Begriff der grundsätzlichen Bedeutung
Anforderungen an das Beschwerdevorbringen
Formulierung einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Frage
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
- ggf. sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung
dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte
Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.
3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.
Gründe:
I
Die Beklagte bewilligte den Klägerinnen für den August 2007 Leistungen gemäß §
3 AsylbLG und führte dabei unter anderem aus, die Klägerin zu 1 habe durch Vorlage einer offensichtlich gefälschten syrischen Bescheinigung
ihre wahre Identität und Staatsangehörigkeit verschleiert und dadurch aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindert. In dem Bescheid
heißt es weiter, nach der entsprechenden Berechnung bestehe bis auf Weiteres Anspruch gemäß §
3 AsylbLG, die Beträge würden jeweils monatlich im Voraus überwiesen bzw ausgezahlt, solange sich die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse nicht änderten. In weiteren "wichtigen rechtlichen Hinweisen" heißt es ua, die genannten Leistungen würden nur
für einen Monat bewilligt und unter der stillschweigenden Voraussetzung unveränderter Verhältnisse weitergezahlt, längstens
bis zum Ablauf des genannten Monats (Bescheid vom 10.7.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2007). Die Klage zum Sozialgericht
(SG) Schleswig hatte überwiegend Erfolg (Urteil vom 6.5.2011); auf die Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische
Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben, soweit das SG für Zeiten über den 27.8.2007 hinaus Leistungen gewährt hat (Urteil vom 9.4.2014).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wenden sich die Klägerinnen mit ihren Beschwerden. Zugleich beantragen
sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung dieses Verfahrens und die Beiordnung von Rechtsanwalt
H . Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung; es stelle sich nämlich die Rechtsfrage, ob ein Leistungsbescheid eines
Sozialamtes, mit dem erstmals die Gewährung von "Analogleistungen" nach §
3 AsylbLG unter Hinweis auf eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer ausgeschlossen werde, grundsätzlich einen
Dauerverwaltungsakt iS einer Vorabentscheidung darstelle. Wolle man diese Frage in dieser Pauschalität verneinen, stelle sich
in abgeschwächter Form die Frage, ob ein Leistungsbescheid eines Sozialamtes, mit dem erstmals die Gewährung von "Analogleistungen"
nach §
3 AsylbLG unter Hinweis auf eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer ausgeschlossen werde, grundsätzlich dann
einen Dauerverwaltungsakt darstelle, wenn die Formulierung des Bescheides dies nicht eindeutig ausschließe. Hinter der vom
LSG vorgenommenen fehlerhaften Auslegung des angefochtenen Bescheides vom 10.7.2007 dahin, dass dieser nur Leistungen vom
1.8.2007 bis zum 27.8.2007 regele und damit die gesamte weitere Zeit bis zum 30.11.2009 nicht streitgegenständlich sei, stehe
ein grundsätzliches Problem. Ob ein Verwaltungsakt eine Regelung auf Dauer treffe, ergebe sich nicht nur aus Empfängersicht,
sondern auch aus der Materie selbst. Immer dann, wenn die Anwendung des §
3 AsylbLG (gemeint ist §
2 AsylbLG) unter Hinweis auf eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung abgelehnt werde, liege keine Reaktion
auf kurzfristige Veränderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor, sondern es werde ein für die Gewährung
ausschlaggebender Tatbestand auf Dauer festgestellt. Das werde in der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8.2.2007 (B 9b AY 1/06 R - BSGE 98, 116 = SozR 4-3520 § 2 Nr 1) bereits angedeutet und sei zu bejahen. Folge man dem nicht, sei jedenfalls die weitere Frage zu bejahen;
denn Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid seien mehrdeutig. Vorsorglich werde der Zulassungsgrund der Divergenz gerügt;
denn das LSG gehe in der angefochtenen Entscheidung nicht davon aus, dass aufgrund des Wortlauts des angefochtenen Bescheides
seine Deutung als Dauerverwaltungsakt ausgeschlossen sei.
II
Die Beschwerden sind unzulässig, weil die von den Klägerinnen geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen
Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
- ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung
dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte
Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete
Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie
deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.
Die Klägerinnen haben zwar zwei Rechtsfragen formuliert. Es kann dahinstehen, ob sich diese Fragen so, wie sie formuliert
sind, nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen ernsthaft stellen ("grundsätzlich"), oder in Wahrheit nicht nur eine falsche
Entscheidung im Einzelfall geltend gemacht wird. Jedenfalls ist weder die abstrakte Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit
ausreichend dargelegt. Wie die Klägerinnen einräumen, ist die Auslegung eines Bescheides in erster Linie eine Sache des Einzelfalles.
Zur Begründung der Klärungsbedürftigkeit beziehen sie sich auf die Rechtsprechung des mittlerweile nicht mehr zuständigen
9b-Senats des BSG (BSGE 98, 116 RdNr 14 = SozR 4-3520 § 2 Nr 1). Es fehlen aber Darlegungen zur Entwicklung dieser Rechtsprechung in der Folge. Um die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit
nachvollziehbar zu machen, hätte dargelegt werden müssen, dass bzw warum sich die formulierten Fragen zur Auslegung von Bescheiden
(vgl dazu nur BSGE 101, 49 RdNr 11 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2) gleichwohl noch stellen. Insoweit fehlt es auch an der Darlegung der Klärungsfähigkeit; denn
der zur Entscheidung stehende Sachverhalt ist nur bruchstückhaft wiedergegeben. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, Streitgegenstand
und Sachverhalt selbst den Akten zu entnehmen und die Klärungsfähigkeit ohne genaueren Vortrag zu prüfen.
Soweit die Klägerinnen eine Divergenz behaupten, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine
Divergenz läge nur vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz
des BSG, des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgestellt hätte; eine Abweichung
wäre aber erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also
andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hätte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Die Klägerinnen formulieren insoweit keine tragenden abstrakten Rechtssätze, sondern beziehen sich nur auf die Argumentation
des LSG im vorliegenden Einzelfall. Die Frage, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, eröffnet die
Revision jedoch nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 SGG, §
114 Zivilprozessordnung [ZPO]), ist den Klägerinnen auch keine PKH zu bewilligen; damit entfällt gleichzeitig die Beiordnung eines Rechtsanwalts
(§
121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 Abs
1 SGG.