Recht eines Beteiligten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
In Strafhaft befindlicher Prozessbeteiligter
Anspruch auf rechtliches Gehör
Gründe:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Urteil vom 9.7.2018 hat
das LSG Baden-Württemberg einen solchen Anspruch des Klägers verneint und seine Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG
Stuttgart vom 24.8.2017 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums
angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage,
(2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger formuliert schon keine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung einer revisiblen (Bundes-)Norm,
an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - Juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - Juris RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht
zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag eines Beschwerdeführers darauf zu analysieren, ob sich ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe
(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
2. Mit dem Vortrag, er sei in seinem Recht auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG; §
62 SGG) verletzt, weil er zur mündlichen Verhandlung am 9.7.2018 nicht habe erscheinen können, kann sich der Kläger auch nicht erfolgreich
auf einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) stützen. Auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten steht das Recht zur Teilnahme an der mündlichen
Verhandlung zu. Der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch den Strafvollzug nicht ausgeschlossen
(vgl BSG Beschluss vom 31.10.2005 - B 7a AL 14/05 B - Juris RdNr 5). Die Beschwerdebegründung enthält jedoch keinerlei Angaben dazu,
dass der Kläger seinerseits durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde alles Zumutbare getan hatte, an der mündlichen
Verhandlung teilnehmen zu können (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2018 - B 2 U 231/17 B - Juris RdNr 5). Nach §
36 des
Strafvollzugsgesetzes und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften ist es Sache des Gefangenen, die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin
zu beantragen (vgl BSG Beschluss vom 31.10.2005 - B 7a AL 14/05 B - Juris RdNr 5 mwN). Nach der Rechtsprechung des BSG war das LSG auch nicht verpflichtet, das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen und den Kläger zum Termin vorführen
zu lassen (vgl BSG Urteil vom 21.6.1983 - 4 RJ 3/83 - Juris RdNr 16). Auch dazu hat der Kläger nichts weiter vorgetragen, sondern lediglich vorgebracht, sein Prozessbevollmächtigter
habe die "mangelnde Teilnahmemöglichkeit des Klägers" in der mündlichen Verhandlung gerügt, ohne dass dies im Protokoll aufgenommen
worden wäre.
Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, sein Prozessbevollmächtigter habe ihn in der Untersuchungshaft weder besuchen
noch mit ihm telefonieren können, wäre ein Antrag auf Terminverlegung denkbar gewesen, um diesem eine bessere Vorbereitung
des Termins zur mündlichen Verhandlung zu ermöglichen. Der Kläger trägt in seiner Beschwerdebegründung jedoch nicht vor, dass
er einen solchen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dieser abgelehnt worden ist (vgl BSG Urteil vom 23.2.1960 - 9 RV 576/55 - BSGE 12, 9, RdNr 16).
3. Der Kläger begehrt "mit dieser Nichtzulassungsbeschwerde" darüber hinaus "die in der II. Instanz zu Unrecht verweigerte
PKH" und trägt dazu vor, es sei seinem Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen, ihn in der Untersuchungshaft zu besuchen.
Ein Austausch auf dem Postweg habe Wochen gedauert. Eine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist zwar auch im Zusammenhang
mit der Ablehnung von Prozesskostenhilfe als Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG denkbar (vgl BSG Beschluss vom 1.2.2018 - B 8 SO 22/17 B - Juris RdNr 7). Aus dem vom LSG weitergeleiteten Schriftwechsel zwischen dem Kläger
und seinem Prozessbevollmächtigten geht jedoch hervor, dass der Prozessbevollmächtigte erst mit Schreiben vom 17.7.2018, dh
nach Abschluss des Berufungsverfahrens und nach Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Urteil vom
9.7.2018, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom Kläger angefordert hat. Inwieweit die
negative Entscheidung des LSG über den Prozesskostenhilfeantrag auf einer erschwerten Kommunikation des Klägers mit seinem
Prozessbevollmächtigten beruhen könnte, bleibt deshalb unklar. Darüber hinaus fehlen jegliche Ausführungen des Klägers dazu,
dass das LSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten der Berufung abgelehnt und darüber hinaus
(nur ergänzend) ausgeführt hat, es komme deshalb auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
des Klägers nicht an.
4. Soweit der Kläger in seiner Nichtzulassungsbeschwerde formuliert, das LSG "wird gebeten, ein neues psychiatrisches Sachverständigengutachten"
sowie eine neue fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Berghoff einzuholen,
kann er nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG einen Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach §
103 SGG nur stützen, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur
Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels benennt der bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger schon keinen Beweisantrag,
den er bis zur mündlichen Verhandlung am 9.7.2018 aufrechterhalten hat.
5. Mit dem weiteren Vortrag zu seinen Krankheitsbildern auf neurologisch-psychiatrischen, orthopädischen und internistischen
Fachgebiet (auch unter Vorlage verschiedener Arztbriefe) und insbesondere mit seinem Vorbringen, er leide unter ständigen
schweren Schmerzen, auch habe sich die gesundheitliche Situation weiter zunehmend chronifiziert, macht der Kläger eine fehlerhafte
Rechtsanwendung des LSG bei der Entscheidung über seinen Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente im Einzelfall
geltend. Ob das LSG die Sache richtig entschieden hat, ist jedoch nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.