Einkommen, Anrechnung von Leistungen der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" auf Sozialhilfe; Vermögen, Anrechnung
von Leistungen der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" auf Sozialhilfe; Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder",
Anrechnung von Stiftungsleistungen auf Sozialhilfe; Sozialhilfe, Anrechnung von Leistungen der Stiftung "Hilfswerk für behinderte
Kinder"
Gründe:
I. Die 1961 geborene, geistig behinderte und taubstumme Klägerin lebt seit 1983 in einem Heim. Die Heimkosten übernahm der
Beklagte als Hilfe zur Pflege. Die Klägerin erhielt außerdem Leistungen nach dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung
"Hilfswerk für behinderte Kinder" (Stiftungsgesetz) - StiftG - vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2O18). Aus Mitteln der Stiftung
wurden ihr eine Kapitalentschädigung, eine Rentennachzahlung und (ab Juli 1974) eine monatliche Rente bewilligt. Die Klägerin
legte diese Leistungen einschließlich der nicht verbrauchten Rentenbeträge zinsbringend bei einer Sparkasse an. Ende 1984
bestand ihr hieraus gebildetes Vermögen aus einem Sparguthaben (rund 74 000 DM) und einem Sparkassenbrief (60 000 DM); darin
sind Zinsen von etwa 17 000 DM enthalten.
Mit Bescheid vom 11. April 1985 stellte der Beklagte die Hilfe zur Pflege für die Klägerin zum 1. Mai 1985 ein, da sie vermögend
sei, und erklärte, er müsse erbrachte Leistungen zur Erstattung geltend machen. Mit ihren Widerspruch hiergegen machte die
Klägerin geltend, daß ihr Vermögen nur auf Leistungen nach dem Stiftungsgesetz beruhe und nicht auf Sozialhilfeleistungen
anzurechnen sei.
Auf die von der Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen
Bescheide aufgehoben, soweit sie Hilfe zur Pflege für die Klägerin vom Einsatz ihres Vermögens abhängig machten, das die anzurechnenden
Sparkassenzinsen übersteige; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dagegen haben die Klägerin und der Beklagte Berufung
eingelegt. Nach der Erklärung des Beklagten, daß er mit den angefochtenen Bescheiden weder Aufwendungsersatz noch Erstattung
erbrachter Pflegeleistungen fordere, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Das Berufungsgericht hat diesen Teil des Verfahrens durch Urteil eingestellt. Im übrigen hat es die Berufungen der Klägerin
und des Beklagten mit im wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen:
Aus Sinn und Zweck des Stiftungsgesetzes und seiner Entstehungsgeschichte ergebe sich, daß § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG Leistungen
nach diesem Gesetz umfassend vor Anrechnung auf Sozialhilfe schütze. Dieser Schutz erstrecke sich auch auf das aus laufenden
Rentenleistungen angesammelte Vermögen, das als "Surrogat" an die Stelle der anrechnungsfreien Rente getreten sei. Zinserträge
aus der Anlage von Stiftungsleistungen in Sparguthaben oder Wertpapieren seien hingegen nicht mehr nach § 21 Abs. 2 Satz 1
StiftG geschützt.
Gegen dieses Urteil richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Klägerin und des Beklagten. Sie rügen
die Verletzung von § 21 Abs. 2 StiftG.
II. Die Revision des Beklagten ist unzulässig und deshalb zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts
wendet, dem Beklagten gemäß §
161 Abs.
2 VwGO die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Revision
ist insoweit nicht statthaft. Nach Art. 2 § 8 Satz 1 des (hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1990 geltenden) Gesetzes
zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1985 (BGBl. I S. 1274), sind Beschlüsse nach §
161 Abs.
2 VwGO unanfechtbar. Dieser Rechtsmittelausschluß greift nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann ein, wenn
ein Verwaltungsgericht bei einer Teilerledigung der Hauptsache über die Kosten des erledigten Teils nicht durch Beschluß,
sondern in dem sich auf den nicht erledigten Teil beziehenden Urteil mitentschieden hat (BVerwG, Beschluß vom 3. November
1981 - BVerwG 4 B 140.81 - [Buchholz 312 EntlG Nr. 26 = DÖV 1982 S. 161]).
Die Revision der Klägerin und die des Beklagten, soweit sie zulässig ist, sind unbegründet.
Die das Berufungsurteil tragende Ansicht, nach § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG dürfe Hilfe zur Pflege für die Klägerin nicht vom
Einsatz des Vermögens abhängig gemacht werden, das die Klägerin aus der ihr nach dem Stiftungsgesetz gewährten und nicht verbrauchten
Rente angesammelt habe, wohl aber vom Einsatz der Zinsen aus der Anlage von Vermögen, das aus Stiftungsleistungen bestehe,
verletzt Bundesrecht nicht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO).
