Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe, Absetzung von Privatversicherungsbeiträgen bei der Einkommensanrechnung
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 18. Januar 2002 bis 17. Januar 2003. In einem vor dem
Landessozialgericht (LSG) abgeschlossenen Teilvergleich haben die Beteiligten den Gegenstand des Verfahrens auf den am 18.
Januar 2002 beginnenden Bewilligungsabschnitt beschränkt.
Der am 24. August 1943 geborene, seit August 2001 verheiratete (Ehefrau geboren am 4. Dezember 1946) Kläger bezog bis 17.
Januar 2001 Arbeitslosengeld und ab 18. Januar 2002 für den Bewilligungszeitraum bis 17. Januar 2003 Alhi ohne Berücksichtigung
von Einkommen und Vermögen. Seit seiner Heirat war auf seiner Steuerkarte die Steuerklasse IV eingetragen. Im Jahre 2002 sind
folgende monatliche Versicherungsbeiträge seiner Ehefrau angefallen: 15,26 _ für eine Kfz-Haftpflichtversicherung, 28,02 _
für die Kfz-Vollkaskoversicherung eines 2 1/2 Jahre alten Pkw, 17,01 _ für eine Hausratversicherung, 18,92 _ für eine Rechtsschutzversicherung
und 96,46 _ für zwei Lebensversicherungen in Höhe von zusammen etwa 65.000,00 DM, fällig im Jahre 2016 bzw 2031 (insgesamt
175,76 _).
Ab 18. Januar 2002 bewilligte die Beklagte für ein Jahr Alhi in Höhe von wöchentlich 55,58 _ (Bescheid vom 12. Februar 2002;
Widerspruchsbescheid vom 9. April 2002). Dabei hat sie aus einem "durchschnittlichen monatlichen" Bruttoeinkommen der Ehefrau
in Höhe von 2.095,25 _ (abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge = 1.296,34 _ netto) einen Betrag in Höhe von 89,74
_ wöchentlich berücksichtigt (Freibetrag in Höhe der aus dem Einkommen der Ehefrau errechneten hypothetischen Alhi von 694,03
_ monatlich; Abzug des Pauschbetrags aus Erwerbsbezügen in Höhe von 150,73 _ monatlich; Abzug von Aufwendungen für den privaten
Versicherungsschutz in Höhe von 3 % des monatlichen Bruttoeinkommens der Ehefrau - 62,86 _ monatlich).
Das Sozialgericht (SG) hat den "Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2002 idF des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2002" teilweise aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 18. Januar 2002 Alhi "unter Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen i.V.m.
32,81 _ wöchentlich zu bewilligen" (Urteil vom 2. Mai 2003). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Abänderung "des Bescheids vom 13. Februar 2002 idF des Widerspruchsbescheids vom 29. April
2002" verurteilt, "dem Kläger ab 18. Januar 2002 Alhi zu gewähren und dabei beim anzurechnenden monatlichen Bruttoeinkommen
der Ehefrau weitere 37,37 _ an Versicherungsbeiträgen in Abzug zu bringen" (Urteil vom 28. Januar 2004). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG ausgeführt, § 3 Abs 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) 2002, der die Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen nur in Höhe von 3 % des Bruttoeinkommens der Ehefrau zulasse,
sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig und daher nicht anzuwenden. Die Vorschrift halte sich nicht im
Rahmen der Ermächtigung des § 206 Nr 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) . Es liege auch ein Verstoß gegen Art
3 Abs
1 Grundgesetz vor, weil die Grenzen zulässiger Pauschalierung überschritten seien. Bei geringem Einkommen sei es in der Regel nicht möglich,
die von der gesetzlichen Regelung erfassten Versicherungsbeiträge ausreichend abzusetzen. Der Verordnungsgeber habe zudem
einen falschen Maßstab gewählt; denn die Höhe der Beiträge für private Versicherungen orientiere sich nicht am Einkommen,
sondern am versicherten Risiko. Ausgehend von der verbleibenden gesetzlichen Regelung des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III seien vorliegend grundsätzlich alle geltend gemachten Versicherungen abzusetzen. Lediglich die Beiträge zu den kapitalbildenden
Lebensversicherungen könnten neben den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung nicht uneingeschränkt als angemessen angesehen
werden. Beiträge zu Lebensversicherungen seien nur in der Höhe angemessen, in der auch eine Förderung der so genannten Riesterrente
möglich sei, also für die Jahre 2002 und 2003 nur in Höhe von 1 % des Bruttoeinkommens, vorliegend mithin in Höhe von 20,95
_ monatlich.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 206 Nr 4
SGB III iVm § 3 Abs 2 AlhiV 2002. Sie ist der Ansicht, die in der Verordnung vorgenommene Pauschalierung sei Rechtens. Der Verordnungsgeber habe einen Gestaltungsspielraum,
den er auch im Sinne des Minimalprinzips nutzen könne. Die Höhe der Pauschale beruhe auf ihren (der Beklagten) praktischen
Erfahrungen sowie Erhebungen des Bundesrechnungshofes. Danach seien im Jahre 1998 1270 Alhi-Leistungsfälle überprüft worden.
