Verfahren zur Feststellung der Behinderung nach SGB IX - gravierende und erhebliche Einschnitte in die Lebensführung; gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung; Aufgabe des
Berufswunschs; stabile Stoffwechsellage; stabiler HbA1c-Wert; Funktionssystem Innere Sekretion und Stoffwechsel; Freizeitbereich;
GdB; Diabetes mellitus
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Der am ... 1997 geborene Kläger beantragte am 26. Juli 2013 bei dem Beklagten die Feststellung von Behinderungen nach dem
Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) sowie die Merkzeichen "G" (erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Berechtigung zur
Mitnahme einer Begleitperson) und gab als gesundheitliche Beeinträchtigung einen Diabetes mellitus Typ I an. Zur Bekräftigung
legte er einen Bericht des Städtischen Klinikums D. vom 17. Juli 2013 (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) vor. Darin berichtete
die Ärztin H. über einen stationären Aufenthalt vom 7. bis 20. Juli 2013 mit der Erstdiagnose eines Diabetes Mellitus Typ
I. Der Kläger sei wegen einer starken Gewichtsabnahme mit häufiger Abgeschlagenheit und Durst stationär aufgenommen worden.
Er habe sich in einem reduzierten Allgemein- und sehr schlanken Ernährungszustand befunden. Während des stationären Aufenthaltes
sei eine multimodale Komplexbehandlung sowie eine umfassende Ernährungsberatung durchgeführt worden. Anfänglich habe eine
Spritzenangst bestanden, die er im stationären Verlauf habe überwinden können. Er habe sich mit seiner Erkrankung viel auseinandergesetzt
und diese gut angenommen. Prof. Dr. S., Chefarzt der M. I. H., berichtete über eine Anschlussheilbehandlung des Klägers vom
22. Juli bis 11. August 2013. Danach besuche der Kläger die 10. Klasse eines Gymnasiums und widme sich in seiner Freizeit
der Selbstverteidigung und dem Segelfliegen. Er spritze sich das Insulin selbst und könne Unterzuckerungen (unterhalb von
4,0 mmol/l) sicher wahrnehmen. Bewusstlosigkeit oder Krämpfe seien bisher nicht aufgetreten. Der Kläger sei mit der Erkrankung
sehr selbstständig und verantwortungsbewusst umgegangen. Aufgrund seines sehr zuverlässigen Charakters könne er aus diabetologischer
Sicht das bisherige Segelflughobby fortsetzen.
Der Kläger hat Kopien seines Blutzuckertagebuchs zur Verwaltungsakte gereicht.
Der Beklagte ließ diese Befunde durch seine ärztliche Gutachterin Dr. E. am 11. Oktober 2013 auswerten, die den Diabetes mellitus
mit einem GdB von 40 bewertete. Dem folgend stellte der Beklagte ab 26. Juli 2013 einen GdB von 40 wegen Diabetes mellitus
fest (Bescheid vom 17. Oktober 2013). Hiergegen erhob die Mutter im Namen des Klägers am 25. Oktober 2013 Widerspruch und
machte geltend: Die Erkrankung sei eine starke Behinderung und rechtfertige die Zuerkennung der Schwerbehinderung sowie die
Feststellung des Merkzeichens G. Infolge der Erkrankung habe der Kläger seinen Traumberufswunsch zum Piloten aufgeben müssen.
Der Beklagte holte einen Befundschein von Chefarzt Dr. M. vom Städtischen Klinikum D. (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin)
vom 17. Dezember 2013 ein, der einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus diagnostizierte. Gerade bei Kindern und Jugendlichen
seien Blutzuckermessungen während des gesamten Tages und zum Teil auch in den Nachtstunden notwendig. Dies sei mit sechs bis
zwölf Messungen pro Tag verbunden. Die Behandlung des Typ I Diabetes mellitus sei ausgesprochen schwierig und komplex. Ein
normaler Alltag sei den Patienten nicht möglich. Sowohl Essen als auch Bewegung seien stets in die Blutzuckermessungen und
Berechnungen einzubeziehen. Die Kriterien eines GdB von 50 seien nach seiner Einschätzung erfüllt.
