Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Die 1958 geborene Klägerin ist von Beruf Innenarchitektin. Vom 2. Februar 2006 bis zum Tod ihres Ehemannes am 1. September
2011 war sie bei der Beklagten krankenversichert, zuletzt im Rahmen der Familienversicherung. Vom 2. September bis 31. Oktober
2011 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld II. Aufgrund ihrer Erklärung zur Abmeldung aus dem Leistungsbezug ab 1. Oktober 2011
verpflichtete das Jobcenter K die Klägerin mit Bescheid vom 3. November 2011 zur Erstattung der für den Zeitraum 1. bis 31.
Oktober 2011 erhaltenen Leistungen. Seit dem 1. September 2011 bezieht die Klägerin eine Witwenrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2012 stellte die Beklagte die Mitgliedschaft der Klägerin als versicherungspflichtige Rentnerin
ab dem 1. November 2011 fest und bat um Mitteilung der Höhe der Einkünfte. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass sie eine
selbstständige Tätigkeit ausübe, jedoch derzeit arbeitsunfähig sei.
Am 5. März 2012 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht. Sie verwies auf eine bestehende
private Krankenversicherung. Diesen Befreiungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2012 mit der Begründung
ab, eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Arbeitslosengeldbezieher sei möglich, wenn in den letzten fünf Jahren
vor dem Leistungsbezug keine gesetzliche Krankenversicherung bestanden habe. Dies treffe auf die Klägerin nicht zu, da sie
bis zum Tod ihres Ehemannes familienversichert gewesen sei. Auf Anforderung der Beklagten reichte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid
für 2010 zur Akte, aus dem sich Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 4.202,00 EUR ergeben.
Am 10. April 2012 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. März 2012 ein. Zur Begründung führte sie aus, sie
beziehe kein Arbeitslosengeld, sondern sei hauptberuflich selbstständig tätig. Es liege damit ein Ausschlussgrund von der
Krankenversicherung der Rentner vor. Zu keinem Zeitpunkt sei sie als Arbeitslosengeld II Bezieherin pflichtversichert gewesen.
Im September 2011 habe noch die Familienversicherung bestanden. Ab Oktober 2011 habe sie auf SGB-II Leistungen verzichtet. Außerdem sei sie seit dem 1. Oktober 2011 Mitglied der regionalen Solidargemeinschaft A. Mit dieser
Mitgliedschaft sei die nach § 193 Abs. 5 Nr. 3 VVG und §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V erforderliche Absicherung im Krankheitsfall gegeben.
Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Klägerin einen Fragebogen zu ihrer selbstständigen Tätigkeit. Hierin gab sie
an, sie übe ihre selbstständige Tätigkeit pro Woche ca. 8-12 Stunden aus. Das monatliche Arbeitseinkommen aus der selbstständigen
Tätigkeit betrage im Durchschnitt 255,95 EUR. Außerdem reichte die Klägerin die Einnahmen-Überschussrechnung für die ersten
drei Quartale 2011 zur Akte.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2012 stellte die Beklagte fest, dass ab dem 1. Januar 2011 die selbstständige Tätigkeit nebenberuflich
ausgeübt wird, da die selbstständige Tätigkeit nicht die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltes darstelle und nicht
mehr als 20 Arbeitsstunden in der Woche ausmache. Eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner sei deshalb möglich.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 28. Juni 2012 Widerspruch ein und machte geltend, in der Zeit vom 2. April bis
zum 15. April 2012 habe sie sich in Kur befunden und nicht arbeiten können. Die ausgefallene Arbeitszeit führe also zu einer
Reduzierung im Durchschnittswert der angegebenen Wochenstunden. Seit Oktober 2011 bemühe sie sich, die Arbeitsstunden immer
weiter zu erhöhen. Zwischen Oktober 2011 und April 2012 habe die Arbeitszeit auf durchschnittlich 20-35 Wochenstunden erhöht
werden können. Ab Mai betrage die Arbeitszeit zwischen 35 und 45 Stunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2012 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine
Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß §
8 Abs.
1 SGB V sei nicht möglich, da die Dreimonatsfrist des §
8 Abs.
2 SGB V nicht eingehalten worden sei. Auch die übrigen Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht lägen nicht vor.