Bei diesen seien durchschnittlich Versicherungsbeiträge in Höhe von 81,70 DM je Monat und Leistungsempfänger abgesetzt worden.
Dieser Betrag entspreche 2,9 % des durchschnittlichen monatlichen Bemessungsentgelts aller Alhi-Bezieher im Juni 1998 (monatlich
2.851,00 DM). Die Pauschalierung halte sich deshalb in den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Grenzen. Ein Verstoß gegen
den Gleichheitssatz liege nicht vor. Gegenüber den nichtsozialversicherungspflichtigen Personen, für die die 3 %-Grenze nicht
gelte, bestünden erhebliche Unterschiede, weil diese keine Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung absetzen könnten, sondern
entsprechende Risiken selbst privat absichern müssten. Die Anknüpfung an das Einkommen sei sachgerecht, weil sich danach der
Lebensstandard richte und Aufwendungen für Versicherungen nur abzusetzen seien, wenn sie im Zusammenhang mit der Erzielung
von Einkommen stünden. Die Lebensversicherung diene überdies lediglich der Kapitalbildung, die durch die Gewährung von Alhi
nicht gefördert werden müsse. Vielmehr sei Vermögen, soweit es die Freibeträge übersteige, vom Arbeitslosen und seinem Partner
zu verwerten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz >SGG<).
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der LSG-Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Zwar hat das LSG zu Recht entschieden, dass die in § 3 Abs 2 AlhiV 2002 enthaltene pauschale Regelung von 3 % für die vom Einkommen abzuziehenden Versicherungsbeiträge nicht ermächtigungs- und
verfassungskonform ist. Es fehlen jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen (§
163 SGG) für eine abschließende Entscheidung darüber, ob dem Kläger höhere Alhi als die ihm bewilligte zusteht.
Eine Entscheidung darüber im Sinne eines Grundurteils setzt zumindest eine überschlägige Überprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen
für die Gewährung von Alhi und der die Höhe der Alhi bestimmenden Faktoren voraus (vgl Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts,
2003, § 40 RdNr 11 mwN). Das LSG hat sich demgegenüber lediglich im Sinne einer Elementenfeststellung auf die Überprüfung
des § 3 Abs 2 AlhiV 2002 beschränkt. Es fehlen insbesondere Feststellungen über die Arbeitslosigkeit des Klägers (§ 190 Abs 1 Nr 1
SGB III iVm §§ 198 Satz 2 Nr 1,
119 SGB III) während des gesamten streitigen Zeitraums. Hinsichtlich der Höhe der gezahlten Alhi fehlen Feststellungen zum Bemessungsentgelt
(vgl § 200
SGB III) und zur endgültigen Beurteilung der Bedürftigkeit (§ 190 Abs 1 Nr 5
SGB III) im Hinblick auf eventuell bestehendes Vermögen (§ 193 Abs 2
SGB III). Nichts anderes gilt für die Frage der Bedürftigkeit im Zusammenhang mit Einkommen der Ehefrau des Klägers (§§ 193 Abs 1, 194
SGB III). Insoweit genügt es nicht, sich - wie geschehen - auf ein durchschnittliches monatliches Einkommen zu einigen; vielmehr
ist das tatsächliche Einkommen im gesamten streitigen Zeitraum für die jeweilige Leistungswoche zu ermitteln (vgl hierzu Spellbrink
in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts 2003, §
13 RdNr 170 ff mwN) oder unter den Voraussetzungen des §
329 SGB III zu schätzen. Wegen des Fehlens der genaueren Feststellungen zum Einkommen der Ehefrau ist außerdem der Freibetrag des § 194 Abs 1 Satz 2
SGB III nicht abschließend zu bestimmen. Schließlich fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen zu den vom Einkommen abzusetzenden
Versicherungsbeiträgen nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III (vgl auch § 434g Abs 4
SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) und § 3 Abs 2 AlhiV 2002 (vgl auch § 4 Abs 2 AlhiV); für den Teilzeitraum des Jahres 2003 liegen tatsächliche Feststellungen des LSG insoweit überhaupt nicht vor.
