfahren, liegt bei ca. 20-30%
bzw. 6-17% (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, aaO.; R. Dias, S. Cutts, S. Massoud, "Frozen shoulder" in BMJ 2005;
331: 1453-1456). Auffällig häufig ist die Erkrankung beispielsweise mit einem Diabetes mellitus, einer Fettstoffwechselstörung,
hormoneller Umstellung, Schilddrüsenfunktionsstörungen vergesellschaftet (vgl. V. Echtermeyer, aaO. S. 167). Diskutiert werden
u. a. auch genetische Prädispositionen. Häufungen werden z. B. zudem bei der Dupuytren´schen Erkrankung, bei Parkinson-Erkrankung
oder bei koronaren Erkrankungen beobachtet (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, aaO.; R. Dias, S. Cutts, S. Massoud,
aaO.). Wie Dr. L in seinem Gutachten vom 10. Oktober 2007 ohne Quellenangabe ausführt, ist im Übrigen im Prinzip jedes Gelegenheitsereignis
geeignet, den Krankheitsverlauf in Gang zu setzen. Darüber hinaus sollen nach den Angaben des Dr. L - übereinstimmend mit
Dr. W-R - im Rahmen seiner Befragung am 24. Juni 2009 auch kleinere mechanische Irritationen als Auslöser für eine FS in der
Literatur beschrieben werden, wobei nicht näher beschrieben wird, welche Ausprägung eine solche mechanische Irritation erreichen
muss. Dr. L hat hierzu erklärt, ein nächtliches "Verliegen" reiche nicht aus, eine im Rahmen eines operativen Eingriffs wie
einer Gelenkspiegelung durchgeführte Flüssigkeitsauffüllung unter Umständen - abhängig vom jeweiligen Patienten - schon.
Vorliegend kommt die - unterstellte - Prellung der Schulter als eine von mehreren Auslösern für eine FS in Betracht. Denn
anhand des von den Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L in ihren Gutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen vom 08. August 2006,
04. Dezember 2006, 29. Januar 2007, 10. Oktober 2007 und 21. Januar 2008 sowie in der Anhörung vom 24. Juni 2009 wiedergegebenen
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, der sich nach den Angaben des Dr. L derzeit auf deutschsprachigem Gebiet u.
a. in dem oben bereits zitierten Aufsatz von A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, "Die eingesteifte Schulter" in Der
Orthopäde 2008 Vol. 37: 1065-1072, wieder findet, können bereits kleinere mechanische Irritationen eine FS verursachen. Allerdings
gibt es keine nähere wissenschaftlich begründete Festlegung dazu, was eine kleinere mechanische Irritation ist. Das von Dr.
Langeführte Beispiel der Auffüllung eines Gelenks mit Flüssigkeit im Rahmen einer Arthroskopie stellt immerhin bereits einen
invasiven Eingriff dar. Dr. W-R hat im Rahmen seiner Anhörung am 24. Juni 2009 die im Rahmen des behaupteten Ereignisses von
der Klägerin angenommenen Krafteinwirkungen sämtlich für geeignete kleinere mechanische Irritationen gehalten. Dr. L hat in
seinem Gutachten vom 10. Oktober 2007 ausgeführt, im Prinzip sei jedes Gelegenheitsereignis geeignet, das Krankheitsbild der
FS in Gang zu setzen. In dem oben zitierten Aufsatz von Joseph C. Tauro, M. D., and Melyssa Paulson, M. D., in Arthroscopy:
The Journal of Arthroscopic and Related Surgery, Vol. 24, No. 8, 2008: 949-955, wird jeglicher mit Schmerzen vergesellschafteter
krankhafter Zustand für geeignet gehalten, eine FS in Gang zu setzen. Dementsprechend hat Dr. L bei seiner Anhörung am 24.
Juni 2009 auch die bei der Klägerin vor dem behaupteten Ereignis bereits vorhandene AC-Gelenkarthrose sowie die Kalkmetaplasie
für geeignet erachtet, zu einer FS zu führen. Damit wird hier nicht mehr unterscheidbar, welches exogene und auch möglicherweise
alltägliche Ereignis oder welche endogene Anlage einen Ursachenbeitrag geleistet haben könnte. Die mögliche Bedeutung einer
hier lediglich unterstellten Prellung des linken Schultergelenks sinkt hier auf eine bloße Gelegenheitsursache ab. Das Ereignis
wäre demnach nur ein möglicher Auslöser, nicht jedoch Ursache der FS i. S. d. Theorie von der wesentlichen Bedingung.
