Antrag auf Übersendung einer Liste eigener Krankheitszeiten
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gründe
I
Der Kläger, der von März 2015 bis Februar 2016 gesetzlich versichertes Mitglied der Beklagten war, ist mit seinem Begehren
auf Übersendung einer Liste seiner Krankheitszeiten beim SG erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 15.5.2018). Im Berufungsverfahren hat der Kläger beantragt festzustellen, dass die Beklagte die Liste erst drei Monate nach Antragstellung
übersandt habe. Er hat ferner unter Übersendung eines aktuellen Grundsicherungsbescheides nach dem SGB XII die Übernahme der Fahrkosten für die Anreise zur mündlichen Verhandlung beantragt. Das LSG hat daraufhin mitgeteilt, eine
Übernahme von Fahrkosten sei im Gesetz nicht vorgesehen (Schreiben vom 22.2.2019). Der Kläger könne sich ggf mit dem zuständigen Grundsicherungsträger ins Benehmen setzen. Das LSG hat nach mündlicher Verhandlung
am 7.3.2019 in Abwesenheit des Klägers die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses
unzulässig gewesen und deshalb auch als Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig (Urteil vom 7.3.2019). Eine gegen das Urteil erhobene Anhörungsrüge des Klägers, mit der der Kläger ua auf eine Verwaltungsvorschrift über die
Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen hingewiesen hat,
hat das LSG mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein verständiger Kläger das Berufungsverfahren nicht angestrengt hätte
(Beschluss vom 4.4.2019).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung des hier allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers
(§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
1. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG sind die Umstände zu bezeichnen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Wer - wie hier der Kläger - die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG, Art 6 Abs 1 EMRK) rügt, muss auch darlegen, dass er seinerseits alles ihm Zumutbare getan hat, um sich Gehör zu verschaffen (BSG vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 12 mwN; BSG vom 28.6.2019 - B 1 KR 50/18 B - juris RdNr 7). Denn eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die
zumutbare Ausschöpfung der vom einschlägigen Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör
zu verschaffen (vgl BVerfG vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - juris RdNr 28; BSG vom 9.8.2016 - B 9 V 36/16 B - juris RdNr 7; BVerwG vom 3.7.1992 - 8 C 58.90 - juris RdNr 9; BVerwG vom 7.4.2020 - 5 B 30.19 D - juris RdNr 32; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
62 RdNr 11d, jeweils mwN). In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden, dass diesem Gebot Rechnung getragen wurde bzw dass insoweit keine zumutbare
Möglichkeit bestand (vgl BVerwG vom 7.4.2020 - 5 B 30.19 D - juris RdNr 32 mwN). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Der Kläger legt zwar dar, dass er beim LSG die Übernahme der Fahrkosten beantragt und seine Mittellosigkeit durch einen aktuellen
Grundsicherungsbescheid nachgewiesen habe (vgl dazu BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B - juris RdNr 5; BSG vom 29.1.2019 - B 5 R 286/18 B - juris RdNr 11). Er führt weiter aus, dass das LSG den Antrag mit Schreiben vom 22.2.2019 unter Außerachtlassung der Allgemeinverfügung (AV)
der Hamburgischen Justizbehörde über die Gewährung von Reiseentschädigungen (AV der Justizbehörde Nr 15/2006 vom 26.6.2006 <5110/1-8>, mit der Änderung durch AV vom 7.8.2009 - HmbJVBl S 45, geändert
durch die AV der Behörde für Justiz und Gleichstellung Nr 1/2014 vom 6.1.2014 <5110/1>, HmbJVBl S 49) abgelehnt habe. Der Kläger versäumt aber darzulegen, warum er seine Einwände gegen diese Ablehnung erst nach der mündlichen
Verhandlung mit der am 15.3.2020 beim LSG eingegangenen "Gehörsrüge" geltend gemacht hat und nicht bereits vor der mündlichen
Verhandlung am 7.3.2019, etwa im Rahmen einer gegen die Ablehnungsentscheidung des LSG vom 22.2.2019 gerichteten formlosen
Gegenvorstellung (zur Statthaftigkeit von Gegenvorstellungen gegen unselbstständige Zwischenentscheidungen und prozessleitende Verfügungen
iS des §
172 Abs
2 Satz 1
SGG vgl BSG vom 17.10.2017 - B 6 KA 5/17 C - RdNr 6; Flint in jurisPK-
SGG, 2017, §
178a RdNr 110). Das gilt umso mehr, als der Kläger seiner Anhörungsrüge zu dem Parallelverfahren L 1 KR 76/18 auch einen Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.7.2018 beigefügt hat, mit dem ihm in einem dort geführten Verfahren
ein "Fahrtkostenvorschuss" unter Hinweis auf eine Verwaltungsvorschrift des nordrhein-westfälischen Justizministeriums über
die "Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen" für die Teilnahme
an der dortigen mündlichen Verhandlung gewährt und dies näher begründet worden war. Insofern hätte es nahegelegen, diesen
Beschluss schon vor der mündlichen Verhandlung dem LSG zu übersenden, um diesem Gelegenheit zu geben, seine Rechtsauffassung
zu überdenken. Der Kläger legt nicht dar, dass ihm dies zwischen dem Zugang des Schreibens des LSG vom 22.2.2019 und der mündlichen
Verhandlung am 7.3.2019 nicht möglich gewesen sei oder das Schreiben vom 22.2.2019 ihn nicht rechtzeitig erreicht habe. Diese
Darlegung war nicht deshalb entbehrlich, weil die Anhörungsrüge erfolglos geblieben ist. Hieraus folgt nicht, dass das LSG
auch im Falle einer rechtzeitigen Gegenvorstellung vor der mündlichen Verhandlung die Übernahme der Fahrkosten abgelehnt hätte.
Offensichtlich hat dem LSG am 22.2.2019 die Möglichkeit der Gewährung einer auch nach Verwaltungsvorschriften des Landes Hamburg
möglichen Reiseentschädigung nicht vor Augen gestanden. Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG in Kenntnis dessen anders
entschieden hätte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.