Verlängerung des Unterhalts bei der Betreuung eines behinderten Kindes
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch um Betreuungsunterhalt nach §
1615 l
BGB für die Zeit ab November 2013.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 21. Oktober 2010 geborenen
Sohnes T. Das Kind ist zu 100 % schwerbehindert; es leidet an einer Chromosomenanomalie des Typs Trisomie 21 (so genanntes
Down-Syndrom) und ist in Pflegestufe 2 eingestuft. T. lebt bei der Antragstellerin. Diese hatte ihr Studium für das Lehramt
infolge der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes unterbrochen. Inzwischen lebt sie mit T. im Haus ihrer Eltern und hat
neben der Betreuung des Kindes das Studium wieder aufgenommen. T. besucht seit September 2012 montags bis freitags von 9.00
Uhr bis 15.00 Uhr eine Kindertagesstätte, die von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet ist. Diese ist für behinderte Kinder eingerichtet
und verfügt über besonders ausgebildete Betreuungskräfte und Therapeuten. Vierteljährlich nimmt das Kind in Begleitung der
Antragstellerin an einer ärztlich verordneten Therapiewoche teil. Zusätzlich zu weiteren wöchentlich stattfindenden Therapien
muss die Antragstellerin mit dem Kind täglich Übungen durchführen.
Der Antragsgegner, der zur Zeit der Geburt des Kindes ebenfalls Student war, schloss sein Studium ab und übt inzwischen eine
Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität aus.
Die Antragstellerin hat Betreuungsunterhalt für die Zeit ab November 2012 begehrt. Sie hat geltend gemacht, dass sie auch
während der Betreuung des Sohnes in der Kindertagesstätte ständig rufbereit sein müsse. Darüber hinaus sei es häufig notwendig,
T. schon am frühen Nachmittag abzuholen, wenn Therapietermine anstünden, weil er hierfür andernfalls zu erschöpft sei. Außerdem
sei das Kind wegen seines schwachen Immunsystems oft krank und könne die Kindertagesstätte nicht besuchen. Diese Umstände
ließen sich mit einer geregelten Arbeitszeit nicht vereinbaren. Sie hätten auch dazu geführt, dass sie ihr Studium noch nicht
habe abschließen können.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und den Antragsgegner neben der Zahlung eines Rückstands verurteilt, ab 1. Februar
2013 Unterhalt in Höhe von monatlich 800 € zu zahlen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht die
Entscheidung teilweise abgeändert und den Antrag für die Zeit ab 1. November 2013 abgewiesen. Dagegen richtet sich die insoweit
zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang des Angriffs zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und insoweit
zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Dieses hat zur Begründung seiner - in FamRZ 2014, 1646 im Wesentlichen veröffentlichten - Entscheidung, soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:
Der Antragsgegner schulde der Antragstellerin nach Beginn des vierten Lebensjahres des Kindes keinen Betreuungsunterhalt nach
§
1615 l Abs.
2 BGB mehr, da sie nicht wegen der Pflege und Erziehung des Kindes, sondern durch das wieder aufgenommene Studium an einer ihren
Bedarf deckenden Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sei. Mit einer ihr zumutbaren Teilzeiterwerbstätigkeit sei sie in der
Lage, die zur Deckung ihres Existenzminimums erforderlichen 800 € monatlich zu verdienen. Sie habe nicht nachgewiesen, dass
es aus kindbezogenen oder aus elternbezogenen Gründen gerechtfertigt sei, den Unterhaltsanspruch zu verlängern. Die Behinderung
des Kindes erfordere zwar eine von der Antragstellerin belegte erheblich intensivere persönliche Betreuungsleistung als Mutter,
als dies bei einem gleichaltrigen gesunden Kind der Fall sei. Gleichwohl treffe die Antragstellerin für die Zeit ab November
2013 eine Erwerbsobliegenheit, die über eine halbschichtige Tätigkeit hinausgehe und ihr Einkünfte von monatlich 800 € ermögliche.
