Wirtschaftlichkeitsprüfung im vertragszahnärztlichen Bereich der Oralchirurgie
Gründe:
I
Umstritten ist eine Honorarkürzung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Der Kläger ist zur vertragszahnärztlichen Versorgung in D zugelassen und führt die Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie".
Sein Gesamtfallwert überschritt im streitbefangenen Quartal IV/1999 denjenigen der Vergleichsgruppe, die aus allgemeinzahnärztlich
tätigen Zahnärzten im Bereich der zu 8. beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) bestand, um 53,75 %. Auf die
Prüfanträge der zu 1., 2., 3., 6. und 7. beigeladenen Krankenkassen bzw Kassenverbände kürzte der Prüfungsausschuss das Honorar
des Klägers um 3.004 Punkte. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers zurück. Er kürzte dessen Honorarforderung
bei den Positionen 40 und 49 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z), wandelte die Ansätze
der Nr 50 insgesamt in solche der um 26 Punkte niedriger bewerteten Nr 49 Bema-Z und die Hälfte der Ansätze der Nr Ä 164 in
die der um 24 Punkte niedriger bewerteten Nr. Ä 161 Bema-Z um. Wegen des Verbotes der reformatio in peius beließ es der Beklagte
bei dem Umfang der vom Prüfungsausschuss festgesetzten Kürzung. Er stellte Überschreitungen des Vergleichsgruppendurchschnitts
um Werte von 190 % (Nr 40 Bema-Z) und 620 % (Nr 49 Bema-Z) fest und beließ dem Kläger bei diesen Leistungen einen Mehraufwand
in Höhe von 100 % gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt (Bescheid vom 16. September 2002).
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der
Beklagte habe die Abrechnungswerte des Klägers mit denjenigen einer unzutreffend gewählten Bezugsgruppe verglichen. Da der
Kläger berechtigt sei, die Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" zu führen, hätte der Beklagte eine verfeinerte Vergleichsgruppe
aus solchen Zahnärzten bilden müssen, die ebenfalls diese Gebietsbezeichnung führen dürften. Der Vergleich mit der aus allgemeinzahnärztlich
tätigen Leistungserbringern bestehenden Gruppe sei falsch, weil er den Besonderheiten der Praxisausrichtung oralchirurgisch
tätiger Zahnärzte nicht hinreichend Rechnung trage (Urteil vom 26. Februar 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung
des Beklagten aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zurückgewiesen (Urteil vom 13. Oktober 2004).
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, die Auffassung des Berufungsgerichts, für die Wirtschaftlichkeitsprüfung von
Oralchirurgen müsse eine verfeinerte, nur aus Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" bestehende Vergleichsgruppe
gebildet werden, verletze Bundesrecht. Zahnärzte, die die Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" führten, müssten sich nach dem
zahnärztlichen Weiterbildungsrecht nicht darauf beschränken, im Wesentlichen oralchirurgische Behandlungen durchzuführen.
Sie könnten vielmehr im Rahmen des Zulassungsverfahrens erklären, ob sie sich auf oralchirurgische Tätigkeiten konzentrieren
oder trotz Führung der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" auch allgemeinzahnärztlich tätig sein wollten. Diejenigen Zahnärzte,
die ausschließlich oralchirurgische Leistungen erbrächten, würden im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung wegen des vergleichbaren
Behandlungsspektrums mit den Ärzten für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie verglichen, soweit diese auch zahnärztlich tätig
seien. Die übrigen Zahnärzte mit Berechtigung zur Führung der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" seien in mehr oder weniger
großem Umfang allgemeinzahnärztlich tätig und dazu berufs- und vertragszahnarztrechtlich auch verpflichtet. Die Bildung einer
aus diesen Ärzten bestehenden Vergleichsgruppe sei nicht sinnvoll, weil der Anteil oralchirurgischer Leistungen in den einzelnen
Praxen sehr unterschiedlich sei.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Oktober 2004 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. Februar
2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Revision für unzulässig, weil sie nicht in der nach §
164 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gebotenen Form begründet worden sei. Der Beklagte habe im Wesentlichen Tatsachen aus dem Prüfverfahren eingebracht, was
im Hinblick auf die durch §
163 SGG angeordnete Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts unerheblich sei. In der
Sache sei die Auffassung des LSG, Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" müssten zu einer einheitlichen Vergleichsgruppe
zusammengefasst werden, richtig.
