Jahresfrist für eine Aufhebungsentscheidung und Erstattungsentscheidung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde
nur, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf
danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Beschwerdeschrift keiner
mit Erfolg im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.
Es ist nicht ersichtlich, dass sich im vorliegenden Verfahren, in dem sich die Klägerin gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung
wendet, weil die Jahresfrist aus § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X abgelaufen sei, Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung stellen. In der Rechtsprechung des BSG ist bereits geklärt, dass die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X regelmäßig erst nach erfolgter Anhörung des Betroffenen beginnen kann (vgl BSG vom 27.7.2000 - B 7 AL 88/99 R - SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 140, zur Maßgeblichkeit des Ablaufs der Anhörungsfrist Padé in juris PK-SGB X, § 45 SGB X RdNr 112, Stand 4.6.2021; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X RdNr 27, Stand September 2020).
Wegen der vorgetragenen Verfahrensfehler ist nicht erkennbar, dass sich hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg
stützen könnte. Soweit geltend gemacht wird, ein Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 20 AS 955/14 sei unzulässig, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass neben der Mutter der Klägerin auch die Klägerin selbst Verfahrensbeteiligte
gewesen ist.
Wegen der Rüge der fehlenden Zustellung eines Beschlusses an die Klägerin über die Aufnahme des Verfahrens S 20 AS 1705/14 (fortgeführt unter dem Aktenzeichen S 20 AS 4550/16) von Amts wegen ist nicht ersichtlich, inwiefern ein zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg geltend machen könnte,
es handele sich um einen beim LSG fortwirkenden Verfahrensfehler des SG und auf diesem Mangel könne das Urteil des LSG beruhen. Das setzte voraus, dass das die Regelungen der
ZPO ohne Modifikation für das sozialgerichtliche Verfahren gelten, wogegen schon die nur entsprechende Anwendbarkeit der
ZPO (vgl §
202 Satz 1
SGG) spricht. Insoweit ist anerkannt, dass die dem Ruhen vergleichbare Aussetzung auch durch konkludentes Handeln beendet werden
kann (vgl BSG vom 21.2.2013 - B 10 EG 20/12 R - SozR 4-7835 Art 1 Nr 2 RdNr 16) und die Aufnahme des Verfahrens den Antrag eines Beteiligten nicht voraussetzt (vgl zur Unanwendbarkeit von §
250 ZPO bei ausgesetzten Verfahren Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
114 RdNr 10a).
Wegen des behaupteten Übergehens von Beweisanträgen ergibt sich nach dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift und der Durchsicht
der Verfahrensakte schon nicht, welche Beweisanträge durch die Klägerin bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG
aufrechterhalten worden sind (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 18c). Soweit die Klägerin rügt, es habe Beweis erhoben werden müssen über eine Ende November 2011 vorgenommene Veränderungsmitteilung,
hat der für das Verfahren beim SG bevollmächtigte Rechtsanwalt die Beiziehung und Verwertung der Gefangenenpersonalakte der Mutter der Klägerin zum Beweis
der Tatsache, dass diese den Beklagten über ihren Aufenthalt in der JVA informiert habe, beantragt. Er hat Akteneinsicht in
die beigezogene Gefangenenpersonalakte der Mutter der Klägerin erhalten, der Inhalt der Akte ist zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung beim SG gemacht worden. Das SG hat den Inhalt dieser Akten in seinem Urteil gewürdigt und ausgeführt, für die Absendung eines Schreibens, in dem sich die
Mutter der Klägerin wegen der Haft bei dem Beklagten abgemeldet habe, ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte. Insoweit ist nicht
erkennbar, wie ein zugelassener Prozessbevollmächtigter erfolgreich geltend machen könnte, die Vorinstanzen seien Beweisanträgen
der Klägerin nicht nachgegangen und dies habe Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens haben können.
Eine Divergenzrüge verspräche keine Aussicht auf Erfolg (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Die von der Klägerin zitierten sozial- und landessozialgerichtlichen Entscheidungen sind ungeachtet der Frage, ob in ihnen
tragende abstrakte Rechtssätze aufgestellt worden sind, in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim BSG nicht divergenzfähig. Das sind nur Entscheidungen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die von der Mutter der minderjährigen Klägerin für diese eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden
gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Sie kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen,
folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Hierauf hat das LSG in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils hingewiesen.
Die Mutter der Klägerin gehört nicht zum in §
73 Abs
4 Satz 1 bis
3 SGG genannten Personenkreis. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.