Im Streit ist der gesamte Bewilligungszeitraum vom 18. Januar 2002 bis 17. Januar 2003. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens
war damit nicht nur gemäß §
95 SGG der Bescheid vom 12. Februar 2002 (vom SG und LSG fälschlicherweise als Bescheid vom 13. Februar 2002 bezeichnet) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April
2002, sondern auch gemäß §
96 SGG ein wohl für die Zeit vom 1. Januar bis 17. Januar 2003 ergangener Folgebescheid über die Höhe der Alhi auf Grund der neuen
Leistungsentgeltverordnung für das Jahr 2003. Über einen solchen Bescheid hat das LSG indes nicht befunden, sodass er mangels
entsprechender Rüge nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist (vgl: Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts,
2003, § 40 RdNr 2a mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, VII RdNr 96 mwN). Das
LSG wird jedoch nach der Zurückverweisung der Sache in die entsprechende Überprüfung einzutreten haben (vgl nur: BSG SozR
3-4100 § 138 Nr 13 S 72; SozR 4-4300 § 144 Nr 4 RdNr 5).
Das LSG wird auch die Zulässigkeit der Klage, die im Revisionsverfahren von Amts wegen zu überprüfen ist, zu klären haben.
Die Klage könnte unzulässig sein, weil der Kläger nach Zugang des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2002 mit Schreiben vom
13. April 2002, 24. Mai 2002 und 11. Juli 2002 bei der Beklagten selbst um Überprüfung der Angelegenheit durch diese gebeten
hat. Erst nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 12. Juli 2002 mitgeteilt hatte, seine Schreiben hätten keine Anhaltspunkte
ergeben, die eine Überprüfung rechtfertigen würden, und um Mitteilung gebeten hatte, ob das Schreiben vom 13. April 2002 als
Klage gegen den Widerspruchsbescheid gewertet werden solle, hat der Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2002, eingegangen bei
der Beklagten am 22. Juli 2002, erklärt, in jedem Fall könne sein Widerspruchsschreiben als Klage angesehen werden. Dieses
Schreiben wurde sodann von der Beklagten an das SG weitergeleitet. Es ist zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des §
91 SGG vor dem letzten Schreiben des Klägers erfüllt waren; denn der Kläger hat in seinen Schreiben nicht deutlich gemacht, dass
er eine Überprüfung des ergangenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids durch das Gericht anstrebt, sondern
einen weiteren Bescheid der Beklagten begehrt, den diese dann mit ihrem Schreiben vom 12. Juli 2002 abgelehnt hat. Es würde
allerdings für die Zulässigkeit einer dann anzunehmenden Klage gegen diesen Ablehnungsbescheid vom 12. Juli 2002 am erforderlichen
Widerspruchsbescheid (§
78 SGG) fehlen. Zur Nachholung dieses Widerspruchsbescheids müsste die Sache an das LSG zurückverwiesen werden (BSG SozR 3-5540
Anl 1 § 10 Nr 1). Um eine Überraschungsentscheidung für die Beteiligten zu vermeiden und damit nicht gegen §
62 SGG zu verstoßen, sieht der Senat von einer abschließenden Entscheidung hierüber ab; die Sache muss ohnedies wegen fehlender
