Gründe:
I. Der Kläger ist 1979 geboren. Im Jahre 1982 fielen Besonderheiten in seinem Verhalten und ein Rückstand der Sprachentwicklung
auf, als deren Ursache in der Folgezeit frühkindlicher Autismus diagnostiziert wurde. Wegen dieser psychischen Entwicklungsstörung
hielt das Gesundheitsamt eine Therapie für erforderlich. Auf ärztliche Empfehlung nahmen die Eltern des Klägers u.a. auch
Kontakt zu der Ambulanz des Regionalverbandes »Hilfe für das autistische Kind« in B. auf. Dort konnte die an zwei Tagen für
jeweils zwei Stunden begonnene Behandlung des Klägers jedoch nicht fortgeführt werden, weil der Kläger nach der Anfahrt von
seinem 110 km entfernt im Kreis K. gelegenen Wohnort nicht mehr therapiefähig war. Seine Eltern gaben ihn deshalb ab Mitte
Oktober 1983 in die Behandlung des Diplom-Psychologen Drs. van S. in K., eines nach ihrer Kenntnis anerkannten Spezialisten
auf dem Gebiet der Autismustherapie. Dort wurde der Kläger an fünf Tagen in der Woche jeweils drei Stunden behandelt. Der
Therapeut berechnete sein Honorar nach dem 3,5fachen des Satzes der Nr. 861 der Gebührenordnung für Ärzte (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie).
Bereits am 13. September 1983 hatte der Kläger beim Beklagten die Übernahme von Therapiekosten im Rahmen der Eingliederungshilfe
beantragt, weil die Krankenkasse seiner Mutter eine Kostenerstattung bzw. -beteiligung ablehnte und auch Leistungen der Beihilfe
sowie der privaten Krankenversicherung lediglich einen Teil der Behandlungskosten deckten. Ein von der Mutter des Klägers
angestrengtes sozialgerichtliches Verfahren auf Kostenübernahme wurde durch Vergleich beendet, führte aber nicht zu Leistungen
der Krankenkasse. Der Beklagte lehnte eine Übernahme der restlichen Behandlungskosten ab, weil die Krankenkasse zuständig
sei.
Zum Jahresende 1984 stellte die Beihilfestelle Leistungen für die Behandlung des Klägers ein, nachdem einerseits gemäß einem
Untersuchungsbericht der Rheinischen Landes- und Hochschulklinik in E. »eine deutliche Besserung des Verhaltens und im Bereich
der kognitiven Funktionen durch die bisherige Therapie« und gemäß Bericht des Gesundheitsamtes »eine deutliche Besserung der
schweren Verhaltensstörung« festgestellt worden war, andererseits aber Ermittlungen des Gesundheitsamtes zu dem Verdacht auf
Kindesmißhandlung durch Drs. van S. geführt hatten und deshalb die Behandlung des Klägers durch Drs. van S. von seiten des
Amtsarztes nicht mehr befürwortet worden war. Daraufhin wurde die Behandlung des Klägers durch Drs. van S. beendet.
Mit seiner Klage hat der Kläger nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren u.a. ungedeckte Restkosten der Behandlung durch
Drs. van S. in Höhe von 60.439,61 DM geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Dies ist wie
folgt begründet:
Bei der an dem Kläger durchgeführten Verhaltenstherapie handele es sich nach ihrer Zielsetzung, den Kläger durch eine Aufbereitung
seiner Wahrnehmungsfähigkeiten nach Möglichkeit (zumindest sonder-)schulfähig zu machen, um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe
im Sinne der §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 2 a BSHG in Verbindung mit § 11 der EinglH-VO nicht etwa um eine Maßnahme der Krankenhilfe. Der Beklagte könne sich auch nicht unter Verweis auf die Krankenkasse
der Mutter des Klägers auf die allgemeine Subsidiarität der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG berufen. Eine ärztliche Therapie, für die eine Zuständigkeit der Krankenkasse zur Kostenübernahme habe in Betracht kommen
können, sei für den Kläger tatsächlich nicht erhältlich gewesen, weil kein approbierter Arzt in dem für den Kläger erreichbaren
Umkreis eine verhaltenstherapeutische Behandlung autistischer Kinder durchgeführt habe und zur Behandlung bereite Diplom-Psychologen
auf einer - seinerzeit nicht gegebenen - sicheren Deckung ihrer Honorarforderung bestanden hätten. Die durch die Therapie
in der Zeit zwischen der Antragstellung und dem Widerspruchsbescheid erzielten Fortschritte des Klägers seien durch ärztliche
