Gründe:
I. Der klagende Landkreis begehrt vom beklagten Land die Erstattung von Aufwendungen, die ihm durch die Unterbringung des
minderjährigen Thomas G. in einem Kinderheim entstanden sind.
Thomas wurde 1970 als nichteheliches Kind geboren und lebte seitdem bei seinen Großeltern im Gebiet des Klägers. Seine Mutter
verzog im Jahre 1973 nach Bayern und kümmerte sich nicht mehr um ihn. Im August 1977 wurde er eingeschult, besuchte die Schule
jedoch nur am ersten Schultag. Seine Großeltern, die sich bereits im Rentenalter befanden, waren trotz Hilfestellungen durch
einen Sozialarbeiter des Klägers mit der Aufgabe, das Kind zu erziehen und für seinen regelmäßigen Schulbesuch zu sorgen,
überfordert.
Auf Anfrage des Jugendamts des Klägers lehnte die Mutter es ab, ihren Sohn bei sich aufzunehmen, und bat mit Erklärung vom
17. April 1978 darum, ihn einer Heimerziehung zuzuführen. Das Jugendamt holte eine psychologische Stellungnahme ein, die eine
heilpädagogische Unterbringung mit entsprechender Beschulung für dringend erforderlich hielt. Auf Veranlassung des Jugendamts
beantragte die Mutter daraufhin unter dem 4. Juli 1978 schriftlich, ihrem Sohn Freiwillige Erziehungshilfe zu gewähren. Das
Jugendamt leitete diesen Antrag mit einer ausführlichen psycho-sozialen Diagnose an den Beklagten weiter. In einer beigefügten
Stellungnahme empfahl es, dem Antrag stattzugeben, da eine konsequente, auf die Eigenart des Jungen eingehende Erziehung diesen
vor einer weiteren Fehlentwicklung bewahren könne, jedoch eine ambulante fürsorgerische Betreuung nicht mehr ausreiche und
auch eine Fremdunterbringung im Rahmen einer Hilfe nach den §§ 5 und 6 JWG verfehlt sei.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23. August 1978 ab, weil die personensorgeberechtigte Mutter ihren gewöhnlichen
Aufenthaltsort in P. habe und deshalb das dortige Jugendamt zuständig sei. Der Kläger empfahl er, den Minderjährigen nach
den §§ 5 und 6 JWG unterzubringen.
Daraufhin legte der Kläger die Antragsunterlagen erneut dem Beklagten vor und bat darum, den Antrag auf freiwillige Erziehungshilfe
zu entsprechen und den ablehnenden Bescheid aufzuheben. Thomas G. wurde am 31. August 1978 dem Kinderheim S. zugeführt und
dort untergebracht. Der Mutter und dem Träger des Kinderheims teilte der Kläger mit, daß er die Kosten für diese Unterbringung
vorläufig übernehmen werde.
Nach weiterem erfolglosen Schriftwechsel mit dem Beklagten hat der Kläger Klage auf Erstattung der verauslagten Zuführungs-
und Unterbringungskosten erhoben. Während dieses Verfahrens wies der Beklagte einen Widerspruch der Mutter des Minderjährigen
gegen den Bescheid vom 23. August 1978 als unzulässig, weil verspätet, zurück. Im März 1979 wurde der Mutter die elterliche
Gewalt entzogen und dem Jugendamt des Klägers übertragen. Einen daraufhin gestellten neuen Antrag, dem Minderjährigen Freiwillige
Erziehungshilfe zu gewähren, gab der Beklagte am 3. Mai 1979 statt. Diese Hilfe wurde weiterhin im Kinderheim S. durchgeführt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erstattung der in der Zeit vom 31. August 1978 bis zum 2. Mai 1979 verauslagten Kosten
von insgesamt 20 551 DM abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Das Begehren des Klägers finde seine Rechtsgrundlage in § 105 SGB X. Der Minderjährige hätte in der Zeit, in der er sich vor der Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe im Heim aufgehalten habe,
bereits Freiwillige Erziehungshilfe erhalten müssen. Denn seine Betreuung in einem geordneten Erziehungsmilieu mit normaler
erzieherischer Intensität habe nicht ausgereicht, so daß die Erziehung unter verstärkte Aufsicht und Betreuung habe fortgesetzt
werden müssen. Für die Gewährung dieser Freiwilligen Erziehungshilfe sei entsprechend § 11 JWG das Landesjugendamt des Beklagten
zuständig gewesen. Die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Auch die Bestandskraft
des Bescheides vom 23. August 1978 schließe diesen Erstattungsanspruch nicht aus.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten. Dieser meint, der Erstattungsanspruch scheide schon deshalb aus,
weil das Landesjugendamt örtlich nicht zuständig gewesen sei, und rügt im übrigen Verletzung des § 105 SGB X.
II. Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Beklagten dem Grunde
nach für verpflichtet gehalten, dem Kläger die aus der Heimunterbringung von Thomas G. entstandenen Aufwendungen zu erstatten.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich dieser Erstattungsanspruch jedoch nicht aus § 105 SGB X, sondern bereits aus § 102 SGB X in Verbindung mit §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I, so daß § 105 SGB X unanwendbar ist.
Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet
ist, kann nach §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen mit der Folge, daß nach § 102 SGB X der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig ist. Die Voraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs
hat das Berufungsgericht, wie sein Hinweis auf sein Urteil vom 23. August 1989 - 4 L 56/89 - (FEVS 39, S. 378 ff.) erkennen läßt, offenbar deshalb verneint, weil es den Kläger nicht für den zuerst angegangenen Leistungsträger
gehalten hat. Das verletzt das Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO).
Der Senat hat in seinem zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom gleichen Tage im Verfahren BVerwG 5 C 33. 90
(zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt) entschieden, daß zuerst angegangen im Sinne von §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I der Leistungsträger ist, der von dem Berechtigten oder seinem Vertreter mündlich oder schriftlich zuerst mit dem Leistungsbegehren
befaßt wird. Das war nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Kläger, an dessen Jugendamt sich
die Mutter des Thomas G. am 17. April 1978 mit der Bitte wandte, ihren Sohn einer Heimerziehung zuzuführen. Damit war der
Hilfefall dem Jugendamt des Klägers unterbreitet und ein aktueller erzieherischer Bedarf angemeldet.
Welche erzieherischen Hilfen und Mittel des Staates ein erzieherischer Bedarf erfordert, läßt sich häufig erst nach eingehender
fachkundiger Prüfung durch einen Träger öffentlicher Jugendhilfe sagen. Das gilt insbesondere für Fälle wie den vorliegenden,
in denen der geltend gemachte aktuelle Erziehungsbedarf öffentliche Jugendhilfe außerhalb des Elternhauses in einer Familie
oder in einem Heim in Betracht kommen läßt. Derartige Hilfen können sowohl in der rechtlichen Form der Hilfen zur Erziehung
nach den §§ 5 und 6 JWG als auch im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe (§§ 62 f., 69 Abs. 1 und 3 JWG) gewährt werden
(vgl. § 6 Abs. 2 und § 69 Abs. 3 Satz 1 JWG). Für Hilfen zur Erziehung nach den §§ 5 und 6 JWG ist das Jugendamt zuständig,
während Freiwillige Erziehungshilfe vom Landesjugendamt - wenn auch unter Beteiligung des Jugendamtes - ausgeführt wird (§
20 Abs. 1 Nr. 6, § 69 Abs. 1 JWG). Die Abgrenzung zwischen beiden Hilfearten erfolgt nach der Schwere und dem Ausmaß der Entwicklungsstörung
des Minderjährigen und nach dem dadurch veranlaßten Erziehungsbedarf (vgl. BVerwGE 77, 30 [33 f.]), ist aber im Einzelfall schwierig und von den Eltern des Minderjährigen oder sonstigen Personensorgeberechtigten,
wenn sie über keine spezifische Fachkunde verfügen, in der Regel nicht zu leisten.
Tritt ein vom Hilfesuchenden zuerst angesprochenes Jugendamt in diese Prüfung ein, wird es nicht nur als, Beratungs- Annahme-
und Übermittlungsstelle für ein an das Landesjugendamt gerichtetes Leistungsbegehren tätig, sondern auch und zuerst in eigener
Zuständigkeit. Der an das Landesjugendamt gerichtete Antrag auf Freiwillige Erziehungshilfe stellt sich dann lediglich als
rechtliche Konsequenz der vorangegangenen Befassung des Jugendamtes mit dem Hilfefall und der durch sie gewonnenen Einsicht
dar, daß dem konkreten erzieherischen Bedarf mit den Mitteln des örtlichen Jugendhilfeträgers nicht abgeholfen werden kann.
In Fällen dieser Art ist deshalb der örtliche Träger der Jugendhilfe der zuerst angegangene Leistungsträger im Sinne des §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I.