tatsächlicher Feststellungen (§
163 SGG) an das LSG zurückverwiesen werden.
Mangels entsprechender Rüge ist jedoch nicht zu beachten, dass das LSG mit seiner Entscheidung wohl gegen das Verbot der "reformatio
in peius" (Verböserungsverbot) - §
202 SGG iVm §
528 Zivilprozessordnung (
ZPO) - verstoßen hat (s dazu: BSG SozR 3-4100 §
103 Nr 3 S 14 f; SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 114) indem es die Beklagte, obwohl nur diese gegen die erstinstanzliche Entscheidung
ein Rechtsmittel eingelegt hatte, über die Entscheidung der Instanz hinaus verurteilt hat. Eine endgültige Entscheidung hierüber
bedürfte jedoch einer Auslegung der jeweiligen Entscheidungstenöre an Hand der Entscheidungsgründe (zur Auslegung eines Urteilstenors
BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1 S 2 f). Das LSG wird auch dies nach der Zurückverweisung der Sache zu beachten haben.
Das LSG hat sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III (idF, die § 194 durch das Gesetz zur Reform des Wohnungsbaus vom 13. September 2001 - BGBl I 2376 - erhalten hat; s auch § 434g Abs 4
SGB III idF des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 - BGBl I 4607), und mit § 3 Abs 2 AlhiV 2002 idF vom 13. Dezember 2001 sowie mit § 206 Nr 4
SGB III idF vom 24. März 1997 befasst. Insoweit ist die Entscheidung über höhere Alhi zunächst davon abhängig, ob überhaupt ein Anspruch
auf Alhi besteht (§ 190 Abs 1
SGB III). Danach ist ua Voraussetzung die Bedürftigkeit. Nach § 193 Abs 1
SGB III ist bedürftig, wenn nicht Vermögen nach § 193 Abs 2
SGB III zu berücksichtigen ist, ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet
oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nach § 194 Abs 2 Satz 1
SGB III sind Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen,
die von Dritten beansprucht werden können. Abzusetzen sind vom Bruttoeinkommen ua Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und
zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese
Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III). Nach § 206 Nr 4
SGB III wird das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen
durch Rechtsverordnung zu bestimmen, ob und welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen
sind. § 3 Abs 2 AlhiV 2002 bestimmt hierzu, dass als Pauschbetrag für die nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III vom Einkommen abzusetzenden Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die gesetzlich
vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, ein Betrag in Höhe von 3 % des Einkommens abzusetzen ist, wenn der
Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind, in den übrigen Fällen die
tatsächlichen Aufwendungen.
Durch am 9. Dezember 2004 verkündetes Urteil (B 7 AL 24/04 R) hat der Senat entschieden, dass § 3 Abs 2 AlhiV 2002 mit seiner 3 %-Pauschale nicht ermächtigungs- und verfassungskonform und deshalb nicht anzuwenden ist. Ob und inwieweit Versicherungsbeiträge
vom Einkommen der Ehefrau des Klägers abzuziehen sind, bestimmt sich deshalb allein nach § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III. Dies könnte sich dann ändern, wenn der Verordnungs- oder Gesetzgeber aus Anlass der Entscheidungen des Senats verfassungskonform
im Sinne einer echten Rückwirkung nachträglich § 3 Abs 2 AlhiV 2002 korrigiert.
An der Entscheidung über die fehlende Ermächtigungskonformität und die Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs 2 AlhiV 2002 ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass der Gesetzgeber Teile der AlhiV 2002 durch das 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung ab 1. Januar 2003 geändert hat. Dadurch hat
jedenfalls nicht die unverändert gebliebene Regelung des § 3 Abs 2 AlhiV 2002 Gesetzesrang erhalten; denn der Gesetzgeber hat nicht die gesamte AlhiV 2002 in seinen Willen aufgenommen (vgl zu dieser Voraussetzung nur BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 8 mwN). Darüber hinaus könnte
sich ein Gesetzesrang ohnedies erst mit Inkrafttreten der Verordnungsänderung durch den Gesetzgeber am 1. Januar 2003 ergeben
haben; außerdem hat der Gesetzgeber mit § 434g Abs 4
SGB III und § 4 Abs 2 AlhiV 2002 die Weitergeltung des alten Rechts für den laufenden Bewilligungsabschnitt angeordnet.
Ist aber die Regelung des § 3 Abs 2 AlhiV 2002 nicht ermächtigungs- und verfassungskonform, kann offen bleiben, wann - wie dies § 3 Abs 2 AlhiV 2002 vorsieht - sowohl der Arbeitslose als auch sein Ehepartner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig
sind. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob dies eine Versicherungspflicht in allen Sparten der Sozialversicherung voraussetzt.
