Tatbestand
Umstritten ist im Berufungsverfahren noch ein weiterer Anspruch der Klägerin auf Beiträge aus der privaten Pflegeversicherung
(PV) in Höhe von 297,60 EUR.
Die Klägerin und der Beklagte hatten einen privaten Pflegeversicherungsvertrag geschlossen. Der Beklagte zahlte die Beiträge
für die Zeit ab dem 1.3.2011 bis zum 31.1.2013 nicht. Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 28.1.2013, in dem
sie auch Mahnkosten von 1,50 EUR geltend machte. In diesem Schreiben führte die Klägerin ua an, rückständig seien Beiträge
für die Zeit bis Juni 2012 von insgesamt 505,36 EUR sowie Beiträge für die Zeit von Juli 2012 bis Dezember 2012 von monatlich
32,96 EUR und für Januar 2013 von 32,05 EUR.
Am 13.11.2014 hat die Klägerin beim Amtsgericht (AG) Coburg einen Mahnbescheid beantragt. Das AG Coburg erließ den Mahnbescheid
am 14.11.2014; dieser wurde am 22.11.2014 zugestellt. In dem Mahnbescheid ist angeführt:
Der Antragsteller macht folgenden Anspruch geltend:
I. Hauptforderung:
Beiträge zur privaten Pflegeversicherung gem. Folgebeitrag AK 0003809974 vom 1.3.11 bis 31.1.13 701,17
II.
III. Nebenforderungen:
1.Mahnkosten 3,80
2.Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit 147,56
Am 15.12.2014 hat der Beklagte Widerspruch eingelegt, worauf das AG Coburg mit Verfügung vom 24.6.2015 das Verfahren an das
Sozialgericht (SG) Mainz abgegeben hat; dort ist die Sache am 8.7.2015 eingegangen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 701,17 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit sowie 147,56 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und 3,80 EUR Mahnkosten zu zahlen.
Sie hat angegeben, der Betrag von 701,17 EUR setze sich wie folgt zusammen:
Beiträge vom 1.3.2011 bis 31.12.2011 monatlich 31,96 EUR 319,60 EUR
Beiträge vom 1.1.2012 bis 31.12.2012 monatlich 30,96 EUR 371,52 EUR
Beitrag vom 1.1.2013 bis 31.1.2013 32,05 EUR
abzüglich Gutschrift vom 8.10.2013 in Höhe von 22, EUR - 22,00 EUR
701,17 EUR
Auf Anfrage des SG hat die Klägerin erklärt, die "Gutschrift" von 22, EUR beruhe auf folgendem Sachverhalt: Nachdem der Beklagte die Prämien
früher ab Oktober 2010 nicht mehr gezahlt habe, habe sie zum 21.12.2010 das Ruhen der Leistungen festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt
sei der Vertrag rückwirkend in den "Notlagentarif" umgestellt worden. Hierüber habe der Beklagte mit Schreiben vom 7.10.2013
die entsprechende Mitteilung und den Versicherungsschein erhalten. Es habe sich um eine "systemseitig veranlasste Reduzierung
des Beitrags in Form einer Gutschrift in Höhe von 22, EUR" gehandelt. Dieses Versehen habe sie, die Klägerin, erst verspätet
festgestellt und sich dazu entschlossen, auf weitere Schritte und damit auch auf den Beitrag in dieser Höhe zu verzichten.
Die Verrechnung sei gemäß §§
366,
367 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) auf die älteste Forderung und damit auf den Versicherungsbeitrag für den Zeitraum vom 1.3.2011 bis zum 31.3.2011 erfolgt.
Der Beklagte hat ua vorgetragen, er habe das Versicherungsverhältnis bei der Klägerin am 4.4.2011 gekündigt. Mit Schriftsatz
vom 11.5.2016 hat er die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klägerin hat vorgetragen, eine Kündigung des Beklagten liege
ihr ebenso wenig vor wie ein Nachweis des Eintritts in die soziale Pflegeversicherung.