Das trifft nach dem Inhalt der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge auch auf das hier zu beurteilende
Jugendhilfebegehren zu. Thomas' Mutter hatte sich an das Jugendamt des Klägers am 17. April 1978 mit einem rechtlich noch
nicht näher spezifizierten Begehren auf Jugendhilfe außerhalb des Elternhauses gewandt. Das Jugendamt hat dieses Hilfebegehren
ausweislich des Schreibens vom 23. Juni 1978, mit dem es das Stadtjugendamt P. im Wege der Amtshilfe bat, einen Antrag auf
Gewährung freiwilliger Erziehungshilfe von der personensorgeberechtigten Mutter unterschreiben zu lassen, geprüft und ist
zu dem Ergebnis gekommen, daß Hilfen nach den §§ 5, 6 JWG nicht mehr ausreichten, vielmehr freiwillige Erziehungshilfe geboten
war. Der dadurch veranlaßte Antrag der Mutter vom 4. Juli 1978 war lediglich Folge dieser Erkenntnis und machte diese für
alle Beteiligten sichtbar.
Die weiteren Voraussetzungen des §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I sind hier ebenfalls erfüllt. §
43 SGB I erfaßt auch Zuständigkeitskonflikte zwischen Leistungsträgern desselben Sozialleistungsbereichs, die auf Meinungsverschiedenheiten
über die sachliche Zuständigkeit des jeweils anderen Trägers im konkreten Fall beruhen und in diesem Sinne über alternative
Leistungspflichten geführt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 1992 - BVerwG 5 C 33.905 C 33.90 [BVerwGE 91, 177]- zur Jugendhilfe; BVerwGE 89, 81 [83 f.] sowie Beschluß vom 29. Oktober 1992 - BVerwG 5 B 87.92 - [Beschlußabdruck S. 3] zur Sozialhilfe). Gerade bei Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Jugendamt und Landesjugendamt,
die die Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe betreffen, besteht ein besonderes Bedürfnis, dem Berechtigten durch Einräumung
eines Vorleistungsanspruchs nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB I ein Mittel an die Hand zu geben, um seinen Anspruch auf öffentliche Jugendhilfe unkompliziert, schnell und damit bedarfsgerecht
durchsetzen zu können. Diesem besonderen Schutzbedürfnis wird weder durch § 105 SGB X noch durch § 11 Satz 2, § 83 JWG in Verbindung mit § 103 BSHG Rechnung getragen. Denn § 105 SGB X gewährt dem Jugendhilfeberechtigten keinen Anspruch auf (Vor-)Leistung durch den unzuständigen Leistungsträger, und § 11
Satz 2 JWG beschränkt die Zuständigkeit des Jugendamts auf vorläufige Maßnahmen, gilt also nicht für Hilfeleistungen, die
- wie die Heimunterbringung des Thomas G. - von Anfang an auf Dauer angelegt sind (vgl. BVerwGE 74, 206 [216]).
Aus den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, gegen die zulässige und begründete Revisionsrügen
nicht vorgebracht sind und an die das Bundesverwaltungsgericht deshalb gemäß §
137 Abs.
2 VwGO gebunden ist, ergibt sich, daß die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe im Falle des
Thomas G. in der hier maßgebenden Zeit (31. August 1978 - 2. Mai 1979) vorlagen. Weiterhin kann nicht zweifelhaft sein, daß
Thomas G. durch die Heimunterbringung seit dem 31. August 1978 diese Leistung auch tatsächlich erhalten hat. Der zwischen
den Beteiligten nicht streitige Umstand, daß der Minderjährige auch nach dem 3. Mai 1979, an dem die Beklagte dem Antrag auf
Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe stattgegeben hat, im selben Heim wie zuvor untergebracht blieb, zeigt, daß die Art
der Hilfeleistung bis zum 2. Mai 1979 nicht anders zu beurteilen war.
Schließlich steht aufgrund des Inhalts der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge fest, daß die Kläger
die dem Minderjährigen geleistete Hilfe nur vorläufig erbracht hat, weil er von der Zuständigkeit des Beklagten ausging und
im Vorgriff für diesen tätig werden wollte. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten war nämlich - was §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I weiter voraussetzt - streitig, wer zu der dem Minderjährigen gewährten Leistung verpflichtet war. Von einem Zuständigkeitsstreit
im Sinne dieser Regelung kann dann gesprochen werden, wenn ein Leistungsträger, der seine Zuständigkeit verneint, den Leistungsantrag
an denjenigen Leistungsträger weitergeleitet hat, den er für zuständig hält, dieser jedoch die Meinung des abgebenden Trägers
nicht teilt, weil er diesen selbst oder einen weiteren Leistungsträger für zuständig hält. So lagen die Dinge hier. Der Kläger
hielt die in seiner eigenen Zuständigkeit liegende Gewährung von Hilfe nach den §§ 5 und 6 JWG für verfehlt, weil die Voraussetzungen
hierfür nicht erfüllt seien, und die Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe für notwendig, wofür der Beklagte örtlich und
sachlich zuständig sei. Der Beklagte hatte jedoch den darauf gerichteten Antrag wegen fehlender (örtlicher) Zuständigkeit
abgelehnt und statt dessen eine Unterbringung durch den Kläger nach den §§ 5 und 6 JWG empfohlen.