Eine Familienversicherung habe trotz des nachgehenden Leistungsanspruchs gemäß §
19 Abs.
3 SGB V nur bis zum Tod des Ehemannes der Klägerin bestanden. Nachgehende Leistungsansprüche seien nach ständiger Rechtsprechung
gegenüber Ansprüchen aus einem neuen, aktuellen Versicherungsverhältnis nachrangig. Erst recht hinderten sie nicht das Eingreifen
eines eigenen Versicherungspflichttatbestands. Die Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von ALG II gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V gelte auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt habe, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert
oder zurückgezahlt worden sei. Ferner sei die Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von ALG II ( §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V ) gegenüber der ebenfalls eingetretenen Versicherungspflicht als Rentner ( §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V ) gemäß §
5 Abs.
8 Satz 1
SGB V nachrangig. Bis zum 31. Oktober 2011 habe deshalb Versicherungspflicht allein aufgrund von §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V bestanden. Nach Ende der Vorrangversicherung aufgrund des Bezuges von ALG II bestehe Versicherungspflicht als Rentner. Daran ändere auch die von der Klägerin ausgeübte selbstständige Tätigkeit nichts,
da diese nicht hauptberuflich ausgeübt werde. Die nunmehr behauptete Ausweitung der Tätigkeit widerspreche den bisherigen
Angaben und sei bislang nicht nachgewiesen. Selbst bei Aufnahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit würde eine
Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V vorliegen. Die Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft A Deutschland e.V. ab dem 1. Oktober 2011 stelle keine solche anderweitige
Absicherung im Krankheitsfall dar. Der Anspruch müsse den Anforderungen des §
194 Abs.
1 BGB entsprechen. Nach §
2 der Satzung der Solidargemeinschaft A Deutschland e.V. leiste der Solidaritätsfond auf Antrag finanzielle Hilfe im Falle
von Überforderung infolge von Krankheits- und Unglücksfällen, ohne dass ein Rechtsanspruch darauf bestehe. Die Mitgliedschaft
könne somit keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall begründen, die den Eintritt von Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V hindern würde.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. September 2012 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Entgegen der Auffassung der Beklagten
übe sie ihre selbstständige Tätigkeit hauptberuflich aus. Auch werde durch die Mitgliedschaft bei der A eine anderweitige
Absicherung im Krankheitsfall begründet. Sie verweist diesbezüglich auf ein Gutachten von Eckhart Stevens-Bartol (Vorsitzender
Richter am Bayerischen Landessozialgericht a.D.). Die Klägerin hat zudem Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012
sowie eine Einnahmen-Überschussrechnung für das Jahr 2011 zur Akte gereicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 6. März 2011 und 10. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2012 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, sie von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen.
Mit Urteil vom 12. Juni 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt:
"Die Bescheide der Beklagten vom 6. März 2012 und vom 10. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2012
halten einer gerichtlichen Überprüfung stand. Sie sind rechtmäßig.
Zu Recht hat die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgelehnt.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ( §
128 Abs.
1 SGG ) liegen weder die Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit, noch für die Befreiung von der Versicherungspflicht vor.
Nach Ende der Familienversicherung war die Klägerin im Zeitraum 2. September bis 31. Oktober 2011 als Empfängerin von Arbeitslosengeld
II gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift steht die rückwirkende
Aufhebung der Bewilligung der Versicherungspflicht nicht entgegen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht für diesen
Zeitraum nach Maßgabe des §
8 Abs.
1 Nr.
1a SGB V kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Befreiungsantrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht
gestellt wurde (s. §
8 Abs.
2 Satz 1
SGB V ). Auf das Vorliegen der übrigen Befreiungsvoraussetzungen und insbesondere auf die Frage, ob die Mitgliedschaft in der A
Deutschland Solidargemeinschaft e.V. als "anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" anzusehen ist, kommt es
nicht an.
