Nachträgliche sachlich-rechnerische Berichtigung von Honorarforderungen
Rücknahme fehlerhafter Honorarbescheide
Eintritt der Verbindlichkeit von Honorarbescheiden
1. In der Rechtsprechung des BSG ist sowohl für den ärztlichen wie für den zahnärztlichen Bereich geklärt, dass die Vorschriften über die sachlich-rechnerischen
Berichtigungen in den Bundesmantelverträgen die KÄVen bzw. KZÄVen berechtigen, die Honorarforderungen der Vertrags(zahn)ärzte
bei sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit nachträglich zu berichtigen.
2. Sachlich-rechnerische Richtigstellungen können insbesondere erfolgen, wenn sich nachträglich - ggf. nach gerichtlicher
Klärung einer Auslegungsfrage - herausstellt, dass ein Vertrags(zahn)arzt nicht berechtigt war, eine bestimmte Leistung mehrfach
anzusetzen.
3. Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die K(Z)ÄVen auf der Grundlage der Berichtigungsvorschriften
in den Bundesmantelverträgen sachlich fehlerhafte Honorarbescheide ohne Bindung an die Voraussetzung des § 45 SGB X zurücknehmen können.
4. Honorarbescheide werden im Rahmen der sachlich-rechnerischen Überprüfung erst in vollem Umfang verbindlich, wenn die bescheidmäßig
festgestellten Honorarforderungen umfassend auf sachlich-rechnerische Richtigstellungen überprüft worden sind und/oder wegen
des Ablaufs der gesetzlichen, bundesmantelvertraglichen oder gesamtvertraglichen Fristen nicht mehr überprüft werden dürfen.
5. Bis zum Ablauf dieser Fristen ergehen die Honorarbescheide unter dem selbstverständlichen, nicht näher zu präzisierenden
Vorbehalt der Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung.
Gründe:
I
Zwischen den in einer Gemeinschaftspraxis tätigen, zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Klägern und der beklagten
Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, in den Abrechnungen der Kläger für die
Quartale I bis III/1997 die Mehrfachabrechnung von Leistungen nach Nr 54b und Nr 54c des Bewertungsmaßstabs für vertragszahnärztliche
Leistungen (Bema-Z - in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung) für Wurzelspitzenresektionen im Seitenzahnbereich,
bei Behandlung mehrerer Wurzeln eines Zahnes zu berichtigen.
Die Beklagte nahm unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 13. Mai 1998 - B 6 KA 34/97 R - (SozR 3-5555 § 10 Nr 1) auf Antrag von Krankenkassen entsprechende Honorarberichtigungen vor und korrigierte die Mehrfachberechnung
der Leistungen nach Nr 54b und Nr 54c Bema-Z. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Mit ihrer Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 11. August 2004 machen die Kläger die grundsätzliche
Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen geltend (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
II
Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
1 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn eine konkrete, in klarer Formulierung bezeichnete Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde
angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus
von Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Kläger halten für klärungsbedürftig, ob der allgemeine Vertrauensschutz zum Tragen kommt, wenn der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Bayerns (KZVB) eine gerichtliche Überprüfung einer einzelnen Leistungslegende bekannt ist und dies den Zahnärzten
weder bekannt gegeben wird noch der Honorarbescheid einen entsprechenden Hinweis auf die mögliche Änderung enthält, und ob
der allgemeine Vertrauensschutz zum Tragen kommt, wenn die KZVB in ihren Abrechnungsunterlagen allgemein und amtlich verlautbaren
lässt, dass Wurzelspitzenresektionen mehrfach abrechenbar sind, obwohl der KZVB bereits vorher das Urteil des Bundessozialgerichts
(BSG) bekannt war, wonach die Wurzelspitzenresektion auch bei mehrwurzeligen Zähnen nur einmal je Zahn und Sitzung abrechenbar
ist. In dieser Formulierung sind die aufgeworfenen Rechtsfragen ersichtlich auf einen Einzelfall zugeschnitten. Im Übrigen
fehlt ihnen die Klärungsbedürftigkeit, weil ihre Beantwortung auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung des BSG ohne weiteres möglich ist, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte (zum Fehlen der Klärungsbedürftigkeit
in einer solchen Konstellation BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34).