Untersuchungen bestätigt worden. Offenbleiben könne gleichwohl, inwieweit das Therapiekonzept von Drs. van S. sowie dieser
selbst als Therapeut die nach § 11 EinglH-VO erforderliche Eignung aufwiesen; ferner könne offenbleiben, ob die von Drs. van
S. aufgewandte hohe Stundenzahl therapeutisch gerechtfertigt gewesen und die Bestimmung des Honorarsatzes in Anlehnung an
die Gebührenordnung für Ärzte angängig und dieser Betrag der Höhe nach angemessen sei. Jedenfalls stehe eine so (kosten-)intensive Therapie nicht in einem
angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck: Ziel der verhaltenstherapeutischen Behandlung des Klägers sei es, ihn möglichst schulfähig
zu machen. Ob dieses Ziel erreicht werden könne, sei über die bei derartigen Prognosen unvermeidlichen Ungewißheiten hinaus
zweifelhaft, weil eine Erfolgsquote bei der relativen Neuheit des Behandlungskonzeptes von Drs. van S. nicht festgestellt
werden könne. Zudem sei der Kläger auch bei Abbruch der damals schon fast 15monatigen Behandlung noch immer recht weit von
der Schulfähigkeit entfernt gewesen. Nach Einschätzung von Drs. van S. hätte der Kläger noch weitere 300 bis 400 Stunden therapiert
werden müssen, bis er seinen Entwicklungsrückstand soweit aufgeholt gehabt hätte, daß er hätte lesen lernen können. Schon
bis zum Abbruch der Behandlung seien Kosten in einer Gesamthöhe von gut 173.000 DM entstanden, von denen rund 60.000 DM aus
Sozialhilfemitteln hätten getragen werden sollen. Bezogen auf das Ziel der Schulfähigkeit kämen bei nur 300 unterstellten
Stunden zum Satz von 241,50 DM weitere 72.450 DM hinzu, von denen wiederum rund 32.600 DM auf den Beklagten entfallen könnten.
Damit ergäbe sich ein Gesamtbedarf an Sozialhilfe in Höhe von über 90.000 DM. Dies sei in Anbetracht der einzuhaltenden Mittel-Zweck-Relation
unangemessen teuer. Dabei lasse sich die Kammer auch von der Erwägung leiten, daß der Kläger seinerzeit notfalls durch eine
Versetzung seines Vaters und einen Umzug der Familie in die Nähe einer Ambulanz des Vereins »Hilfe für das autistische Kind«
eine weit weniger aufwendige Behandlung hätte erhalten können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Klägers. Er rügt die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Begrenzung
der Eingliederungshilfe.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
II. Die vom Kläger unter Übergehung der Berufungsinstanz eingelegte Revision ist zulässig (§
134 Abs.
1 Satz 1
VwGO) und auch begründet.
Zwar hat die Vorinstanz die vom Kläger im Rahmen der Sozialhilfe begehrte Hilfeleistung zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen
der Eingliederungshilfe und nicht etwa der Krankenhilfe zugeordnet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt jedoch Bundesrecht,
indem es den nach §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 2 a BSHG in Verbindung mit § 11 EinglH-VO zu beurteilenden Hilfeanspruch des Klägers wegen der hohen Kosten als durch den Gedanken der Mittel-Zweck-Relation
ausgeschlossen angesehen hat. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen der Eingliederungshilfe erfüllt, besteht auf sie nach
§ 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG ein Rechtsanspruch. Die vom Verwaltungsgericht für seine abweichende Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des für seinen
Bereich zuständigen Oberverwaltungsgerichts (OVG Münster, Urteil vom 19. Juli 1988 - 8 A 2436/86 - [OVGE 40, 137]), die sich mit der Auslegung des Begriffs der »angemessenen Schulbildung« im Rahmen der Eingliederungshilfe
befaßt (aaO., S. 142 f.), betrifft den - hier nicht gegebenen - Fall, daß die Hilfegewährung bereits vom Gesetzgeber (ausdrücklich)
an das Merkmal der »Angemessenheit« geknüpft ist. Auch § 3 Abs. 2 BSHG rechtfertigt die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Nach den für das Bundesverwaltungsgericht verbindlichen
(§ 134 Abs. 3 a. F., §
134 Abs.
4 n. F.; §
137 Abs.
2 VwGO) Feststellungen des Verwaltungsgerichts hätte der Kläger - sieht man von der Behandlung durch den Diplom-Psychologen Drs.