In Auswertung dieses Befundes gab die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. S. unter dem 18. Februar 2014 an: Eine gravierende
Beeinträchtigung der Lebensführung sei nicht gegeben und entsprechend kein höherer Einzel-GdB als 40 zu vergeben. Dem folgend
wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2014 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 20. März 2014, nunmehr anwaltlich vertreten, Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen: Er sei verpflichtet, etwa sechs- bis zwölfmal täglich den Blutzucker zu messen. Infolge
der Erkrankung sei er in seiner Teilhabe am Leben massiv eingeschränkt. So habe er eine Klassenfahrt nach Frankreich wegen
der mit der Erkrankung verbundenen Haftungsrisiken nicht antreten können. Auch seinen Traumberuf als Pilot könne er aufgrund
der Erkrankung nicht mehr verwirklichen, was ihn psychisch belaste. Allein die häufigen Messungen stellten für sich genommen
bereits eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung dar. Gerade bei jungen Menschen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren
könne der Diabetes mellitus häufig nur schlechter eingestellt werden als dies bei Erwachsenen der Fall sei. Zur Verdeutlichung
hat der Kläger eine Übersicht über regelmäßige Blutzuckermessungen und Insulingaben vorgelegt:
6:00 Uhr Blutzuckermessung anschließend Insulingabe (Verzögerungsinsulin Levemir), ca. 6:30 Uhr Insulingabe (Novo Rapid),
ca. 9:00 Uhr Blutzuckermessung anschließend Insulingabe für zweites Frühstück (Novo Rapid), ca. 12:00 Uhr Blutzuckermessung
anschließend Insulingabe für Mittagessen (Novo Rapid), ca. 14:30 Uhr bis 15:30 Uhr Blutzuckermessung anschließend Insulingabe
für Kuchen, Kekse, Eis usw. (Novo Rapid), ca. 18:00 Uhr Blutzuckermessung anschließend Insulingabe für Abendessen (Novo Rapid),
ca. 19:30 Uhr bis 20:00 Uhr Blutzuckermessung anschließend Insulingabe (Verzögerungsinsulin Levemir), ca. 20:15 Uhr Insulingabe
mit Novo Rapid für Spätmahlzeit (Obst, Joghurt, Schütz, Popcorn usw.).
Das SG hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Chefarzt Dr. M. hat unter dem 23. April 2015 ausgeführt:
Der Kläger befinde sich bei ihm ca. zwei- bis dreimal pro Quartal in ambulanter Behandlung. Organschäden der Augen sowie Nieren
seien bisher nicht aufgetreten. Infolge intensiver therapeutischer Anstrengung habe der HbA1c-Wert im therapeutischen Zielbereich
von 7 % bis 7,5 % gehalten werden können. Hypoglykämien könne der Kläger bislang immer rechtzeitig erkennen, so dass Bewusstseinstrübungen
oder Krampfanfälle bisher nicht aufgetreten seien. Weitere stationäre Aufenthalte seien auch nicht erforderlich geworden.
In Auswertung des Befundberichts hat der Beklagte auf eine weitere prüfärztliche Stellungnahme der ärztlichen Gutachterin
S.-S. vom 8. Juni 2015 verwiesen. Hiernach sei die Stoffwechseleinstellung beim Kläger sehr gut, was sich aus den umfangreichen
Dokumentationen auch bestätigen lasse. Etwaige Unterzuckerungen würden von ihm rechtzeitig bemerkt. Folgeerkrankungen seien
bisher nicht aufgetreten. Der GdB sei wie bisher auf 40 einzuschätzen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 9. Dezember 2015 hat der Kläger ausgeführt: Er habe sein Leben durch die Erkrankung komplett geändert. So müsse er stets
pünktlich um 6:00 Uhr morgens aufstehen, um vermeidbare Blutzuckerschwankungen zu verhindern. Es sei auch wichtig, pünktlich
um 19:30 Uhr Insulin zu spritzen. Teilweise sei es zu hohen Blutzuckerschwankungen gekommen. Wegen der Erkrankung habe er
Studienfahrten nicht mitmachen können. Die Bestimmung der Kohlenhydrate sei gerade im Ausland schwierig, da er das Essen nicht
kenne. Im Durchschnitt müsse er sieben- bis achtmal täglich den Blutzucker messen und ca. sechsmal Insulin spritzen. Das Langzeitinsulin
spritze er sich in den Oberschenkel. Die Insulingabe zum Essen erfolge dagegen in den Bauch. Bei Veranstaltungen bestehe immer
die Schwierigkeit, aus hygienischen Gründen einen geeigneten Ort zum Spritzen zu finden. Er fahre auch Auto, wobei er nach
zwei Stunden eine Unterbrechung einlegen müsse um den Blutzucker zu prüfen. Bis zur 12. Klasse habe er an einem Kurs in Selbstverteidigung
teilgenommen, habe diesen jedoch aus zeitlichen Gründen aufgegeben. Eigentlich habe er eine Spitzenphobie gehabt und sich
als Kind stets gegen Impfungen gewehrt. Nun habe er aber keine Wahl mehr. Wegen der Erkrankung könne er nur mit einer Begleitperson
Segelfliegen. Ab und zu gehe er mit Freunden feiern und trinke auch Alkohol. Allerdings gestalte sich dann die Blutzuckerberechnung
problematisch, da es zu Blutzuckerschwankungen durch den Alkohol komme. Niedrige Blutzuckerwerte merke er, da er dann zittrig
werde.
