Tatbestand:
Der am 6. März 1981 verstorbene Erblasser hinterließ eine im Jahre 1943 geborene spastisch gelähmte und geistig schwer behinderte
Tochter. Diese hatte er bis Anfang März 1981 in seiner Wohnung gepflegt. Als er sein Ende herannahen fühlte, wandte er sich
an den Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder e.V. in H.. Darauf wurde das Kind in einer Wohngruppe
der K.-J.-Heim-GmbH, H., einer Tochtergesellschaft des genannten Vereins, aufgenommen. Noch am 5. März 1981 errichtete der
Erblasser im Krankenhaus ein notarielles Testament, in dem er seine Tochter als befreite Vorerbin und die Beklagte, die H.
Gesellschaft zur Unterstützung Behinderter mbH, ebenfalls einer Tochtergesellschaft des genannten Vereins, als Nacherbin einsetzte.
Zugleich bestimmte er die Beklagte zur Dauer-Testamentsvollstreckerin. In dem Testament heißt es dann weiter:
"Der Testamentsvollstrecker soll sich darum kümmern, daß... (die Tochter) im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes unter Heranziehung
des Sozialhilfeträgers angemessen untergebracht und betreut wird.... Er hat ferner dafür zu sorgen, daß der Nachlaß möglichst
erhalten bleibt und... (die Tochter) in den Genuß der Früchte des Nachlasses kommt, ohne daß ihr (z.B. öffentlich-rechtliche)
Zuwendungen verloren gehen, jedoch kann der Testamentsvollstrecker die Nachlaßfrüchte nach seinem Ermessen auch zugunsten
anderer Behinderter verwenden. Anspruch auf die Auskehrung des Nachlasses sowie von Nachlaßgegenständen und Früchten hat...
(die Tochter) nicht. Die Entscheidung liegt allein beim Testamentsvollstrecker. Er hat die Befugnisse nach §
2207
BGB und ist von den Beschränkungen des §
181
BGB befreit. Die Verwaltung des Testamentsvollstreckers soll nach Möglichkeit auch Vermögenswerte umfassen, die... (der Tochter)
aus anderen Quellen, z.B. im Wege anderweitiger Erbfolge, zufließen. Dem Testamentsvollstrecker soll auch die Ausübung solcher
zum Nachlaß gehörender Rechte überlassen werden, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen. Er soll unter Ausschluß Dritter
sofort Verfügungsbefugnis über mein Girokonto haben und soll sich der Familiengrabstätte annehmen, auf der auch ich bestattet
werden möchte. Sollte für... (die Tochter) ein Vormund oder Pfleger bestellt werden, so sollen Testamentsvollstrecker und
Vormund oder Pfleger zum Besten... (der Tochter) vertrauensvoll zusammenarbeiten. Ich wünsche, daß das Vormundschaftsgericht
eine vom Testamentsvollstrecker benannte Person zum Vormund oder Pfleger ernennt, wenn Vormundschaft oder Pflegschaft angeordnet
wird.
Ich wünsche, daß... (die Tochter) oder ein für sie bestellter Vormund oder Pfleger und der Testamentsvollstrecker dieses Testament
beachten und daß auch ein Vormund oder Pfleger für (die Tochter) nicht unter Ausschlagung des Erbteils den Pflichtteil verlangt,
da dies nicht in (der Tochter) Interesse liegt. Wenn... (die Tochter) mit den Bestimmungen dieses Testaments nicht einverstanden
ist und unter Ausschlagung ihres Erbteils den Pflichtteil verlangt, so soll sie auch nur den Pflichtteil erhalten. Der Rest
des Nachlasses soll dann sofort an den Nacherben fallen. "
Die Beklagte nahm den Nachlaß noch im Jahre 1981 in Besitz und verwaltet ihn seitdem. Ende des Jahres 1987 betrug sein Wert
30.851, 03 DM.