Die Klägerin erfüllt unstreitig die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Hilfe zur stationären Pflege (Heimpflege)
nach § 68 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Mai 1983 (BGBl. I S. 613), geändert durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 21. Juni 1985 (BGBl. I S. 1081), anzuwenden ist. Sie hat einen Rechtsanspruch darauf, daß ihr Hilfe zur Pflege ohne Anrechnung der unverbrauchten, angesparten
Stiftungsrente bewilligt wird; die aus der Anlage ihres Vermögens erzielten Zinsen hat sie hingegen nach Maßgabe des § 88 BSHG vorrangig zur Deckung ihres Bedarfs einzusetzen. Das ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG. Die Vorschrift bestimmt, daß Leistungen nach diesem Gesetz bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen
nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Bundessozialhilfegesetz, außer Betracht bleiben.
Gegenstand dieses Anrechnungsschutzes sind "Leistungen nach diesem Gesetz". Darunter fallen mangels gesetzlicher Einschränkung
alle Leistungen, die ihren Rechtsgrund im Stiftungsgesetz haben: Kapitalentschädigung (§ 14 Abs. 1 StiftG) einschließlich
nachträglicher Sonderzahlungen (§ 17 StiftG), lebenslange Rente (§ 14 Abs. 1 StiftG), kapitalisierte Rentenbeträge (§ 14 Abs.
3 StiftG) und auf die Kapitalentschädigung (ab Antragstellung bis zur Auszahlung) zu leistende Zinsen (§ 16 StiftG). Der Anrechnungsschutz
besteht darin, daß die genannten Leistungen bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen nach anderen Gesetzen außer Betracht
bleiben. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut fallen Stiftungsleistungen also weder in das Einkommen noch in das Vermögen,
das nach § 11 und § 28 BSHG aus Gründen des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) zur Bedarfsdeckung einzusetzen ist. § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG durchbricht den Nachrang der Sozialhilfe. Stiftungsleistungen werden rechtlich umfassend, d.h. als Einkommen
und Vermögen, vor Anrechnung geschützt. Für die Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG ist es daher unerheblich, ob Stiftungsleistungen
sozialhilferechtlich als Einkommen oder Vermögen einzuordnen sind.
Das trifft auch auf Rentenleistungen nach § 14 Abs. 1 StiftG zu. Die Ansicht des Beklagten, Rentenleistungen seien zwar in
dem Bedarfszeitraum (Monat), in dem sie dem Berechtigten zufließen, anrechnungsfreies Einkommen, nach Ablauf dieses Zeitraums
jedoch einzusetzendes Vermögen, ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Denn § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG dehnt den Anrechnungsschutz
auf alle Stiftungsleistungen aus, ohne hierbei zwischen Einkommen und Vermögen zu unterscheiden. Es ist daher im Ansatz fehlerhaft,
aus der sozialhilferechtlichen Einordnung der Rentenleistungen als Einkommen oder Vermögen rechtliche Unterschiede im Ausmaß
des Anrechnungsschutzes abzuleiten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob - wie das Berufungsgericht meint - das
aus laufenden Rentenleistungen angesammelte Vermögen als "Surrogat" an die Stelle des anrechnungsfreien Renteneinkommens getreten
ist.
Aus dem Begriff der "Leistungen" in § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieser Begriff ist insbesondere
nicht zeitlich auf den Vorgang der jeweils monatlich wiederkehrenden Rentenauszahlung beschränkt. Denn Gegenstand des Anrechnungsschutzes
ist nicht die einzelne Leistungshandlung, sondern das Geleistete, das seinen Rechtsgrund im Stiftungsgesetz findet. Auch die
Eigenart der Rente als einer wiederkehrenden Leistung nimmt den unverbrauchten Rentenbeträgen mit Ablauf der Zeitabschnitte,
in dem und für den sie ausgezahlt worden sind, nicht etwa die Eigenschaft einer Leistung nach dem Stiftungsgesetz. Denn der
Rechtsgrund der Leistung bleibt unverändert bestehen. Rentengeld, das nicht ausgegeben, sondern - auch in Form von mündelsicheren
Anlagen (§§
1806,
1807 BGB) - angespart wird, ist noch das aus Stiftungsmitteln geleistete Geld und kein aliud. Der vorliegende Rechtsstreit gibt keinen
Anlaß, die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage zu vertiefen, ob und inwieweit sich der Anrechnungsschutz nach § 21 Abs.
