Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 VAHRG
Tatbestand:
Streitig ist, ob die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) das Altersruhegeld des Klägers um die der früheren Ehefrau
im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften mindern darf.
Der 1916 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit Mai 1979 sogenanntes flexibles Altersruhegeld (§ 1248 Abs. 1 der
Reichsversicherungsordnung -
RVO-). Seine im September 1948 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 13. Mai 1981 rechtskräftig geschieden.
Gleichzeitig übertrug dieses Gericht Rentenanwartschaften des Klägers in Höhe von monatlich 517,30 DM, bezogen auf den 31.
August 1980, auf das Versichertenkonto der früheren Ehefrau, die seit 1981 von der Beklagten ebenfalls Altersruhegeld erhielt.
Dementsprechend minderte die Beklagte ab 1. September 1981 das Altersruhegeld des Klägers um 517,30 DM (Bescheid vom 3. August
1981).
Am 21. November 1984 ist die frühere Ehefrau des Klägers verstorben.
Im November 1984 beantragte der Kläger die Auszahlung seines nicht um den Versorgungsausgleich geminderten Altersruhegeldes.
Dies lehnte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 21. Dezember 1984 ab: Der früheren Ehefrau seien keine nur geringen
Leistungen iS des § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (HRG) vom 21. Februar 1983 (BGBl I 105), nämlich nicht mehr als zwei Jahresbeträge einer aus den erworbenen Anwartschaften berechneten
Rente, gezahlt worden; die gewährten Leistungsanteile aus dem Versorgungsausgleich von insgesamt 25.213,21 DM überschritten
den zweifachen Jahresbetrag von 14.907,74 DM.
Die hiergegen auf Auszahlung des ungeminderten Altersruhegeldes gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf durch Urteil vom 9. Dezember 1985 abgewiesen. Im Hinblick auf das Zahlenwerk und die klare gesetzliche Regelung
gebe es keine Möglichkeit, im Wege der Auslegung eine weitere Ausnahme zuzulassen. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit
des § 4 Abs. 2 HRG bestünden nicht. Das SG hat in seinem Urteil die Sprungrevision entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zugelassen. Die Beklagte hat gemäß der Sitzungsniederschrift
vom 9. Dezember 1985 erklärt, sie stimme der Einlegung der Sprungrevision "vorbehaltlich eines binnen vier Wochen zu erklärenden
Widerrufs" zu.
Der Kläger hat Revision eingelegt und außer einer beglaubigten Fotokopie des sozialgerichtlichen Sitzungsprotokolls ein Schreiben
der Beklagten übersandt, wonach von ihrer Seite "kein Widerruf gegen die Zustimmung zur Sprungrevision erklärt" wird. Er hat,
nachdem ihm mit dem am 15. Dezember 1986 zugestellten Beschluß des Senats vom 8. Dezember 1986 für das Revisionsverfahren
Prozeßkostenhilfe gewährt worden war, die Revision mit dem am 2. Januar 1980 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen
Schriftsatz begründet: Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 HRG sei verfassungswidrig, weil sie gegen Art
14 Abs.
1 Satz 1 und Art
3 Abs.
1 des Grundgesetzes (
GG) verstoße. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 28. Februar 1980 (NJW 1980, S 692 ff) Regelungen
als notwendig erachtet, um nachträglich eintretenden grundgesetzwidrigen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu begegnen.
Für den Präzedenzfall - Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten - sei die Verweigerung der Rückübertragung der
Rentenanwartschaften auf den Ausgleichspflichtigen als verfassungswidrig konkretisiert worden, wenn die Kürze der Rentenleistungen
an den ausgleichsberechtigten Ehegatten den überlebenden Ausgleichspflichtigen im Verhältnis zur Höhe der übertragenen Werteinheiten
und unter Würdigung seiner Lage spürbar belasten. Diese Vorgaben seien in § 4 Abs. 2 HRG außer acht gelassen worden. Die Vorschrift zwinge zu einer starren, schematischen Handhabung. Das Kriterium "Kürze der Rentenleistungen"
beantworte der Gesetzgeber mit einem festen Zweijahresrentenbezug, ohne daß andere wesentliche Gesichtspunkte, wie das jeweilige
Alter der früheren Ehegatten, berücksichtigt werden könnten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb bei einem drei- oder vierjährigen