Den auf einen GdB von 50 ab 26. Juli 2013 gerichteten Antrag des Klägers hat das SG mit Urteil vom 9. Dezember 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger erreiche die für einen GdB von 50 geforderte
Anzahl von selbstständig dosierten Insulininjektionen, da er fünf- bis sechsmal Insulin spritzen müsse. Zusätzlich müsse er
zweimal täglich nach Therapieplan auch das notwendige Verzögerungsinsulin spritzen. Sein Therapieaufwand sei daher hoch. Allerdings
erreiche der Kläger dadurch eine stabile Stoffwechsellage. So seien stationäre Aufenthalte oder Notfallbehandlungen nicht
mehr erforderlich geworden. Wesentliche Einschränkungen in den Freizeitaktivitäten oder der Mobilität bestünden auch nicht.
Er sei sportlich aktiv, treffe sich mit Freunden, besuche Partys und fahre nach Erwerb der Fahrerlaubnis Pkw. Die erkrankungsbedingte
Verhinderung von Studienfahrten der Schule und der unerfüllte Wunsch als Pilot, seien für die Bewertung des GdB nicht relevant.
Bei Gesamtbetrachtung der Einschnitte in allen Lebensbereichen erreiche der Kläger noch nicht die erforderliche Grenze von
gravierenden Beeinträchtigungen in der Lebensführung. Die GdB-Bewertung des Beklagten sei daher nicht zu beanstanden.
Gegen das ihm am 14. Januar 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Januar 2016 Berufung eingelegt und zur Begründung
vorgetragen: Er müsse regelmäßig fünf- bis sechsmal täglich Insulin spritzen. Hinzu komme zweimal täglich die Gabe von sog.
Verzögerungsinsulin. Bei körperlicher Belastung müsse er zusätzliche Blutzuckerkontrollen vornehmen. Der Therapieaufwand gehe
daher weit über das normale Maß hinaus. An mehreren Studienfahren ins Ausland habe er nicht teilnehmen können, da kein Lehrer
wegen seiner Erkrankung die Verantwortung habe übernehmen wollen. Zudem leide er an einer Spritzenphobie. Durch die Erkrankung
sei er zudem physisch und psychisch beeinträchtigt. Er schlafe schlecht und habe häufig Kopfschmerzen und Unwohlsein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. Dezember 2015 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober
2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab dem
26. Juli 2013 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält seine Bescheide sowie die Ausführungen des vorinstanzlichen Urteils für zutreffend.
Der Senat hat weitere Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H.
hat am 24. Mai 2016 ausgeführt: Der HbA1c-Wert habe am 29. Februar 2016 6,6 % betragen (Norm: 4,0 - 6,0 %). Es handele sich
um einen Diabetes mellitus vom Typ I ohne Komplikationen. Es erfolge eine intensive Insulintherapie (Novo rapid 2,5/1,7/1,2/2,0/1,8/1,5
IE/BE; Korrektur 1:4 - 1:5 Levimir 11-0-0-28 IE). Der Blutzucker müsse fünf- bis achtmal pro Tag gemessen werden, wobei eine
Anpassung der jeweiligen Insulindosis nach Nahrungsaufnahme bzw. körperlicher Aktivität vorzunehmen sei. Mit guter Stoffwechseleinstellung
könne er einen Pkw fahren. Hierfür seien jedoch Blutzuckerwerte vor Antritt der Reise und nach ca. zwei Stunden Fahrzeit notwendig.