2 Satz 1 StiftG auch auf mit Stiftungsmitteln erworbene Gegenstände (z.B. Grund- oder Wohnungseigentum) erstreckt.
Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß allein der rechtlich umfassende Anrechnungsschutz der Rentenleistungen
dem Sinn und Zweck des Stiftungsgesetzes gerecht wird. Dieses Gesetz will Benachteiligten und Behinderten in Beruf und Gesellschaft
Entwicklungschancen eröffnen. Die Stiftung hat den Zweck, den Leistungsberechtigten über die in anderen Gesetzen vorgesehenen
Leistungen hinaus Hilfe zu gewähren (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. VI/926, S. 6). § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG soll
daher sicherstellen, daß die Leistungen nach diesem Gesetz zusätzlich erbracht werden und den Berechtigten - abgesehen von
der im vorliegenden Fall nicht eingreifenden Beschränkung in § 21 Abs. 2 Satz 2 StiftG - ungeschmälert zugute kommen (vgl.
BT-Drucks. VI/926, S. 7, zu § 4 und § 5 des Gesetzentwurfs).
Gemessen an dieser Zielrichtung würde die Ansicht des Beklagten, daß die Rentenersparnisse der Klägerin (als Vermögen) nicht
dem Anrechnungsschutz des § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG unterliegen, zu Widersprüchen im Gefüge des Gesetzes und bei seiner Anwendung
führen. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 StiftG ist die Rente nämlich auf Antrag zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb eigenen
Grundbesitzes (oder eines gleichgestellten Wohnrechts) verwendet wird; im übrigen kann die Rente auf Antrag teilweise kapitalisiert
werden, wenn dies im Interesse des Behinderten liegt (§ 14 Abs. 3 Satz 4 StiftG). Das Nähere regelt § 10 Abs. 3 Satz 3 der
Satzung der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 12. Dezember 1972 (BAnz. Nr. 237 vom 19. Dezember 1972). Danach
liegt ein Interesse des Behinderten an der Kapitalisierung der Rente vor, wenn konkrete Bedürfnisse des Behinderten zu befriedigen
sind, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung stehen, wie z.B. operative oder prothetische Versorgung, Ausbildung,
Beschaffung von speziellen Wohnungseinrichtungen, Einrichtungen zur Schaffung einer beruflichen Existenz. Kapitalisierte Rentenbeträge
sind zweifellos nach § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG vor Anrechnung auf Sozialhilfeleistungen geschützt. Es liefe dem Schutzzweck
des Gesetzes zuwider und wäre auch gesetzessystematisch unverständlich, wenn der Behinderte, der seine Rente nicht vorweg
kapitalisieren läßt, sondern die monatlichen Rentenleistungen schrittweise anspart, um z.B. einen schädigungsbedingten Mehrbedarf
der genannten Art zu decken, keinen Anrechnungsschutz nach § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG genießen würde.
Dem Berufungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, daß Sparkassen- oder Bankzinsen auf Anlagevermögen, das sich aus Stiftungsmitteln
zusammensetzt, nicht mehr nach § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG anrechnungsfrei sind. Denn derartige Zinsen sind keine Leistungen
nach dem Stiftungsgesetz, sondern Leistungen Dritter, die auf anderen Rechtsvorschriften und nach diesen angeschlossenen Rechtsgeschäften
beruhen. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts und der darin liegenden Beschränkung des Anrechnungsschutzes auf Leistungen
nach dem Stiftungsgesetz scheidet auch eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 Satz 1 StiftG auf Zinsen der genannten Art aus.
Diese Zinsen hat die Klägerin zur Deckung der Heimkosten im streitbefangenen Zeitraum einzusetzen, soweit sie den Betrag von
4 000 DM übersteigen, der gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG vom 9. November 1970 (BGBl. I S. 1529) in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 6. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2O04) anrechnungsfrei ist.
Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt der Einsatz dieser Zinsen keine unbillige Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG dar. Denn das einzusetzende Zinsvermögen fällt im Verhältnis zur Höhe ihres gesamten aus Stiftungsleistungen gebildeten und
anrechnungsfreien Vermögens nicht erheblich ins Gewicht. Im übrigen ist weder aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts
noch aus den von ihm in Bezug genommenen Verwaltungs- und Gerichtsakten ersichtlich, daß der Einsatz dieser Zinsen eine angemessene
Lebensführung der Klägerin oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung für sie wesentlich erschweren würde
(vgl. § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG).
Nach alledem müssen die Revisionen der Klägerin und des Beklagten erfolglos bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf §
155 Abs.
1 Satz 1
VwGO, wobei ein Drittel der - dem Beklagten auferlegten - Kosten die unzulässige Revision gegen die Kostenentscheidung gemäß §
161 Abs.
2 VwGO betrifft. Gerichtskosten werden gemäß §
188 Satz 2
VwGO nicht erhoben.