Rentenbezug Art
14 Abs.
1 GG nicht ebenfalls die Rückübertragung gebiete. Auch das weitere vom BVerfG als maßgeblich angesehene Kriterium, nämlich die
Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichsverpflichteten, habe im § 4 Abs. 2 HRG keinen Niederschlag gefunden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 9. Dezember 1985 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.
Dezember 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm das nicht um den Versorgungsausgleich geminderte Altersruhegeld
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
124 Abs.
2 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG-).
Entscheidungsgründe:
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Insbesondere hat die Beklagte als Rechtsmittelgegnerin der Einlegung der Sprungrevision
"schriftlich zugestimmt" (§
161 Abs.
1 Satz 1
SGG). Allerdings kann in der von der Beklagten zur Sitzungsniederschrift des SG abgegebenen Zustimmungserklärung mit - wenngleich befristetem - Widerrufsvorbehalt noch keine wirksame schriftliche Zustimmung
iS von §
161 Abs.
1 Satz 1
SGG gesehen werden. Denn eine derartige Erklärung ist eine Prozeßhandlung (vgl Meyer-Ladewig,
SGG, 3. Aufl, §
161 Anm 4 am Ende), durch die der Prozeßgegner eine bestimmte Rechtsposition erlangt: Er kann die Sprungrevision wirksam unter
Vorlage der schriftlichen Zustimmungserklärung einlegen und dadurch für beide Prozeßbeteiligte kraft Fiktion den Verzicht
auf die Berufung bewirken (§
161 Abs.
5 SGG). Deshalb kann die schriftliche Zustimmung weder bedingt, noch befristet, noch - wie hier - unter Widerrufsvorbehalt erklärt
werden; geschieht dies dennoch, so ist die gesamte Erklärung unwirksam (vgl hierzu allgemein Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung,
13. Aufl, Einl III 2i, 4a). Gleichwohl hat die Beklagte "schriftlich zugestimmt" insofern, als ihr an die Prozeßbevollmächtigten
des Klägers gerichtetes Schreiben vom 15. August 1986, wonach "seitens der LVA Rheinprovinz ... kein Widerruf gegen die Zustimmung
zur Sprungrevision erklärt (wird)", im Zusammenhang mit der zu Protokoll des SG gegebenen Erklärung entsprechend §
133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) dahin ausgelegt werden muß, daß sie (noch) mit der Einlegung der Sprungrevision - und zwar nunmehr ohne Vorbehalt - einverstanden
ist. Der Kläger hat die Zustimmungserklärung auch rechtzeitig beim BSG eingereicht. Hierfür genügt über den Wortlaut des §
161 Abs.
1 Satz 3
SGG hinaus ("ist ... der Revisionsschrift beizufügen") deren Eingang innerhalb der Revisionsfrist (vgl SozR 1500 § 161 Nrn 2,
3, 29). Das ist geschehen. Soweit der Kläger die zweimonatige Revisionsbegründungsfrist (§
164 Abs.
2 Satz 2
SGG) versäumt hat, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§
67 Abs.
1 SGG). Denn da über seinen Prozeßkostenhilfeantrag erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist für die Nachholung der versäumten
Rechtshandlung (§
67 Abs.
2 SGG) hat der Kläger gewahrt (wegen Einzelheiten hierzu vgl SozR 1500 §
64 Nr. 1).
Die Revision ist jedoch unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, besteht kein Anspruch auf Gewährung des nicht um den Versorgungsausgleich geminderten Altersruhegeldes.
