Streit über die Rückzahlung von aufgrund eines Schuldanerkenntnisses geleisteten Zahlungen an die Krankenkasse
Überprüfung des Geschäftsbetriebs eines Orthopädieschuhmachers durch die Krankenkasse und Feststellung eines Schadens durch
zu hohe Abrechnungen
Unterzeichnung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses durch zugelassenen Gewerbetreibenden (hier Orthopädieschuhmacher) zugunsten
der gesetzlichen Krankenkasse aus Anlass fehlerhafter Abrechnungen
Prüfung der Wirksamkeit eines Schuldanerkenntnisses gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse (Verstoß gegen die guten Sitten)
Prüfung eines Rückforderungs- bzw. Erstattungsanspruchs hinsichtlich des Schuldanerkenntnisses
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte Zahlungen i.H.v. insgesamt 106.071,59 Euro, die aufgrund eines Schuldanerkenntnisses erfolgt
sind, zurückzuzahlen hat.
Der 1954 geborene Kläger erhielt unter dem 07.01.1997 seitens der Beklagten die Zulassung, Versicherte mit orthopädischen
Schuhzurichtungen und Schuhreparaturen zu versorgen. Grundlage dieser Zulassung war eine Ausnahmebewilligung der Bezirksregierung
Arnsberg gemäß § 8 der Handwerksordnung als Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle zur selbständigen Ausübung des Schuhmacherhandwerks, Teiltätigkeit:
Schuhreparaturen und des Orthopädieschuhmacherhandwerks, Teiltätigkeit: orthopädische Schuhzurichtungen als stehendes Gewerbe
sowie die nachfolgende entsprechende Eintragung in die Handwerksrolle. Die Zulassung der Beklagten war zunächst befristet
bis zum 30.09.1997. In der Folgezeit wurde diese Befristung mehrfach verlängert. Nachdem der Kläger unter dem 20.12.1999 die
Meisterprüfung im Orthopädieschuhmacherhandwerk bestanden hatte und entsprechend in die Handwerksrolle eingetragen worden
war, ließ ihn die Beklagte mit Wirkung vom 23.12.1999 für die Anfertigung, Instandsetzung und Abgabe von orthopädieschuhtechnischen
Hilfsmitteln für ihre Versicherten zu. Unter dem 22.05.2001 erhielt der Kläger neben dem Hauptbetrieb in I noch eine Zulassungserweiterung
für einen Filialbetrieb in M.
Am 20.05.2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und am 21.05.2008
wurde der Geschäftsbetrieb gemäß §
35 Abs.
2 Insolvenzordnung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Seit September 2008 ist die Beigeladene Inhaberin der Firma Orthopädie Schuhtechnik Q
O. Betriebsleiter am Betriebssitz in M ist der Orthopädieschuhmachermeister K L und Betriebsleiter am Betriebssitz in I ist
der Kläger.
Nachdem der Beklagten erhebliche Ausgabensteigerungen für orthopädieschuhtechnische Leistungen aufgefallen waren, für die
der Kläger als mitverantwortlich angesehen wurde, da er im Vergleich zu anderen Orthopädieschuhmachern deutlich höhere Kosten
verursachte, ermittelte die Beklagte für die Zeit von 1997 bis Juni 2001 mit ihr vom Kläger insgesamt abgerechnete Kosten
i.H.v. 652.296,99 DM für 961 Behandlungsfälle. Verglichen mit den durchschnittlichen Fallwerten für entsprechende Versorgungen
stellte die Beklagte einen Schaden durch zu hohe Abrechnungen i.H.v. 438.707,40 DM fest. Außerdem überprüfte die Beklagte
19 Versorgungsfälle und gelangte zu dem Ergebnis, es lägen zahlreiche Beanstandungen vor, da die Versorgungen nicht den Abrechnungen
entsprächen und teilweise auch Mängel vorlägen. Von den für die überprüften Versorgungen in Rechnung gestellten 41.930,92
DM seien 14.395,42 DM zu Unrecht abgerechnet worden.