Chefarzt Dr. M. hat am 6. Juni 2016 ausgeführt: Eine leitliniengerechte Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)
bedeute sechs bis acht Blutzuckermessungen. Zusätzliche Kontrollen seien vor und nach dem Sport und bei Blutzuckerauffälligkeiten
erforderlich. Die Berufswahl der Betroffenen sei eingeschränkt und beispielsweise waffentragende Berufe, Berufe mit schwerer
körperlicher Belastung oder besonderen gesundheitlichen Anforderungen (z.B. Berufspilot) ausgeschlossen. Unter der Therapie
habe sich der HbA1c Wert des Klägers von 18,6 % auf 6,9 % verbessert. Den Segelflugsport könne er nur als Copilot ausüben.
Nach seiner Einschätzung sei ein GdB von mindestens 50 beim Kläger gerechtfertigt.
In Auswertung dieser Befunde hat der Beklagte eine prüfärztliche Stellungnahme der ärztlichen Gutachterin S.-S. vom 20. Juni
2016 zur Gerichtsakte gereicht. Hiernach sei weiterhin von einer guten Stoffwechselsituation auszugehen. Unterzuckerungen
seien selten und allenfalls leicht ausgeprägt. Der Kläger könne einen Pkw fahren und Sport treiben.
In einem Erörterungstermin vom 11. Januar 2017 hat der Kläger angegeben: Seit August 2016 mache er eine Ausbildung zum Tischler.
Er arbeite zwei Wochen in der Tischlerei und habe dann eine Woche Berufsschule. Seit August 2016 habe er extreme Zuckerschwankungen.
Dies habe sich gegenüber seiner Schulzeit deutlich verändert. Die Schwankungen würden von 17-20 % bis zu 1,5 % erfolgen. Jede
Nacht habe er eine Unterzuckerung. Die Arztintervalle seien auch deswegen deutlich kürzer geworden. Gegen morgens um 5:30
Uhr stehe er auf und spritze sich Langzeitinsulin. Dann esse er eine Kleinigkeit, um den Zucker für die Arbeit etwas nach
oben zu bringen. Auf der Arbeit esse er dann das zweite Frühstück gegen 9:00 Uhr. Gegen 12:00 Uhr nehme er das Mittagessen
zu sich. Um 16:30 Uhr habe er Arbeitsende und esse dann, wenn er nach Hause komme, eine Kleinigkeit. Gegen 18:30 Uhr nehme
er dann das Abendbrot zu sich und esse manchmal noch einmal gegen 20:00 Uhr eine Kleinigkeit. Vor dem Essen messe er den Blutzuckerzucker
und spritze sich die entsprechende Dosis Insulin. Diese Anpassung sei besonders auf der Arbeit schwierig, da er immer nicht
genau wisse, wie anstrengend diese werde. Mit dem Segelfliegen habe er erst einmal aufgehört. Andere sportlichen Aktivitäten
und Hobbys seien aktuell schwierig, da er immer relativ spät von der Arbeit nach Hause komme und hierfür keine Zeit mehr habe.
Unterzuckerungen bemerke er daran, dass er dann Schweißausbrüche und zittrige Hände bekomme sowie ihm manchmal auch schlecht
werde. Bisher habe er in derartigen Fällen sich immer rechtzeitig hinsetzen und zusätzliche Broteinheiten einnehmen können.
Der letzte HbA1c-Wert habe nach seiner Erinnerung bei 7,6 % gelegen. Gegen 22:00 Uhr gehe er zu Bett. Nachts wache er regelmäßig
nicht auf. Konkrete Müdigkeitsprobleme habe er auch nicht. Vor dem Autofahren müsse er den Wert messen. Wenn der Wert zu tief
sei, müsse er entsprechende Kalorien zuführen. Bei längeren Fahrten sei eine Kontrolle nach ca. zwei Stunden vorzunehmen.