Inwieweit die Voraussetzungen des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III zu bejahen sind, kann jedoch nicht abschließend entschieden werden. Welche Versicherungsbeiträge vom Einkommen der Ehefrau
für das Jahr 2003 abzusetzen sind, ist überhaupt nicht überprüfbar. Insoweit fehlen jegliche Feststellungen des LSG zu den
Beiträgen für das Jahr 2003. Die Beiträge für das Jahr 2002 können hierfür nicht herangezogen werden. Soweit es die Beiträge
für das Jahr 2002 betrifft, handelt es sich bei den geltend gemachten und vom LSG festgestellten Beiträgen jedenfalls um solche
zu öffentlichen und privaten Versicherungen. Zu unterscheiden ist zwischen gesetzlich vorgeschriebenen und nach Grund und
Höhe angemessenen Beiträgen.
Gesetzlich vorgeschrieben sind die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 1 Pflichtversicherungsgesetz. Diese Beiträge sind in der angefallenen Höhe von 15,26 _ pro Monat zu berücksichtigen. Dem kann nicht entgegengehalten werden,
dass der Kläger und seine Ehefrau auf das Auto verzichten könnten, sodass diese Beiträge nicht zwingend anfielen. Bei dem
Kfz der Ehefrau des Klägers handelt es sich um ein privilegiertes Vermögen iS des § 1 Abs 3 Nr 2 AlhiV 2002. Dem muss auch bei der Auslegung des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2
SGB III Rechnung getragen werden (Winkler, info also 2002, 59, 60). Es kann offen bleiben, ob auch Kfz-Haftpflichtbeiträge für mehrere Kfz abgesetzt werden dürften.
Alle sonstigen vom LSG festgestellten Versicherungsbeiträge sind gesetzlich nicht vorgeschrieben. Sie müssen deshalb nach
Grund und Höhe angemessen sein. Ob dies für alle geltend gemachten Beiträge zu bejahen ist, kann nicht endgültig entschieden
werden.
Die Angemessenheit bestimmt sich danach, ob die Beiträge wirtschaftlich sinnvoll sind (Henke in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 194 Rz 15, Stand Mai 2003; Brandts in Niesel,
SGB III, 2. Aufl 2002, § 194 RdNr 35). Dabei ist jedenfalls für die Angemessenheit der Beiträge dem Grunde nach davon auszugehen, dass dieses Kriterium
dann erfüllt ist, wenn entsprechende Versicherungen üblicherweise abgeschlossen werden (in diesem Sinne Spellbrink in Kasseler
Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, §
13 RdNr 126; Krauß in Praxiskommentar
SGB III Arbeitsförderung, 2. Aufl 2004, § 194 RdNr 52; Ebsen in Gagel,
SGB III, § 194 RdNr 56, Stand Juli 1999). Dabei geht der Senat aus Praktikabilitätsgründen von einer Üblichkeit aus, wenn in mehr als 50
% der Haushalte entsprechende Versicherungen abgeschlossen sind. Unerheblich ist insoweit, ob Versicherungsnehmer der Arbeitslose
selbst oder sein Ehegatte ist (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 4 S 23).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist vorliegend die für den Pkw der Ehefrau des Klägers abgeschlossene Vollkaskoversicherung
(28,02 _ monatlich) anzuerkennen. Sie ist jedenfalls bei einem 2 1/2 Jahre alten Auto wirtschaftlich sinnvoll. Dem Grunde
nach ist auch die Hausratversicherung wirtschaftlich sinnvoll; jedoch ist der Umfang der Versicherung im Einzelnen noch zu
prüfen. Ob andererseits die geltend gemachte Rechtsschutzversicherung dem Grunde und der Höhe nach anzuerkennen ist, ist zweifelhaft.
Dies wird das LSG zu überprüfen haben. Sieht man einmal von der Frage der Üblichkeit einer solchen Versicherung ab, ist näher
zu prüfen, welche Risiken durch die Rechtsschutzversicherung abgedeckt sind und inwieweit hierfür ein Bedürfnis besteht.