Aufgrund dieser Ermittlungen kam es am 20.07.2001 zu einer Unterredung der Beklagten mit dem Kläger. An dem Gespräch nahmen
neben dem Kläger auch die Beigeladene sowie vier Mitarbeiter der Beklagten teil. Der Kläger unterzeichnete folgende Erklärung:
1.
Hiermit erkenne ich an, bei Versicherten der AOK Märkischer Kreis in zahlreichen Fällen Versorgungen von orthopädischen Maßschuhen
und Zurichtungen an Konfektionsschuhen abgegeben zu haben, die den ärztlichen Verordnungen nicht entsprachen.
2.
Außerdem wurden in einer Vielzahl von Fällen Kostenvoranschläge und Abrechnungen über die Versorgungen mit der AOK vorgenommen,
die den Leistungen nicht entsprachen. Den daraus entstandenen Schaden i.H.v. 184.000,- DM bin ich bereit zurückzuzahlen.
3.
Innerhalb von 10 Tagen teile ich der AOK Märkischer Kreis die Zahlungsmodalitäten mit.
4.
Mir ist bekannt und bewusst, dass es sich dabei um äußerst schwerwiegende Vertragsverstöße handelt.
5.
Ich werde in Zukunft dafür Sorge tragen, dass Fehlabrechnungen der mir vorgetragenen Art nicht mehr vorkommen. Die AOK hat
erklärt, dass ausdrücklich künftige Prüfungen der mir vorgenommenen Versorgungen vorbehalten bleiben.
6.
Ich erkenne an, dass im Falle künftiger Vertragsverstöße eine Mitteilung an alle übrigen Kassen und deren Verbände sowie der
Entzug meiner Zulassung sofortige Folge sein kann; ich kann dann zu Lasten aller gesetzlichen Krankenkassen keine Leistungen
mehr erbringen.
Mit Schreiben vom 27.07.2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, zur Zurückzahlung von 184.000,- DM unterbreite er den Vorschlag,
monatlich 3.000,- DM plus Zinsen von monatlich 613,30 Euro zurückzuzahlen. Dies ergebe eine monatliche Überweisung von 3.613,30
DM jeweils zum 15. des Monats. Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin ein "Unwiderrufliches Schuldanerkenntnis gemäß
§
781 BGB, Zahlungsvereinbarung und Abtretungserklärung", das im Wesentlichen folgenden Inhalt hatte:
" 1. Ich, der Schuldner Q O erkenne hiermit an, der AOK 184.000,- DM aus Anlass von Fehlversorgungen und Falschabrechnungen
zu schulden.
Der Schuldbetrag ist mit 4,00 v.H. seit dem 01.08.2001 zu verzinsen.
2. Die Krankenkasse nimmt das Anerkenntnis an.
3. Die Schuld wird in monatlichen Raten von 3.613,30 DM inklusive der Zinsen erstmals ab 15.08.2001 beglichen.
Die weiteren Zahlungen sind zum 15. eines Monats fällig.
Bleibt der Schuldner mit einer Rate länger als 14 Tage in Verzug, wird der dann noch bestehende Restbetrag sofort zur Zahlung
fällig.
4. Zur Sicherung des unter 1. bezeichneten Anspruchs wird darauf hingewiesen, dass der AOK das Recht zur Aufrechnung mit den
Ansprüchen der Schuldnerin im Falle des Zahlungsverzuges verbleibt. "
Das von der Beklagten bereits am 06.08.2001 unterzeichnete Schuldanerkenntnis wurde vom Kläger am 21.08.2001 unterschrieben
und der Beklagten zurückgesandt.
Nachdem der Kläger zunächst fristgemäß die Raten gezahlt hatte, bat er im August 2002 im Hinblick auf einen Umsatzrückgang
um eine Neuregelung der Rückzahlungsmodalitäten. Unter dem 21.08.2002 erklärte sich die Beklagte damit einverstanden, dass
ab 15.09.2002 die monatlichen Ratenzahlungen i.H.v. 1.200,- Euro erfolgen. Bis dahin verbleibe es bei der bisherigen Absprache.