Wegen der Spritzenphobie müsse er sich immer noch überwinden, um die Spritzen zu setzen. Besonders schlimm sei dies beim Blutabnehmen.
Da bekomme er manchmal Panikattacken.
Der Senat hat einen aktualisierten Befundbericht von Dr. H. vom 20. Februar 2017 eingeholt. Der Kläger habe danach keine Beschwerden
angegeben. Er müsse fünf- bis achtmal täglich den Blutzucker messen und die Insulindosis nach Nahrungsaufnahme und körperlicher
Aktivität anpassen. Patienten mit gleichem Erkrankungsbild hätten dabei ähnliche Einschränkungen. Mit guter Stoffwechseleinstellung
könne er einen Pkw fahren, wenn gewisse Vorsichtsmaßnahmen beachtet würden. Es bestünden schwankende Blutzuckerwerte. Der
HbA1c-Wert im Juni 2016 habe bei 6,8 %, im September 2016 bei 7,1 % und im Januar 2017 bei 7,2 % gelegen. Seit Aufnahme der
beruflichen Tätigkeit sei der Stoffwechsel schlechter eingestellt. Die Blutzuckerwerte schwankten stark.
In Auswertung dieses Berichtes hat der Beklagte eine prüfärztliche Stellungnahme seiner ärztlichen Gutachterin S.-S. vom 3.
März 2017 vorgelegt, die darin ausführt hat: Gewisse Anpassungsschwierigkeiten beim Wechsel vom Schulbetrieb ins Arbeitsleben
seien wegen des körperlich unterschiedlichen Tätigkeitsprofils plausibel und erforderten eine Anpassung des Therapieplans.
Hieraus könne keine Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden.
Der Kläger hat nochmals hervorgehoben, dass er durchschnittlich sechsmal täglich Insulin spritzen müsse. Dies sei ein besonders
hoher Therapieaufwand. In den Befragungen habe er immer wieder seine Einschränkungen durch die Erkrankung hervorgehoben. Zu
berücksichtigen sei auch, dass er an einer Spritzenphobie leide und sich bei jeder Injektion in besonderer Weise überwinden
müsse, was zusätzliche Zeit in Anspruch nehme.
Der Kläger hat am 12. Mai 2017 eine aktualisierte Blutzuckerdokumentation vom 23. April 2015 bis 9. Mai 2017 vorgelegt. Hiernach
erfolgten die Blutzuckermessungen ab dem 22. Juni 2016 mit Hilfe eines Sensors.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte eingelegte und nach §
143 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Klägers auf die Feststellung eines Behinderungsgrades von
50 ab dem 26. Juli 2013. Hierbei handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§
54 Abs.
1,
56 SGG).
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 17. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar
2014 nicht in seinen Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 und das Urteil des SG vom 9. Dezember 2015 rechtmäßig sind.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene
SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Rechtsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist §
69 Abs.
1 und
3 SGB IX. Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift
knüpft materiell-rechtlich an den in §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach §
69 Abs.
1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn
mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen
festgestellt.
§
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach
der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember
2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische
Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen
der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009
in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Abs. 17 ermächtigt worden ist. Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG; Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember
2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen
Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen.
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der VMG (Teil B) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen
zu der Tabelle (Teil B, Nr. 1 a) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle die Teilhabe
beeinträchtigenden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb
der in Nr. 2 e (Teil A, Nr. 2 f) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf;
Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf)
zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1
a).
Nach diesem Maßstab ist für die Funktionseinschränkungen des Klägers ein GdB von 40 gerechtfertigt und die Schwerbehinderteneigenschaft
nicht festzustellen. Dabei stützt sich der Senat auf die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen, die vorgelegten Diabetikertagebücher,
die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten und die eigenen Angaben des Klägers.
Das Leiden des Klägers betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und wird durch den insulinpflichtigen
Diabetes mellitus Typ I geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VMG vom 14. Juli 2010 gilt nach
Teil B, Nr. 15.1:
"Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte
Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind,
erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung.
Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen,
wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig
variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund
dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise
Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen."