Die klagende Stadt hat die Kosten für die Unterbringung der Behinderten aufgrund des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu tragen; diese belaufen sich auf monatlich über 4.000 DM. Die Klägerin meint, das Testament sei wegen Verstoßes gegen
die guten Sitten nichtig. Infolgedessen sei die Behinderte kraft Gesetzes unbeschränkte Alleinerbin ihres Vaters geworden
und habe Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe "des durch das Testament Erlangten". Diesen angeblichen Anspruch hat die
Klägerin durch Bescheid vom 10. Februar 1987 gemäß § 90 Abs. 1
BSHG auf sich übergeleitet.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie werbe öffentlich dafür, bemittelte Eltern behinderter Kinder sollten ihr Vermögen
so anlegen, daß die beträchtlichen Kosten der Unterbringung der Behinderten in privilegierten Heimen nach dem Tode ihrer Eltern
vollständig zu Lasten der öffentlichen Sozialhilfe gingen. Auf diesem Wege werde erreicht, daß entsprechende Eltern ihr Vermögen
durch Geschäft unter Lebenden oder von Todes wegen ganz oder teilweise auf die Beklagte übertrügen. Was den Behinderten davon
zugute komme, sei nur geringfügig und stehe im Belieben der Beklagten. Der erste Geschäftsführer der Beklagten habe sogar
ein öffentlich verbreitetes Mustertestament entwickelt. Dieses Vorgehen ziele darauf ab, das im Sozialrecht geltende und unverzichtbare
Nachrangprinzip (Subsidiarität der Sozialhilfe) zu unterlaufen. Dem liege die Absicht zugrunde, den Träger der Sozialhilfe
zu schädigen. Das laufe den Interessen der Allgemeinheit zuwider.
Im vorliegenden Fall habe der Erblasser sich an diese Vorschläge weitestgehend gehalten; z.B. habe er Formulierungen des Mustertestaments
sogar wörtlich übernommen. Die darin zum Ausdruck kommende unredliche Gesinnung des Erblassers mache sein Testament sittenwidrig
und daher nichtig. Daraus leitet die Klägerin einen "allgemeinen" Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ab, wie er aus §
242
BGB hergeleitet werde, und hat diesen gegen die Beklagte eingeklagt. Ferner hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die
Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, Auskunft über den Nachlaß zu erteilen, über dessen Verwaltung Rechnung zu legen,
und hat die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang
abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Oberlandesgericht hat erwogen, ob die Klägerin Auskunft und Rechnungslegung aus §
2027
BGB analog oder aus §
242
BGB verlangen könne, wenn der auf sie übergeleitete Herausgabeanspruch bestünde. Es hat diese Frage aber offengelassen, weil
das Testament nicht sittenwidrig sei und weil der übergeleitete Anspruch daher nicht bestehe. Auch der erkennende Senat ist
der Auffassung, daß der übergeleitete Herausgabeanspruch rechtlich nicht begründet ist, so daß die Überleitung gemäß § 90 Abs. 1
BSHG ins Leere geht und der Klägerin schon deshalb nicht die eingeklagten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche verschafft
haben kann.
II. Das Testament des Erblassers ist entgegen der Auffassung der Revision nicht nichtig.
1. Die Meinung der Revision, das Testament leide an einem inneren, nicht auflösbaren Widerspruch, teilt der Senat nicht.
Das Berufungsgericht legt das Testament dahin aus, daß der Erblasser seine Tochter zur befreiten Vorerbin und die Beklagte
zur Nacherbin eingesetzt und zugleich zur Testamentsvollstreckerin bestellt habe. Das ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere ist
es rechtlich unbedenklich, einen Nacherben zum Testamentsvollstrecker zu ernennen. Das gilt, wenn es sich nur um einen einzigen
Nacherben handelt, jedenfalls für die Zeit bis zum Eintritt des Nacherbfalles. Auch stellt es nur scheinbar einen Widerspruch
dar, einen befreiten Vorerben (§
2136
BGB) zugleich durch die Einrichtung einer Testamentsvollstreckung zu beschränken. Zwar kommen die Vorteile der Befreiung, wie
sie sich etwa im Bereich des §
2134
BGB ergeben, dem befreiten Vorerben in Fällen dieser Art nicht. unmittelbar zugute. Jedoch bleibt die Befreiung nicht ohne Einfluß
auf die inhaltliche Ausgestaltung der Pflichten des Testamentsvollstreckers. Er hat nämlich darauf zu achten, daß dem (weitestgehend)
befreiten im Gegensatz zum nichtbefreiten Vorerben nicht nur die bloßen Nutzungen der Erbschaft gebühren (§
2111 Abs.
1 Satz 1
BGB), sondern daß ihm darüber hinaus jedenfalls im Grundsatz auch der Zugriff auf deren Substanz offensteht. Die Anordnung des
Erblassers, der Testamentsvollstrecker solle den Nachlaß möglichst erhalten, steht hierzu nicht in Widerspruch, sondern trägt
der Rechtslage durch den Gebrauch des Wortes "möglichst" Rechnung. Sie läßt dadurch dem Testamentsvollstrecker Spielraum,
um notfalls auch die Substanz des Nachlasses angreifen zu können, sofern sich das in Zukunft einmal im Interesse der Vorerbin
zu deren angemessener Unterbringung und Betreuung als erforderlich erweisen oder sonst im Sinne des Erblassers angezeigt sein
sollte.