Mangels Zahlung durch den Kläger wurden in der Folgezeit die Zahlungen durch Verrechnungen seitens der Beklagten realisiert.
Diese Verrechnungen wurden bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt, wobei ausweislich der von der Beklagten
übersandten Aufstellung noch ein Restbetrag von 861,15 Euro offen ist.
Im Dezember 2005 wandte der Kläger sich, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, an die Beklagte und schlug vor, die
Angelegenheit so zu erledigen, dass über die bereits geleisteten annähernd 60.000,- Euro keine weiteren Zahlungen mehr geschuldet
würden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er, der Kläger, damals mit der nicht angekündigten Verhandlung völlig überrascht
worden sei. Es seien auch nur 10 Fälle diskutiert worden. Der Schaden habe sich in diesen Fällen allenfalls auf 20.000,- Euro
nicht aber auf die nunmehr bereits gezahlten 60.000,- Euro belaufen können. Er habe sich seinerzeit nicht beraten lassen und
könne die Unterschrift auch nicht ungeschehen machen. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin unter dem 09.01.2006 mit, sie
wolle an der Vereinbarung zwingend festhalten.
Am 03.01.2007 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und die Rückzahlung der bereits geleisteten Zahlungen sowie die Feststellung begehrt, zu weiteren Zahlungen
nicht verpflichtet zu sein. Er hat vorgetragen, in dem Gespräch mit der Beklagten sei er erstmals mit dem Vorwurf des Abrechnungsbetruges
konfrontiert worden und habe infolge der Überrumpelung seitens der Beklagten das Schuldanerkenntnis unterzeichnet. Das abstrakte
Schuldanerkenntnis vom 21.08.2001 sei nach §
138 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) nichtig, da es gegen die guten Sitten verstoße. Ein Schadensersatzanspruch scheide bereits aus Rechtsgründen aus. Die Beklagte
habe ihm zu keiner Zeit das Recht der Nachbesserung eingeräumt. Im Übrigen verjährten Gewährleistungsansprüche nach sechs
Monaten. Außerdem sei der Anerkennungsbetrag ungefähr zehnmal so hoch wie der möglicherweise in Betracht kommende Schadensbetrag.
Hinzu komme die Tribunalsituation. Zumindest seien die Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht, da das Schuldanerkenntnis nach
§
812 BGB kondiziert werden könne.
Der Kläger hat eine Sicherungsübereignung vom 08.08.2007 vorgelegt, wonach zur Sicherung der aktuell valutierten Darlehensansprüche
der Frau F L und auch etwaiger weiterer Darlehen die Forderung gegen die AOK in voller Höhe abgetreten werde, die im Falle
der Verwertung bzw. Verrechnung nur bis zur Höhe der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Gesamtforderung beansprucht werden dürfe.
Während des Insolvenzverfahrens wurde die hier klageweise gegen die Beklagte geltend gemachte Forderung nochmals an die Beigeladene
abgetreten und die Abtretung alsdann von der Gläubigerversammlung genehmigt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 106.071,59 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2008 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Abrechnungsverhalten des Klägers habe erhebliche Implausibilitäten aufgewiesen, was
die Beklagte zum Anlass genommen habe, mit dem Kläger am 20.07.2001 ein Gespräch zu führen. Im Rahmen dieses Gesprächs habe
er die Erklärung vom 20.07.2001 unterzeichnet und alsdann am 27.07.2001 Zahlungsmodalitäten zur Schadensbegleichung mitgeteilt.
Erst unter dem 21.08.2001 habe er das Schuldanerkenntnis unterzeichnet. Dieser Zeitablauf verdeutliche, dass der Kläger hinreichend
Gelegenheit gehabt habe, die Umstände seiner Erklärung zu reflektieren. Der Kläger habe auch bislang zu keinem Zeitpunkt die
vergleichsweise festgesetzte Schadenshöhe in Frage gestellt.