T. werde in der Tagesstätte im Rahmen einer Einzelintegrationsmaßnahme an fünf Tagen in der Woche betreut. Nach dem Vortrag
der Antragstellerin besuche er die Einrichtung regelmäßig täglich von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Es könne dahinstehen, ob auch
die längeren Öffnungszeiten genutzt werden könnten, da bereits die bisherige Handhabung der Antragstellerin eine tägliche
Arbeitszeit von bis zu fünf Stunden ermögliche. Die Kindertagesstätte sei auf die Betreuung behinderter Kinder spezialisiert
und decke auch therapeutische Maßnahmen ab. Soweit die Antragstellerin vorgetragen habe, infolge der häufigen Erkrankungen
des Kindes an der Ausübung einer Tätigkeit gehindert zu sein, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die zum Beispiel
häufig auftretende Bindehautentzündung oder auch Erkältungen machten nicht unbedingt eine persönliche Betreuung durch die
Mutter erforderlich; gegebenenfalls sei eine Abholung und Betreuung des Kindes durch weitere Personen denkbar. Dass solche
Personen, etwa die Großeltern, nicht zur Verfügung stünden, habe die Mutter nicht vorgetragen. Der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
stünden auch die Therapiemaßnahmen, die die Mutter mit T. wahrnehme, nicht entgegen; es sei nicht ersichtlich, dass diese,
ebenso wie die Krankengymnastik, nicht ab 16.00 Uhr wahrgenommen werden könnten.
Danach könnten kindbezogene Gründe nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, bei dem die Antragstellerin außerstande wäre,
ihren Lebensbedarf durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Infolge ihrer Vorbildung und des bisher absolvierten
Studiums könne sie zum Beispiel im Lektorat eines Verlags, als Mitarbeiterin in der Verwaltung einer Hochschule, bei einer
Privatschule oder einer gemeinnützigen Einrichtung zumindest einen Stundenlohn von 10 € brutto und bei 110 Stunden ein Nettoeinkommen
von 858,41 € monatlich erzielen. Unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen verbleibe ein das Existenzminimum geringfügig
übersteigendes Einkommen.
Als elternbezogener Grund sei die starke Belastung der Antragstellerin durch die besondere Betreuungsbedürftigkeit des Kindes
anzuerkennen. Dies führe dazu, dass ihr eine Vollzeittätigkeit nicht zugemutet werden könne. Auch außerhalb der Betreuungsmöglichkeiten
in der Kindertagesstätte liege bei T. ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand vor. Die Einstufung in Pflegestufe
2 setze einen erheblichen pflegerischen Bedarf voraus. Die daraus resultierende Belastung der Mutter stehe einer Erwerbstätigkeit
in der Zeit der Fremdbetreuung des Kindes jedoch nicht entgegen. Dass die Antragstellerin wegen der Geburt und der nachfolgenden
Betreuung ihr Studium unterbrochen habe, während der Antragsgegner in dieser Zeit sein Studium habe abschließen können, stelle
keinen Umstand dar, der aus Billigkeitsgründen eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts rechtfertige. Elternbezogene Gesichtspunkte
könnten eine Verlängerung des Anspruchs nur begründen, wenn aus einer gemeinsamen Lebensplanung der Beteiligten ein entsprechender
Vertrauenstatbestand abgeleitet werden könne. Das sei hier nicht der Fall, weil die Beteiligten vor der Geburt des Kindes
offensichtlich nicht zusammengelebt hätten. Allein die Tatsache, dass sich beide Beteiligte damals in vergleichbarer Ausbildungssituation
befunden hätten und der Antragsgegner in der Zwischenzeit sein Studium habe beenden können, begründe für diesen nicht die
Verpflichtung, der Antragstellerin bis zur Beendigung der Ausbildung Unterhalt zu zahlen. Für nicht miteinander verheiratete
Eltern fehle eine §
1575 BGB entsprechende Regelung. Durch die vorgenannte Bestimmung sei insbesondere das Vertrauen des Unterhalt begehrenden Ehegatten
auf Ausgleich ehebedingter Ausbildungsnachteile geschützt. Eine vergleichbar schützenswerte Vertrauenssituation der Beteiligten
liege hier nicht vor, sodass sich auch in einer Gesamtschau unter Billigkeitsgesichtspunkten die Heranziehung des Rechtsgedankens
des §
1575 BGB verbiete. Die Antragstellerin sei darauf zu verweisen, gegebenenfalls ihren Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern geltend
zu machen oder sich um BAföG-Leistungen zu bemühen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allenPunkten stand.
a) Nach §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB steht der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes über die Dauer des Mutterschutzes hinaus ein Unterhaltsanspruch gegen
den Vater zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden
kann. Nach §
1615 l Abs.
2 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Sie verlängert
sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden
Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Insoweit hat der Gesetzgeber die Vorschrift des §
1615 l Abs.
2 BGB und den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach §
1570 BGB weitgehend einander angeglichen (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 - FamRZ 2010, 444 Rn. 24 mwN).
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine - hier allein noch im Streit stehende - Verlängerung des Betreuungsunterhalts
über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus kann sich der betreuende Elternteil mithin nicht mehr auf die Notwendigkeit einer
persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter
Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte. Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes
steht dem betreuenden Elternteil nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit
entspricht (§
1615 l Abs.
2 Satz 4
BGB). Damit verlangt die Regelung allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit
(BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung
der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§
1615 l Abs.
2 Satz 5
BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 - FamRZ 2010, 444 Rn. 26 mwN).
Neben den vorrangig zu berücksichtigenden kindbezogenen Gründen sieht §
1570 Abs.
2 BGB für den nachehelichen Betreuungsunterhalt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit aus elternbezogenen Gründen vor. Danach verlängert
sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt über die Verlängerung aus kindbezogenen Gründen hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung
der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie deren Dauer der Billigkeit entspricht. Insoweit ist
auch ein Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen, der sich aus den Nachwirkungen der Ehe ergeben kann. Im Rahmen des Anspruchs
wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes ist diese Regelung zwar nicht ausdrücklich übernommen worden. Da §
1615 l Abs.
2 Satz 5
BGB jedoch eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen im Einzelfall auch
elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht. Das kann etwa dann gelten, wenn die Eltern
mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und außerdem ein besonderer Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie
entstanden ist (BT-Drucks. 16/6980 S. 10). Dabei ist allerdings stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der
Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich
begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 - FamRZ 2010, 444 Rn. 26 mwN).
Für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus trägt der Unterhaltsberechtigte
die Darlegungs- und Beweislast. Er hat also zunächst darzulegen und zu beweisen, dass keine kindgerechte Einrichtung für die
Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich
ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des
Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen (Senatsurteile BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 20; vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391 Rn. 20 mwN und BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 Rn. 97).
b) Die Annahme des Beschwerdegerichts, im vorliegenden Fall seien kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts
über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus nicht festzustellen, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
aa) Kindbezogene Gründe liegen z. B. dann vor, wenn das Kind behindert, dauerhaft krank oder schwer in seiner Entwicklung
gestört und deshalb auf weitere Betreuung durch die Mutter angewiesen ist (BT-Drucks. 13/4899 S. 89; Senatsurteil BGHZ 168,
245 = FamRZ 2006, 1362, 1363 zum früheren Recht). Auch insoweit ist allerdings stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem
Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in einer für das Kind geeigneten Betreuungseinrichtung gesichert
werden könnte (Senatsurteil vom 17. März 2010 - XII ZR 204/08 - FamRZ 2010, 802 Rn. 11 zum volljährigen behinderten Kind; vgl. auch Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 27; vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124 Rn. 32 und vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391 Rn. 23).
bb) Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, die Betreuung des Kindes in der Kindertagesstätte, die von 9.00 Uhr bis 15.00
Uhr erfolge, ermögliche der Antragstellerin eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 5 Stunden. Soweit sie darauf verweise, infolge
der häufigen Erkrankungen des Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert zu sein, sei festzustellen, dass nicht alle Erkrankungen
eine Betreuung durch die Mutter erforderten. Vielmehr sei auch eine Abholung und Betreuung durch andere Personen, etwa die
Großeltern, denkbar. Die Antragstellerin habe nicht vorgetragen, dass solche Personen nicht zur Verfügung stünden.
Die dagegen erhobene Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde ist gerechtfertigt. Sie macht geltend, das Beschwerdegericht habe
für die Antragstellerin überraschend angenommen, das Kind könne auch von anderen Familienmitgliedern abgeholt werden. Hätte
das Beschwerdegericht auf die von ihm beabsichtigte Inpflichtnahme der Großeltern hingewiesen, hätte die Antragstellerin vorgetragen,
dass ihr Vater bereits im 83. Lebensjahr stehe und nach zwei schweren Operationen im vorausgegangenen Jahr gesundheitlich
angegriffen sei, so dass ihm die Abholung des Kindes nicht zugemutet werden könne. Die Mutter der Antragstellerin sei mit
der Pflege ihres Mannes sowie ihres eigenen Sohnes völlig ausgelastet und werde mit der zusätzlichen Rufbereitschaft für T.
überlastet.
Der Einwand ist erheblich. Nach der Rechtsprechung des Senats ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen, inwiefern die Hilfe
Dritter in Anspruch genommen werden kann (Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 22 und Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2014 - XII ZB 185/13 - FamRZ 2014, 1987 Rn. 21). Nachdem das Amtsgericht auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen ist, sondern der Antragstellerin unbefristeten
Unterhalt zuerkannt hat, konnte sie als in erster Instanz obsiegende Beteiligte darauf vertrauen, vom Beschwerdegericht rechtzeitig
einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen
will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält
(st. Rspr., vgl. etwa BGH Beschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 32/05 - FamRZ 2006, 942, 943 mwN).
cc) Da das Beschwerdegericht zu möglicher Hilfe bei der Abholung und anschließenden Betreuung des Kindes durch Dritte keine
Feststellungen getroffen hat, ist das Vorbringen der Antragstellerin hierzu im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legen.
Dann kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass für die Antragstellerin allein aus der grundsätzlichen Betreuung des Kindes
in der Kindertagesstätte die Möglichkeit folgt, an bis zu fünf Stunden werktäglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Denn angesichts der erheblichen Anzahl von Krankheitstagen des Kindes (nach den Angaben der Mutter in der Zeit von Januar
2013 bis Januar 2014 an 60 Werktagen) muss sie ständig damit rechnen, dass eine persönliche Betreuung notwendig wird. Darüber
hinaus hat sie T. während der vierteljährlich stattfindenden Therapiewoche zu begleiten, die verschiedenen anderen Therapietermine
wahrzunehmen und täglich Übungen durchzuführen. Unter diesen Umständen ist schon die Annahme nicht gerechtfertigt, die Antragstellerin
könne durch eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden ihren Bedarf decken. Deshalb kommt bereits ein kindbezogener
Grund für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht.
c) Auch ein elternbezogener Grund ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht ausgeschlossen.
aa) Ein solcher Grund kann, wie bereits ausgeführt, auch im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs nach §
1615 l Abs.
2 BGB vorliegen, wenn die Eltern mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und außerdem ein besonderer Vertrauenstatbestand
als Nachwirkung dieser Familie entstanden ist. Das Beschwerdegericht hat dies mit der Begründung abgelehnt, die Beteiligten
hätten vor der Geburt des Kindes offensichtlich nicht zusammengelebt.
Die Rechtsbeschwerde macht insofern geltend, die Beteiligten hätten ab Juni 2010 an ihrem Studienort zusammengelebt, und zwar
zunächst im Studentenzimmer der Antragstellerin und ab 20. Juli 2010 in einer gemeinsam eingerichteten Wohnung. Die gemeinsame
Anschrift ergebe sich bereits aus der von der Antragstellerin vorgelegten Vaterschaftsanerkennungsurkunde vom 17. August 2010
für das am 21. Oktober 2010 geborene Kind. Das Beschwerdegericht hätte die Antragstellerin deshalb darauf hinweisen müssen,
dass es ab November 2013 einen Unterhaltsanspruch verneinen wolle, weil diese mangels gemeinsamer Lebensplanung nicht auf
eine Absicherung durch den Antragsgegner habe vertrauen dürfen.
Mit dieser Rüge dringt die Rechtsbeschwerde allerdings nicht durch. Das Vorbringen ist nicht erheblich, so dass keine Hinweispflicht
bestand. Die Antragstellerin hat auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geltend gemacht, mit dem Antragsgegner und dem gemeinsamen
Sohn zusammengelebt zu haben. In der Zeit vor der Geburt des Kindes konnte sie indessen nicht auf eine unterhaltsrechtliche
Absicherung durch den Antragsgegner vertrauen, weil das Gesetz für nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne gemeinsames Kind
keine Unterhaltsansprüche kennt (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 FamRZ 2010, 444 Rn. 26, 30). Allein aus der Vaterschaftsanerkennung des Antragsgegners kann nicht auf die Übernahme unterhaltsrechtlicher Verantwortung
für die Antragstellerin geschlossen werden. Dieser Umstand kann allenfalls verstärkend für die Begründung besonderen Vertrauens
sprechen (Wever FamRZ 2008, 553, 557; vgl. auch NK-BGB/Schilling 3. Aufl. § 1615 l Rn. 14), d. h. wenn hierfür bereits weitere Gesichtspunkte vorliegen.
bb) Soweit das Beschwerdegericht es abgelehnt hat, der Antragsgegnerin verlängerten Betreuungsunterhalt über das vollendete
dritte Lebensjahr hinaus allein deswegen zuzubilligen, weil sie wegen der Geburt und der anschließenden Betreuung des Kindes
ihr Studium unterbrochen hat, während der Antragsgegner sein Studium abschließen konnte, ist dies aus Rechtsgründen nicht
zu beanstanden.
Die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen stellt
schon keinen elternbezogenen Grund im Sinne des §
1570 Abs.
2 BGB dar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss es sich vielmehr um Umstände handeln, die unter Berücksichtigung der Gestaltung
von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit in der Ehe von Bedeutung sind. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass das
Vertrauen in die vereinbarte und so auch gehandhabte Rollenverteilung hinsichtlich der Kinderbetreuung geschützt werden soll.
Soweit der betreuende Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes von einer Erwerbstätigkeit aber nicht
allein in dessen Interesse absieht, sondern auch um ein Studium oder eine andere Ausbildung zu beenden, dienen der entsprechende
zeitliche Aufwand und der Einsatz, die ihn insoweit von einer Erwerbstätigkeit haben absehen lassen, seinen eigenen beruflichen
Interessen und nicht denjenigen des Kindes. Maßgebend können solche Umstände deshalb im Rahmen des nachehelichen Unterhalts
nur für die Frage einer angemessenen Erwerbstätigkeit im Sinne des §
1574 BGB oder für die Gewährung von Ausbildungsunterhalt nach §
1575 BGB sein (Senatsurteil vom 8. August 2012 - XII ZR 97/10 - FamRZ 2012, 1624 Rn. 24).
Für den Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach §
1615 l Abs.
