Hilfe zum Lebensunterhalt, laufende Leistungen nach Regelsätzen für den Regelbedarf; Spielzeug als Teil des notwendigen Lebensunterhalts;
Spielzeug als Teil des Regelbedarfs; Sozialhilfe für Spielzeug als Teil des Regelbedarfs für notwendigen Lebensunterhalt;
Regelbedarf, Spielzeug als Teil des -.
Gründe:
I. Die im Oktober 1979 geborene Klägerin erhielt von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Den Antrag der Klägerin
auf eine einmalige Beihilfe u.a. für eine Babypuppe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. September 1983 ab, weil eine
Babypuppe nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehöre.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Gewährung von Sozialhilfe für die Anschaffung einer Babypuppe
neu zu bescheiden. Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen, im wesentlichen mit folgender
Begründung:
Der Aufwand für die Beschaffung einer Babypuppe sei nicht mit den Regelsätzen abgegolten. Denn die laufenden Leistungen nach
Regelsätzen seien nur für den laufenden, in allen Monaten annähernd gleichmäßigen Lebensbedarf bestimmt. Der Bedarf an größerem
und teurerem Spielzeug werde von den Regelsätzen nicht erfaßt, dafür kämen einmalige Leistungen in Betracht. Die entgegenstehende
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 87, 212) halte einer experimentellen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ließen sich z.B. keine einmaligen
Leistungen für den Einschulungsbedarf, für die Teilnahme an Klassenfahrten, für Verwandtenbesuche bei Inhaftierten, für Elternbesuche
bei getrenntlebenden Kindern oder für die "Grundausstattung" an Kleidung oder Hausrat begründen. Schließlich gebiete § 3 Abs. 1 BSHG, Hilfeempfängern auch einmalige Leistungen (z.B. Vorschüsse zur Einkellerung von Winterkartoffeln) für Gegenstände des täglichen
Bedarfs, der eigentlich von den Regelsätzen erfaßt sei, zu gewähren. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.
Sie rügt die Verletzung des § 22 BSHG und des § 1 Regelsatzverordnung.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Halte man - wie der Senat in anderen Entscheidungen - die Regelsätze
für gerichtlich nicht überprüfbar, bedeute die Beschränkung auf die Regelsatzleistungen eine Rechtswegverweigerung. Sei die
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts aber zutreffend, müsse die gerichtliche Überprüfung der Regelsätze zulässig sein.
II. Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht.
Nach der Rechtsprechung des Senats gehört Spielzeug für Kinder zur Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen
Lebens und bestimmen § 22 BSHG, § 1 Regelsatzverordnung in der auch hier maßgeblichen Fassung vom 10. Mai 1971 (BGBl. I S. 451) den Regelbedarf für diese Bedarfsgruppe insgesamt, also ohne eine - wie für Kleidung und Hausrat getroffene - Einschränkung.
Da Spielzeug (hier: eine Babypuppe) ein bei vielen Hilfeempfängern aus der Regelsatzgruppe der Haushaltsangehörigen bis zum
7. Lebensjahr gleichermaßen bestehender Bedarf ist, gehört es seiner Art nach zum Regelbedarf, der durch Regelsatzleistungen
abzudecken ist. Insoweit scheiden einmalige Leistungen grundsätzlich aus; denn das Regelsatzsystem ist ein geschlossenes System
(s. BVerwGE 87, 212).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht und in Teilen der Literatur geäußerten
Kritik fest.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts mit der Geschlossenheit des Regelsatzsystems
dadurch widerlegt sei, daß die damit gewonnenen Ergebnisse der "Falsifikationskontrolle" nicht standhielten. Das trifft nicht
zu. Denn keines der vom Berufungsgericht zur Folgenkontrolle angeführten Beispiele steht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zum geschlossenen Regelsatzsystem entgegen.
So ist der Einschulungsbedarf ein einmaliger Bedarf und kein Regelbedarf (BVerwGE 87, 212 [216]: Regelbedarf als der ... "nicht nur einmalige Bedarf"). Daß die Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen
Lebens - es kann hier offen - bleiben, ob dazu auch der Einschulungsbedarf zählt - nach § 22 BSHG, § 1 Regelsatzverordnung ohne gegenständliche oder wertmäßige Beschränkung zum Regelbedarf gehört, schließt nicht aus, daß in den Fällen, in denen
kein "bei vielen Hilfeempfängern (zu deren Gruppeneinteilung vgl. § 2 Regelsatzverordnung) gleichermaßen bestehender", sondern ein einmaliger oder besonderer Bedarf besteht, dafür eine einmalige Leistung bzw. besondere
Leistung(en) in Betracht kommen. Das ist beim Einschulungsbedarf der Fall; denn dieser Bedarf besteht nicht bei vielen Hilfeempfängern
aus der Regelsatzgruppe der Haushaltsangehörigen bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 Regelsatzverordnung gleichermaßen, sondern nur bei den Schulanfängern.