Das BSG hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010 (B 9 SB/09 R, juris) diese Neufassung der VMG für rechtmäßig erklärt (vgl. BSG a.a.O. Rdnr. 26) und für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung unter Hinweis auf das Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a
SB 10/06) bei der Bewertung des Einzel-GdB eines insulineingestellten Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität insbesondere
den jeweiligen Therapieaufwand hervorgehoben, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der
Gesellschaft nachteilig auswirkt. Hierbei ist der GdB eher niedrig anzusetzen, wenn bei geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene
Stoffwechsellage erreicht werden kann. Bei einem beeinträchtigenden, wachsenden Therapieaufwand und/oder abnehmenden Therapieerfolg
(instabilere Stoffwechsellage) wird der GdB entsprechend höher zu bewerten sein. Dabei sind - im Vergleich zu anderen Behinderungen
- die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu prüfen (BSG a.a.O. Rdnr. 33). Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung können z.B. die Planung des Tagesablaufs, die
Gestaltung der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beachtet werden (vgl. Begründung
zur Verordnungsänderung, BR-Drucksache 285/10 S. 3 zu Nr. 2).
Durch die Neufassung der VMG zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von 50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen
pro Tag und ein selbständiges Anpassen der Insulindosis. Zusätzlich muss es - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand,
die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) - zu einer krankheitsbedingten
erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012, B 9 SB 2/12 R, juris). Die Formulierung in Teil B, Nr. 15.1 VMG "und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt
sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand
durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbstständige jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung notwendig
ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus Erkrankte muss wegen des reinen
Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen generell gravierende Einschnitte
in der Lebensführung erleiden. Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss,
ergibt sich aus den vorhergehenden Formulierungen der VMG für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für die Bewertung der
Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher Bedeutung.
Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam sein. Für
die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den VMG außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen
allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können.
Ein GdB von 50 setzt also mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis und im
Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche auch gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung voraus.
Diese Anforderungen für einen GdB von 50 erreicht der Kläger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls noch nicht.
Dabei hat der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16. Dezember 2014, B 9 SB 2/13 R, juris) eine Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche angestellt. Der Senat folgt in seiner Bewertung den überzeugenden Einschätzungen
der Versorgungsärzte des Beklagten.
Der Kläger führt nach seinen eigenen und den Angaben seiner Diabetologin eine Insulintherapie mit durchschnittlich sechs bis
acht täglichen Blutzuckermessungen und sechs täglichen Insulininjektionen durch. Damit erreicht er die für einen GdB von 50
notwendige Therapieintensität. Allerdings fehlt es bei ihm an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf seine Lebensführung
auswirken, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden kann. Aufgrund der therapie- und erkrankungsbedingten
Einschränkungen in der konkreten Lebensführung lässt sich eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
aufgrund der Erkrankung an Diabetes mellitus nicht erkennen. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilbereiche, in denen
sich therapie- und krankheitsbedingte Einschränkungen in der Lebensführung auswirken können, lässt sich feststellen, dass
gravierende Auswirkungen bei dem Kläger nicht in hinreichendem Umfang in den Bereichen der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung
der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität vorliegen. Die von ihm angegebenen Nachteile sind zwar insgesamt
einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der VMG.
Die Therapieintensität von durchschnittlich sechs Injektionen orientiert sich an dem vom Kläger selbst vorgetragenen täglichen
Ernährungsablauf, der ausdrücklich Zwischenmahlzeiten mit einschließt und damit auch zusätzliche Insulininjektionen notwendig
macht. Dies ist auch keine ungewöhnlich hohe Therapieintensität, sondern entspricht der leitliniengerechten Intensivierten
konventionellen Insulintherapie (ICT) (vgl. Chefarzt Dr. M. vom 6. Juni 2016). Entgegen der Ansicht des Klägers kann hieraus
nicht bereits auf das Vorliegen einer Schwerbehinderung geschlossen werden, da sich die Insulingaben noch im Rahmen eines
vom Kläger gewollten, keineswegs ungewöhnlichen Ernährungsplans mit mehreren Zwischenmahlzeiten bewegt. Eine ungewöhnlich
hohe Therapieintensität, die für sich genommen bereits eine Schwerbehinderung hätte rechtfertigen können, lässt sich aus diesem
Insulininjektionsintervall noch nicht ableiten. Dies entspricht auch der Bewertung der ärztlichen Gutachter des Beklagten,
denen sich der Senat anschließt.
