Gründe
I
Im Streit ist die Erstattung von Leistungen für gewährte stationäre Eingliederungshilfe an den Hilfeempfänger G (G) in der
Zeit vom 1.1.1996 bis 17.4.2001.
Der 1944 geborene G lebte bis 24.4.1965 in der DDR, vom 25.4. bis 30.4.1965 bei Verwandten in Berlin (West) und seit 1.5.1965
in einer stationären Einrichtung der v.-B Stiftungen B in B. Ab 1.5.1965 bis 30.11.2004 leistete der Kläger stationäre Eingliederungshilfe,
seitdem die Beklagte. Zwischen den Beteiligten war und ist im Streit, ob die Beklagte als Funktionsnachfolgerin des Landes
Brandenburg für die Erstattung der vom Kläger gezahlten Leistungen zuständig ist, insbesondere, ob sie sich den Zeitpunkt
der Anmeldung des Erstattungsanspruchs durch den Kläger gegenüber dem Land (1992 bzw 1995) im Hinblick auf die Ausschlussfrist
des § 111 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zurechnen lassen muss. Die Klage war in beiden Instanzen erfolgreich (Urteil des Sozialgerichts <SG> Münster vom 12.6.2017; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen <LSG> vom 27.6.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, der Kläger habe einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte
auf Grundlage des § 2 Abs 3 Satz 2 SGB X. Ein danach erforderlicher Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für den Leistungsfall sei eingetreten; nach den maßgeblichen
Vorschriften des Landesrechts sei im Land Brandenburg für Fälle wie den des Klägers das Land sachlich zuständig gewesen. Durch
das Zweite Funktionalreformgesetz Brandenburgs (2. BbgFRG) sei mit Wirkung vom 1.1.1996 die Zuständigkeit für stationäre Eingliederungshilfe
auf die Landkreise und kreisfreien Städte gewechselt. Anders als die Beklagte meine, sei der Erstattungsanspruch des Klägers
auch nicht deshalb nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, weil es der Kläger versäumt habe, ihn nach dem Zuständigkeitswechsel innerhalb der Jahresfrist gegenüber
der Beklagten anzumelden. Denn sie müsse sich die rechtzeitige Anmeldung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem früher zuständig
gewesenen Land zurechnen lassen. Die Eingliederungshilfe sei im Wege der Funktionsnachfolge unter Wahrung der Identität der
Schuld und unter Fortwirkung der bereits erfolgten Anmeldung auf die Beklagte übergegangen. Dies habe das Oberverwaltungsgericht
(OVG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.11.2014 - OVG 9 B 59.11) in einem anderen Rechtsstreit zwischen den Beteiligten bereits rechtskräftig entschieden; dem schließe sich der Senat in
vollem Umfang an.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend. Die Entscheidung des LSG beruhe auf der Rechtsfrage, ob ein Zuständigkeitswechsel eine Funktionsnachfolge
nach sich ziehe, die gleichzeitig eine Nachfolge in alle Rechte und Pflichten des zuvor zuständigen Verwaltungsträgers bewirke,
auch soweit diese nicht die öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten der Behörden dem Bürger gegenüber im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens
beträfen. Das LSG habe die Rechtslage nicht richtig beurteilt, soweit es die Rechtsprechung zur Funktionsnachfolge auf die
Voraussetzungen des § 111 SGB X übertrage, denn diese sei allein auf das Verhältnis Staat-Bürger, nicht aber auf ein Kostenerstattungsverhältnis anwendbar.
Sie, die Beklagte, sei zwar nach der Funktionalreform in Brandenburg für die Gewährung von Eingliederungshilfe zuständig geworden,
nicht aber in alle Rechte und Pflichten aus noch nicht abgeschlossenen Vorgängen aus der Zeit davor eingetreten. Solle einer
Funktionsnachfolge auch eine Rechtsnachfolge nachgehen, bedürfe es hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, woran
es aber fehle. Sie ergebe sich auch nicht aus dem seitens des LSG und des OVG angeführten § 2 Abs 2 des Gesetzes zur Ausführung des § 100 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (AG-BSHG) idF von Art 1 Nr 2, Art 4 Satz 3 Nr 1 (2. BbgFRG) vom 13.7.1994 (GVBl 382).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen
Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, denn es fehlt an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit
der formulierten Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren.
Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit -
konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39; und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung
des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten
Rechtsfrage notwendig macht (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31).
Daran fehlt es hier. Das LSG hat sich zur Annahme, Reichweite und Umfang der Funktionsnachfolge der Beklagten die Ausführungen
des OVG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 26.11.2014 zu Art 1 Nr 2, Art 4 Satz 2 und Satz 3 Nr 1 2. BbgFRG in vollem Umfang
zu eigen gemacht und darauf seine Entscheidung gestützt. Es hat also zur Begründung der Funktionsnachfolge der Beklagten nicht
revisibles Landesrecht angewendet, dessen Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.
Auch die Beklagte selbst stützt ihre dem LSG widersprechende Argumentation auf die Auslegung des § 3 Abs 2 AG-BSHG idF von Art 1 Nr 2, Art 4 Satz 3 Nr 1 2. BbgFRG. Für die Auslegung solchen Landesrechts ist grundsätzlich das LSG zuständig und dessen Ergebnis für das BSG bindend (§§
162,
202 SGG iVm §
560 Zivilprozessordnung <ZPO>, vgl BSG vom 6.9.2006 - B 6 KA 31/05 R = SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 13 sowie BSG vom 19.7.2006 - B 6 KA 8/05 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27). Die Bindungswirkung entfällt zwar in Ausnahmefällen, etwa wenn entweder die Art und Weise der Auslegung durch das Berufungsgericht
mit allgemeinen Maßstäben zur Methodik der Auslegung nicht vereinbar und deshalb nicht mehr vertretbar (willkürlich) ist oder
wenn das Auslegungsergebnis gegen bundesrechtliche Normen verstößt oder inhaltlich gleiche Vorschriften in Bezirken verschiedener
LSGe gelten; das Revisionsgericht entscheidet dann an Stelle des LSG in der Sache (vgl dazu nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
162 RdNr 5 ff, RdNr 7 mwN). Die Beklagte trägt aber nichts dazu vor, dass - ausgehend von den oben genannten Maßstäben - die vom LSG zur Begründung
seiner Entscheidung angewandten landesrechtlichen Vorschriften - ausnahmsweise - revisibel sind, der Senat also im angestrebten
Revisionsverfahren zur Prüfung und Auslegung von Landesrecht überhaupt berechtigt wäre.
Soweit die Beklagte vorträgt, das LSG habe § 111 Satz 1 SGB X nicht richtig angewendet, führt auch dieser Vortrag nicht zur Zulassung der Revision. Denn Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens
ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
197a SGG iVm §
154 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).