Der Beklagte hat die Aufwendungen für die Zeit vom 31. August 1978 bis zum 2. Mai 1979, die sich nach den Feststellungen im
Berufungsurteil auf den eingeklagten Betrag von 20 551 DM belaufen, nach § 102 SGB X zu erstatten, weil er, nicht dagegen der Kläger, verpflichtet war, den sich aus § 62 JWG ergebenden Anspruch des Minderjährigen
auf Unterbringung im Rahmen der Gewährung freiwilliger Erziehungshilfe zu erfüllen. Die örtliche Zuständigkeit des Landesjugendamts
des Beklagten hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht bejaht. Dies ergibt sich zwar weder aus dem Wortlaut des Gesetzes,
das keine ausdrückliche Regelung der örtlichen Zuständigkeit des Landesjugendamts für die Freiwillige Erziehungshilfe enthält,
noch aus der Entstehungsgeschichte, die zu dieser Frage ebenfalls schweigt, wohl aber aus dem Regelungszusammenhang sowie
aus Sinn und Zweck des Gesetzes.
§ 11 JWG regelt - vorbehaltlich ausdrücklich vorgesehener Ausnahmen - die örtliche Zuständigkeit des Jugendamts bei allen
ihm durch das Jugendwohlfahrtsgesetz übertragenen Aufgaben (vgl. BayVGH, Urteil vom 13. Juni 1969 - 304 I 67 - [ZfF 1970,
S. 55 f.]). Dazu gehört auch die in § 4 Nr. 3 JWG erwähnte Aufgabe des Jugendamts, gemäß den einschlägigen Vorschriften des
Gesetzes bei der Freiwilligen Erziehungshilfe mitzuwirken, also gemäß § 63 Sätze 2 und 3 JWG den hierauf gerichteten Antrag
entgegenzunehmen und mit einer eigenen Stellungnahme weiterzuleiten sowie gemäß § 69 Abs. 1 JWG an der Ausführung durch das
Landesjugendamt teilzunehmen (vgl. BayVGH, aaO., Urteil vom 12. Dezember 1985 - 12 B 82 A.2700 - [BayVBl. 1986, 404]). Aus
dieser gesetzlich vorgesehenen Beteiligung des örtlich zuständigen Jugendamts bei Gewährung und Ausführung der Freiwilligen
Erziehungshilfe folgt ohne weiteres die örtliche Zuständigkeit desjenigen Landesjugendamts, das dem örtlich zuständigen Jugendamt
übergeordnet ist. Allein dies entspricht dem Zweck des Jugendwohlfahrtsgesetzes. Es stellt zum Wohle der Kinder ein System
der abgestuften, vom Bedarf im Einzelfall abhängigen Hilfe zur Verfügung. Dabei richtet es die Zuständigkeit des Jugendamts
an dem für die sachgerechte Beurteilung dieses Bedarfs wesentlichen Gesichtspunkt der Ortsnähe zu dem hilfebedürftigen Minderjährigen
aus und sieht zur Sicherung einer gleichmäßigen Erfüllung der den bedarfsnahen Jugendämtern obliegenden Aufgaben sowie zur
Unterstützung ihrer Arbeit die Errichtung von Landesjugendämtern vor (§ 19 Abs. 1 JWG). Den letzteren überträgt das Jugendwohlfahrtsgesetz
unter Beteiligung des jeweils zuständigen Jugendamts Gewährung und Ausführung der Freiwilligen Erziehungshilfe, weil sie umfassendere
und bessere Spezialkenntnisse über die einzelnen Erziehungsheime besitzen und auf Dauer größere Erfahrungen auf dem Gebiet
der Freiwilligen Erziehungshilfe erwerben (vgl. BT-Drs. III/2226, S. 29). Unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die örtliche
Zuständigkeit zwischen Jugendamt und Landesjugendamt wären mit diesem Gesetzeszweck ebenso unvereinbar wie unterschiedliche
Zuständigkeiten von Jugendämtern für die Hilfe zur Erziehung nach § 6 Abs. 1 JWG einerseits und die Mitwirkung bei der Freiwilligen
Erziehungshilfe andererseits.