Seit dem 1. November 2012 besteht eine Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten gemäß §
5 Abs.
11 SGB V . Danach sind versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert
waren. Unstrittig liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift im hier zu entscheidenden Fall vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerin übt sie auch keine der Versicherungspflicht entgegenstehende hauptberufliche Erwerbstätigkeit
aus (s. §
5 Abs.
5 SGB V ).
Die Hauptberuflichkeit einer Selbständigkeit wird grundsätzlich nicht absolut ermittelt. Entscheidend ist vielmehr im Rahmen
einer Gesamtbetrachtung, welcher Bedeutung die Selbständigkeit in Relation zu dem die Versicherungspflicht auslösenden Tatbestand
- hier der Rentenbezug - hat. Kriterien für die Beurteilung sind dabei der zeitliche Aufwand, der erzielte Umsatz und die
Höhe des Arbeitseinkommens im Verhältnis zur Rentenhöhe.
Die Angaben der Klägerin zum Umfang der selbständigen Tätigkeit sind nicht frei von Widersprüchen:
In einem Schreiben an die Beklagte vom 25. Januar 2011 hat sie angegeben, bis September 2011 die selbständige Tätigkeit nebenberuflich
ausgeübt zu haben. Im September 2011 habe sie aufgrund der psychischen Belastung durch den Tod ihres Mannes keine Einkünfte
gehabt und deshalb Arbeitslosengeld II bezogen.
In einem weiteren Schreiben an die Beklagte vom 29. Februar 2012 gab die Klägerin an, sie sei immer noch selbständig tätig,
derzeit aber arbeitsunfähig. Sie ziehe in Erwägung, eine Erwerbsminderungsrente oder Sozialhilfe zu beantragen. Im Oktober
2011 habe sie einen schweren Verkehrsunfall gehabt. Das bisher bezogene Schmerzensgeld und ihre Witwenrente hätten nach dem
Tod ihres Ehemannes bisher ihre finanzielle Grundversorgung sichergestellt.
Auf der Grundlage dieser Angaben müssten die im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 ausgewiesenen Einkünfte aus selbständiger
Tätigkeit in Höhe von 6.702 Euro überwiegend im Zeitraum Januar bis August 2011 erzielt worden sein. Dieser Zeitraum ist jedoch
nicht streitgegenständlich. Im Widerspruch dazu steht die Angabe der Klägerin in einem Fragebogen zur selbständigen Tätigkeit
vom 7. Mai 2012, wonach sie im Zeitraum Januar bis September 2011 die Selbständigkeit nebenberuflich in einem zeitlichen Umfang
von 8 - 12 Stunden wöchentlich ausgeübt haben will, das monatliche Arbeitseinkommen habe durchschnittlich 355, 95 Euro betragen.
Nur einen Tag später teilte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, die Klägerin sei ab Oktober 2011 hauptberuflich
selbständig tätig mit einer Wochenarbeitszeit von 25 bis 30 Stunden. Diese Angabe steht im Widerspruch zu den Angaben der
Klägerin im Schreiben vom 29. Februar 2012.
In einer am 28. Juni 2012 zur Akte gereichten Fragebogen vom 27. Juni 2012 gab die Klägerin an, seit Mai 2012 ("nach Kur im
April") die selbständige Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von 35 bis 45 Stunden auszuüben. Das Einkommen betrage insgesamt
1.580 Euro pro Monat.
Erstmalig mit Schriftsatz vom 4. August 2012 wird ein weiterer Fragedatum unter dem Datum 7. Mai 2012 zur Akte gereicht, in
dem die Klägerin angibt, ab dem 1. Oktober hauptberuflich selbständig zu sein. Die wöchentliche Arbeitszeit betrage im Durchschnitt
25 - 30 Stunden pro Woche, wegen Krankheit zum Teil weniger.
Im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2012 sind Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 3.696 Euro ausgewiesen.
Dies deckt sich nicht annähernd mit den Angaben zum Einkommen im Fragebogen vom 27. Juni 2012.
