Verfassungsrechtlicher Schutz der Ehe, Versicherungsfall bei künstlicher Befruchtung
Gründe:
I
Die bei der beklagten Ersatzkasse versicherte unverheiratete Klägerin, die seit 1987 in nichtehelicher Gemeinschaft lebt,
begehrte die Erstattung von Kosten für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung). Die Beklagte
lehnte eine Erstattung von Kosten, die der Klägerin insoweit ab dem 7. Januar 1999 entstanden waren, mit rechtskräftig gewordenem
Bescheid vom 15. Juli 1999 ab. Im März 2001 beantragte die Klägerin erneut Kostenerstattung für seit Juni 1999 durchgeführte
Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Die Beklagte lehnte dies mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10.
April 2001 ab, weil nach §
27a Abs
1 Nr
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) Leistungen der künstlichen Befruchtung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Personen durchgeführt werden
dürften, die miteinander verheiratet sind. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht
(LSG) hat im Wesentlichen ausgeführt: Es sei bereits fraglich, ob die Selbstbeschaffung vorliegend kausal auf der Ablehnung
der Beklagten beruhe. Wären die von der Klägerin seit Anfang 1999 durchgeführten Behandlungsmaßnahmen nämlich als Einheit
zu beurteilen, könnte die Selbstbeschaffung dieser Leistungen nicht kausal auf dem ablehnenden Bescheid vom 10. April 2001
beruhen. Gehe man von einer nicht einheitlichen Behandlung aus, seien mindestens die bis zur Erteilung des Bescheides vom
10. April 2001 entstandenen Kosten nicht durch diese Entscheidung der Beklagten kausal hervorgerufen worden. Jedenfalls scheide
ein Kostenerstattungsanspruch aus, weil die Beklagte die selbstbeschafften Leistungen auf Grund §
27a Abs
1 Nr
3 SGB V nicht zu erbringen habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei diese Vorschrift nicht verfassungskonform dahin auszulegen,
dass die Leistung auch unverheirateten Versicherten zu gewähren sei. Art
3 Abs
1 Grundgesetz (
GG) sei nicht verletzt. Der sachliche Rechtfertigungsgrund für die vorliegende Ungleichbehandlung ergebe sich aus Art
6 Abs
1 GG. Es sei dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen wie nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu
begünstigen (Urteil vom 23. Oktober 2003).
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
Soll die Revision wie vorliegend nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung
dargelegt werden (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Hierzu ist es erforderlich, eine Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung besitzt. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig, ob die Ablehnung eines Kostenerstattungsanspruchs für die Durchführung
einer homologen In-Vitro-Fertilisation gemäß §
27a Abs
1 Nr
3 SGB V bei einer Anspruchstellerin, die in einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebt, gegen Art
3 Abs
1 GG verstoße. Sie wirft damit zwar eine hinreichende konkrete Rechtsfrage auf, zumal auch die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift
von grundsätzlicher Bedeutung sein kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 17). Auch nennt sie als einschlägige verfassungsrechtliche
Prüfungsmaßstäbe Art
3 Abs
1 und Art
6 Abs
1 GG. Indessen fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Art
6 Abs
1 GG, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gerade darin zu sehen sind, dass Art
6 Abs
1 GG die Ehe unter besonderen Schutz stellt und allein die Ehe als Institut neben der Familie diesen verfassungsrechtlichen Schutz
erfährt, nicht dagegen eine andere Lebensform (BVerfGE 105, 313, 348). Aus Art
6 Abs
1 GG folgt nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht nur ein Benachteiligungsverbot hinsichtlich Ehe und Familie. Vielmehr ist
es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes und dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Ehe
aus Art
6 Abs
1 GG auch nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl BVerfGE 6, 55, 76; 105, 313, 348). Gerade auf diesen Privilegierungen rechtfertigenden Aspekt müsste die Beschwerde eingehen und aufzeigen,
dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum insoweit unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz überschritten
hat. Dies ist nicht der Fall. Ebenso wenig setzt sich die Beschwerde mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Leistungsgrund
des §
27a SGB V auseinander: Danach knüpft das Gesetz die Leistungspflicht der Krankenkasse nach §
27a SGB V nicht an einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand ihres Mitglieds, sondern an die ungewollte Kinderlosigkeit des Ehepaares
und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung; vorausgesetzt wird allein, dass die vorgesehenen
Maßnahmen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und erfolgversprechend sind; nicht die Krankheit,
sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer
künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (BSG SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24).
Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, ob und welche Kosten ihr nach Wirksamwerden des streitgegenständlichen Bescheids
durch selbstbeschaffte Maßnahmen entstanden sind. Ein Eingehen hierauf ist schon deshalb erforderlich, weil das LSG ausdrücklich
darauf hingewiesen hat, dass nur insoweit eine Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und der Selbstbeschaffung
in Betracht käme, als die Kosten für Leistungen nach Wirksamwerden dieses Bescheides entstanden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.