Der Beigeladene zu 2. hält die Auffassung des Beklagten für zutreffend. Die zu 8. beigeladene KZÄV schließt sich dem Antrag
und der Auffassung des Beklagten an.
Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
II
Die Revision des Beklagten hat iS der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG) Erfolg.
Die Revision ist zulässig; insbesondere genügt ihre Begründung den aus §
164 Abs
2 Satz 3 iVm §
162 SGG abzuleitenden Begründungsanforderungen. Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe mit seiner Forderung nach Bildung einer
verfeinerten Vergleichsgruppe, bestehend nur aus Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie", die Grundsätze der
vertragszahnärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht hinreichend beachtet. Da diese Grundsätze auf der Grundlage des §
368n
Reichsversicherungsordnung (in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung) und des §
106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) insbesondere von der Rechtsprechung entwickelt wurden und Bestandteil des Bundesrechts sind (vgl BSGE 77, 53, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 191), genügt die substantiierte Rüge einer Verletzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung
maßgeblichen Grundsätze den Anforderungen an eine Revisionsbegründung. Dass der Beklagte nicht ausdrücklich §
106 SGB V als verletzt gerügt hat, ist demgegenüber wegen der in erster Linie richterrechtlich geprägten Grundsätze der Wirtschaftlichkeitsprüfung
unschädlich. Soweit die fehlerhafte Anwendung ungeschriebenen Rechts oder richterrechtlich entwickelter Grundsätze gerügt
wird, müssen die dem zu Grunde liegenden Vorschriften in der Revisionsbegründung nicht ausdrücklich angeführt werden. Es reicht
aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen
Entscheidung rechtlich auseinander gesetzt hat (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2). Diesen Anforderungen trägt die Revisionsbegründung
noch hinreichend Rechnung.
Die Revision ist auch begründet. Das LSG hat den Bescheid des Beklagten allein deshalb aufgehoben, weil dieser den im Rahmen
der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten notwendigen Vergleich der Abrechnungswerte des Klägers mit denjenigen
anderer Zahnärzte auf eine ungeeignete Vergleichsgruppe bezogen habe. Diese Auffassung trifft nicht zu. Ob der angefochtene
Bescheid im Übrigen rechtmäßig ist, hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft.
Das wird es nach Zurückverweisung des Rechtsstreits nachzuholen haben.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist §
106 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher
und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode (stRspr, zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 4 RdNr 5
sowie Urteile vom 27. April 2005 - B 6 KA 39/04 R - und B 6 KA 1/04 R, jeweils zur Veröffentlichung in BSGE und/oder SozR vorgesehen). Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen der
Fachgruppe oder mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe im selben Quartal verglichen.
Ergänzt durch die sog intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist
dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand
des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zu dem
durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, ihn nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht
mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines
Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (stRspr, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 4 RdNr 5). Diese überwiegend für den ärztlichen
Bereich entwickelten Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für zahnärztliche Leistungen (vgl §
72 Abs
1 Satz 2
SGB V).
Der Beklagte hat die vom Kläger erbrachten zahnärztlichen Leistungen nach der Methode einer Prüfung nach Durchschnittswerten
untersucht und bestimmte Gruppen allgemeinzahnärztlich tätiger Zahnärzte im Bezirk der zu 8. beigeladenen KZÄV als Vergleichsgruppe
herangezogen. Das LSG ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass der Beklagte die Abrechnungswerte
des Klägers mit der für ihn günstigsten Vergleichsgruppe, bestehend aus allgemeinzahnärztlich tätigen Zahnärzten im Bereich
der zu 8. beigeladenen KZÄV, verglichen hat. Das ist auch für das Revisionsverfahren zu Grunde zu legen.
Auf der Grundlage des Vergleichs mit der für den Kläger günstigsten Gruppe allgemeinzahnärztlich tätiger Zahnärzte hat der
Beklagte ermittelt, dass die Honorarforderung des Klägers im streitbefangenen Quartal den Durchschnitt der Vergleichsgruppe
beim Gesamtfallwert um 53,75 % überschritten hat. Bei wichtigen Einzelleistungen haben sich Überschreitungen zwischen 190
% und 620 % gegenüber den entsprechenden Abrechnungswerten der Vergleichsgruppe ergeben. Im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums
hat der Beklagte derartige Überschreitungen dem Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet. Das stellt das
Berufungsgericht nicht in Frage. Es hält den statistischen Vergleich aber insgesamt nicht für aussagekräftig, weil der Kläger
trotz des Führens der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" mit einer Gruppe allgemeinzahnärztlich tätiger Leistungserbringer
verglichen worden ist. Im Hinblick auf die spezielle oralchirurgische Qualifikation des Klägers habe der Beklagte eine verfeinerte
Vergleichsgruppe, bestehend nur aus Zahnärzten mit der Zusatzbezeichnung "Oralchirurgie", bilden müssen. Diese Rechtsauffassung
trifft nicht zu.