Grundlage für einen Anspruch, wie ihn der Kläger geltend macht, ist an sich der rückwirkend zum 1. Juli 1977 in Kraft getretene
§ 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 HRG. Die Vorschrift regelt, unter welchen besonderen Voraussetzungen nach vorangegangenem Versorgungsausgleich ausnahmsweise
ein "Rückausgleich" stattfindet. Nach Abs. 1 a.a.O. wird, wenn ein Versorgungsausgleich gemäß § 1587 Abs. 1
und der Ausgleichsberechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten
hat, die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten ... nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt. Nach Abs. 2 a.a.O.
gilt für den Fall, daß dem verstorbenen Berechtigten aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt
wurden, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Rente aus dem erworbenen Anrecht
nicht übersteigen, Abs. 1 entsprechend; es sind dann jedoch die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs. 1 ergebende Erhöhung
anzurechnen.
Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HRG, der durch das Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986 nicht geändert
worden ist. Die von der früheren Ehefrau des Klägers aufgrund der übertragenen Rentenanwartschaften bezogenen Leistungen überschreiten
bei weitem den Grenzbetrag von zwei Jahresbeträgen im Sinne dieser Vorschrift. Dabei übersieht der erkennende Senat nicht,
daß das dem streitigen Bescheid vom 21. Dezember 1984 zugrunde liegende Zahlenwerk einer Korrektur bedarf. Denn zu den Leistungen,
die dem verstorbenen Ausgleichsberechtigten aus den im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften gewährt worden
sind, gehören jedenfalls nicht die von den Rentenversicherungsträgern bis zum 31. Dezember 1982 zur Krankenversicherung der
Rentner (KVdR) erbrachten pauschalen Beiträge. Dies hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 13. November 1985 - 1 RA 1/85 (= BSGE 59, 132 = SozR 5795 § 4 Nr. 1), dem sich der erkennende Senat anschließt, entschieden. Ausdrücklich offengelassen worden ist in der
Entscheidung, ob auch für die von den Rentenversicherungsträgern seit dem 1. Januar 1983 zu zahlenden Zuschüsse zu den Aufwendungen
für die KVdR deshalb etwas anderes gilt, weil diese Zuschüsse zu versicherungsmäßig berechneten, individualisierten Einzelversicherungsbeiträgen
des Rentners gezahlt werden (vgl §§ 1304e, 385 Abs. 2
RVO). Auch für den vorliegenden Rechtsstreit kann dies dahingestellt bleiben. Unterstellt man zugunsten des Klägers, daß auch
diese an die frühere Ehefrau für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 30. November 1984 gewährten Krankenversicherungsbeitragsanteile
nicht nach § 4 Abs. 2 HRG anrechnungsfähig sind, so vermindern sich zwar die vom 1. September 1981 bis zum 30. November 1984 gewährten Leistungen von
insgesamt 38.103,69 DM um 3.786,89 DM auf die "eigentlichen" Rentenbeträge von insgesamt 34.316,80 DM; der Anteil der Anwartschaften
aus dem Versorgungsausgleich (hier: 66,17 %) beliefe sich aber immer noch auf 22.707,42 DM, überschritte also den Grenzbetrag
von 14.907,74 DM bei weitem. Allerdings stützt der Kläger selbst seinen (prozessualen) Anspruch nicht auf § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 HRG. Er meint vielmehr, diese Vorschrift sei verfassungswidrig, der Gesetzgeber habe die "Vorgabe" des BVerfG im Urteil vom 23.
Februar 1980 - 1 BvL 17/77 (= BVerfGE 53, 257 = NJW 1980, 692 = SozR 7610 § 1587 Nr. 1) zu der hier gegebenen Fallgestaltung nicht beachtet und mit dem Abheben auf den Zweijahresrentenbezug
eine schematische Regelung getroffen, ohne daß andere für die Einzelfallgerechtigkeit gesetzliche Gesichtspunkte - wie Alter
des Ausgleichsberechtigten und des Ausgleichsverpflichteten und damit statistisch zu erwartende künftige Rentenleistungen
- berücksichtigt werden könnten. Damit vermag der Kläger jedoch keine Aussetzung des Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung
des BVerfG gemäß Art
100 Abs.
1 GG zu erreichen. § 4 Abs. 2 HRG ist nicht verfassungswidrig.
Wenngleich das BVerfG in dem vorbezeichneten Urteil dargelegt hat, daß Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus den
gesetzlichen Rentenversicherungen dem Schutz des Art
14 GG unterliegen, sieht es in der Übertragung von Rentenanwartschaften durch Versorgungsausgleich bei geschiedenen Ehen grundsätzlich
keinen Verstoß gegen das
GG. Allerdings hat es den Gesetzgeber aufgefordert, die Bestimmungen über die Übertragung und Begründung von Rentenanwartschaften
in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Regelungen zu ergänzen, die es ermöglichen, nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen
Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu begegnen. Das BVerfG führt dazu aus, daß die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs
durch Art
6 Abs.
1 GG und Art
3 Abs.
2 GG dann entfalle, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolge, ohne daß sich andererseits
der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirke. In einem solchen Fall erbringe
der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten diene; es komme vielmehr ausschließlich
dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute (aaO S 302). Fälle, die nach
rechtskräftigem Vollzug des Versorgungsausgleichs grundgesetzwidrig sein könnten, seien im Zusammenhang mit dem Vorversterben
des ausgleichsberechtigten vor dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten denkbar. Sie könnten dann gegeben sein, wenn die abgesplitteten
Werteinheiten beim Berechtigten keine Rentenleistung ausgelöst hätten, den Verpflichteten hingegen wegen ihres Umfangs spürbar
belasteten. Es sei ferner auch möglich, daß wegen der Kürze der Rentenleistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten im
Verhältnis zur Höhe der übertragenen Werteinheiten und unter Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichsverpflichteten
der Versorgungsausgleich verfassungswidrige Auswirkungen haben könne. Zusammenfassend stellt das BVerfG fest, daß die Übertragung
von Rentenanwartschaften verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, sondern daß es lediglich einer ergänzenden - möglicherweise
vorübergehenden - Regelung bedürfe. Dem trägt § 4 Abs. 2 HRG hinreichend Rechnung.
§ 4 Abs. 2 HRG ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs.
1 GG vereinbar. Dieses Grundrecht wäre nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder
sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden ließe, also die Bestimmung als willkürlich
bezeichnet werden müßte (BVerfGE 1, 14, 52; 14, 142, 150; 18, 121, 124; 23, 258, 263). Ein Verstoß gegen Art
3 Abs.
1 GG kann aber nicht darin gesehen werden, daß zum Versorgungsausgleich verpflichtete Ehegatten nur die gekürzte Versorgung erhalten,
weil die gewährten Leistungen den sogenannten Grenzbetrag - entsprechend zweier Jahresbeträge - übersteigen, während in den
Fällen, in denen der Grenzbetrag nicht überschritten wird, ein Anspruch auf die ungekürzte Versorgung besteht. Die Grenzen
zulässiger Typisierung sind auch nicht dadurch verletzt, daß in Fällen einer nur geringfügigen Unterschreitung des Grenzwertes
der "Rückausgleich" vorgenommen wird. Wenn der Gesetzgeber diesen Personenkreis noch begünstigen will und eine strikte Abgrenzung
vorsieht, liegt dies in seinem Ermessen (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr. 46). Die Normierung ist vom Gericht nicht darauf zu überprüfen,
ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat (BVerfGE 3, 58, 135; 4, 7, 18; 19, 354, 367 f; BSG SozR 5870 § 2 Nrn 11, 42 und 46). Eine Verpflichtung des Gesetzgebers dergestalt, eine denkbare
schonendere oder differenziertere Regelung zu formulieren - etwa die vom Kläger vorgeschlagene Einbeziehung von Gesichtspunkten
wie Alter des Ausgleichsberechtigten und Alter des Ausgleichsverpflichteten und damit statistisch zu erwartende zukünftige
Rentenleistungen - besteht daher nicht (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr. 46).