Durch Beschluss vom 14.05.2009 hat das SG Frau F L (im Folgenden: Beigeladene) zunächst zum Verfahren beigeladen und durch weiteren Beschluss vom 02.09.2010 diese
Beiladung wieder aufgehoben und gleichzeitig das Rubrum dahingehend geändert, dass wegen Parteiwechsels allein die Beigeladene
Klagepartei sei. Mit Urteil vom 22.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Nachdem der Kläger und die Beigeladene Berufung eingelegt hatten, hat das SG am 30.05.2011 seinen Beschluss vom 02.09.2010 aufgehoben und das ursprüngliche Rubrum entsprechend dem Beschluss vom 14.05.2009
wiederhergestellt.
Durch Urteil vom 8.02.2012 hat das SG die Klage des Klägers abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm an die Beklagte geleisteten
Beträge i.H.v. 106.071,59 Euro. Die Voraussetzungen des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §
812 BGB seien nicht erfüllt. Die Zahlung sei nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt. Rechtsgrund der Zahlung sei vielmehr das unwiderrufliche
Schuldanerkenntnis, welches rechtswirksam sei.
Gegen das ihm am 17.02.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.03.2012 Berufung eingelegt.
Durch Urteil des Senats vom 29.11.2012 sind die Urteile des SG Dortmund vom 22.09.2010 und vom 08.02.2012 aufgehoben und der
Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen worden. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und der Beigeladen ist durch Beschluss des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 19.09.2013 das Urteil des Senats geändert worden, soweit der Rechtsstreit hinsichtlich des Urteils des SG vom 22.09.2010 zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen worden ist und hinsichtlich des Urteils des SG Dortmund vom 08.02.2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden.
Der Kläger verfolgt sein Begehren nunmehr weiter und meint, es sei nicht zutreffend, dass mit dem Schuldanerkenntnis sämtliche
Einwendungen gegen das Grundgeschäft wegen eines vergleichsähnlich wirkenden Anerkenntnisses ausgeschlossen sein sollten.
Vielmehr sei der Kläger hier "überfahren" worden. Eine Zahlungsverpflichtung seitens des Klägers habe nicht bestanden. Entsprechend
dem Rahmenvertrag seien Mängel nach den Vorgaben des
BGB zu bearbeiten und deshalb bei mangelhaften oder angeblich mangelhaften Leistungen zunächst eine Nachbesserung anzubieten,
bevor ein Schadensersatzanspruch in Betracht komme. Es bestehe deshalb ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf
Rückgängigmachung des Anerkenntnisses. Außerdem sei das Schuldanerkenntnis wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Wenn lediglich
10 Einzelstücke mangelhaft gewesen und erwähnt worden seien, könne nicht ein Pauschalbetrag vom Gesamtumsatz als Schaden geltend
gemacht werden. Selbst bei Mangelhaftigkeit bestehe ein Wahlrecht zwischen Minderung, Rücktritt oder Schadensersatz. Im Übrigen
seien Plausibilitätsprüfungen im Bereich der Hilfsmittelversorgung nicht vorgesehen und überdies im Hinblick auf die erfolgten
Genehmigungen auch unsinnig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.02.2012 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Beigeladene 106.071,59
Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 16.05.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger sei bereits während seiner anfänglichen befristeten Zulassung hinsichtlich seines Abrechnungsverhaltens und seiner
Leistungserbringung auffällig gewesen. Bezogen auf das Abrechnungsverhalten sei festzustellen, dass der Kläger im Vergleich
zu seinen Fachkollegen je Abrechnungsfall weitaus höhere Kosten in Rechnung gestellt habe. So habe er beispielhaft im Jahre
1998 den durchschnittlichen Fallwert seiner Kollegen in Westfalen-Lippe um das Vierfache überschritten. Neben dieser Betrachtungsweise
habe die Beklagte im Vorfeld zu den Gesprächen mit dem Kläger versucht, die statistisch auffälligen Überschreitungen einzelfallbezogen
zu hinterfragen und im Rahmen von Stichproben Versichertenbefragungen vorgenommen. Hierbei sei anzumerken, dass in 18 von
19 Fällen Beanstandungen, die zu einer höheren Abrechnung geführt hätten, festzustellen gewesen seien. Lediglich eine der
zu begutachtenden Versorgungen sei nicht zu beanstanden gewesen. Die bei den Versicherten durchgeführten Prüfungen hätte die
erhebliche statistische Auffälligkeit des Abrechnungsverhaltens des Klägers untermauert. Besonders problematisch sei, dass