Die Bildung geeigneter Vergleichsgruppen als Grundlage eines Vergleichs nach Durchschnittswerten ist, soweit - wie hier -
keine normativen Vorgaben der maßgeblichen Prüfvereinbarung zu beachten sind, Sache der Prüfgremien (zu den Kriterien für
die Wahl der Vergleichsgruppe s zuletzt Senatsurteil vom 27. April 2005 - B 6 KA 39/04 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Sofern atypische Praxisumstände des zu prüfenden Zahnarztes vorliegen oder geltend
gemacht werden, steht den Prüfgremien ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Beurteilung zu, ab welchem Ausmaß atypischer
Praxisumstände sie eine engere Vergleichsgruppe bilden oder Praxisbesonderheiten annehmen und sachgerecht quantifizieren (vgl
BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323; Beschluss vom 11. Dezember 2002 - B 6 KA 21/02 B -, nicht veröffentlicht). Die Entscheidung der Prüfgremien für die Heranziehung einer bestimmten Vergleichsgruppe ist nur
dann rechtswidrig, wenn die maßgebenden Leistungsbedingungen des zu prüfenden (Zahn-)Arztes und der gewählten Gruppe so verschieden
sind, dass von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Leistung
oder eines Leistungskomplexes zu erwarten sind (BSG, Urteil vom 27. April 2005 - B 6 KA 39/04 R - sowie SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 203).
Der Senat hat es bisher bei der Gruppe der Zahnärzte wegen ihrer hohen Homogenität und der Herausnahme eines großen Teils
der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung im Regelfall nicht als erforderlich angesehen,
für die Prüfung nach Durchschnittswerten Untergruppen mit bestimmten Behandlungsschwerpunkten zu bilden (BSGE 62, 24, 28 f = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 160; SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f). Lediglich für die sowohl zur vertragszahnärztlichen
als auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen (MKG-Chirurgen) ist die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe als Grundlage der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen
Leistungen für zumindest sachgerecht gehalten worden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 299). Diese Ausnahme müssen die Prüfgremien
nicht generell auch auf solche Zahnärzte erstrecken, die ausschließlich als Vertragszahnärzte zugelassen sind und die Gebietsbezeichnung
"Oralchirurgie" führen. Das gilt jedenfalls, worüber hier allein zu entscheiden ist, für den Fall, dass Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung
Einzelleistungen sind, die typischerweise von allen Zahnärzten erbracht werden. Deshalb war der Beklagte nicht gehalten, die
Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers bei den von der Honorarkürzung betroffenen Leistungen nach Nr 40 Bema-Z
(Infiltrationsanästhesie) und Nr 49 Bema-Z (Exzision von Schleimhaut) nur mit solchen Zahnärzten zu vergleichen, die - wie
der Kläger - die Zusatzbezeichnung "Oralchirurgie" führen.
In der Rechtsprechung des Senats ist seit dem Urteil vom 11. Dezember 2002 (SozR 3-2500 § 106 Nr 57) geklärt, dass die Prüfgremien
nicht allein deshalb zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe verpflichtet sind, weil ein Arzt eine Zusatzbezeichnung führt.
Im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung ist die Bildung engerer Vergleichsgruppen nur dann erforderlich,
wenn sich die Behandlungsausrichtung und Behandlungsmethoden einer bestimmten Gruppe von Ärzten so nachhaltig von derjenigen
anderer Ärzte unterscheiden, dass die Vergleichbarkeit der ersten Gruppe mit den Praxen der anderen Gruppe hinsichtlich der
Zusammensetzung des Patientenklientels und damit der behandelten Gesundheitsstörungen nur noch eingeschränkt gegeben ist.