Auch ist es nicht richtig, wenn die Revision meint, die Vorerbin und der für sie bestellte Gebrechlichkeitspfleger seien,
was die Verwendung der Nachlaßmittel angeht, der Willkür der Beklagten schutzlos ausgeliefert.
Die Beklagte unterliegt in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin vielmehr strengen Pflichten (Senatsurteile vom 14.5.1986
- IVa ZR 10O/84 - und vom 3.12.1986 IVa ZR 9O/85 - LM
BGB §
2216 Nr. 8, 9). Dazu gehört es, daß sie die Nutzungen der Erbschaft, soweit diese nicht entsprechend den Anordnungen des Erblassers
verbraucht werden, sorgfältig verwaltet, und zwar, da die Nutzungen nicht zur Nacherbschaft gehören, gegebenenfalls sogar
über den Nacherbfall hinaus. Auch im übrigen ist die Vorerbin nicht rechtlos. Sie hat nach dem Testament zwar kein Recht auf
Auskehr von Nachlaß an sie. Die Beklagte als Testamentsvollstreckerin darf mit dem verwalteten Vermögen aber nicht willkürlich
verfahren. Insbesondere ist es ihr verwehrt, den Nachlaß einschließlich seiner Früchte vor dem Nacherbfall anders als in den
vom Erblasser gezogenen Grenzen zu verwenden oder entgegen dem Willen des Erblassers trotz eines etwa vorhandenen Bedarfs
zurückzuhalten. Etwaigen Pflichtwidrigkeiten in diesem Sinne kann die Vorerbin, gegebenenfalls vertreten durch ihren Pfleger,
sowohl durch Klage auf Unterlassung rechtswidriger Maßnahmen als auch durch Klage auf gebotene Verwaltungshandlungen entgegentreten
(vgl. z.B. MK/Brandner,
BGB 2. Aufl. §
2216 Rdn. 3, 11).
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Testament auch nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig (§
138 Abs.
1
BGB).
a) Was zunächst den Gesichtspunkt angeht, der Erblasser habe seine Tochter sittenwidrig benachteiligt, so ist darauf hinzuweisen,
daß das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches von dem Grundsatz der Testierfreiheit beherrscht ist; dieser Grundsatz steht
unter dem Schutz der Erbrechtsgarantie des Art.
14 Abs.
1 Satz 1
GG (BVerfGE 58, 377, 398; 67, 329, 341; Senatsurteil vom 18.1.1989 - IVa ZR 296/87 - NJW 1989, 2054 = FamRZ 1989, 609 unter II. 2.).
Die Testierfreiheit ist freilich nicht unbeschränkt. Die Schranken, die das Erbrecht ihr gegen allgemein als unangemessen
empfundene Verfügungen von Todes wegen setzt, liegen in den Vorschriften des Pflichtteilsrechts. Durch sie wird den nächsten
Angehörigen des Erblassers ein Mindestanteil am Vermögen des Erblassers gesichert. Die daneben geltende Schranke des §
138 Abs.
1
BGB kann eine erbrechtliche Zurücksetzung nächster Angehöriger in dem Bereich unterhalb der Schwelle des Pflichtteilsrechts nur
in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen abwehren (vgl. Senatsurteil vom 10.11.1982 - IVa ZR 83/81 - FamRZ 1983, 53 = NJW 1983, 674 "besonders hervorstechende Ausnahmefälle"). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Im Gegenteil: Der Erblasser hat seine behinderte Tochter trotz seines fortgeschrittenen Alters (bei seinem Tode war er 77
Jahre alt) bis zuletzt persönlich gepflegt und versorgt, so wie es Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG als zuvörderst den Eltern des Kindes obliegende Pflicht beschreibt. Von der Möglichkeit, die Tochter bereits früher in einem
Heim für Behinderte unterzubringen, hat der Erblasser keinen Gebrauch gemacht, obwohl die dafür entstehenden - beträchtlichen
laufenden Kosten weitgehend zu Lasten der Sozialverwaltung (vgl. § 91 Abs. 3
BSHG) gegangen wären. Aber auch für die Zeit nach seinem Tode hatte der Erblasser es nicht darauf abgesehen, die behinderte Tochter
zu benachteiligen. Sein Testament ist vielmehr umgekehrt darauf angelegt, auch über die alsdann zu erwartenden Leistungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz hinaus der Tochter nach Möglichkeit noch weiteres zugute kommen zu lassen. Ein solches Bestreben ist nicht per se anstößig,
sondern entspricht der sittlichen Verantwortung von Eltern für ihre Kinder.