die abgerechneten Leistungen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen hätten. Für die Beklagte habe damit festgestanden,
dass zu Unrecht überhöhte Abrechnungen erfolgt seien. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen habe die Beklagte sodann das
Gespräch mit dem Kläger gesucht und ihn auf die erheblichen Überschreitungen im Vergleich zur Fachgebietsgruppe hingewiesen
und ihn mit den Feststellungen in 18 Einzelfällen konfrontiert. Der Kläger habe daraufhin in dem Gespräch am 20.07.2001 die
Fehlabrechnungen eingestanden und aus diesem Grunde die Erklärung vom 20.07.2001 abgegeben. Am 27.7.2001 habe er Zahlungsmodalitäten
mitgeteilt und am 21.8.2001 das Schuldanerkenntnis unterzeichnet. Es liege somit ein hinreichender Leistungsgrund vor. Der
Kläger habe auch ausreichend Gelegenheit gehabt, die Rechtsangelegenheit bereits vor Unterzeichnung des Schuldanerkenntnisses
rechtlich prüfen zu lassen. Es sei auch keine unverhältnismäßig hohe Zahlung vom Kläger verlangt worden. Im Übrigen indiziere
der Umstand, dass der Kläger die Schadensrückführung bis zum letzten Zahlbetrag geduldet habe, die bei ihm bestehende subjektive
Sicht, zur Rückzahlung auch verpflichtet gewesen zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des streitigen Betrages in Höhe von 106.071,59
Euro nebst Zinsen.
Der Kläger, der gemäß §
202 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
265 Zivilprozessordnung (
ZPO) prozessführungsbefugt ist, weil die Veräußerung der streitbefangenen Forderung an die Beigeladene keinen Einfluss auf den
Fortgang des Rechtsstreits hat (vergleiche Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 141 Rz. 18b; BSG, Urteil vom 25.11.1998, B 6 KA 75/97 R, SozR 3-2500 § 116 Nr. 17), macht sein Begehren zulässigerweise mit der echten Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG geltend, denn es handelt sich bei der auf Rückzahlung des streitigen Betrages gerichteten Klage eines Leistungserbringers
gegen die Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis; zwischen den Beteiligten besteht hier
insoweit kein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis.
Da der Kläger die Zahlungen, deren Rückerstattung er nunmehr begehrt, infolge des zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen
Anerkenntnisses geleistet hat, besteht der Rückerstattungsanspruch nur, wenn und soweit diese Zahlungen zu Unrecht erfolgt
sind. Dies ist, wovon auch der Kläger ausgeht, der Fall, sofern das Anerkenntnis unwirksam ist oder kondiziert werden kann
bzw. ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch besteht. Beide Alternativen scheiden jedoch aus.
Rechtsgrundlage der Leistungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten und deren vertraglicher Ausgestaltung
ergaben sich in der hier maßgeblichen Zeit von 1997-2001 aus §
126 Abs.
1 SGB V i.V.m. §
127 SGB V jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der Gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21.12.1992. Während die Zulassung zur Versorgung der Versicherten als Grundverhältnis stets dem öffentlichen Recht zugeordnet
wurde, wurden die vertraglichen Beziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen - ungeachtet der öffentlich-rechtlichen
Rechtsnatur der Beziehungen der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern - bis Dezember 1999 nach herrschender Meinung dem privaten
Recht zugeordnet. Mit der Neufassung des §
69 SGB V durch das Gesundheitsreformgesetz vom 22.12.1999 sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern
und ihren Verbänden seit dem 1.1.2000 öffentlich-rechtlicher Natur (vergleiche BSG, Urteil vom 25.09.2001, B 3 KR 3/01 R, SozR 3-2500 § 69 Nr.1). Nach § 69 S. 1SGB V werden die Leistungsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den
Leistungserbringern und deren Verbänden nunmehr abschließend durch die §§
69-140h
SGB V und die §§
63,
64 SGB V geregelt. §
69 S. 3
SGB V ordnet ergänzend die entsprechende Heranziehung der Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches an, soweit diese mit den Vorgaben des
SGB V vereinbar sind.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze sollte durch die als unwiderrufliches Schuldanerkenntnis gemäß §
781 BGB bezeichnete Erklärung des Klägers vom 21.08.2001 ein öffentlich-rechtlicher Anspruch der Beklagten begründet werden.
