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BVerwG, Urteil vom 09.02.1984 - 5 C 28.81
a-c. Rückforderung der Ausbildungsförderung wegen Unterbrechung der Ausbildung (Abs. 2):
(a) kein ausschlaggebendes Gewicht der Dauer der Unterbrechung;
(b) Unterbrechung durch Unterrichtsboykott aller Lehrveranstaltungen;
(c) Rückforderung auch für einzelne Tage.
Fundstellen: DRsp V(545)84a-c, FamRZ 1984, 827 , NVwZ 1984, 795
Normenkette:
BAföG § 20 Abs.1, Abs.2
»... Der Rückforderungsbescheid des Bekl. ist rechtlich nicht zu beanstanden. Er findet seine Grundlage in § 20 Abs. 2 BAföG. ...
(a-b) Während der Zeit des Unterrichtsboykotts hat die Kl. ihre Ausbildung unterbrochen. ... Ein Besuch [einer Ausbildungsstätte i. S. d. § 2 Abs. 1] setzt nicht nur voraus, daß der Auszubildende der Ausbildungsstätte organisationsrechtlich angehört. Erforderlich ist daneben, daß er an den Unterrichtsveranstaltungen der Ausbildungsstätte, die der jeweilige Ausbildungsplan vorsieht, tatsächlich teilnimmt (BVerwGE 55, 288 [hier: V (545) 45 c-d]; BVerwGE 57, 21; 58, 132 [hier: V (545) 55 c-e]). ... [Da an einer Hochschule] der Auszubildende nicht verpflichtet ist, bei allen Lehrveranstaltungen anwesend zu sein, ist eine entsprechende Ausbildung noch nicht unterbrochen, wenn der Auszubildende nur einzelne Lehrveranstaltungen nicht besucht oder aus ausbildungsbedingten Gründen Ä etwa während einer kurzen Zeitspanne vor dem Abgabetermin einer Hausarbeit Ä den Lehrveranstaltungen fernbleibt und sich dem häuslichen Studium widmet (BVerwGE 55, 288). ... Das BVerwG hat [jedoch] für den studentischen Bereich anerkannt, daß trotz fehlender Verpflichtung, bei allen Lehrveranstaltungen anwesend zu sein, eine Ausbildung jedenfalls dann unterbrochen wird, wenn der Auszubildende gleichzeitig allen planmäßig vorgesehenen Lehrveranstaltungen fernbleibt (BVerwGE 55, 288; 58, 132). Ist ein solcher Sachverhalt gegeben, dann ist eine Unterbrechung der Ausbildung unabhängig davon anzunehmen, ob der Auszubildende sich außerhalb der regulären Lehrveranstaltungen um die Fortführung seiner Ausbildung bemüht .. oder ob sich die Ausbildung durch die Unterbrechung im Ergebnis zeitlich verzögert .. .
Berücksichtigt man diese Grundsätze, so kann für die Annahme einer Ausbildungsunterbrechung die mehr oder weniger lange Dauer der Unterbrechung kein ausschlaggendes Gewicht haben. Die zeitliche Dauer kann allenfalls ein Indiz dafür sein, ob es sich bei dem Fernbleiben von den Unterrichtsveranstaltungen um eine Unterbrechung handelt. Einer solchen Prüfung bedarf es jedoch nicht, wenn sich aus anderen Umständen der Wille des Auszubildenden klar ergibt, durch eine Nichtteilnahme an den Unterrichtsveranstaltungen seine Ausbildung zu unterbrechen. Das ist vor allem bei einem Unterrichtsboykott anzunehmen, wenn er sich nicht nur auf einzelne Lehrveranstaltungen beschränkt .., sondern auf alle ausbildungsrelevanten Veranstaltungen der Ausbildungsstätte bezieht. Der zuletzt genannte Fall ist hier gegeben. ...
(c) Daß § 20 Abs. 2 BAföG einen Rückforderungsanspruch auch bei nur kurzen Ausbildungsunterbrechungen begründen will, [folgt] daraus, daß die Rückzahlungspflicht des Auszubildenden nach dieser Vorschrift im Gegensatz zu den Fällen des § 20 Abs. 1 BAföG nicht nur für ganze Kalendermonate, sondern auch für den Teil eines Kalendermonats, also auch für einen Tag, bestehen kann.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht Tz 20.2.2 Buchst a BAföGVwV v. 25. 8. 1976 (GMBl S. 386). Danach gilt als Unterbrechung der Ausbildung bei Besuch einer in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte .. eine Unterbrechung von mehr als drei Tagen. ... Der Begriff der Ausbildungsunterbrechung ist [aber] ein zwingender Rechtsbegriff, für dessen Auslegung die Verwaltungsbehörde keine nur ihr zukommende Entscheidungsermächtigung beanspruchen kann, wie es bei einer Ermessensentscheidung der Fall wäre. Bei Tz 20.2.2 BAföGVwV handelt es sieh daher um eine rechtsauslegende Verwaltungsvorschrift. Derartige Bestimmungen führen .. [nicht] zu einer rechtlichen Bindung der Verwaltungsbehörde. ...«