In der Rechtsprechung des BSG ist sowohl für den ärztlichen wie für den zahnärztlichen Bereich geklärt, dass die Vorschriften über die sachlich-rechnerischen
Berichtigungen in den Bundesmantelverträgen die KÄVen bzw KZÄVen berechtigen, die Honorarforderungen der Vertrags(zahn)ärzte
bei sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit nachträglich zu berichtigen. Sachlich-rechnerische Richtigstellungen können insbesondere
erfolgen, wenn sich nachträglich - ggf nach gerichtlicher Klärung einer Auslegungsfrage - herausstellt, dass ein Vertrags(zahn)arzt
nicht berechtigt war, eine bestimmte Leistung mehrfach anzusetzen (vgl ua BSGE 89, 90, 94 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6). Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die K(Z)ÄVen auf der Grundlage
der Berichtigungsvorschriften in den Bundesmantelverträgen sachlich fehlerhafte Honorarbescheide ohne Bindung an die Voraussetzung
des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zurücknehmen können. Honorarbescheide werden im Rahmen der sachlich-rechnerischen Überprüfung
erst in vollem Umfang verbindlich, wenn die bescheidmäßig festgestellten Honorarforderungen umfassend auf sachlich-rechnerische
Richtigstellungen überprüft worden sind und/oder wegen des Ablaufs der gesetzlichen, bundesmantelvertraglichen oder gesamtvertraglichen
Fristen nicht mehr überprüft werden dürfen. Bis zum Ablauf dieser Fristen ergehen die Honorarbescheide unter dem selbstverständlichen,
nicht näher zu präzisierenden Vorbehalt der Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung. Hat eine K(Z)ÄV
jedoch eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durchgeführt und diese auf Rechtsbehelfe des Vertragsarztes hin ohne jegliche
Einschränkung rückgängig gemacht, so ist ihre Berechtigung zur (nochmaligen) Richtigstellung desselben Abrechnungsgegenstandes
entfallen, denn die für die Berichtigungsbefugnis notwendige, zunächst bestehende Vorläufigkeit des ursprünglichen Honorarbescheides
wird durch die Abhilfebescheide jedenfalls im Verhältnis zur K(Z)ÄV aufgehoben (BSGE 89, 90, 98 ff = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 11 ff). Eine derartige sachlich-rechnerische Berichtigung hat hier vor Erlass der streitbefangenen
Berichtigungsbescheide nicht stattgefunden.
Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, sondern liegt auf der Hand, dass pauschale Abrechnungshinweise der Beklagten
in den allgemeinen Informationen für ihre Mitglieder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht einem einzelfallbezogenen
Abhilfebescheid einer K(Z)ÄV gleichstehen. Die Beklagte hat hier in Übereinstimmung mit zahlreichen anderen KZÄVen in der
Bundesrepublik Deutschland über Jahre hinweg den Standpunkt vertreten, bei Spitzenresektionen eines mehrwurzeligen Zahnes
seien die Leistungspositionen der Nr 54b bzw 54c Bema-Z mehrfach ansatzfähig. Diesen Standpunkt hat sie erst aufgegeben, als
auf die Klage einer Ersatzkasse gegen die KZÄV Schleswig-Holstein vom Senat mit Urteil vom 13. Mai 1998 festgestellt worden
ist, dass die Nr 54b Bema-Z in diesem Fall nur einmal berechnet werden kann (BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1; seit der Neufassung des BEMA-Z zum 1. Januar 2004 ist für die Resektion einer zusätzlichen Wurzelspitze die Nr 54c
berechnungsfähig). Nach dem Bekanntwerden dieses Urteils im Spätsommer 1998 hat die Beklagte die betroffenen Zahnärzte individuell
darüber informiert, dass sie auf Antrag von Krankenkassen verpflichtet ist, entsprechende Korrekturen der Honorarbescheide
vorzunehmen. Daran ist sie nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gehindert. Allgemeine Abrechnungshinweise
geben allenfalls die Rechtsauffassung der jeweiligen KZÄV hinsichtlich einer bestimmten Abrechnungsfrage zu einem bestimmten
Zeitpunkt wieder und binden die an der vertragszahnärztlichen Versorgung beteiligten Kostenträger von vornherein nicht. Eine
KZÄV, die zunächst in Übereinstimmung mit den Interessen ihrer Mitglieder eine Mehrfachabrechnung für richtig hält, kann nicht
an der Durchführung von Honorarberichtigungen auf Antrag von Krankenkassen gehindert sein, wenn sich deren Standpunkt in einem
Revisionsverfahren als zutreffend erwiesen hat und die Krankenkassen nunmehr im Rahmen der bundesmantelvertraglichen Fristen
auf der Durchsetzung dieses Rechtsstandpunktes durch Vornahme von Honorarberichtigungen gegenüber den Zahnärzten bestehen
können.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 und 4 und des §
194 Satz 2
SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).