Gegenstand und Zweck des Anerkenntnisses sind insoweit öffentlich-rechtlich geprägt. Sie betreffen die Abwicklung des Verhältnisses
zwischen einer Krankenkasse und einem Leistungserbringer und damit einen öffentlich-rechtlich geordneten Sachbereich, in dem
Regelungen des
BGB nur ergänzend Anwendung finden. Die schriftliche Erklärung des Klägers diente der Festlegung und Konkretisierung eines Rückforderungsanspruchs
der Beklagten als Auswirkung der Beziehungen zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer und damit der Erfüllung der der
Beklagten obliegenden Aufgabe, überzahlte Leistungen zurückzufordern. Zumindest in den Fällen, in denen ein Schuldanerkenntnis
letztlich der Realisierung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bzw. eines zuvor bestandenen Anspruchs gemäß
§
812 BGB dienen soll, ist ein Schuldanerkenntnis in entsprechender Anwendung der §§
780,781
BGB grundsätzlich auch im Verhältnis Krankenkasse und Leistungserbringer zulässig, was letztlich auch der Kläger nicht in Abrede
stellt (Häuser in: Soergel,
BGB, §§
780,781 Nr. 4; wohl verneinend LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.11.2010, L 1 KR 72/09). Das
SGB V enthält keine abschließende Regelung zu Rückerstattungsansprüchen und ihrer Geltendmachung mittels eines Schuldanerkenntnisses.
Selbständige, auch als abstrakt oder konstitutiv bezeichnete Schuldversprechen oder -anerkenntnisse nach §§
780,
781 BGB begründen eine vom zugrundeliegenden Rechtsverhältnis unabhängige Verpflichtung (vgl. BGH, Beschluss vom 10.12.1987 - III ZR 205/86 - ). Dagegen haben bestätigende auch als deklaratorisch oder kausal bezeichnete Schuldversprechen oder -anerkenntnisse den
Zweck, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen
und dieses Schuldverhältnis insoweit endgültig festzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.1988 - IV b ZR 82/86 -). Welche Form des Schuldversprechens oder -anerkenntnisses vorliegt, ist eine Frage der Auslegung.
Ein Schuldanerkenntnisvertrag i.S.d. §
781 BGB begründet ein selbständiges, von den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen losgelöstes Schuldverhältnis, das für sich allein
eine ausreichende Grundlage für den anerkannten Anspruch bildet. Jene Rechtsbeziehungen, die zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses
geführt haben, stellen aber dessen Rechtsgrund dar, was zur Folge hat, dass, wenn sie den anerkannten Leistungsanspruch nicht
rechtfertigen, das Anerkenntnis zurückgefordert werden kann. Ein solcher Rückforderungsanspruch kommt lediglich dann nicht
in Betracht, wenn die Parteien mit dem Anerkenntnis einen Streit über eine Unsicherheit oder den Inhalt des zwischen ihnen
bestehenden Rechtsverhältnisses beenden und ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des anerkannten Anspruchs eine
klare Rechtslage schaffen wollten. Ist dies der Fall, dann unterscheidet sich der konstitutive Schuldbestätigungsvertrag vom
sog. deklaratorischen Schuldanerkenntnis nur dadurch, dass er im Gegensatz zu diesem abstrakt ist, also einen selbständigen
Anspruchsgrund bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 24.10.1985 - III ZR 35/85 - ). Ob ein Schuldanerkenntnisvertrag i.S.d. §
781 BGB im konkreten Fall nach dem Willen der Vertragschließenden den endgültigen Ausschluss etwaiger bis dahin begründeter Einwendungen
zur Folge haben soll, ist eine Frage der Auslegung (vgl. BGH a.a.O.).
