Besteuerungsgrundsätze bei Fiskalerbschaft - Gemeinschaftssteuer; Ertragshoheit; Verwaltungshoheit; Steuergläubiger; Gesamtgläubiger;
Teilgläubiger; Konfusion; Zuwendung; Aufteilungsbescheid; Duldungspflicht; Zusammenveranlagung; Vollstreckungsbeschränkung;
Revisionsrechtliches Verböserungsverbot
Gründe:
I. Für die Jahre 1990, 1991 und 1992 wurde die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit ihrem im Oktober 2001 verstorbenen
Ehemann bestandskräftig zusammen veranlagt. Daraus ergaben sich zum 9. Oktober 1995 fällige Steuerschulden (Einkommensteuer,
Solidaritätszuschlag und Zinsen zur Einkommensteuer) in Höhe von insgesamt ca. 1 085 000 DM. Mit Aufteilungsbescheiden nach
§§
268 ff. der
Abgabenordnung (
AO 1977) vom 13. Oktober 1995 wurde die Vollstreckung gegen die Klägerin gemäß §
278 Abs.
1 AO 1977 antragsgemäß auf 0 DM beschränkt mit dem Hinweis, "unberührt davon bleibt die Inanspruchnahme nach §
278 Abs.
2 AO".
1995 wurden bei der Klägerin verschiedene auf §
278 Abs.
2 AO 1977 gestützte Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt. Die dagegen erhobenen Beschwerden blieben erfolglos. Mit Gerichtsbescheid
vom 29. Juni 2001 8 K 971/96 stellte das Finanzgericht (FG) fest, dass die Klägerin (mindestens) in Höhe dieser Steuerschulden von ihrem Ehemann Zuwendungen
i.S. des §
278 Abs.
2 AO 1977 erhalten habe (einmalige Zuwendungen in 1991, 1992 und 1994 sowie in den Jahren 1990 bis 1994 laufende Zuwendungen).
Die von ihrem Ehemann zur Alleinerbin bestimmte Klägerin, die Kinder und der Halbbruder des Ehemannes schlugen die Erbschaft
aus. Mangels anderer als Erben in Betracht kommender Personen stellte das für die Nachlasssache zuständige Amtsgericht F die
Erbenermittlung ein.
Auf Antrag der Klägerin erließ der Beklagte und Revisionsgegner (das Finanzamt --FA--) am 30. April 2002 "zur Inanspruchnahme
der Klägerin nach §
278 Abs.
2 Abgabenordnung (
AO) wegen der nach Aufteilung der Gesamtschuld auf den zusammenveranlagten Ehegatten entfallenden Schuld" einen "Abrechnungsbescheid
gemäß §
218 Abs.
2 AO". Nach Anrechnung der durch Vollstreckung eingezogenen, im Einzelnen den Steuerschulden 1990, 1991 und 1992 zugeordneten
Beträge "verblieben für die weitere Inanspruchnahme nach §
278 Abs.
2 AO, maximal aber in Höhe der noch offenen Steuerbeträge: ... insgesamt ca. 277 000 EUR".
Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Klägerin hatte im Wesentlichen geltend gemacht, der
Abrechnungsbescheid sei rechtswidrig, weil sie die offenen Steuern wegen der Aufteilung jedenfalls nicht mehr als Steuerschuldnerin
schulde, weil nicht klar sei, welche offenen Steuerbeträge auf Seite 2 des Bescheides gemeint und welche Zuteilungen aus Zwangsversteigerungen
angerechnet worden seien und weil diese Steuern infolge der Fiskalerbschaft des Landes Bayern durch Konfusion erloschen seien.
Das FG bestätigte grundsätzlich die Verpflichtung der Klägerin, die Zwangsvollstreckung wegen des auf den Vermögensübergeber
entfallenden Steueranspruchs zu dulden. Die zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns der Klägerin noch offene Einkommensteuerschuld
sei jedoch zur Hälfte erloschen, da sie insoweit dem Freistaat Bayern als Steuergläubiger zugestanden habe, der im Streitfall
neben dem Bund Staatserbe geworden sei.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1082 veröffentlicht.
