Anspruch auf Freistellung von Kosten einer selbst beschafften Haushaltshilfe
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte, alleinstehende und kinderlose Kläger ist mit seinem Begehren, ihn von den
Kosten einer von ihm im Zeitraum vom 17.3.2013 bis 29.9.2013 in Anspruch genommenen Haushaltshilfe freizustellen, bei der
Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, der Kläger habe schon deswegen keinen Anspruch
auf Kostenfreistellung nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Kläger sich vor der Selbstbeschaffung der Haushaltshilfe mit einem entsprechenden
Antrag an die Beklagte gewandt habe. Im Übrigen habe ihm auch kein Sachleistungsanspruch auf die Haushaltshilfe zugestanden.
Der Kostenfreistellungsanspruch könne aber nicht weiter reichen als der Sachleistungsanspruch. In seinem Haushalt habe kein
Kind gelebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe oder das behindert
und auf Hilfe angewiesen gewesen sei. Dies hätten im Jahr 2013 Gesetz (§
38 Abs
1 Satz 2
SGB V) und die geltende Satzung der Beklagten aber für den Anspruch vorausgesetzt. Die Regelung der Genehmigungsfiktion (§
13 Abs
3a SGB V) finde hier keine Anwendung (Urteil vom 23.7.2019).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers
(§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
1. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN).
Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen die Rechtsschutzgleichheit dadurch, dass das LSG Prozesskostenhilfe (PKH) für das
Berufungsverfahren abgelehnt hat (Beschluss vom 7.2.2019), hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
Die Rüge gegen die Versagung von PKH ist ebenso wie andere Rügen, die sich gegen eine unanfechtbare Vorentscheidung richten,
grundsätzlich ausgeschlossen (§
202 Satz 1
SGG iVm §
557 Abs
2 ZPO). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der gerügte Verfahrensmangel zu einem Mangel der angefochtenen Entscheidung selbst
führt. Dementsprechend kann als Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nicht die rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die eine Verletzung
von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen
Art
3 Abs
1 GG und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt (vgl BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 9; vgl zum grundrechtlichen Fundament der Rechtsschutzgleichheit BVerfG vom 14.10.2008 -
1 BvR 2310/06 - BVerfGE 122, 39, 48 f = juris RdNr 30 f). Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG soll das Institut der PKH auch unbemittelten Personen den weitgehend gleichen Zugang
zu Gericht ermöglichen. Die Auslegung und Anwendung des die Gewährung von PKH regelnden §
114 ZPO obliegt dabei in erster Linie den Fachgerichten, die allerdings den Zweck der PKH zu beachten haben. Maßgeblich ist daher,
ob die Fachgerichte den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Vorabwürdigung der Erfolgsaussichten verfassungsrechtlich
zukommt, überspannen und dadurch den Zweck der PKH, einen Gerichtszugang zu gewährleisten, deutlich verfehlen. Die Fachgerichte
dürfen PKH insbesondere dann nicht versagen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen,
bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. PKH braucht allerdings nicht gewährt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche
Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten
Auslegungshilfen nicht in diesem Sinn als "schwierig" erscheint (vgl BVerfG <Kammer> vom 7.7.2020 - 1 BvR 2447/19 - juris RdNr 6 f mwN auch zur Senatsrechtsprechung des BVerfG). PKH bei einer schwierigen Rechtsfrage zu versagen, ist willkürlich und verstößt gegen das Gebot der Rechtsschutzgleichheit.
Der Kläger, der mit seiner Beschwerde die Rechtsauslegung des LSG angreift, zeigt nicht auf, dass hier eine schwierige Rechtsfrage
vorliegt. Er setzt sich zwar mit der Argumentation des LSG auseinander, dass er vor der Selbstbeschaffung keinen Antrag gestellt
habe. Jedoch geht er nicht auf die ständige Rechtsprechung des BSG ein, wonach ein Kostenerstattungs- bzw Kostenfreistellungsanspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V nur für den Ausnahmefall gewährt werden kann, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines
Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur
Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden
Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran
fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies
möglich gewesen wäre (vgl BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - juris RdNr 9). Zu einer Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung hätte hier umso mehr Anlass bestanden, als der Kläger die Feststellungen
im LSG-Urteil, von denen es bereits im PKH-Beschluss ausgegangen ist, weder mit Verfahrensrügen angegriffen noch dargelegt
hat, dass im Zeitpunkt des PKH-Beschlusses der Sachverhalt insoweit noch aufklärungsbedürftig gewesen sei.
Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, dass das LSG zu Unrecht einen Anspruch nach §
37 Abs
4 SGB V nicht geprüft habe, obwohl diese Norm in der 2013 geltenden Fassung sogar ausdrücke, dass nicht in jedem Fall vorher ein
Antrag auf hauswirtschaftliche Versorgung gestellt werden müsse, legt er ebenfalls nicht dar, dass sich in seinem Fall insoweit
eine schwierige Rechtsfrage gestellt hätte. Er setzt sich schon nicht damit auseinander, dass das LSG keine Feststellungen
zur Grundvoraussetzung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege getroffen hat. Versicherte erhalten häusliche Krankenpflege
nämlich nur dann, wenn die Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege
vermieden oder verkürzt wird (§
37 Abs
1 Satz 1
SGB V). Dazu verhält sich der Kläger nicht.
Die weiteren Ausführungen des Klägers zum Antragserfordernis sind inhaltlich nicht nachvollziehbar, wenn er ausführt, das
LSG verhalte sich widersprüchlich, wenn es ihm die fehlende Antragstellung vorwerfe, aber zugleich dem Grunde nach einen Anspruch
auf Haushaltshilfe verneine. Auch insoweit wird eine Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §
13 Abs
3 SGB V nicht ersichtlich.
Der Senat kann offenlassen, ob die weiteren Ausführungen des Klägers zu einem Anspruch auf Haushaltshilfe geeignet sind, eine
schwierige Rechtsfrage und damit eine willkürliche Behandlung des PKH-Antrags durch das LSG aufzuzeigen. Jedenfalls dann,
wenn ein PKH-Beschluss zur Begründung der mangelnden Erfolgsaussicht nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt wird
und sich diese Begründungen - wie hier - auch in der angefochtenen Entscheidung nebeneinander wiederfinden, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde
nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und
formgerecht gerügt wird (BSG vom 24.2.1998 - B 2 U 153/97 B - juris RdNr 5). Dies ist, wie aufgezeigt, nicht der Fall.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.