Durch Urteil vom 4.10.2016 hat das SG Mainz den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 405,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.7.2015 aus 403,57 EUR zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte schulde der Klägerin für den Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.1.2013 Beiträge
in Höhe von 403,57 EUR sowie Ersatz der Kosten des Mahnschreibens vom 28.1.2013 in Höhe von 1,50 EUR. Die Pflegeversicherung
des Beklagten bei der Klägerin habe nicht am 4.4.2011 wegen einer Kündigung des Beklagten geendet. Der Beklagte habe dem Gericht
kein Kündigungsschreiben vorgelegt; er habe auch nicht beweisen können, dass er sich seit dem 4.4.2011 bei einer anderen Versicherung
gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert und dies der Klägerin angezeigt habe (Hinweis auf § 205 Abs 2 Versicherungsvertragsgesetz - VVG -). Die Klägerin habe aber keine Beitragsforderung für das Jahr 2011, da diese verjährt sei. Insoweit gelte die regelmäßige
Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §
195 BGB. Die Verjährungsfrist habe gemäß §
199 Abs
1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen begonnen, in dem der Anspruch entstanden sei. Durch die Zustellung des Mahnbescheides
sei die Verjährung nicht gehemmt worden. Die Hemmung der Verjährung nach §
204 Abs
1 Nr
3 BGB setze das Vorhandensein aller Pflichtangaben im Antrag auf Erlass des Mahnbescheides voraus. Nach §
690 Abs
1 Nr
3 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) sei im Mahnbescheid die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung erforderlich. Zur erforderlichen
Individualisierung gehöre es, dass der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch so von etwaigen anderen Ansprüchen unterschieden
und abgegrenzt sei, dass er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein könnte und dass dem
Schuldner die Beurteilung möglich sei, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen solle oder nicht (Hinweis auf Bundesgerichtshof
- BGH - 17.12.1992 - VII ZR 84/92, [...] Rn 14). Welche zusätzlichen Angaben zur hinreichenden Individualisierung des Anspruchs erforderlich seien, lasse sich
nicht allgemein festlegen. Der Umfang der erforderlichen Angaben hänge vor allem von dem zwischen den Beteiligten bestehenden
Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (Hinweis auf BGH 17.12.1991 aaO). Für Beitragsrückstände bei der privaten Krankenversicherung
werde die Auffassung vertreten, im Mahnbescheid müsse jeder Monatsbeitrag einzeln aufgeführt werden, da die einzelnen Prämienraten
und nicht eine einheitliche Forderung Gegenstand des Mahnbescheides seien (Hinweis auf Landgericht - LG - Nürnberg-Fürth 28.12.2015
- 8 O 5771/15, [...] Rn 39). Dieser Grundsatz könne auf Beiträge zur privaten Pflegeversicherung übertragen werden. Eine Zusammenfassung
von Beitragsforderungen über ein Jahr hinaus sei nicht zulässig. Einer weitergehenden Aufschlüsselung in kürzere Zeiträume
bedürfe es, wenn sich die Beitragshöhe innerhalb eines Jahres geändert habe. Auch soweit durch Teilzahlungen des Versicherungsnehmers
der Anspruch erfüllt sei, sei eine Einzeldarstellung notwendig. Nach diesem Maßstab sei vorliegend der Hauptanspruch im Mahnbescheid
nicht ausreichend individualisiert. Die Klägerin habe die Grenze eines Kalenderjahres nicht eingehalten. Außerdem habe sie
nicht berücksichtigt, dass sich die Beitragshöhe im Laufe des streitbefangenen Zeitraums geändert habe. Auch sei nicht erkennbar,
auf welchen Monatsbeitrag die Teilzahlung in Höhe von 22, EUR angerechnet worden sei. Eine Hemmung der Verjährung wäre daher
erst mit Rechtshängigkeit beim SG Mainz am 8.7.2015 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beitragsforderung für 2011 jedoch
