Voraussetzungen für eine auswärtige Unterbringung und Betreuung einer behinderten Auszubildenden in einem Internat; Zusammenhang
zwischen Unterbringung und Betreuung einer Auszubildenden mit der Ausbildung; Ermöglichung des Besuchs einer der Behinderung
der Auszubildenden entsprechenden schulischen Ausbildungsstätte; Anforderungen an den unmittelbaren Zusammenhang i.S.d. §
14a Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG); Anspruch auf Übernahme der Internatskosten; Anforderungen an eine bedarfsgerechte Ausbildung für Menschen mit Behinderung
Gründe
I
Der Kläger begehrt als Träger der Sozialhilfe die Feststellung, dass die im Jahre 1991 geborene Auszubildende B. D. gegen
den Beklagten einen Anspruch auf erhöhte Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz wegen ihrer Unterbringung in einem Internat für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler hat.
Die Auszubildende leidet an einer erheblichen Schwerhörigkeit sowie an einer Beeinträchtigung des Sehvermögens. Das Versorgungsamt
S. bescheinigte ihr einen Grad der Behinderung von 100. Der Ausweis enthält u.a. die Merkzeichen B (Notwendigkeit ständiger
Begleitung) und H (hilflos im Sinne des §
33b EStG), nicht aber GI (gehörlos im Sinne des §
145 SGB IX) und BI (blind im Sinne des §
72 Abs. 5 SGB XII). Seit 1998 erhält B. D. Leistungen nach dem Landesgesetz über Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG).
Die Auszubildende erwarb nach Abschluss der Klasse 10 B zum Ende des Schuljahres 2006/2007 an der Förderschule des Klägers,
Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation, in O. die Fachoberschulreife. Seit dem 6. August 2007 besuchte sie die gymnasiale
Oberstufe an dem vom Landschaftsverband R. unterhaltenen R.-W. Berufskolleg E., Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Hören
und Kommunikation. Zunächst befand sie sich in einer Vorklasse zur Vorbereitung auf Bildungsgänge, welche die Fach- bzw. allgemeine
Hochschulreife vermitteln.
Seit Beginn dieses Schulbesuchs lebte die Auszubildende während der Schulzeit in einem in der Nähe der Schule gelegenen, vom
D. E. unterhaltenen Internat für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler. Diese werden dort durch Fachkräfte pädagogisch betreut,
die für den Umgang mit hörgeschädigten Jugendlichen ausgebildet sind. Außerdem werden nach Bedarf allgemeine Pflegedienstleistungen
erbracht. Für den Aufenthalt in der Einrichtung ist eine Vergütung von täglich 66,77 EUR zu zahlen. Dieser Betrag entspricht
einer Vergütungsvereinbarung zwischen dem Träger der Einrichtung und dem Landschaftsverband R. Diese Betreuungs- und Wohnkosten
sind unabhängig davon zu zahlen, ob und in welchem Umfang neben Unterkunft, Verpflegung und pädagogischer Betreuung Pflegedienstleistungen
in Anspruch genommen werden.
Einen über den Einrichtungsträger gestellten Antrag der Auszubildenden auf Leistungen der Pflegeversicherung für ihre Unterbringung
lehnte die AOK W.-L. im Oktober 2007 mit der Begründung ab, ein Pflegeaufwand für die Körperpflege, die Ernährung oder die
Mobilität entstehe im vorliegenden Fall nicht.
Mit Bescheid vom 20. August 2007 übernahm der Kläger gegenüber der Auszubildenden die Kosten ihrer Betreuung in dem Internat
bis zum 31. Juli 2008 im Rahmen der Sozialhilfe (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB
XII.
Im August 2007 unterrichtete der Kläger den Beklagten über den vorbezeichneten Leistungsfall und beantragte gemäß § 95 SGB
XII Ausbildungsförderung für die Unterbringung in dem Internat. Auf Veranlassung des Klägers stellte die Auszubildende im
September 2007 einen förmlichen Antrag auf Ausbildungsförderung beim Beklagten. Mit Bescheid vom 29. November 2007 bewilligte
der Beklagte der Auszubildenden für die Zeit von August 2007 bis einschließlich Juni 2008 Ausbildungsförderung in Höhe von
monatlich 348 EUR, die er an den Kläger auszahlte. Die Übernahme weiterer Leistungen, nämlich der gesamten Internatskosten,
lehnte er ab, weil es sich bei den Internatskosten um behinderungsbedingte Aufwendungen handele, die nicht im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung stünden, so dass sie von der Eingliederungshilfe zu tragen seien.