Die Höhe der Rente überstieg im Jahr 2012 die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Allein die Angabe der Klägerin zum zeitlichen
Umfang der Tätigkeitsausübung ist aufgrund der oben dargelegten Widersprüche nicht geeignet, die Hauptberuflichkeit der selbständigen
Tätigkeit nachzuweisen.
Insgesamt vermochte die Kammer sich nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin ab dem 1. November 2011 hauptberuflich selbständig
tätig war.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht der Rentner gemäß §
8 Abs.
1 Nr.
4 SGB V , weil auch diesbezüglich die Dreimonatsfrist des §
8 Abs.
2 Satz 1
SGB V nicht eingehalten wurde."
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. Juli 2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die
am 5. August 2015 bei dem Schleswig- Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin teilt mit, dass sie
ihre selbstständige Tätigkeit seit März 2014 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausübe. Ihren Lebensunterhalt bestreite
sie aus der Witwenrente und ergänzenden Leistungen des Amtes für soziale Dienste Kiel (Sozialhilfe). Zur Begründung der Berufung
führt die Klägerin aus, dass sie seit dem vierten Quartal 2011 hauptberuflich selbstständig tätig sei. In diesem Quartal habe
sie Gewinne in Höhe von 3.696,96 EUR erzielt. Danach sei es ihr zunehmend gesundheitlich schlechter gegangen bis dahin, dass
sie die selbstständige Tätigkeit jetzt seit drei Jahren nicht mehr ausüben könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil (Az.: S 3 KR 194/12) des Sozialgerichts Kiel vom 12. Juni 2014 (richtig: 2015) sowie die Bescheide der Beklagten vom 6. März 2011 und 10. Mai
2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie von der Versicherungspflicht
der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Beratung gewesen.
Das von der Klägerin angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Gleichwohl hat der Senat das Urteil des Sozialgerichts eingehend mit nachfolgendem Ergebnis geprüft:
§
5 SGB V regelt den Personenkreis, der kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der GKV unterliegt. Die zunächst auf die Personengruppen
in Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 12 begrenzte Regelung wurde zunehmend infrage gestellt, weil angesichts unterschiedlicher Lebensverhältnisse
abhängige Erwerbstätigkeit, Studium, Rentenbezug oder ähnliche Sachverhalte allein noch kein Indiz für die Zugehörigkeit zu
einer sozial schutzbedürftigen Personengruppe sein müssen. Andererseits sind vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung im
Gesundheitswesen nur wenige einzelne in der Lage, alle denkbaren Kosten einer Krankenbehandlung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
In der Erkenntnis, dass also trotz der Schaffung einer Pflichtversicherung ein zu großer Bevölkerungsanteil ohne ausreichenden
Krankenversicherungsschutz war (und dadurch ggfls. sozialhilfebedürftig wurde), hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. April
2007 die Regelung des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V geschaffen. Damit wurde für alle ohne anderweitige Krankenabsicherung im Krankheitsfall Versicherungsschutz in Form einer
Pflichtversicherung in der GKV oder einer privaten Krankenversicherung eingeführt. Dabei werden der GKV insbesondere Personen
ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfall zugewiesen, die zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen sind, sowie solche
Personen, die zuletzt weder gesetzlich noch privat krankenversichert waren. Die Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V ist eine "Auffangpflichtversicherung", da sie nur subsidiär eintritt, wenn kein anderweitiger ausreichender Krankenversicherungsschutz
besteht. Vorrangig sind nämlich alle anderen gesetzlichen Ansprüche auf Leistungen im Krankheitsfall, wie Anspruch auf Krankenhilfe
nach § 40 SGB VIII , auf GKV-Leistungen durch Übernahme der Krankenbehandlung nach §
264 SGB V , auf Gesundheitsfürsorge nach den §§
56 ff.