Das FA ist der Auffassung, dass durch die Fiskalerbschaft keine Konfusionslage eingetreten sei. Es liege nur eine scheinbare
Identität zwischen Steuerschuldner- und Steuergläubigerschaft vor. Der Freistaat Bayern als Gesamtrechtsnachfolger nach dem
Verstorbenen stehe als Person des Privatrechts dem Freistaat in seiner Funktion als Steuergläubiger als Person des öffentlichen
Rechts gegenüber. Im Übrigen könnten bei besonderen Interessenlagen, in der Steuerschulden nicht mehr realisiert werden könnten,
weil der Steuerschuldner Vermögen auf Dritte übertragen habe, --wie bei einer vergleichbaren zivilrechtlichen Konstellation
anerkannt-- die allgemeinen Grundsätze der Vereinigung von Forderung und Schuld keine Anwendung finden.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Revision ist zulässig. Die Klägerin hat ein Rechtsschutzbedürfnis, denn sie ist durch den an sie gerichteten angefochtenen
Bescheid in der durch das FG geänderten Fassung beschwert (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., Vor § 115 Rz 21). Es kommt nicht darauf an, ob dieser Bescheid entbehrlich war, weil die Klägerin die (Einzel-) Zwangsvollstreckung
auch dulden müsste, wenn das FA den Bescheid nicht erlassen hätte (dazu im Einzelnen noch unten). Entscheidend für die Beschwer
der Klägerin ist, dass das FG den als "Abrechnungsbescheid gemäß §
218 Abs.
2 AO" bezeichneten streitigen Bescheid vom 30. April 2002 unabhängig von dieser Bezeichnung als eigenständigen Duldungsbescheid
nach §
278 Abs.
2 Satz 1, §
118 AO 1977 mit einem Leistungsgebot i.S. des §
254 AO 1977 angesehen hat.
2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil entspricht --soweit es die Klage abgewiesen hat und durch
die Revision der Klägerin angegriffen ist-- im Ergebnis dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin ist durch die Inanspruchnahme nach §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 auf die vom FG ausgeurteilten Beträge nicht in ihren Rechten verletzt.
Soweit das FG der Klage stattgegeben hat, ist über die Rechtmäßigkeit des Urteils im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden.
Das revisionsrechtliche Verböserungsverbot untersagt es dem Revisionsgericht, die Rechtsstellung des Revisionsführers, wie
sie sich aufgrund des FG-Urteils ergibt, zu seinen Ungunsten zu ändern, wenn kein anderer Beteiligter Revision eingelegt hat
(Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. August 1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179).
a) Das FG hat den angefochtenen Bescheid vom 30. April 2002 im Ergebnis zutreffend als "Duldungs"bescheid nach §
278 Abs.
2 Satz 1, §
118 AO 1977 gewertet und für zulässig erachtet.
aa) Nach seinem Wortlaut ist der als "Abrechnungsbescheid gemäß §
218 Abs.
2 AO" überschriebene Bescheid "zur Inanspruchnahme nach §
278 Abs.
2 Abgabenordnung (
AO) wegen der nach Aufteilung der Gesamtschuld auf den zusammenveranlagten Ehegatten entfallenden Schuld" ergangen. Sein Regelungsgehalt
liegt darüber hinaus in der Feststellung der --nach Abrechnung der durch Vollstreckungsmaßnahmen beigetriebenen Beträge--
verbleibenden offenen Steuerbeträge.
Es kann offen bleiben, ob diesem Bescheid --wie das FG offenbar in Anlehnung an die Senatsentscheidung vom 18. Dezember 2001
VII R 56/99 (BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214) angenommen hat-- eine Zahlungsaufforderung entnommen werden kann, die einem Leistungsgebot i.S. des §
254 AO 1977 entspricht. Die Annahme eines Leistungsgebots durch das FG ist jedenfalls unschädlich, da sich daraus keine zusätzliche Beschwer
für die Klägerin ableitet. Denn das Leistungsgebot gegenüber der Klägerin liegt bereits in dem Zusammenveranlagungsbescheid,
der unabhängig von der Aufteilung der Steuerschuld weiter besteht; die Aufteilung der Gesamtschuld führt lediglich zu einer
Vollstreckungsbeschränkung (Senatsurteil vom 12. Januar 1988 VII R 66/87, BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406). Das die Klägerin als Gesamtschuldnerin treffende Leistungsgebot aus der bestandskräftigen Zusammenveranlagung der Ehegatten
wird durch die Aufteilung nicht dem Grunde, sondern nur der Höhe nach modifiziert. Zwar lief das Leistungsgebot wegen der
ursprünglichen Aufteilung (0 DM für die Klägerin) zunächst leer. Da die vollständige Freistellung durch die unentgeltlichen
Zuwendungen an die Klägerin kraft Gesetzes (§
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977) aufgehoben wurde, entfaltet das Leistungsgebot insoweit wieder seine Wirkung.
bb) Das FA war berechtigt, diesen Bescheid zu erlassen.
Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein besonderer auf §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 gestützter Bescheid zur Inanspruchnahme des Vollstreckungsschuldners grundsätzlich nicht erforderlich, weil die Wirkungen
der Aufteilung der Gesamtschuld auf das Vollstreckungsverfahren kraft Gesetzes eintreten; d.h. auch die Vollstreckungsbeschränkung
des §
278 Abs.
1 AO 1977 wird bei Vorliegen unentgeltlicher Vermögenszuwendungen insoweit kraft Gesetzes (§
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977) aufgehoben, ohne dass der Aufteilungsbescheid geändert wird. Ein auf §
278 Abs.
2 AO 1977 gestützter Bescheid, der Art und Umfang der Inanspruchnahme festlegen kann, ist gleichwohl zulässig. Die --zweckmäßige--
Regelung eines solchen Bescheides kann darin liegen, dass der Betrag bestimmt wird, bis zu dessen Höhe der Zuwendungsempfänger
wegen des auf den Zuwendenden entfallenden Steueranspruchs die Vollstreckung zu dulden hat, und zugleich darin, dass die Behörde
mit dem Bescheid zu erkennen gibt, dass sie die betreffenden Vermögensübertragungen für Zwecke der Vollstreckung "anfechten"
will (so Senatsurteil in BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214).
Mit dem Hinweis auf die durch Gerichtsbescheid des FG festgestellte Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen, auf §
278 Abs.
2 AO 1977 gestützten Vollstreckungsmaßnahmen beruft sich das FA sinngemäß auf eine bereits festgestellte Duldungspflicht der Klägerin,
so dass zwar ein "ergänzendes Leistungsgebot, welches die qualitative Einschränkung durch den Aufteilungsbescheid wieder teilweise
oder zur Gänze beseitigt" (vgl. auch Senatsurteil vom 29. November 1983 VII R 22/83, BFHE 140, 138, BStBl II 1984, 287; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, §
278 AO Rz. 19), im Streitfall überflüssig war. Mit der Feststellung der im Zeitpunkt der Bescheiderteilung noch offenen Steuerforderungen
bestimmte der Bescheid vom 30. April 2002 aber außerdem den Betrag, bis zu dessen Höhe die Klägerin wegen des auf ihren Ehemann
entfallenden Steueranspruchs die Vollstreckung weiterhin zu dulden hat. Diese Regelung war nicht zuletzt im Hinblick auf den
Antrag der Klägerin zweckmäßig.
b) Die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass für die weitere Inanspruchnahme der Klägerin nach §
278 Abs.
2 AO 1977 die im Einzelnen errechneten, maximal aber die noch offenen Steuerbeträge verbleiben, ist zutreffend.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin die Vollstreckung (jedenfalls) in der vom FG --auf den dem
Bund nach Art.
106 Abs.
3 Satz 2 des Grundgesetzes (
GG) zustehenden Anteil an der Einkommensteuer-- begrenzten Höhe dulden muss.
aa) Entgegen der Auffassung des FG ist allerdings der Klägerin darin zu folgen, dass die nach Aufteilung auf den Ehemann der
Klägerin entfallende Einkommensteuerschuld mit der Gesamtrechtsnachfolge des Fiskus als gesetzlicher Erbe des verstorbenen
Ehemannes sich vollständig --und nicht nur anteilig entsprechend dem auf den Freistaat Bayern entfallenden Anteil-- mit der
Steuerforderung des Fiskus vereinigt und damit erledigt hat (Konfusion).