Für den ärztlichen Bereich hat der Senat im genannten Urteil zwischen Facharzt- bzw Gebietsbezeichnungen und "Zusatzbezeichnungen"
unterschieden. Ärzte, die eine Gebietsbezeichnung führen und nach dem maßgeblichen ärztlichen Weiterbildungsrecht nur in diesem
Gebiet tätig werden dürfen, können grundsätzlich nur mit Ärzten verglichen werden, für die dasselbe zutrifft. Eine vergleichbare
Unterscheidungswirkung innerhalb der ärztlichen Tätigkeit kommt den "Zusatzbezeichnungen" nicht zu. Von der Berechtigung zur
Führung einer Zusatzbezeichnung, die dem Arzt ermöglicht, auf eine bestimmte zusätzliche Qualifikation auch öffentlich hinzuweisen,
kann nicht auf die tatsächliche Ausrichtung seiner Behandlungsweise geschlossen werden. Da der Arzt berufsrechtlich nicht
verpflichtet ist, schwerpunktmäßig oder auch nur überhaupt in dem Bereich tätig zu werden, auf den seine Zusatzbezeichnung
hinweist, kann die Berechtigung zur Führung einer Zusatzbezeichnung die Prüfgremien nicht zwingen, den Vergleich der Abrechnungswerte
des betroffenen Arztes von vornherein nur auf solche Ärzte zu beziehen, die auch die entsprechende Zusatzbezeichnung führen
(BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 321). Soweit zwischen der Berechtigung zur Führung einer Zusatzbezeichnung und der tatsächlichen
Behandlungsausrichtung kein kausaler Zusammenhang besteht, ist die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe nicht nur nicht
geboten, sondern wäre sogar geeignet, die Aussagekraft eines statistischen Vergleichs in Frage zu stellen. Ärzte, die eine
bestimmte Zusatzbezeichnung führen, würden dann ausschließlich miteinander verglichen, obwohl nicht gewährleistet wäre, dass
alle Ärzte dieser Vergleichsgruppe die entsprechenden Leistungen, auf die die Zusatzbezeichnung hinweist, überhaupt auch nur
in einem Behandlungsfall abgerechnet haben. Im gleichen Sinne hat der Senat für die zahnärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung
entschieden, dass die zahnärztlich tätigen MKG-Chirurgen eine hinreichend homogene Vergleichsgruppe bilden und ein Anspruch auf Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe
allein aus MKG-Chirurgen, die die Zusatzbezeichnung "plastische Operationen" führen, nicht besteht (SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 299 f).
Für die vertragszahnärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung entspricht die Führung der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" im
Bereich der beigeladenen KZÄV hinsichtlich ihrer normativen Wirkungen derjenigen einer Zusatzbezeichnung im ärztlichen Bereich.
Nach § 41 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2000 (GV NRW S 403, HeilBerG NRW) darf ein Leistungserbringer, der
eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem Gebiet tätig werden; wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, muss auch
in den Teilgebieten tätig werden, deren Bezeichnungen er führt. Diese Regelung gilt nach § 51 Abs 1 Satz 3 HeilBerG NRW für
Zahnärzte nicht. § 51 Abs 1 HeilBerG NRW regelt darüber hinaus, dass im zahnärztlichen Bereich nur Gebiete und keine Teilgebiete
Gegenstand der zahnärztlichen Weiterbildung sind. In Ausführung der Ermächtigung des § 36 Abs 8 des HeilBerG NRW hat die Zahnärztekammer Nordrhein in ihrer Weiterbildungsordnung (WBO) bestimmt, dass sich Zahnärzte in den Gebieten "Kieferorthopädie", "Oralchirurgie" und "Öffentliches Gesundheitswesen" weiterbilden
und entsprechende Gebietsbezeichnungen (Kieferorthopäde, Oralchirurg, Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen) erwerben
können (§ 1 Abs 1 iVm §§ 8, 10 und 16 WBO). Eine Verpflichtung eines Zahnarztes mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie", schwerpunktmäßig oder überhaupt abweichend
von der allgemeinzahnärztlichen Tätigkeit oralchirurgisch tätig zu werden, besteht nicht (ebenso die Vorgaben der Muster-Weiterbildungsordnung
der Bundeszahnärztekammer in § 14 - Zahnärztliche Chirurgie).