bereits verjährt gewesen. Der Beklagte habe der Klägerin dem Grunde nach den entstandenen Verzugsschaden gemäß §
280 Abs
1 und
2, §
286 Abs
1, §
288 Abs
1 BGB zu ersetzen. Da die Klägerin in dem Mahnschreiben vom 28.1.2013 1,50 EUR Mahnkosten erhoben habe, könne sie insoweit nur
diesen Betrag verlangen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies folge aus
§
193 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) als lex specialis zu den Verzugsvorschriften des
BGB. Nach dieser Vorschrift seien die Aufwendungen der in §
184 Abs
1 SGG genannten Gebührenpflichtigen nicht erstattungsfähig. Im Übrigen sei für die Klägerin die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts
vorgerichtlich nicht erforderlich gewesen. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 10.10.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 7.11.2016 eingelegte Berufung
der Klägerin, die vorträgt: Entgegen der Auffassung des SG sei der Beitragsanspruch für das Jahr 2011 nicht verjährt, da der Verjährungsablauf durch die Zustellung des Mahnbescheides
gehemmt worden sei. Eine knappe Kennzeichnung des geltend gemachten Anspruchs und der verlangten Leistung im Mahnbescheid
genüge insoweit den gesetzlichen Anforderungen an die Individualisierung des Anspruchs insbesondere dann, wenn zwischen den
Beteiligten keine weiteren Rechtsbeziehungen bestünden. Einer weitergehenden Bezifferung des monatlichen Prämienanspruchs
habe es nicht bedurft.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Mainz vom 4.10.2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 297,60 EUR nebst Zinsen
hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 8.7.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Prozessakte S 14 P 5/13 (SG Mainz) sowie die Prozessakte des vorliegenden Rechtsstreits verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand
der Beratung gewesen sind.
Streitbefangen ist im Berufungsverfahren nur noch der Beitragsanspruch der Klägerin für das Jahr 2011. Soweit das SG die Klage der Klägerin ansonsten abgewiesen hat, hat diese das Urteil des SG nicht angefochten. Die Klägerin macht auch für das Jahr 2011 mit Erfolg einen Beitragsanspruch geltend. Dem steht die von
dem Beklagten behauptete Kündigungserklärung nicht entgegen. Eine wirksame Kündigung iSd § 205 Abs 2 VVG liegt nicht vor. Denn es fehlt bereits am Nachweis des Zugangs der Kündigungserklärung bei der Klägerin.
Der BGH hat einen einheitlichen Anspruch zB bei einem aus mehreren Rechnungsposten bestehenden Werklohnanspruch angenommen,
wenn alle erbrachten Leistungen mit dem zu Beginn der Zusammenarbeit von Besteller und Unternehmer bestimmten Leistungsziel
in Zusammenhang stehen (BGH 10.10.2013 aaO, [...] Rn 21). Gleiches gilt bei einer Schadensersatzforderung aufgrund eines einheitlichen
Lebenssachverhalts (BGH 17.11.2010 aaO, [...] Rn 14). Entsprechend ist die Rechtslage im vorliegenden Fall. Die von der Klägerin
geltend gemachte Forderung beruht auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt, dem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen
Pflegeversicherungsvertrag, und es handelt sich um einen einheitlichen Forderungstyp (Beitragsforderung mit Nebenforderungen).
Deshalb ist es unschädlich, dass die Klägerin die erforderliche Individualisierung erst während des Klageverfahrens im Schriftsatz
vom 11.6.2015 vorgenommen hat.
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass die Klägerin in dem Antrag auf den Mahnbescheid die Gutschrift in Höhe
von 22, EUR nicht gesondert aufgeführt hat. Auch in Bezug auf die Gutschrift war eine nachträgliche Substantiierung im Lauf
des Rechtsstreits nach Übergang des Mahnverfahrens in das streitige Verfahren möglich, weil die Klägerin insoweit keine zusätzliche
Forderung geltend gemacht, sondern mit dem Betrag von 22, EUR gegen die Beitragsforderung aufgerechnet hat.