b) Sittenwidrig ist die Einsetzung der Beklagten zum Nacherben auch nicht deshalb, weil die Zuwendung gerade an die Beklagte
anstößig wäre. Die sozialen Einrichtungen, die die Beklagte unterstützt und der hinter ihr stehende Behindertenverein betreibt,
werden staatlich gefördert und zum Teil von der Klägerin selbst sogar als beispielhaft hervorgehoben. Ein Grund, der testamentarischen
Zuwendung des Erblassers gerade an die Beklagte aus sittlichen Gründen entgegenzutreten, besteht nicht.
c) Als sittenwidrig kann der Senat die Zuwendung an die Beklagte aber auch nicht deshalb ansehen, weil der Klägerin auf diese
Weise die Chance entgeht, wegen der ihr entstehenden Aufwendungen für die behinderte Tochter nach dem Tode des Erblassers
auf dessen verhältnismäßig bescheidenes Erblasservermögen zuzugreifen. Der in § 2
BSHG, §
9
SGB I normierte Nachrang der Sozialhilfe (Subsidiaritätsprinzip) ist hier nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise
unterlaufen. Nicht zu entscheiden ist, ob das anders sein könnte, wenn der Erblasser ein beträchtliches Vermögen hinterlassen
hätte und der Pflichtteil des Behinderten so hoch wäre, daß daraus - oder sogar nur aus den Früchten - seine Versorgung sichergestellt
wäre.
aa) Zu Unrecht beruft die Revision sich insoweit auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsverzichts
unter Ehegatten. Der Bundesgerichtshof hat entschieden (BGHZ 86, 82, 86; Urteil vom 17.9.1986 - IVb ZR 59/85 - NJW 1987, 1546, 1548), daß eine Scheidungsvereinbarung, in der ein nicht erwerbstätiger,. nicht vermögender Ehegatte auf nachehelichen Unterhalt
verzichtet mit der Folge, daß er zwangsläufig der Sozialhilfe anheim fallen muß, sittenwidrig und daher nichtig sein kann.
Diese Rechtsprechung beruht auf dem aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz, daß derjenige, der in der Lage ist,
sich aus eigener Kraft zu helfen, mit seinem Wunsch nach staatlicher Hilfe zurücktreten muß (BVerfGE 17, 38, 56). Dementsprechend muß ein Unterhaltsbedürftiger grundsätzlich zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden eigenen Erwerbsquellen
und Unterhaltsmöglichkeiten ausschöpfen, ehe er auf dem Weg über die Sozialhilfe die Allgemeinheit belastet.
Diese Grundsätze können im vorliegenden Fall aber nicht angewendet werden. Hier geht es nicht darum, daß die hilfsbedürftige
Behinderte ihre eigenen Unterhaltsquellen nicht ausgeschöpft oder solche aufgegeben oder verschüttet hätte. Zu beurteilen
ist vielmehr, ob es im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip anstößig erscheint, wenn Eltern eines behinderten Kindes ihr
Vermögen (im Interesse des Kindes) von Todes wegen so weiterleiten, daß die Sozialbehörden keine Möglichkeit haben, ihre Aufwendungen
für das Kind daraus (teilweise) zu decken. Diese Fragestellung reicht über die angeführte Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit
eines Unterhaltsverzichtes weit hinaus.
bb) Der Klägerin ist zuzugeben, daß das Subsidiaritätsprinzip zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Staates allgemein besonderer
Beachtung bedarf. Indessen wäre es in Fällen der vorliegenden Art zuviel verlangt, von den Eltern eines behinderten Kindes
zu erwarten, daß sie die zuvörderst ihnen zukommende sittliche Verantwortung für das Wohl des Kindes dem Interesse der öffentlichen
Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintansetzen. Selbst das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit
der Sozialverwaltungen liegt für die Eltern eines behinderten Kindes zu fern, als daß ihnen aus sittlichen Gründen abverlangt
werden könnte, nicht noch mehr für ihr Kind zu tun, als die öffentliche Hand leistet. Wenn Eltern, die ihre Verantwortung
für ihr behindertes Kind und dessen Wohl voll auf sich genommen haben und dieser Aufgabe gerecht zu werden suchen, in diesem
Zusammenhang die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltungen vor Augen gehalten werden, dann müssen sie sich vielmehr
umgekehrt fragen, ob sie nicht sittlich gehalten sind, auch für den Fall vorzusorgen, daß die öffentliche Hand ihre Leistungen
für Behinderte nicht mehr auf dem heute erreichten hohen Stand halten kann. Eltern, die hier nach Auswegen suchen und den
im Schrifttum erörterten Vorschlägen (vgl. z.B. Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag 2. Aufl. Rdn. D 272ff.,
Anh. 63; Karpen, MittRhNotK 1988, 131, 147ff.) folgen, kann man deswegen regelmäßig keinen Sittenverstoß vorwerfen.