Der in der Literatur sowie von der Revision hervorgehobene Gesichtspunkt, es komme nach § 62 JWG wesentlich auf die Mitarbeit
der Personensorgeberechtigten an, so daß an deren gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen sei, berücksichtigt nicht genügend,
daß gemäß § 3 Abs. 3 JWG die Zusammenarbeit mit den Personensorgeberechtigten bei allen Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe
anzustreben ist und daß die Mitarbeit der Personensorgeberechtigten bei den weniger intensiven Formen der öffentlichen Jugendhilfe
- wie bei den Hilfen nach den §§ 5 und 6 JWG - noch mehr erforderlich ist als die der Freiwilligen Erziehungshilfe, die in
der Regel zur Trennung des Kindes von seiner eigenen Familie führt (vgl. § 69 Abs. 3 JWG). Gleichwohl knüpft § 11 JWG die
Zuständigkeit des Jugendamts auch für jene noch stärker familienbezogenen Hilfen an den gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen
und läßt damit erkennen, daß dessen Bedürfnisse, die das ortsnahe Jugendamt in der Regel am besten ermitteln kann, den vorrangigen
Maßstab für Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe bilden sollen. Dem entspricht es, daß § 62 JWG auch dem Minderjährigen
selbst einen Anspruch auf Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe zuerkennt (vgl. BVerwGE 67, 256 [259]; 74, 206 [211], 77, 30 [31 f.]; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 5 C 34.86 - [Buchholz 436.51 § 81 JWG Nr. 6]), der allerdings mit Rücksicht auf das in § 1 Abs. 2 JWG hervorgehobene elterliche Erziehungsrecht
von der Bereitschaft der Personensorgeberechtigten, die Durchführung dieser Hilfe zu fördern, und von einem ihnen vorbehaltenen
Antrag abhängt. Auch das von der Revision zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung herangezogene, im vorliegenden Fall
noch nicht anwendbare Achte Buch Sozialgesetzbuch erklärt in § 85 Abs. 2 das Jugendamt für zuständig, in dessen Bereich sich
der Minderjährige in den letzten drei Monaten vor Beginn der Maßnahme überwiegend aufgehalten hat, wenn er - wie hier - mit
keinem Elternteil in diesem Zeitraum zusammengelebt hat.
Gemäß § 11 Satz 1 JWG für den Minderjährigen örtlich zuständig war im vorliegenden Fall das Jugendamt des Klägers. Denn der
Minderjährige hatte, wie sich aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen ergibt, seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Gebiet des Klägers. Daraus folgt die Zuständigkeit des dem Jugendamt des Klägers übergeordneten Landesjugendamts
des Beklagten für die Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe.
Der Feststellung, daß der Beklagte zu der vom Kläger vorläufig erbrachten Gewährung Freiwilliger Erziehungshilfe an den Minderjährigen
verpflichtet war, steht schließlich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht der bestandskräftige Ablehnungsbescheid des
Beklagten vom 23. August 1978 entgegen. Daß Bestandskraft, Tatbestands- und Bindungswirkung ablehnender Bescheide des erstattungspflichtigen
Leistungsträgers Erstattungsansprüchen des aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegengehalten
werden können, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 12. September 1991 - BVerwG 5 C 52.88 - (BVerwGE 89, 39 [45 f.]) eingehend dargelegt. Die dort angeführten Gründe zu vertiefen, gibt der Vortrag der Revision keinen Anlaß. Auch
die in §
43 Abs.
1 Satz 1
SGB I normierte Vorleistungsbefugnis bei Kompetenzkonflikten schließt es aus, dem ablehnenden Bescheid eines an diesem Kompetenzkonflikt
beteiligten Leistungsträgers eine für den Erstattungsanspruch des Vorleistenden vorgreifliche Verbindlichkeit beizumessen.
Insoweit gilt hier nichts anderes, als was der Senat in seinem Urteil vom 12. September 1991 (aaO. S. 46 f.) zu den Vorleistungsnormen
des § 28 Abs. 5 Satz 1 SchwbG F. 1979 und § 6 Abs. 2 RehaAnglG ausgeführt hat. Diese Erwägungen müssen erst recht gelten, wenn - wie hier - die Ablehnung nicht aus Gründen des materiellen
Rechts, sondern ausschließlich wegen Fehlens der Zuständigkeit erfolgte.
Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen nach §
154 Abs.
2 VwGO dem Beklagten zur Last. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus §
188 Satz 2
VwGO, der auch für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Rechtsträgern der öffentlichen Hand gilt (BVerwGE 47, 233 [238]).