(1) Abgesehen von den gesetzlich geregelten Gründen für das Erlöschen eines Steuerschuldverhältnisses durch Zahlung, Aufrechnung,
Erlass, Verjährung und Eintritt einer auflösenden Bedingung in §
47 AO 1977, erlischt ein Schuldverhältnis auch, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinen (Konfusion; Urteile des Bundesgerichtshofs
--BGH-- vom 1. Juni 1967 II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218; vom 11. Dezember 1981 V ZR 222/80, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1982, 2381, unter II. 1. b; vgl. Palandt/Heinrichs,
Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 64. Aufl., Überblick vor §
362 Rn. 4). Mit dem Ausschlagen der Erbschaft durch alle (übrigen) gesetzlichen Erben des verstorbenen Ehemannes der Klägerin
ist der Freistaat Bayern gemäß §§
1922,
1936 Abs.
1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) i.V.m. §
45 Abs.
1 Satz 1
AO 1977 als gesetzlicher Erbe Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Steuerpflichtigen geworden und damit materiell- und verfahrensrechtlich
in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eingetreten (BFH-Urteil vom 18. November 2004 V R 66/03, BFH/NV 2005, 710). Diese abgabenrechtliche Stellung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin im streitgegenständlichen Kontext ergibt sich
aus den Einkommensteuerbescheiden 1990 bis 1992 i.V.m. den nach Maßgabe der §§
268 ff.
AO 1977 ergangenen Aufteilungsbescheiden vom 13. Oktober 1995.
(2) Hinsichtlich des gesamten aus der Einkommensteuerveranlagung herrührenden Anspruchs muss sich der Freistaat Bayern zugleich
als Gläubiger behandeln lassen.
Zwar ist der Freistaat Bayern nicht allein Gläubiger der Einkommensteuer. Vielmehr bestimmt Art.
106 Abs.
3 GG mit den Formulierungen, "das Aufkommen der Einkommensteuer ... steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftssteuer)..."
und "am Aufkommen der Einkommensteuer ... sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt", dass Bund und Land jeweils
mit ihrem Anteil Gläubiger dieser Steuer sind (Senatsurteil vom 12. März 1963 VII 98/61 U, BFHE 76, 678, BStBl III 1963, 247; Rozek in HHSp, §
226 AO Rz. 31).
Jedoch gilt nach §
226 Abs.
4 AO 1977 (i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436) als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.
Damit macht der Gesetzgeber deutlich, dass für die Feststellung der Gegenseitigkeit gemäß §
226 Abs.
1 AO 1977 i.V.m. §
387 BGB grundsätzlich die Gläubigerstellung des jeweiligen Fiskus aus seiner Ertragshoheit folgt, dass daneben aber --weiterhin wie
in der bis 1986 geltenden Fassung der Vorschrift-- "auch" die Verwaltungshoheit maßgebend sein soll (vgl. Senatsurteil vom
16. Januar 1990 VII R 107/87, BFH/NV 1990, 610). Es kann demnach auf der Grundlage der Verwaltungshoheit aufgerechnet werden, selbst wenn die Gegenseitigkeit auf der Basis
der Ertragshoheit nicht besteht.
Die Fiktion einer umfassenden Gläubigerstellung gilt auch im Vollstreckungsverfahren. Nach §
252 AO 1977 gilt im Vollstreckungsverfahren die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde
angehört.
Diese Regelung kommt allerdings im Streitfall --auch wenn die Heranziehung der Klägerin nach §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 dem Vollstreckungsverfahren zuzurechnen ist-- nicht unmittelbar zur Anwendung. Vollstreckungsverfahren i.S. des §
252 AO 1977 ist die Durchführung der Vollstreckung eines Verwaltungsakts im Verwaltungsweg i.S. des §
249 Abs.
1 AO 1977 nach den Vorschriften der
AO 1977 mit in der
AO 1977 vorgesehenen Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelfall (Beermann in HHSp, §
252 AO Rz. 12). Die Klärung, ob Konfusion hinsichtlich der Steuerschuld des Ehemannes der Klägerin eingetreten ist, ist der Vollstreckung
gegen die Klägerin vorrangig.