Auch wenn sich durch die Aufnahme der Berufsausbildung im August 2016 die Blutzuckerwerte verschlechtert haben, ist hieraus
keine gravierende Teilhabebeeinträchtigung im beruflichen Bereich entstanden. Einschränkungen des Klägers, die Berufsausbildung
in dem körperlich belastenden Beruf als Tischler überhaupt umzusetzen, sind ebenfalls weder erkennbar noch vorgetragen. Die
vom Kläger vorgetragene Spritzenphobie kann auch nicht zu einer anderen Bewertung führen. So wurde bereits im Bericht vom
17. Juli 2013 die anfängliche Spritzenangst aus ärztlicher Sicht als überwunden angesehen. Aktuelle Befunde, die für ein Wiederaufleben
dieser Angst beim Kläger mit gravierenden Einschränkungen sprechen könnten, sind nicht zur Gerichtsakte gelangt. Nachdem der
Kläger ab 22. Juni 2016 die Blutzuckermessungen mittels Sensor vornimmt, dürfte sich diese Belastungslage ohnehin verringert
haben. Auch fehlt es an Hinweisen, dass sich der Kläger wegen der Ängste in psychiatrischer Behandlung begeben musste bzw.
dass die Insulintherapie deswegen nicht mehr oder nur eingeschränkt durchgeführt werden konnte. Die vom Kläger vorgetragenen
begleitenden Nachteile (erkrankungsbedingten Veränderungen des Tagesablaufes usw.) sind für den Diabetes mellitus typisch
und daher in der GdB Bewertung von 40 bereits umfassend berücksichtigt. Seinen Berufswunsch, Tischler zu werden, konnte der
Kläger durch Aufnahme seiner Lehre verwirklichen. Auch wenn er nach Angaben seiner Mutter erkrankungsbedingt mit keinen Montagearbeiten
an fremden Einsatzorten betraut wird, ist darin keine gravierende Teilhabeeinschränkung im Berufsleben zu erkennen. Allein
der Ausschluss eines einzigen Berufswunsches - hier Pilot - kann unter Berücksichtigung der noch vorhandenen Auswahlmöglichkeiten
nicht die gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung begründen. Gegen eine einschneidende Beeinträchtigung innerhalb des
beruflichen Bereichs spricht darüber hinaus, dass keine Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers infolge der Diabeteserkrankung
eingetreten sind.
Auch im Freizeitbereich zeigen sich beim Kläger keine gravierenden Einschränkungen. Er trifft sich mit Freunden, fährt Auto
und kann - sofern es seine Zeit erlaubt - Sport betreiben.
Der Kläger wird (bislang) über den einschränkenden Therapieaufwand hinaus auch nicht zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität
in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Der Senat folgt auch
insoweit den prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten. Eine instabile Stoffwechsellage ist jedenfalls bis zum hier maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht nachgewiesen. Die von Dr. H. im Befundbericht vom 20. Februar 2017 mitgeteilten
Verschlechterung des Stoffwechsels bedarf offenbar einer Änderung des Therapieplanes (so die ärztliche Gutachterin S.-S. in
der prüfärztlichen Stellungnahme vom 3. März 2017). Eine damit begründbare gravierende Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit
ist damit jedoch noch nicht eingetreten. Notwendig gewordene stationäre Aufenthalte oder signifikante Zwischenfälle in der
Insulintherapie sind nicht aktenkundig geworden. Die schlechter gewordenen HbA1c-Werte bewegen sich noch zwischen 6,8 % und
7,2 % und damit in der Nähe des Normwertes. Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht vorgetragen. So fehlt es z.B. auch an
dokumentierten nächtlichen Blutzuckermessungen oder gravierenden Unterzuckerungssituationen.
Der Kläger leidet nach den vorliegenden Befunden und seinem eigenen Sachvortrag unter keinen weiteren Erkrankungen, die einen
weiteren (Einzel-)GdB begründen könnten, so dass für eine Erhöhung des GdB aufgrund von Behinderungen in einem weiteren Funktionssystem
kein Raum verbleibt.
Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei dem Kläger dem nach Teil A, Nr. 3 VMG zu berücksichtigenden
Vergleichsmaßstab. So spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen,
für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn
die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa
die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie
(Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt beim Kläger
nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision nach §
160 SGG ist nicht gegeben.