§ 4 Abs. 2 HRG verstößt - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht gegen Art
14 Abs.
1 GG. Wie bereits oben erwähnt, hat das BVerfG die Grundkonzeption des Versorgungsausgleichs mit den Grundrechten, ua auch mit
Art
14 Abs.
1 GG, für vereinbar erklärt (BVerfGE 53, 257, 289). Insbesondere umfaßt Art
14 Abs.
1 Satz 2
GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und -anwartschaften zu beschränken; sofern dies einem Zweck des Gemeinwohls dient und
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen,
den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten (aaO S 293). Der Gesetzgeber ist mit
Verabschiedung des HRG der Verpflichtung des BVerfG nachgekommen, Härteregelungen zu treffen. Daß er dabei bestimmte Grenzwerte schaffen durfte,
ergibt sich - wie ebenfalls dargelegt - aus seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit. Die Einschränkung, die der Kläger erfährt,
erfolgt - im Gegensatz zur Vornahme des Versorgungsausgleichs, der der Abwicklung des durch die Ehe begründeten Privatrechtsverhältnisses
dient (aaO S 295) - im Interesse aller zur Erhaltung bzw zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der
Rentenversicherung (vgl aaO S 293). So haben bereits die Fraktionen der SPD und FDP in ihrem Gesetzentwurf vom 15. September
1982 ausgeführt, daß weitergehende Maßnahmen als die Korrektur von Härtefällen - insbesondere eine vollständige Rückgängigmachung
des Versorgungsausgleichs - zu zusätzlichen Belastungen für die Rentenversicherungsträger und Dienstherren führen würden (BT-Drucks
9/1981 S 38, Einzelbegründung zu § 1587q
BGB-E). Diese Ansicht wird durch die Antwort der Bundesregierung vom 3. Juni 1986 auf eine entsprechende parlamentarische Frage
nach der Aufnahme zusätzlicher Härteregelungen in die Neufassung des HRG bestätigt. Danach haben im Rahmen der Vorarbeiten an dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem
Gebiet des Versorgungsausgleichs die Bundesressorts eingehend Lösungen erörtert, die eine auch nach dem Tod des ausgleichsberechtigten
Ehegatten fortdauernde Kürzung der Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten - über die Grenzen des § 4 HRG hinaus - vermeiden würden. Diese Erörterungen hätten gezeigt, daß sich entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen nur mit erheblichen
Mehrkosten namentlich für die Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen und die öffentlichen Haushalte verwirklichen ließen.
Der Regierungsentwurf sehe deshalb von solchen Lösungen ab (BT-Drucks 10/5625 S 6 f).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist das vom BVerfG angeführte Kriterium "Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichsverpflichteten"
(BVerfGE 53, 257, 303) nicht zwingend in das HRG aufzunehmen. Es fällt in die Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers, ob er das vom BVerfG vorgeschlagene Kriterium aufgreift
oder letztlich andere zulässige Wege beschreitet (vgl BVerfGE 7, 377, 442). Ziel muß nur sein, die Härtefälle zu berücksichtigen, die dadurch entstehen, daß die Rentenanwartschaft des Ausgleichsberechtigten
später nicht zu angemessenen Leistungen führt (BVerfGE 53, 257, 303). Dieses Ziel wird mit Hilfe des § 4 Abs. 2 HRG erreicht. Keinesfalls ist es geboten, die Ausführungen des BVerfG mit allgemeinen Billigkeitserwägungen, wie Einkommens-
und Vermögensverhältnisse, Lebensbedarf und Unterhaltspflichten des Ausgleichsverpflichteten, in Verbindung zu bringen. Die
Verwendung dieser eher sozialhilferechtlich orientierten Kriterien erscheint insbesondere auch deshalb nicht gerechtfertigt,
weil das BVerfG in seiner Entscheidung ausdrücklich betont, daß gegen den Versorgungsausgleich auch dann keine grundsätzlichen
Bedenken bestünden, wenn er beim Verpflichteten zu einer Rente führe, die wegen ihrer geringen Höhe durch andere Sozialleistungen
ergänzt werden müsse (aaO S 298).
Die Sprungrevision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.