Auch für die weiter vom Berufungsgericht angeführten Klassenfahrten - für die hier nicht zu entscheiden ist, ob und inwieweit
sie überhaupt zum notwendigen Bedarf gehören - kommen jedenfalls Leistungen nach Regelsätzen nicht in Betracht. Denn die einzelne
Klassenfahrt ist ebenfalls ein jeweils einmaliger Bedarf.
Verwandtenbesuche bei Inhaftierten und Elternbesuche bei getrenntlebenden Kindern können als Besonderheit des Einzelfalls
nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG eine von den Regelsätzen abweichende Bemessung laufender Leistungen rechtfertigen. Auch eine einmalige Leistung für eine
Grundausstattung an Bedarfsgegenständen einer in § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppe ist nicht durch das Regelsatzsystem ausgeschlossen. Nach der Definition des Senats (BVerwGE 87, 212 [216]) bildet der Regelbedarf den ohne Besonderheiten des Einzelfalles bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehenden,
nicht nur einmaligen Bedarf aus den in § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen. Hilfefälle, in denen der Hilfesuchende gar keine oder nur unbedeutende Bedarfsgegenstände aus den
in § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen hat, z. B. als Flüchtling, nach Diebstahl oder Brand, sind so selten, daß die in solchen besonderen
Situationen erforderliche Grundausstattung an Bedarfsgegenständen kein bei vielen - in der jeweiligen Regelsatzgruppe beschriebenen
- Hilfeempfängern gleichermaßen bestehender und deshalb mit Regelsatzleistungen abzudeckender Bedarf ist.
Ein Leitsatz aus der angeführten Entscheidung des Senats, daß "Spielzeug für Kinder ... zur Bedarfsgruppe der persönlichen
Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 12 BSHG) und damit nach § 22 BSHG, § 1 Regelsatzverordnung uneingeschränkt zum Regelbedarf gehöre, ist ersichtlich mißverstanden worden. Aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidung (BVerwGE
87, 212 [217]) ergibt sich, daß das "uneingeschränkt" den gegenständlichen Umfang der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse
des täglichen Lebens in Abgrenzung zu der nur eingeschränkten Aufnahme von Kleidung und Hausrat in der Bedarfsgruppe nach
§ 1 Regelsatzverordnung bezeichnen soll. Denn § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung nimmt in der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens keine Unterscheidung in kleinere und größere
oder nach geringerem oder höherem Wert vor. Das auf den Umfang der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen
Lebens bezogene "uneingeschränkt" darf dagegen nicht weitergehend dahin verstanden werden, als sei jeder Bedarf eines Gegenstandes,
der einer in § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppe zugeordnet werden kann, bereits deshalb stets ein Regelbedarf. Denn wie der Senat (aaO., S. 216)
deutlich herausgestellt hat, setzt der Regelbedarf neben der Zugehörigkeit zu einer der in § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen voraus, daß der geltend gemachte Bedarf ein "ohne die Besonderheit des Einzelfalles ( § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG) bei vielen Hilfeempfängern (zu deren Gruppeneinteilung vgl. § 2 Regelsatzverordnung) gleichermaßen bestehender, nicht nur einmaliger Bedarf" ist. Das ist aber bei fehlender Grundausstattung, wie gezeigt, nicht
der Fall.
Ferner steht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum geschlossenen Regelsatzsystem nicht entgegen, wenn Sozialhilfeträger
im Rahmen des § 3 BSHG Vorschüsse auf die zu erwartenden Regelsatzleistungen gewähren, um dem Hilfeempfänger beispielsweise eine ortsübliche, preisgünstige
Einkellerung von Winterkartoffeln zu ermöglichen. Die Vorwegnahme und Zusammenfassung laufender Leistungen im Wege eines Vorschusses
ändert nichts an Grund und Höhe dieser Leistungen und stellt damit keine - zu den laufenden Leistungen hinzutretende - einmalige
Leistung" i.S. von § 21 Abs. 1 BSHG dar.
Der Senat hat zur Begründung des geschlossenen Regelsatzsystems auf die mit der Leistung nach Regelsätzen beabsichtigte Klarheit
und Gleichheit der Sozialhilfegewährung hingewiesen. Dagegen zeigt ein Blick auf die Folgen der Gegenmeinung, was mit den
Leistungen nach Regelsätzen vermieden werden soll, nämlich unzählige einmalige Leistungen und umfängliche Prüfungen ihrer
Voraussetzungen im Einzelfall. Auch verkennt die Kritik am geschlossenen Regelsatzsystem, daß dieses einen ausreichend bemessenen
Regelsatz bedingt, weil den Regelbedarf betreffende Leistungsergänzungen nicht möglich sind. Die Regelsatzhöhe ist allerdings
nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf §
188 Satz 2
VwGO.