Der sowohl der Regelung in §
226 AO 1977 (Erhebungsverfahren) als auch der in §
252 AO 1977 (Vollstreckungsverfahren) zugrunde liegende Rechtsgedanke, dass die steuerverwaltende bzw. vollstreckende Körperschaft gegenüber
dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der ihr übertragenen Aufgaben einheitlich als "Fiskus" auftritt, muss auch im Falle der
Fiskalerbschaft gelten. Es lässt sich nicht rechtfertigen, dass eine Einkommensteuerschuld zu Lebzeiten des Steuerpflichtigen
durch Aufrechnung mit einem Einkommensteuererstattungsanspruch vollen Umfangs erlischt, im Fiskalerbfall bei Gegenübertreten
der nämlichen Einkommensteuerforderung und -schuld aber im Anteil des Bundes bestehen bleibt.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass mit Ausschlagen der übrigen Erben die Einkommensteuerschuld des verstorbenen Ehemannes
der Klägerin sich durch Konfusion insgesamt erledigt hat.
bb) Das FA war gleichwohl dem Grunde und --jedenfalls in dem vom FG ausgeurteilten Umfang-- auch der Höhe nach berechtigt,
die Klägerin gemäß §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 in Anspruch zu nehmen.
(1) Der Aufteilungsbescheid, nach dem die Klägerin keinen Anteil an der Einkommensteuer aufzubringen hat, steht der Heranziehung
nicht entgegen. Zwar führt die Aufteilung der Gesamtschuld nach Maßgabe der §§
268 ff.
AO 1977 für das Vollstreckungsverfahren grundsätzlich zur Beschränkung der Vollstreckung auf die auf den einzelnen Schuldner entfallenden
Beträge (§§
268,
278 Abs.
1 AO 1977) in der Weise, dass jeder Aufteilungsbeteiligte nur auf den auf ihn entfallenden anteiligen Betrag an Einkommensteuer aus
der Zusammenveranlagung in Anspruch genommen werden und nur in Höhe dieser anteiligen Schuld gegen ihn vollstreckt werden
darf. Mit dieser Regelung wird dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung getragen, dass die Verwirklichung der Gesamtschuld
nicht gegen den Willen der Ehegatten erzwungen werden kann. (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 21.
Februar 1961 1 BvL 29/57, 20/60, BVerfGE 12, 151, BStBl I 1961, 55, 61, 62 zur gesamtschuldnerischen Haftung bei der Vermögensabgabe).
(2) Diese Vollstreckungsbeschränkung erfährt aber eine Durchbrechung durch die Regelung des §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977. Nach dieser Vorschrift kann ein Steuerschuldner, dem von einer mit ihm zusammen veranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum,
für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet wurden, über den sich nach Absatz 1
ergebenden Betrag hinaus bis zur Höhe des gemeinen Wertes dieser Zuwendung für die Steuer in Anspruch genommen werden.
Da der gegen ihren Ehemann bestehende Anspruch aus der aufgeteilten Gesamtschuld infolge der unstreitigen Vermögensübertragungen
auf die Klägerin nicht mehr realisierbar ist, ist das FA grundsätzlich berechtigt, gegen sie als Empfängerin der Vermögenszuwendung
zu vollstrecken.
(3) Dem steht nicht entgegen, dass sich die Steuerschuld des Ehemannes durch Konfusion erledigt hat. Soweit das Bestehen der
Einkommensteuerschuld Voraussetzung für die Realisierung des gesetzlichen Zugriffsrechts nach §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 ist, fingiert die Regelung inzident deren Fortbestehen.
Der Senat hat in der Entscheidung in BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214 ausgesprochen, dass es sich bei der Inanspruchnahme nach §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 nicht um die Vollstreckung wegen einer eigenen Schuld des in Anspruch genommenen, sondern um die Duldung der Vollstreckung
wegen der nach Aufteilung der Gesamtschuld auf den anderen Zusammenveranlagten entfallenden Schuld handele. Derjenige, dem
von einer mit ihm zusammen veranlagten Person unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet worden sind, könne bis zur Höhe
des gemeinen Wertes dieser Zuwendung für den auf den anderen Gesamtschuldner entfallenden Steuerbetrag in Anspruch genommen
werden; d.h. der Zuwendungsempfänger sei insoweit nicht Schuldner, sondern Duldungsverpflichteter.
Die Annahme des FG, aus dieser Entscheidung sei wegen der Akzessorietät der Duldungspflicht abzuleiten, die Konfusion der
Steuerschuld des Ehemannes aus Anlass der Fiskalerbschaft stehe einer Inanspruchnahme der Klägerin entgegen, geht fehl.