Dass der - unterstellten - Prellung der Schulter/des Schultergelenks nicht die wesentliche Bedeutung für die Verursachung
des Krankheitsbildes einer FS zukommen kann, ergibt sich aus den bei der Klägerin bestehenden unfallunabhängigen Veränderungen
am Schultergelenk (AC-Gelenkarthrose), der Supraspinatussehne (Kalkmetaplasie) und der HWS unterhalb von C4 (Röntgenbefund
vom 02. Juli 2002: Verdacht auf Gefügelockerung in C5/6 und C4/5, Uncarthrose aller HWS-Segmente). Schließlich sind laut Schönberger/Mehrtens/Valentin
80-90% der schmerzhaften Schultersteifen Folge degenerativer Veränderungen in der Umgebung des Schultergelenks bzw. deren
Nebengelenken: Omarthrose, bakterielle und traumatische Gelenkentzündungen, Knochen- und Weichteiltumore, zervikale Fernwirkung
als Folge von Irritationen der zervikalen Nervenwurzeln unterhalb C4 meist nach zervikalen Bandscheibenvorfällen, Algodystrophien,
CTS (Anm. 8.4.3.1). Auf die Relevanz degenerativer Veränderungen der HWS insoweit, als von ihnen Segmente betroffen sind,
die das Schultergelenk innervieren, hat Dr. W-R in der Anhörung vom 24. Juni 2009 explizit hingewiesen. Verletzungen des Schultergelenks
und Schultergürtels sollen an zweiter Stelle Ursache der Schultersteife sein, wobei vor allem knöcherne Verletzungen am oberen
Ende des Oberarms und im Bereich des Schulterblatts sowie Verletzungen des Schultergelenks und des AC-Gelenks in Betracht
kommen. Daneben bewirken auch schwere Weichteilverletzungen in Form von Quetschungen durch Verschüttung oder Verbrennungen
eine Schultersteife (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., Anm. 8.4.3.2).
Leichtgradige Zerrungen und Prellungen der Schulter - eine schwere Verletzung oder eine gravierende Prellung mit einem Erguss,
der noch im sechs Wochen später durchgeführten MRT nachweisbar gewesen wäre, lagen wie bereits festgestellt nicht vor - führen
hingegen in der Regel nur dann zu einer Schultersteife, wenn verletzungsbedingte Schmerzen zu einer längeren anhaltenden Schonung
bzw. Ruhigstellung des Schultergelenks Anlass sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., Anm. 8.4.3.2). Zwar ergibt sich
aus den Unterlagen (siehe hier insbesondere die Darstellung des Behandlungsablaufs bei Dr. H auf S. 3 seines Gutachtens vom
27. Juni 2005) in der Tat eine stark verzögerte Aufnahme der Mobilisation und das Unterbleiben der Einnahme von Schmerzmitteln.
Andererseits jedoch war die Klägerin zum Zeitpunkt des angegebenen Ereignisses 56,5 Jahre alt und demgemäß in eben dem Alter,
in dem die FS - auch ohne erkennbare Ursache als primäre FS - gehäuft auftritt (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung,
aaO.; R. Dias, S. Cutts, S. Massoud, aaO.). Darüber hinaus hat sie nach ihren Angaben zwei Schilddrüsen-Operationen durchgemacht
(vgl. die anamnestischen Angaben bei Dr. J, Dr. H, Dr. W-R und Dr. L) und nimmt deswegen L-Thyroxin ein (vgl. die anamnestischen
Angaben bei Dr. H und Dr. L). Weiterhin ist bei ihr 1996 eine gynäkologische Totaloperation durchgeführt worden (vgl. u. a.
die anamnestischen Angaben bei Dr. W-R und Dr. L). Damit kommen als weitere ursächliche oder begünstigende Faktoren für eine
FS bei der Klägerin eine Schilddrüsenfunktionsstörung, eine hormonelle Umstellung, das Alter sowie ihr Geschlecht in Betracht.
Soweit Dr. L in seinem Gutachten vom 10. Oktober 2002 andere Ursachenfaktoren also das behauptete Ereignis als nicht-existent
oder untergeordnet ausgeschlossen hat, kann dies im Lichte des Vorstehenden und seiner Bekundungen während der Anhörung einer
kritischen Überprüfung nicht standhalten. Eine wesentliche (Mit-) Ursächlichkeit des behaupteten Ereignisses bzw. der hier
lediglich unterstellten Schultergelenksprellung für die FS kann bei wertender Betrachtung nicht bejaht werden.
Im Rahmen dieser - hypothetischen - Erwägungen spielt die Frage des - letztlich nicht mehr klärbaren - Unfallhergangs keine
Rolle. Denn eine durch das behauptete Unfallereignis verursachte Prellung ist zur Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität
unterstellt worden.
Ein Entschädigungsanspruch der Klägerin ist somit nicht zu begründen.
Soweit die Klägerin die Ablehnung der von ihr anlässlich der Anhörung der Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L gestellten Fragen
1, 2 und 4 des Fragenkatalogs in Anlage 3 zum Protokoll gerügt hat, greift dies nicht durch.
Das Fragerecht der Klägerin nach §§
116,
118 SGG, §§
402,
397 ZPO ist Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. u. a. Urteil des BSG vom 12. April 2000 - B 9 VS 2/99 R -, in SozR 3-1750 § 411 Nr. 1). Die gestellten Fragen müssen gemäß §
116 Satz 2
SGG objektiv sachdienlich sein (vgl. u. a. Urteil des BSG vom 12. April 2000, aaO.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., Randnr. 12f zu §
118). Sachdienlichkeit ist insbesondere zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig
oder bereits beantwortet sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO. m. w. N.). Auch Suggestivfragen sind nicht
zulässig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., Randnr. 5 zu § 116). Die Frage 1 des Fragenkatalogs in Anlage
2 zum Protokoll vom 24. Juni 2009 war nicht sachdienlich, weil sie bereits zuvor während der Anhörung der Sachverständigen
beantwortet worden war. Die Fragen 2 und 4 waren nicht sachdienlich, da es sich um medizinische Fragen ohne Bezug zum Beweisthema
handelte.
Weitere Anträge bzw. Beweisanträge hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2009 nicht gestellt.
Nach alldem war der Berufung stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.