Die Auslegung ergibt, was seitens der Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt wird, dass der Kläger ein selbständiges Schuldanerkenntnis
abgegeben hat. Das folgt schon aus der in der Überschrift der Erklärung des Klägers vom 21.08.2001, die seitens der Beklagten
am 06.08.2001 unterzeichnet wurde, ausdrücklich erwähnten Kennzeichnung als "Unwiderrufliches Schuldanerkenntnis gemäß §
781 BGB". Auch aus den übrigen Umständen ergibt sich, dass die gesamte Zahlungsverpflichtung des Klägers, wie von ihm auch nicht
in Abrede gestellt wird, unabhängig und losgelöst von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis als Leistungserbringer begründet
werden sollte.
Am 20.7.2001 fand eine Unterredung zwischen der Beklagten und dem Kläger statt, die die von der Beklagten festgestellten Überzahlungen
betraf. Die Beklagte hatte zuvor die an den Kläger geleisteten Zahlungen in 19 Versorgungsfällen überprüft, dabei ergab sich,
dass Leistungen i.H.v. 14.395,42 DM - bei insgesamt in Rechnung gestellten 41.930,92 DM ohne Rechtsgrund erfolgte waren, da
die Versorgungen in 18 Versorgungsfällen nicht den Abrechnungen entsprachen. Außerdem hatte der Kläger im Vergleich zu den
übrigen orthopädieschuhtechnischen Leistungserbringern je Abrechnungsfall weitaus höhere Kosten in Rechnung gestellt und den
durchschnittlichen Fallwert regelmäßig um ein Mehrfaches überschritten. Die Beklagte ging auf dieser Basis von ungerechtfertigten
Zahlungen i.H.v. 438.707,40 DM aus. Durch die Erklärung vom 20.7.2001 haben die Beteiligten Zweifel und Meinungsverschiedenheiten
über die Höhe der Überzahlungen endgültig beigelegt, indem der Kläger die Ausstellung überhöhter Rechnungen sowie dadurch
erhaltene ungerechtfertigte Zahlungen i.H.v. 184.000 DM anerkannt hat. Nachdem der Kläger mithin am 20.7.2001 eine Erklärung
unterzeichnet hatte, mit der der Streit zwischen den Beteiligten über Ausmaß und Höhe der Überzahlungen beigelegt werden sollte,
wäre die Unterzeichnung eines weiteren deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ins Leere gelaufen; auch dies spricht dafür,
dass die Erklärungen der Beteiligten vom 06.08.2001 und 21.08.2001 ein abstraktes Schuldanerkenntnis begründeten. Auch die
Formulierung in dem Schuldanerkenntnis, dass die Summe von 184.000,- DM "aus Anlass von Fehlversorgungen und Falschabrechnungen"
geschuldet werden, macht deutlich, dass eine unabhängige Verpflichtung begründet werden sollte.
Dieses Schuldanerkenntnis ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß §
138 Abs.
1 BGB unwirksam. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, eine mangelhafte Versorgung habe nicht bzw. nicht in dem Umfang
des in dem Schuldanerkenntnis genannten Betrages von 184.000,- DM vorgelegen bzw. sei nicht nachgewiesen und die Beklagte
habe auch die Vorgaben des Rahmenvertrages bei mangelhafter Leistungserbringung nicht eingehalten, liegen diese Ausführungen
neben der Sache. Grundlage des Schuldanerkenntnisses war zu keinem Zeitpunkt - wie der Kläger vorgibt - eine schlechte bzw.
mangelhafte Leistung des Klägers. In Rede stand vielmehr allein ein über viele Jahre begangener Abrechnungsbetrug. Dies ergibt
sich sowohl aus der Formulierung in dem Schuldanerkenntnis, das aus Anlass von "Fehlversorgungen und Falschabrechnungen" der
streitige Betrag geschuldet werde als auch aus der Erklärung des Klägers, die er unter dem 20.07.2001 abgegeben hat. Diese
Erklärung beinhaltet sowohl unter Ziff. 1 als auch unter Ziff. 2 die Einräumung eines Abrechnungsbetruges, da entweder den
ärztlichen Verordnungen nicht Folge geleistet wurde bzw. die Abrechnungen nicht den Versorgungen entsprachen.