Die genannten Vorschriften des HeilBerG NRW und der WBO der Zahnärztekammer Nordrhein kann der Senat selbstständig auslegen und anwenden, obwohl sie weder Bundesrecht noch sonstiges
Recht iS des §
162 SGG darstellen. Zur selbstständigen Auslegung nicht revisibler Vorschriften ist das Revisionsgericht berechtigt, soweit das Berufungsgericht
sie in den Gründen des angefochtenen Urteils unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 77, 53, 59 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 190; SozR 3-5520 § 31 Nr 8 S 30). Diese Kompetenz hat das Revisionsgericht auch dann, wenn
das LSG von nicht revisiblen Rechtssätzen ausgeht, diese aber in den Entscheidungsgründen nicht explizit nennt, und sie reicht
jedenfalls soweit, wie das Revisionsgericht aus diesen Vorschriften keine Rechtsfolgen ableitet, die zu den vom Berufungsgericht
entwickelten Rechtsaussagen in Widerspruch stehen. Diese Voraussetzungen für eine revisionsgerichtliche Auslegung landesrechtlicher
Normen sind hier erfüllt, weil das LSG die einschlägigen Normen des HeilBerG und der WBO nicht angesprochen hat, und seine Aussagen zur (nicht bestehenden) Verpflichtung von Zahnärzten mit Berechtigung zur Führung
einer Gebietsbezeichnung zur Beschränkung auf das jeweilige Gebiet vom Senat geteilt werden.
Nach allem müssen Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" sich im Bereich der zu 8. beigeladenen KZÄV nicht auf
oralchirurgische Behandlungen beschränken und sind nicht einmal verpflichtet, solche Behandlungen anzubieten, sondern können
ausschließlich oder in großem Umfang allgemeinzahnärztlich tätig sein. Dem entsprechen auch die tatsächlichen Verhältnisse.
Die Beigeladene zu 8. hat in Ergänzung der Berufungsbegründung des Beklagten im Berufungsverfahren bezogen auf das Jahr 1999
dargestellt, dass in ihrem Bereich 117 Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" zugelassen waren. Acht dieser
Zahnärzte hatten - wohl auf der Grundlage des § 24 Abs 3 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte - erklärt, von vornherein
nur auf dem Gebiet der Oralchirurgie tätig werden zu wollen. Die übrigen 109 Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie"
haben eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben und sind dementsprechend rechtlich in ihrem Tätigkeitsumfang nicht beschränkt.
Die Beigeladene zu 8. hat weiterhin mitgeteilt, dass der Anteil spezifisch chirurgischer Leistungen an den insgesamt im Bereich
konservierend-chirurgischer Behandlung abgerechneten Leistungen in der Gruppe der allgemeinzahnärztlich tätigen Zahnärzte
mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" schwankt, und dass diese Zahnärzte vielfach - wie auch der Kläger - mehr oder weniger
häufig Leistungen im Bereich der Parodontosebehandlung und der Zahnprothetik erbringen und abrechnen. Dieser Zusammenhang
ist vom Berufungsgericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2004 gemacht worden (§
128 SGG), wie sich aus der protokollierten Erklärung des Vorsitzenden des Beklagten in Erläuterung des Schriftsatzes der Beigeladenen
zu 8. vom 30. September 2004 ergibt. Danach handele es sich bei der geringen Zahl von ausschließlich oralchirurgisch tätigen
Zahnärzten um solche, die nur auf Zuweisung von anderen Zahnärzten in Anspruch genommen würden; berufsrechtlich oder abrechnungstechnisch
sei selbst diese Gruppe nicht auf das Angebot chirurgischer oder oralchirurgischer Leistungen beschränkt. Diesen bereits zum
Gegenstand des Berufungsverfahrens gemachten Sachverhalt hat der Beklagte in seiner Revisionsbegründung aufgegriffen und vertieft.
Daraus kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht geschlossen werden, es liege insoweit neuer Sachvortrag vor, der für
die Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß §
163 SGG unbeachtlich sei.
Aus dem Umstand, dass Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" sich tatsächlich nicht auf oralchirurgische Leistungen
beschränken und dazu auch berufs- oder vertragszahnarztrechtlich nicht verpflichtet sind, und dass weiterhin der Anteil spezifisch
oralchirurgischer Leistungen an den von dieser besonderen Zahnarztgruppe insgesamt in der Sparte der konservierenden und chirurgischen
Behandlung erbrachten Leistungen sehr unterschiedlich ist, hat der Beklagte den Schluss gezogen, auf die Bildung einer verfeinerten
Vergleichsgruppe von Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" zu verzichten. Das ist nicht zu beanstanden. Da
Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" auch mehr oder weniger umfangreich zahnkonservierende Behandlungen durchführen,
Parodontosebehandlungen abrechnen und auch Leistungen im Bereich Zahnersatz erbringen, sind die Prüfgremien nicht gehalten,
eine engere Vergleichsgruppe bestehend nur aus den Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" zu bilden. Eine solche
verfeinerte Vergleichsgruppe wäre inhomogen, weil sie Zahnärzte erfassen würde, die schwerpunktmäßig oralchirurgisch tätig
sind, und solche, die sich in ihrem Abrechnungs- und Behandlungsverhalten von der Mehrzahl der allgemeinzahnärztlich tätigen
Zahnärzte nicht unterscheiden. Zahnärzte ohne Berechtigung zur Führung der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie" dürfen auch
zahnchirurgische Leistungen erbringen. Aus diesem Grund lässt die Berechtigung zur Führung der Gebietsbezeichnung "Oralchirurgie"
für diejenigen Zahnärzte, die sich nicht von vornherein auf eine chirurgische Überweisungspraxis beschränken, keinen Rückschluss
auf das tatsächliche Behandlungsspektrum zu. Das sieht das LSG im Ausgangspunkt nicht anders. Es verpflichtet nämlich den
Beklagten in einem ersten Schritt zur Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe aus den Zahnärzten, die die Gebietsbezeichnung
"Oralchirurgie" führen. Dann soll der Beklagte in einem zweiten Schritt prüfen, ob der Kläger nach dem Leistungsspektrum seiner
Praxis überhaupt dieser verfeinerten Vergleichsgruppe oder doch eher der Gruppe der allgemeinzahnärztlich tätigen Zahnärzte
zuzuordnen ist. Das läuft auf die Forderung nach gleichsam probeweiser Bildung einer engeren Vergleichsgruppe hinaus, ohne
dass überhaupt feststeht, ob die darin erfassten Leistungserbringer generell oder speziell der zu prüfende Zahnarzt nach ihrer
bzw seiner Praxisstruktur dieser Gruppe zuzuordnen wären. Diese die Wirtschaftlichkeitsprüfung erheblich erschwerende Vorgabe
hat keine bundesrechtliche Rechtsgrundlage.
Es ist danach rechtmäßig, dass der Beklagte keine Gruppe der Oralchirurgen gebildet, sondern zunächst die Abrechnungswerte
des Klägers im Bereich der konservierend-chirurgischen Behandlung statistisch mit den Abrechnungswerten der allgemeinzahnärztlich
tätigen Zahnärzte der für ihn jeweils günstigsten Untergruppe verglichen und anschließend untersucht hat, ob sich die Auffälligkeiten,
insbesondere die signifikanten Überschreitungen der durchschnittlichen Ansatzwerte einzelner Leistungspositionen, auf eine
verstärkt chirurgische Ausrichtung der Praxis des Klägers zurückführen lassen. Damit hat sich der Beklagte in der Begründung
seines Bescheides vom 16. September 2002 auseinander gesetzt. Er hat zunächst dargelegt, welche Positionen des Bema-Z für
eine chirurgische Praxisausrichtung kennzeichnend sind, und hat auf dieser Grundlage einen Anteil spezifisch chirurgischer
Fälle in der Praxis des Klägers von 11,85 % ermittelt. Der Beklagte ist weiterhin zu der Auffassung gelangt, dass die Überschreitungen
des Klägers bei den Leistungen nach Nr 40 und 49 Bema-Z nicht auf die chirurgische Behandlungsausrichtung zurückzuführen
sind, sondern Leistungspositionen betreffen, die von der großen Mehrzahl (auch) der allgemeinzahnärztlich tätigen Zahnärzte
erbracht werden, und im Übrigen auf schwer nachvollziehbare Behandlungsmethoden bzw auf die Nichtbeachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes
zurückzuführen sind. Ob sich diese Einschätzungen im Rahmen des dem Beklagten zukommenden Beurteilungsspielraums halten, haben
SG und Berufungsgericht - von ihrem Rechtsstandpunkt einer fehlerhaften Vergleichsgruppenzuordnung aus folgerichtig - nicht
untersucht. Das kann das Revisionsgericht nicht nachholen, weshalb der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.