Strafvollzugsgesetz , auf freie Heilfürsorge, auf Krankenbehandlung nach dem BVG, dem BEG oder vergleichbaren Regelungen oder Anspruch auf Leistungen nach über- oder zwischenstaatlichem Recht. Die Aufzählung
macht deutlich, dass es sich bei diesen gesetzlich normierten Leistungsansprüchen im Krankheitsfall um Sonderfälle für bestimmte
Personenkreise handelt, für die ein dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens entsprechender Anspruch
des Leistungsberechtigten vom Gesetzgeber festgelegt wurde. Sogar für die von der Versicherungspflicht ausgenommenen Beamten
sowie die ähnlich organisierten Berufsgruppen der Soldaten, Richter und sonstigen Beschäftigten öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber
( §
6 Abs.
1 Nr.
2 SGB V ) ist anerkannt, dass diese zwar in der Wahl ihrer Krankenvorsorge frei sind, aber die die Eigenvorsorge der Beamten ergänzende
Beihilfe nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestaltet werden darf. Aus alldem folgt, dass
in den oben genannten Fällen immer Rechtsansprüche auf Absicherung im Krankheitsfall normiert sind, die auch gerichtlich eingeklagt
werden können. Die Mitgliedschaft bei der A kann daher nicht als anderweitige Absicherung im Sinne von §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V anerkannt werden, denn sie garantiert den Mitgliedern des Vereins keine Leistungsansprüche. Eine ausreichende "anderweitige
Absicherung" ist nämlich nur dann gegeben, wenn der Versicherte im Krankheitsfall einen Rechtsanspruch auf Leistungen erhält
und diesen auch (gerichtlich) durchsetzen könnte. Hieran mangelt es aber, da die einschlägigen Satzungsbestimmungen (§ 2 Abs.
1 und Abs. 4) der A einen Rechtsanspruch sogar ausdrücklich ausschließen. Ein "Anspruch" im Sinne von §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V liegt nur dann vor, wenn §
194 Abs.
1 BGB erfüllt ist. Nach dieser Legaldefinition ist ein Anspruch das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.
Nur wenn mit einem durchsetzbaren Recht auf Schutz im Krankheitsfall eine Absicherung gegeben ist, kann unter Einbeziehung
des gesetzgeberischen Grundgedankens der Schutz der gesamten Bevölkerung im Krankheitsfall erreicht werden. Dieser Schutz
im Krankheitsfall kann nicht dergestalt umgesetzt werden, dass einerseits im Bereich der GKV echte Rechte auf Schutz im Krankheitsfall
gewährt werden, aber andererseits rechtlich nicht realisierbare Leistungen zur Subsidiarität führen. Würde man ohne vorliegende
Rechtsnatur eines echten Anspruchs im Sinne von §
194 Abs.
1 BGB ein Eingreifen der Subsidiarität annehmen, so wäre die Umsetzung der gesetzgeberischen Grundentscheidung nicht mehr gegeben,
denn der Schutz der Bevölkerung im Krankheitsfall würde ohne Vorhersehbarkeit, ohne Berechenbarkeit und somit von tatsächlichen
Zufälligkeiten abhängen. So folgt auch aus der Systematik der gesetzlichen Regelung, dass der Anspruch nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V im Sinne der Legaldefinition des §
194 Abs.
1 BGB zu verstehen ist. Während des Gesetzgebungsverfahrens ist die anderweitige, die Auffangversicherungspflicht ausschließende
Absicherung durch §
5 Abs.
8a SGB V teilweise präzisiert worden. Bei Durchsicht dieser gesetzlichen Regelung wird deutlich, dass von §
5 Abs.
8a SGB V nur Ansprüche im Sinne von §
194 Abs.
1 BGB erfasst werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren einen bereits vorhandenen
Begriff verwendet. Zwar hat der Gesetzgeber den Begriff des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nicht
näher definiert, aber es sind im Wortlaut des §
5 Abs.
1 Nr.
13 Buchstabe a , §
5 Abs.
8a SGB V keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Gesetzgeber entgegen der sonst üblichen Verfahrensweise dem Begriff des Anspruchs
eine andere Bedeutung als in der Legaldefinition geregelt beimessen wollte ( Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9.
Juni 2015 - L 4 KR 27/13 - in juris, nachgehend Bundessozialgericht, Beschluss vom 18. April 2017 - B 12 KR 18/15 R - Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde betr. eine andere Solidargemeinschaft mit einer gleichen Satzung wie A ).