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LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.06.2014 - 11 KA 76/13
Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen gröblichem Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten (hier u.a. Befundung von Screening-Mammographieaufnahmen in einer Vielzahl von Fällen trotz Widerrufs der entsprechenden Genehmigung) Anordnung der sofortigen Vollziehung des Entzugs der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen konkreter Patientengefährdung Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung durch das SG Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses wegen fehlender Stellung eines Antrages auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung bei der Verwaltung Anforderungen an die Begründung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug Versäumung der Darlegung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen des Vertragsarztes bei der Anordnung des Sofortvollzuges des Entzugs der Zulassung (hier ausnahmsweise unschädlich)
1. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist zunächst bei der Verwaltung zu beantragen. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Die gegenteilige Auffassung des BSG (Beschluss vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R -) überzeugt nicht.
2. Soweit die Auffassung vertreten wird, spätestens nach Anhängigkeit der Klage sei der Behörde die Befugnis entzogen, die vorläufige Vollziehbarkeit des Bescheids anzuordnen (LSG Sachsen, Beschluss vom 26.02.2004 - L 3 B 18/04 AL-ER -), folgt der Senat dem nicht. Nach § 86a Abs. 3 S. 5 SGG kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch entschieden hat, die Entscheidung "jederzeit ändern oder aufheben". Das Adverb "jederzeit" wirkt in das einstweilige Rechtsschutzverfahren hinein.
3. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist rechtmäßig entzogen, wenn ein Vertragsarzt auch nach Widerruf der Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Leistungen zur Befundung von Screening-Mammographieaufnahmen in einer Vielzahl von Fällen "Mammographie-Screening-Untersuchungen" bei gesetzlich versicherten Frauen durchgeführt hat, obwohl er dazu nicht mehr berechtigt war und dabei nach außen den Anschein erweckt hat, als ob die Untersuchung Teil eines ordnungsgemäßen Mammographie-Screenings sei. Disziplinarmaßnahmen als mildere Mittel scheiden aus, wenn - wie hier - der Vertragsarzt weiterhin uneinsichtig darauf beharrt, die fraglichen Leistungen erbringen zu dürfen und sie auch erbracht hat.
4. Die Vollziehungsanordnung ist grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung muss erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug überwiegt und warum dies dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht. An die Begründung sind im Hinblick auf die mit ihr verbundene Warnfunktion für die Behörde sowie die dadurch bezweckte Transparenz und Rechtsklarheit hohe Anforderungen zu stellen.
5. Eine verschriftlicht-spezifizierte Interessenabwägung war vorliegend nicht geboten, weil eine konkrete Patientengefährdung allein ausreicht, um den Sofortvollzug zu rechtfertigen. Eigentumsschutz und Berufsfreiheit weichen in Fällen konkreter Patientengefährdung. In einem solchen Fall genügt es, auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides sowie darauf hinzuweisen, dass dessen Umsetzung aus Gründen des Patientenschutzes keinen Aufschub duldet.
Normenkette:
SGG § 86a Abs. 2 Nr. 5
,
SGB V § 97 Abs. 4
,
Ärzte-ZV i.d.F. v. 26.03.2007 § 27
,
SGB V § 95 Abs. 6 S. 1
,
Richtlinie über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinie/KFE-RL) i.d.F. v. 18.06.2009 § 16 Abs. 1 S. 2
,
Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV § 18 Abs. 1
,
Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV § 16 Abs. 1 S. 1
,
Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV § 17 Abs. 3a
,
Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV § 25
,
GG Art. 12 Abs. 1
,
GG Art. 14
Vorinstanzen: SG Düsseldorf 03.07.2013 S 14 KA 207/13 ER
Tenor
Der Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.07.2013 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungstext anzeigen: