Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache
Gründe:
I
Mit Urteil vom 30.10.2018 hat das Hessische LSG einen Anspruch des Klägers auf einen höheren Monatsbetrag seiner für die Zeit
vom 1.10.2013 bis 30.9.2016 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel (Zulassungsgründe nach
§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr;
vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
1. Die Beschwerdebegründung vom 25.1.2019 genügt nicht den Anforderungen aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG, soweit sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen,
inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt
darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 12).
Der Kläger misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung zu: "1. Der Klagegegenstand des gerichtlichen Verfahrens nach §
95 SGG ist nicht identisch mit dem Streitgegenstand. Der Streitgegenstand wird durch den Kläger individualisiert und sein Dispositionsbefugnis
muss vom Gericht berücksichtigt werden. Streitgegenstand ist prozessualer Anspruch, nämlich dass vom Kläger aufgrund eines
bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung. Der Streitgegenstand
richtete sich allein nach dem Begehren gem. dem Klageantrag und der Sachverhalt wird nur zur Auslegung des Antrages herangezogen.
2. Die Beklagte hat das Begehren des Klägers umfassend zu erfassen und ist verpflichtet, auch unter Berücksichtigung der europarechtlichen
Vorschriften zu ermitteln und darüber zu entscheiden. Evtl. war die Beklagte verpflichtet, die eigene rechtskräftige Bescheide
auf die Richtigkeit zu überprüfen und aufzuheben. Soweit die Behörde über das tatsächlich erfasste Begehren des Klägers nicht
umfassend entscheidet, ist der Kläger dadurch beschwert und kann sein Begehren gerichtlich durchsetzen."
Im Folgenden erläutert der Kläger, dass erstinstanzliche Gericht sei davon ausgegangen, dass die von ihm (dem Kläger) begehrte
gleichwertige Berücksichtigung von Beiträgen zur österreichischen Rentenversicherung vom 1.10.2001 bis 31.10.2003 nicht Gegenstand
der streitgegenständlichen Bescheide gewesen sei. Dem habe sich das LSG angeschlossen und sowohl eine Anfechtungsklage als
auch Feststellungs- und Leistungsklage für unzulässig gehalten. Dabei sei sein wahres Begehren auf monetäre Berücksichtigung
seiner Versicherungszeit in Österreich, dass die Beklagte zwar erfasst, aber durch Ablehnung einer Rehabilitationsmaßnahme
in den angefochtenen Bescheiden "falsch zum Ausdruck gebracht" habe, außer Acht gelassen worden. Er habe zwar bei der Beklagten
keinen Antrag im eigentlichen Sinne gestellt, aber die Änderung bezüglich seiner österreichischen Rente mitgeteilt und somit
eine Überprüfung aller ursprünglichen Entscheidungen der Beklagten beantragt, wozu diese gemäß §§ 20, 44 SGB X auch von Amts wegen verpflichtet gewesen sei. Der Beklagten habe sich aufdrängen müssen, dass es - wie ausgeführt wird -
europarechtswidrig sei, wenn er keinen finanziellen Ausgleich für die in Österreich gezahlten Beiträge erhalte. Die Fragen
seien klärungsfähig, da es um die Auslegung seines tatsächlichen Begehrens gehe. Die Fragen seien auch klärungsbedürftig,
weil es um eine nicht geklärte entscheidungserhebliche Frage gehe. Diese sei von den Gerichten zwar erkannt worden, jedoch
behaupteten diese, dass eine Auslegung seiner Einlassungen im Verwaltungsverfahren im Sinne eines auf Neuberechnung seiner
Rente gerichteten Begehrens nicht möglich sei.
Damit verfehlt die Beschwerdebegründung des Klägers die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon deshalb, weil
darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen
Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert wird (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Die Beschwerdebegründung
zielt vielmehr darauf, dass Beklagte, SG und LSG den als Rechtsfragen bezeichneten Aussagen nicht gefolgt seien und das Recht daher im vorliegenden Einzelfall vermeintlich
fehlerhaft angewandt hätten, worauf - wie oben ausgeführt - die Beschwerde nicht gestützt werden kann. Im Kern wendet sich
der Kläger gegen das Ergebnis der Auslegung seines Begehrens im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dass im Zusammenhang hiermit
bisher durch die Rechtsprechung des BSG nicht geklärte Fragen beispielsweise zu den insoweit geltenden Auslegungsgrundsätzen zu beantworten wären, hat der Kläger
- anders als erforderlich - nicht dargelegt.
2. Mit der Beschwerdebegründung wird auch kein Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG) den diesbezüglichen Anforderungen genügend bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52
SGG - juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung
darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche
Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu §
162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 §
160 Nr
33 - juris RdNr
23). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer
diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser
Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel
beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
a) Einen Verfahrensmangel sieht der Kläger vor allem darin, dass das SG seine auf gleichwertige Berücksichtigung von Beiträgen zur österreichischen Rentenversicherung gerichtete Klage als unzulässig
angesehen, sich das LSG dem angeschlossen und die Berufung zurückgewiesen habe. Der insoweit geltend gemachte Mangel einer
Entscheidung durch Prozess- statt durch Sachurteil (vgl hierzu allg Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr
658 ff) wird jedoch in der Beschwerdebegründung nicht hinsichtlich aller ihn begründenden Tatsachen bezeichnet. Hierzu hätte
der Kläger anhand der von ihm im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren gestellten Anträge und des hierauf bezogenen
Sachvortrags (vgl BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 66/18 B - juris RdNr 15) schlüssig aufzeigen müssen, dass er einen dem vorstehend beschriebenen Begehren entsprechenden prozessualen
Anspruch tatsächlich erhoben hat und dass SG und LSG hierüber auch in der Sache hätten entscheiden dürfen. Hieran fehlt es schon deshalb, weil in der Beschwerdebegründung
nicht ausgeführt wird, welche Anträge der Kläger im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren konkret gestellt hat. Zudem zeigt die
Beschwerdebegründung nicht auf, wieso SG und LSG über das og Begehren hätten in der Sache entscheiden können, obwohl es nach dem Vortrag des Klägers an einer Verwaltungsentscheidung
hierüber fehlt. Hierzu hätte die Beschwerdebegründung konkret auf die §§
54,
55 SGG und die insoweit einschlägige Rechtsprechung eingehen müssen. Die bloße Forderung, der Kläger dürfe nicht darauf verwiesen
werden, dass die Behörde über sein von dieser richtig erfasstes Begehren noch nicht entschieden habe und die Klage somit unzulässig
sei, genügt insoweit nicht.
b) Die og Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels werden ebenfalls verfehlt, soweit der Kläger das Unterlassen
des Einholens einer Vorabentscheidung des EuGH durch das LSG rügt. Insoweit wäre näher zu begründen gewesen, wieso das LSG
ausgehend von seiner Rechtsauffassung, wonach bereits die Klage unzulässig und eine Entscheidung in der Sache nicht zu treffen
war, hierzu verpflichtet gewesen sein sollte. Zugleich wäre in der Beschwerdebegründung auf Art 267 Abs 2 und Abs 3 AEUV einzugehen gewesen, wonach LSGe zwar den EuGH anrufen können, wenn sie dies für erforderlich halten, hierzu aber regelmäßig
nicht verpflichtet sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
41 RdNr 26a).
c) Ein Verfahrensmangel wird schließlich auch nicht formgerecht bezeichnet, soweit der Kläger der Auffassung ist, die Bundesrepublik
Deutschland sei zum Verfahren beizuladen gewesen, weil europäischen Vorschriften zu seinem Nachteil nicht umgesetzt worden
seien und ihm Schadenersatz zustehe. Er hat bereits nicht aufgezeigt, dass ein Fall der notwendigen Beiladung iS des §
75 Abs
2 SGG vorliegt. Entsprechende substantiierte Ausführungen wären aber schon deshalb geboten gewesen, weil nur eine unterbliebene
notwendige Beiladung einen Verfahrensmangel darstellt, der die Revision nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG eröffnet und auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist. Das Unterlassen einer einfachen Beiladung nach §
75 Abs
1 SGG stellt grundsätzlich keinen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG dar (BSG Beschluss vom 18.7.2017 - B 13 R 110/17 B - juris RdNr 9 mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.