Zwar setzt eine Duldungspflicht im Regelfall das Bestehen einer Abgaben- bzw. Steuerschuld voraus, m.a.W. diese Schuld muss
entstanden und darf nicht erloschen sein (vgl. schon Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 1987 8 C 25.85, BVerwGE 77, 38-40, BStBl II 1987, 475, m.w.N.).
Auch hat der BFH hinsichtlich der Durchsetzung von --Duldungsansprüchen insoweit vergleichbaren-- Haftungsansprüchen entschieden,
ein Haftungsanspruch könne wegen der Akzessorietät der Haftung grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der zugrunde
liegende Steueranspruch verjährt sei. Da der Haftungsschuldner für fremde Schuld einzustehen habe, setze seine Inanspruchnahme
voraus, dass der Primäranspruch bei Erlass des Haftungsbescheides noch bestehe (BFH-Urteil vom 5. November 1992 I R 41/92, BFHE 170, 204, BStBl II 1993, 407). Er hat weiter geurteilt, dass das FA bei seiner in der Einspruchsentscheidung vorzunehmenden Ermessensüberprüfung gegen
das sog. "Übermaßverbot" verstoße, wenn es mehr an Haftungsansprüchen aufrechterhalte, als es zur Befriedigung der Steuerschulden
erforderlich sei (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77, BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138).
Die uneingeschränkte Akzessorietät der Verpflichtung des zusammen veranlagten Zuwendungsempfängers im Falle der Konfusion
der Steuerschuld bei Fiskalerbschaft liefe aber dem Zweck des §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 zuwider, dem Steuergläubiger im Gegenzug zur Vollstreckungsbegrenzung durch Aufteilungsbescheid nach §
278 Abs.
1 AO 1977 den Zugriff auf die Vermögenswerte zu bewahren, die dem Vermögen des Erblassers durch unentgeltliche Übertragung auf den
zusammen veranlagten anderen Ehegatten entzogen worden sind.
Für das Zivilrecht hat der BGH erkannt, dass das Erlöschen der Hauptforderung im Falle der Konfusion weder gesetzlich vorgeschrieben
noch logisch zwingend sei; vielmehr sei vom Fortbestehen der Forderung auszugehen, wo dies nach der Interessenlage etwa mit
Rücksicht auf Rechte Dritter an der Forderung geboten erscheine. Das
BGB fingiere in einigen dieser Fälle das Bestehen der Forderung (vgl. §§
1976,
1991 Abs.
2,
2143, 2175, 2377
BGB). Diese Regelungstechnik rechtfertige indessen nicht den Gegenschluss, ohne eine derartige Fiktion sei die Forderung unter
allen Umständen erloschen (BGH-Urteil vom 14. Juni 1995 IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287, m.w.N.).
So hat er dem Sicherungszweck einer Bürgschaft den Vorrang vor ihrer Abhängigkeit von der Hauptschuld für den Fall eingeräumt,
dass die Hauptschuld infolge des auf Vermögensverfall beruhenden Wegfalls des Hauptschuldners erlischt. Gerade auf den Vermögensverfall
könne sich der Bürge nicht berufen. Infolge der Aufhebung der Akzessorietät verwandele sich die Forderung gegen den Bürgen
von einem abhängigen Nebenrecht in einen selbständigen Anspruch (BGH-Urteil vom 25. November 1981 VIII ZR 299/80, BGHZ 82, 323 A 2 a). Die Oberlandesgerichte (OLG) haben den Rechtsgedanken aufgegriffen, dass das Erlöschen einer (Haupt-) Forderung durch
Konfusion für den Gläubiger nicht zum Verlust eines Rechts führen darf, das gerade zur Sicherung bei Ausfall der Hauptforderung
dient (OLG Hamm, Urteil vom 16. Juni 1994 6 U 227/93, Versicherungsrecht --VersR-- 1995, 454; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 28. Juli 1998 6 U 14/98, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1999, 1528; OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. Februar 1999 4 U 38/98, VersR 1999, 1009).
Zwar fehlt in §
278 Abs.
2 AO 1977 für den Duldungspflichtigen die ausdrücklich normierte Durchbrechung der Akzessorietät, wie sie in §
768 Abs.
1 Satz 2
BGB für den Bürgen (der Bürge kann sich nicht auf die Beschränkung der Erbenhaftung berufen) geregelt ist. Das Fehlen einer entsprechenden
Regelung spricht aber nicht gegen eine Durchbrechung der Akzessorietät der Duldungsverpflichtung im Falle der Fiskalerbschaft.