Das gilt umsomehr, als das Subsidiaritätsprinzip durch die Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes in erheblichem Maße durchbrochen
ist. So dürfen Sozialbehörden liquide Unterhaltsansprüche von Behinderten gegen ihre womöglich sehr wohlhabenden Verwandten
unter Umständen nur in (sehr) begrenztem Umfang verfolgen (§ 91 Abs. 1, 3
BSHG); gegen Großeltern werden solche überhaupt nicht durchgesetzt (§ 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Unter diesen Umständen wäre es überdies ein Wertungswiderspruch, die den Eltern auf diese Weise zunächst (großzügig) belassenen
und von diesen angesparten Gelder mit Hilfe von §
138 Abs.
1
BGB gerade deshalb erbrechtlich auf das behinderte Kind überleiten zu wollen, damit die Sozialbehörde darauf zugreifen kann.
cc) Sittenwidrig ist das Testament ferner nicht deshalb, weil die Klägerin nicht wenigstens an den Pflichtteil der behinderten
Tochter gelangen kann. Ob die Tochter einen Pflichtteilsanspruch nach ihrem Vater erhielt, war gemäß §
2306 Abs.
1 Satz 2
BGB davon abhängig, daß sie die ihr zugewendete Stellung als befreite Vorerbin des Erblassers ausschlug. Ob sie das tat (oder
an ihrer Stelle der für sie bestellte Vermögenspfleger - Gebrechlichkeitspfleger), war ihre eigene Entscheidung (oder diejenige
des Pflegers, vgl. hierzu auch §
1803
BGB). Da diese Ausschlagung nicht erklärt ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die hierzu gegebenenfalls erforderliche vormundschaftsgerichtliche
Genehmigung (§§ 1910,
1915 Abs.
1,
1822 Nr.
2
BGB) erteilt ist oder überhaupt hätte erteilt werden dürfen.
d) Unabhängig davon steht dem Zugriff der Klägerin auf den Nachlaß aber auch der Umstand entgegen, daß der Nachlaß unter der
Verwaltung der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin steht. Sofern und soweit die Klägerin die Vorerbin
wegen der Aufwendungen für diese auf Ersatz in Anspruch nehmen kann (vgl. §§ 76ff. BSHG), gehört sie zu deren Eigengläubigern und nicht zu den Nachlaßgläubigern nach dem Erblasser. Daher könnte die Klägerin, solange
die angeordnete Dauervollstreckung (§
2209
BGB) besteht, sich gemäß §
2214
BGB selbst dann nicht an die Nachlaßgegenstände halten, wenn sie selbst vom Erblasser statt der Beklagten zur Nacherbin bestellt
worden wäre. Derartige Beschränkungen müssen Erben und demgemäß auch ihre Gläubiger grundsätzlich hinnehmen. Für die Klägerin
gibt es insoweit keine Ausnahme. Als sittenwidrig können solche Beschränkungen weder im allgemeinen noch in dem vorliegenden
besonderen Fall angesehen werden.
e) Gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1 des Heimgesetzes vom 7. August 1974 (
HeimG; BGBl. 1974 I S. 1834) ist es den Trägern bestimmter Heime untersagt, sich über das vereinbarte Entgelt hinaus noch weitere
Vermögensvorteile gewähren oder versprechen zu lassen. Diese Vorschrift greift hier nicht ein, weil die Beklagte nicht Trägerin
des Heimes ist, in dem die Behinderte untergebracht ist. Für eine Umgehungsabsicht besteht hier kein Anlaß.
III. Unter diesen Umständen kann schließlich offen bleiben, ob die Klägerin, wenn der auf sie übergeleitete Anspruch auf Herausgabe
des Nachlasses gegen die Beklagte bestünde, daraus die eingeklagten erbrechtlichen Ansprüche aus Auskunft. oder Rechnungslegung
ableiten könnte, oder ob sie nur auf die Ansprüche aus §§
402,
413
BGB analog verwiesen wäre, oder ob sie sich insoweit sogar mit ihren öffentlich-rechtlichen Auskunftsansprüchen gemäß § 116
BSHG begnügen müßte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 5.3.1986 - IVb ZR 25/85 - FamRZ 1986, 568; NJW 1986, 1688).