Da der Kläger in der Erklärung vom 20.07.2001 nach Konfrontation mit den Ermittlungen der Beklagten, die Überzahlungen von
mehr als 400.000 DM ergaben, ungerechtfertigte Leistungen seitens der Beklagten i.H.v. 184.000,- DM eingeräumt hat, ist nicht
ersichtlich, dass - wie der Kläger meint - ein auffälliges Missverhältnis zwischen den in Betracht kommenden Überzahlungen
und dem Anerkenntnisbetrag besteht. Das abstrakte Schuldanerkenntnis ist auch entgegen der Behauptung des Klägers nicht bereits
in dem ersten Gespräch mit der Beklagten unterzeichnet worden, sondern der Kläger hat nach dem Gespräch am 20.07.2001 eine
hinreichende Überlegungszeit gehabt und unter dem 27.07.2001 sogar selbst in einem Brief an die Beklagte einen Vorschlag zur
Zurückführung des Betrages von 184.000,- DM plus Verzinsung und der insoweit monatlich aufzubringenden Raten unterbreitet.
Erst nach Eingang dieses Schreibens ist dem Kläger seitens der Beklagten das Anerkenntnis gemäß §
781 BGB zugesandt worden und alsdann vom Kläger am 21.08.2001 unterschrieben worden.
Maßgebliche Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit des abstrakten Schuldanerkenntnisses hat der anwaltlich vertretene Kläger
offenbar auch erst mit Klageerhebung erkannt. Ansonsten wäre der vorgerichtliche anwaltliche Schriftsatz von Dezember 2005,
in dem der Kläger vorgeschlagen hat, dass der Beklagten die bereits gezahlte Summe von 60.000,- Euro verbleiben und sie nur
auf weitere Zahlungen verzichten solle, nicht verständlich.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch die Rückforderung des Anerkenntnisses ausgeschlossen. Es lagen hier - wie oben dargelegt
- gerade Unsicherheiten über die in Frage stehenden Rechtsbeziehungen vor. Es war unklar, in welchem genauen Ausmaß ein Abrechnungsbetrug
vorlag. Anlass für das Schuldanerkenntnis waren die seitens der Beklagten festgestellten fehlerhaften Abrechnungen und Abrechnungsimplausibilitäten,
die erhebliche Überzahlungen seitens der Beklagten ergaben. Mit dem Schuldanerkenntnis haben sich die Beteiligten auf die
Höhe der betrugsbedingten Überzahlung und die zurückzuzahlende Summe geeinigt, so dass der Zweck des Schuldanerkenntnisses
auch die Beseitigung eines Streits bzw. der Ungewissheit über die genaue Höhe des durch die Falschabrechnungen verursachten
ungerechtfertigten Zahlungen ist. Da durch das Schuldanerkenntnis, wie dargelegt, eine klare, für beide Beteiligte verbindliche
konstitutive Regelung getroffen wurde, scheidet ein Rückforderungs- bzw. Erstattungsanspruch hinsichtlich des Anerkenntnisses
aus.
Soweit der Kläger meint, Implausibilitäten seien seitens der Beklagten im Berufungsverfahren erfunden worden, ist dies mehr
als befremdlich, da die entsprechenden Aufstellungen seitens der Beklagten bereits 2001 gefertigt wurden und offensichtlich
auch der Unterredung mit dem Kläger zugrundelagen. Auch ist auffällig, dass der Prozessbevollmächtigte offensichtlich stets
missverstehen will, dass es nicht um mangelhafte Versorgung, sondern allein um fehlerhafte bzw. falsche Abrechnungen und damit
um ein betrügerisches Verhalten geht.
Nach alledem besteht der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers nicht.
Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht, da die Voraussetzungen gemäß §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.
Gemäß §
197 a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) ist der Streitwert auf 106.071,59 Euro festzusetzen.