Die Duldungsverpflichtung nach §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 kann --anders als die Bürgschaft-- nur vom Fiskus selbst zur Verwirklichung des (eigenen) Steueranspruchs eingefordert werden.
Für ihn als Erben der korrespondierenden Steuerschuld kann sich eine Beschränkung der Erbenhaftung nicht auswirken.
Auch eine Überleitungsanzeige gemäß § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in Verbindung mit §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB, mit der der Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Rückübertragung eines zu Lebzeiten übertragenen Grundstücks gegen
den Erben des Leistungsempfängers aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB wegen der offenen Pflegekosten für den Erblasser geltend machte, ließ der BGH nicht daran scheitern, dass der Anspruch aus
§
528 Abs.
1 Satz 1
BGB mit dem Erbfall durch Konfusion erloschen war. § 90 BSHG diene der Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG). Die Überleitungsermächtigung ziele ihrem Zweck nach auf die Herstellung derjenigen Haushaltslage beim Sozialhilfeträger,
die bestünde, wenn der Anspruch des Hilfeempfängers schon vor seinem Tod erfüllt worden wäre (BVerwG-Urteil vom 10. Mai 1990
5 C 63.88, NJW 1990, 3288). Das verschenkte Vermögen sei damit unabhängig vom Willen des Schenkers in den Grenzen der Haftung aus §
528 BGB dem Träger der Sozialhilfe gegenüber materiell-rechtlich mit der Pflicht belastet, die erbrachten Sozialhilfeleistungen zu
erstatten. Dies rechtfertige es, von der Fortdauer der materiell-rechtlichen Erstattungspflicht des Beschenkten gegenüber
dem Träger der Sozialhilfe auszugehen, auch wenn der Beschenkte Erbe des an sich anspruchsberechtigten Schenkers geworden
sei. Die Erbfolge des aus §
528 BGB haftenden Beschenkten in die Rechtsstellung des Schenkers könne dem Träger der Sozialhilfe im Ergebnis ebenso wenig schaden
wie die Konfusion etwa bei einem Pfandrecht an einer Forderung (BGH-Urteil in NJW 1995, 2287).
Das FG hat die Anwendung dieser Erwägungen des BGH auf den Streitfall mit dem Hinweis verworfen, dass es hier anders als in
den vom BGH entschiedenen Fällen nicht um den Schutz von Rechten Dritter, sondern um die des Gläubigers selbst gehe. Es verkennt
dabei, dass der BGH nicht den Schutz Dritter in den Vordergrund stellt, sondern den Sicherungszweck des "Nebenrechts", der
darauf gerichtet ist, für den Ausfall der Hauptforderung Ersatz zu bieten. Dies kommt besonders in der Formulierung in BGHZ
82, 323 zum Ausdruck, dass --wie die gesetzlichen Regelungen in §
768 Abs.
1 Satz 2
BGB, § 193 der Konkursordnung und § 82 der Vergleichsordnung aufzeigen-- im Interesse des Gläubigers der Sicherungszweck der Bürgschaft Vorrang vor ihrer Abhängigkeit von der Hauptschuld
gewinnt. Auch die Ausführungen in NJW 1995, 2287 zum Zweck der Überleitungsermächtigung --die Herstellung derjenigen Haushaltslage beim Sozialhilfeträger, die bestünde, wenn
der Vermögensgegenstand im Vermögen des Erblassers verblieben wäre-- machen die der Regelung in §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 vergleichbare Interessenlage deutlich. In beiden Fällen hat sich durch das Ableben und die dadurch eingetretene Konfusion
nichts an dem mit den zugrunde liegenden Regelungen verfolgten Interesse des Staates geändert, auf die durch unentgeltliche
Zuwendung dem Vermögen entnommenen Werte weiterhin --wie vor dem Erbfall-- zugreifen zu können. Gerade im Falle der Fiskalerbschaft
müssen die Überleitungsermächtigung wie die Einschränkung der Vollstreckungsbeschränkung in §
278 Abs.
2 Satz 1
AO 1977 ihre Wirkung entfalten. Denn ohne die unentgeltliche Zuwendung an den anderen Ehegatten bzw. den Dritten wären diese Vermögenswerte
als Teil des Nachlasses dem Fiskalerben zugeflossen.