2 BGB gilt hinsichtlich der Beurteilung als elternbezogener Grund nichts anderes. Andernfalls würde sie besser stehen als eine
eheliche Mutter, was der Gesetzesintention nicht entspricht. Ausbildungsunterhalt billigt das Gesetz der Mutter eines nichtehelichen
Kindes indessen nicht zu (ebenso NK-BGB/ Schilling 3. Aufl. § 1615 l Rn. 14; Wever FF 2010, 214, 215; aA: OLG Nürnberg FamRZ 2010, 577, 578). Sie ist insoweit vielmehr gehalten, entweder ihre Eltern auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen (vgl. hierzu Senatsurteil
vom 29. Juni 2011 - XII ZR 127/09 - FamRZ 2011, 1560 Rn. 17 ff.) oder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu beantragen.
Dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Gesichtspunkt, der Antragsgegner habe sein Studium beenden können, ohne dass die
Antragstellerin ihn in dieser Zeit zur Zahlung von Unterhalt herangezogen habe, kommt demgegenüber keine Bedeutung zu. Die
Rechtsbeschwerde zeigt im Übrigen nicht auf, dass der Antragsgegner in dem betreffenden Zeitraum zur Zahlung von Betreuungsunterhalt
leistungsfähig gewesen wäre.
cc) Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann
einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils allerdings entgegenstehen, dass die von ihm daneben zu leistende Betreuung
und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann (Senatsurteile BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 24; vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08 - FamRZ 2010, 1050 Rn. 36; BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 31 f. und BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 Rn. 103). Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere
Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes in unterschiedlichem
Umfang anfallen können (Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 24 für den Anspruch nach §
1570 BGB).
Diesen Gesichtspunkt hat das Beschwerdegericht nicht hinreichend gewürdigt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, für die
Vorbereitung des Kindes auf die Kindertagesstätte etwa eine Stunde zu benötigen, weil es z. B. nicht selbständig essen könne.
Für das Bringen zu und das Abholen von der Betreuungseinrichtung brauche sie jeweils ebenfalls eine Stunde. Darüber hinaus
müsse sie mit T. Therapietermine wahrnehmen und mehrfach täglich Übungen absolvieren. Diese Umstände bedingen einen erheblichen
zeitlichen Einsatz, der bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Betreuung des schwerbehinderten Kindes und einer Erwerbstätigkeit
angemessen zu berücksichtigen ist. Konkrete Feststellungen hierzu hat das Beschwerdegericht nicht getroffen.
3. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht zu einer abschließenden Entscheidung in
der Lage, da es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb im Umfang der Aufhebung des Beschlusses
an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin könnte nicht vollständig durch erzielbare eigene Einkünfte aus einer Teilzeiterwerbstätigkeit
gedeckt sein. Der Senat hat zwar entschieden, dass ein im Zeitpunkt der Geburt des gemeinsamen Kindes bestehender (Mindest-)
Bedarf später auch durch eine Teilzeittätigkeit bestritten werden kann. Soweit daraus eine vollständige Bedarfsdeckung auch
für künftige Zeiten abgeleitet wurde (Senatsurteile BGHZ 184, 13 = FamRZ 2010, 357 Rn. 54 ff. und vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 FamRZ 2010, 444 Rn. 15 ff., 20), hält er daran aber nicht fest. Die Lebensstellung des nach den §§
1615 l Abs.
2,
1610 Abs.
1 BGB Unterhaltsberechtigten richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes
hätte (Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442); sie ist deshalb nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben. Den hieraus folgenden Bedarf dürfte die
Antragstellerin, die ihr Studium ohne dessen Unterbrechung wegen der Betreuung des Kindes abgeschlossen haben dürfte, nicht
durch eine Teilzeittätigkeit decken können.
b) Im Hinblick auf den hiernach möglichen höheren Bedarf wird nicht offen bleiben können, ob die Antragstellerin die längeren
Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsstätte (6.30 Uhr bis 18.00 Uhr) zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nutzen könnte. Vielmehr
wird das Beschwerdegericht in tatrichterlicher Verantwortung zu prüfen haben, inwieweit eine Fremdbetreuung des Kindes im
Rahmen der vorgenannten Zeiten mit dessen Wohl vereinbar ist.