Dass Beiträge zu bestehenden Lebensversicherungen nicht von vornherein ausgeschlossen sind, hat das Bundessozialgericht bereits
zur gleich lautenden Vorschrift des bis 31. Dezember 1997 geltenden § 138 Abs 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz entschieden (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 4 S 23). Nach Sinn und Zweck der Regelung kann eine Angemessenheit dem Grunde nach jedoch nur bejaht werden, soweit der Wert
der Lebensversicherung höhenmäßig privilegiert ist. Denn es kann nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung sein, die Zahlung
von Beiträgen zu einer Lebensversicherung zu unterstützen, die ihrerseits nicht mehr privilegiert wäre, wenn sie verwertbar
oder ihre Verwertung nicht offensichtlich unwirtschaftlich wäre. Dieser Grenzwert dürfte nach Aktenlage eingehalten sein.
Allerdings besteht Veranlassung für eine genauere Prüfung der Angemessenheit im Sinne einer wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit
sowohl hinsichtlich Grund als auch Höhe der Beiträge im vorliegenden Falle wegen des Fälligkeitsdatums der Versicherungsleistungen
im Jahre 2016 bzw 2031. Zu diesem Zeitpunkt wird der Kläger 73 bzw 88 und seine Ehefrau 70 bzw 83 Jahre alt sein. Das LSG
wird deshalb die Modalitäten der Versicherungsverträge näher zu untersuchen und zu beurteilen haben.
Im Hinblick hierauf sieht der Senat gegenwärtig von einer Entscheidung darüber ab, inwieweit die Höhe der anzuerkennenden
Beiträge - wie vom LSG vorgenommen - in Anlehnung an §
86 Einkommensteuergesetz (
EStG) auf 1 % beschränkt ist. Ob die Regelungen des
EStG, solange dies nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist, überhaupt ein geeigneter Maßstab sind, ist zweifelhaft im Hinblick
darauf, dass es sich bei den §§
79 ff
EStG um staatliche Förderungsregelungen handelt und der Betrag von 1 % in §
86 EStG einen Mindesteigenbeitrag (innerhalb eines Höchst- und Sockelbeitrags) darstellt. Allerdings dürfte die Beitragshöhe innerhalb
der Grenzen des §
86 EStG in der Regel als angemessen nicht zu beanstanden sein. Dies gilt nicht nur für die Beiträge zur so genannten Riesterrente
(vgl dazu auch ausdrücklich für die Sozialhilfe § 76 Abs 2 Nr 3 Bundessozialhilfegesetz und ab 1. Januar 2005 § 11 Abs 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende), sondern auch für andere Versicherungen, die der Alterssicherung
dienen. Insoweit kann die engere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen des im Alhi-Recht geltenden Lebensstandardprinzips
(BVerfGE 87, 234, 257 = SozR 3-4100 §
137 Nr 3) nicht übernommen werden (Krauß in Praxiskommentar
SGB III Arbeitsförderung, 2. Aufl 2004, § 194 RdNr 52 mwN).
Ob vorliegend ein höherer Beitrag als 1 % des Bruttoeinkommens anerkannt werden muss, darf der Senat ohnedies wegen des Verböserungsverbots
(§
202 SGG iVm §
537 ZPO) nicht entscheiden. Zwar wird die Beklagte beim Grundurteil im Höhenstreit nur verurteilt, eine höhere als die zuerkannte
Leistung zu zahlen; jedoch muss zur Beurteilung der Rechtskraftwirkung (§
141 SGG) dann konkretisierend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden. Soweit in diesen die Berücksichtigung bestimmter Elemente
durch das Gericht vorgeschrieben ist, ist die Beklagte hieran gebunden (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1 S 3). Nichts anderes gilt
dann im Rechtsmittelverfahren für das Rechtsmittelgericht im Rahmen der Anträge des Rechtsmittelklägers. Mit anderen Worten:
Da vorliegend nur die Beklagte gegen das Urteil des LSG Rechtsmittel eingelegt hat, ist der Senat gehindert, dem Kläger mehr
zuzusprechen als das LSG. Dies wäre jedoch der Fall, wenn der Senat mit seiner Zurückverweisung an das LSG die Verpflichtung
verbinden würde, höhere als die durch das LSG zuerkannten Lebensversicherungsbeiträge vom Einkommen abzusetzen.
Das LSG wird außerdem über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.