van S. ab - »im hier fraglichen Zeitraum in zumutbarer Entfernung die gebotene Verhaltenstherapie tatsächlich nicht ... erlangen
können«. Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, seine Eltern hätten ihren Wohnsitz in die Nähe eines Therapeuten oder
einer therapeutischen Einrichtung verlegen können, die den Kläger in gleichgeeigneter, jedoch kostengünstigerer Weise behandelt
hätte. Ist schon fraglich, ob der Kläger derartiges von seinen Eltern überhaupt hätte verlangen können, so ist jedenfalls
nicht ersichtlich, daß die tief in seine familiären Belange und die seiner Familie eingreifende Geltendmachung und gegebenenfalls
Durchsetzung eines solchen Anspruchs ihm hätte zugemutet werden können. Eine Wahlmöglichkeit hatte der Kläger nicht. Mit der
Frage der Übernahme der Kosten für die Behandlung durch Drs. van S. stand und fiel somit die Durchführung einer auf seine
Behinderung bezogenen Behandlung und damit die Gewährung der benötigten Hilfe. Auf einen solchen Fall ist § 3 Abs. 2 BSHG aber nicht anwendbar. Diese Regelung betrifft vielmehr (nur) das Wahlrecht des Hilfesuchenden in bezug auf die Gestaltung
der Hilfe bei Alternativen der Bedarfsdeckung, sie betrifft also das »Wie« der Hilfeleistung, nicht deren »Ob« (vgl. BVerwG,
Urteil vom 11. Februar 1982 - BVerwG 5 C 85.80 - [FEVS 31, 221/224]). »Ob« Sozialhilfe einsetzt, richtet sich demgegenüber nach jenen ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen,
die bestimmen, ob auf die Hilfegewährung ein Anspruch besteht.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Neufassung des § 3 Abs. 2 BSHG durch Art. 26 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532) auch vor dem Hintergrund einer stärkeren Betonung der Voraussetzung der Angemessenheit des Wunsches des Hilfeempfängers
und des Gesichtspunktes der kostengünstigen Hilfegewährung zu sehen ist (vgl. dazu z.B. Gottschick/Giese, Das Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 9. Aufl. 1985, § 3 Rn. 5). Der Gesetzgeber hat die Begrenzung des Wunschrechts im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten als durch das Bedarfsdeckungsprinzip
geboten betrachtet, das auf die Gewährung der notwendigen Hilfe gerichtet ist (siehe Stellungnahme des Bundesrates vom 2.
September 1983 zum Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 - BR-Drs. 302/83 - [S. 23]). Ein Anspruch auf Bedarfsdeckung
aus Mitteln der Sozialhilfe wurde durch die einer bedarfsgerechten Begrenzung der Hilfeangebote dienende (siehe BR-Drs. aaO.)
Novellierung der das Wahlrecht des Hilfesuchenden regelnden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes aber nicht in Frage
gestellt.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§
144 Abs.
4 VwGO). Auf die Möglichkeit einer Erstattung der Behandlungskosten durch die gesetzliche Krankenversicherung seiner Mutter kann
der Kläger nicht verwiesen werden, nachdem der hierüber vor dem Sozialgericht geführte Rechtsstreit nicht zu Erstattungsleistungen
geführt hatte.
Eine abschließende Entscheidung in der vorliegenden Sache ist dem Senat gleichwohl verwehrt. Das Verwaltungsgericht hat es
von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig offengelassen, ob die vom Kläger erfahrene psychotherapeutische Behandlung durch
Drs. van S. geeignet war, die in § 11 EinglH-VO vorausgesetzten Erfolge herbeizuführen. Darüber hinaus besagt auch eine Feststellung
entsprechender Eignung noch nicht, daß der Kläger im Rahmen der Eingliederungshilfe zur Erreichung der (Sonder-)Schulfähigkeit
in unbegrenztem Umfang Anspruch auf heilpädagogische Behandlung hatte. In einem Bereich, in dem - wie hier - die Folgen einer
Behinderung nur gemildert werden konnten und die Prognose über einen Behandlungserfolg ungewiß ist, müssen der sozialhilferechtlich
anzuerkennende Bedarf, der mit den tatsächlichen Kosten der Behandlung nicht gleichzusetzen ist, sowie Art und Maß der Bedarfsdeckung
in einem an § 1 Abs. 2 BSHG orientierten angemessenen Verhältnis zu dem erreichbaren Erfolg der Eingliederungshilfemaßnahme stehen. Da eine andere Behandlungsmöglichkeit
in zumutbarer Entfernung vom Wohnort des Klägers nicht gegeben war, können die Kosten der Behandlung allerdings nicht mit
den Maßstäben gemessen werden, die sonst bei dem Bestehen kostengünstigerer Alternativen anzulegen wären. Auch für die insoweit
gebotene Abwägung hat das Verwaltungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Zur Aufklärung der in die Abwägung
einzubeziehenden Umstände ist die Sache nach §
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 VwGO an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen werden können.