Mit der am 18. Dezember 2007 erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt die Aufhebung des Bescheides vom 29. November 2007, soweit
mit ihm ein Anspruch der Auszubildenden auf Übernahme der vollständigen Kosten der Internatsunterbringung abgelehnt wird,
und die Feststellung dieses Anspruches begehrt. Die streitigen Kosten der Internatsunterbringung stünden in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Ausbildung und seien zur Erreichung des Ausbildungszieles notwendig, weil eine geeignete Ausbildungsstätte
vom Wohnort der Eltern aus nicht erreichbar sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei zwar nach § 95 Satz 1 SGB XII berechtigt, den Anspruch der Auszubildenden auf zusätzliche Ausbildungsförderung nach §
14a BAföG i.V.m. §§
6 und
7 HärteV im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen. Dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor.
Die Kosten der Internatsunterbringung stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung, weil die Kosten im Wesentlichen
durch die Hörbehinderung der Auszubildenden bedingt seien. Die Hilfeempfängerin sei in dem Internat untergebracht, damit sie
durch die dort gebotene Förderung im Stande sei, die speziell auf Hörgeschädigte ausgerichtete Schule des Landschaftsverbandes
R. in E. mit Erfolg besuchen zu können. Dass die Auszubildende auf die Schule in E. angewiesen sei, weil eine geeignete Förderschule
am Wohnort ihrer Eltern nicht verfügbar sei, der Aufenthalt in dem Internat diesem Schulbesuch diene und zur Erreichung des
Ausbildungsziels erforderlich sei, beruhe auf einem überwiegend behinderungsbedingten Grund, weil die Auszubildende gerade
wegen ihrer Behinderung die Förderschule in E. besuche und in dem nahegelegenen, sie weiter fördernden Internat wohne. Das
sozialpolitische Ziel der Behindertenförderung, ihr einen behindertengerechten Schulbesuch zu ermöglichen, stehe im Vordergrund;
demgegenüber trete das ebenfalls verfolgte Ziel der Ausbildungsförderung zurück.
Dies entspreche auch der zu § 10 Abs. 5 AföG a.F. ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der Ausbildungsförderung
nicht die Betreuung von behinderten Auszubildenden erfasse, soweit es um Hilfen gehe, mit denen die besonderen, behinderungsbedingten
Aufwendungen aufgefangen werden sollten. Sie sei auf §
14a BAföG übertragbar, weil diese Vorschrift im Wesentlichen mit der Vorgängerregelung des §
12 Abs.
5 BAföG (in der Fassung vom 26. August 1971, BGBl. I S. 1409) übereinstimme, der seinerseits die Regelung des § 10 Abs. 5 AföG übernommen habe.
Gegen einen im Sinne des §
14a BAföG hinreichenden Zusammenhang spreche ferner dessen Entstehungsgeschichte, die nicht darauf weise, dass der Gesetz- oder Verordnungsgeber
die ihm bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe grundlegend ändern und Kosten der hier streitigen Art der
Ausbildungsförderung zuordnen wollen. Die Regelungen der Eingliederungshilfe gingen detaillierter auf die spezifische Ausbildungssituation
junger Behinderter ein, wie u.a. die Regelungen zum Gesamtplan zeigten, den der Träger der Sozialhilfe gemäß § 58 SGB XII
zur Durchführung der einzelnen Leistungen frühzeitig aufzustellen habe. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Klägers
hätten dieser Plan und seine Durchführung lediglich noch für das der Auszubildenden über die Eingliederungshilfe gewährte
Taschengeld, die Fahrtkostenerstattung für Familienheimfahrten und ggf. für Bekleidungsbeihilfen Bedeutung. Diese detaillierten
Regelungen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe würden in vielen Fällen durch die Anwendung der allgemeinen ausbildungsförderungsrechtlichen
Härteverordnung weitgehend gegenstandslos, obwohl letztere nach Wortlaut und historischer Entwicklung nicht auf die besondere
Situation behinderter Auszubildender ausgerichtet sei.
Mit der von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt eine
Verletzung des §
14a BAföG i.V.m. §§
6,
7 HärteV sowie des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes (§
2 SGB XII).
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
II
Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO) einen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung für die Internatsunterbringung der Auszubildenden abgelehnt. Entgegen
seiner Auffassung stehen die hier strittigen Internatskosten im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG in einem "unmittelbaren Zusammenhang" mit der Ausbildung. Denn es gibt in einer die tägliche Rückkehr zum Wohnort der Eltern
zulassenden Entfernung keine auf die Behinderung der Auszubildenden ausgerichtete Ausbildungsstätte. Erst die Internatsunterbringung
ermöglicht dieser den Besuch einer solchen Ausbildungsstätte und damit eine ihrer Behinderung entsprechende Ausbildung.
Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass der Kläger nach § 95 SGB XII hier zulässigerweise die Feststellung
der ausbildungsförderungsrechtlichen Leistungsberechtigung der Auszubildenden betrieben hat und die allgemeinen Voraussetzungen
der Gewährung von Ausbildungsförderung vorliegen. Zu entscheiden ist allein, ob in Bezug auf die Kosten der Internatsunterbringung
der Auszubildenden nach §
14a Satz 1
BAföG i.V.m. §§
6,
7 der Verordnung über Zusatzleistungen in Härtefällen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz - HärteV - (vom 15. Juli 1974, BGBl. I S. 1449, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 19. März 2001, BGBl. I S. 390) Zusatzleistungen der Ausbildungsförderung zu gewähren sind. Dies ist der Fall.
Die Internatskosten sind zwar nicht schon deswegen zu übernehmen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 HärteV
erfüllt sind; die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung sind für die Auslegung und Anwendung der Verordnungsregelung
mit heranzuziehen (1.). Die Internatskosten sind auch nicht als Unterkunftskosten im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 2
BAföG übernahmefähig (2.). Diese Aufwendungen sind jedoch im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG zur Erreichung des Ausbildungszieles notwendig und stehen in einem "unmittelbaren Zusammenhang" mit der Ausbildung (3.).
1.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der Internatskosten kommt hier nur §
14a BAföG i.V.m. §§
6,
7 HärteV in Betracht. Die Leistungsvoraussetzungen der Verordnungsermächtigung des §
14a BAföG müssen auch ohne ausdrückliche Wiederholung im Verordnungstext erfüllt sein. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 HärteV
ist für sich allein nicht anspruchsbegründend.
Nach §
14a Satz 1
BAföG kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass bei einer Ausbildung im Inland Ausbildungsförderung über
die Beträge nach §
12 Abs.
1 und
2, §
13 Abs.
1 und
2 sowie §
13a BAföG hinaus geleistet wird zur Deckung besonderer Aufwendungen des Auszubildenden für seine Ausbildung, wenn die Aufwendungen
hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen und soweit dies zur Erreichung des Ausbildungszieles notwendig ist (Nr. 1), oder
für seine Unterkunft, soweit dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist (Nr. 2). Diese Ermächtigung hat der Verordnungsgeber
mit der Härteverordnung ausgefüllt. Nach § 6 Abs. 1 HärteV wird einem Auszubildenden, dessen Bedarf sich nach § 12 Abs. 2
oder nach §
13 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. Abs.
2 Nr.
2 BAföG bemisst, Ausbildungsförderung zur Deckung der Kosten der Unterbringung in einem Internat oder einer gleichartigen Einrichtung
gewährt, soweit sie den nach diesen Bestimmungen des Gesetzes maßgeblichen Bedarfssatz übersteigen. Internat in diesem Sinne
ist ein der besuchten Ausbildungsstätte angegliedertes Wohnheim, in dem der Auszubildende außerhalb der Unterrichtszeit pädagogisch
betreut wird und in Gemeinschaft mit anderen Auszubildenden Verpflegung und Unterkunft erhält, oder ein selbständiges, keiner
Ausbildungsstätte zugeordnetes Wohnheim, das einem gleichartigen Zweck dient (§ 6 Abs. 2 HärteV). Das Wohnheim muss nach landesrechtlichen
Vorschriften der Schulaufsicht oder der Aufsicht des Landesjugendamtes unterstehen (§ 6 Abs. 3 HärteV).
Diese Voraussetzungen des § 6 HärteV sind hier erfüllt. Denn die Auszubildende ist in einem Internat oder einer gleichartigen
Einrichtung untergebracht, in dem sie neben der Unterbringung und Verpflegung auch pädagogisch betreut wird. Ihr Bedarf richtet
sich nach §
12 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 und Satz 2
BAföG, weil sie nicht bei ihren Eltern wohnt und Schülerin einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule ist. Auch die Voraussetzungen
des §
2 Abs.
1a Satz 1
BAföG liegen vor, weil von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist. Schließlich
erfüllt das in der Nähe der Schule gelegene, vom Diakoniewerk E. unterhaltene Internat für hörgeschädigte Schülerinnen und
Schüler - wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - die Voraussetzungen des § 6 Abs.
2 und 3 HärteV.
Allein hieraus folgt indes kein Anspruch auf Zusatzleistungen der Ausbildungsförderung. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend
davon ausgegangen, dass bei der Anwendung und Auslegung des §
6 HärteV die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm des §
14a BAföG selbst mit zu berücksichtigen sind (s. etwa BayVGH, Urteil vom 10. Januar 2007 - 12 B 06.1996 -; Beschluss vom 12. November
2001 - 12 B 98.2866 -; OVG Münster, Urteil vom 10. November 1982 - 16 A 582/81 - FEVS 33, 256). Nur bei dieser Auslegung hält sich § 6 HärteV in dem nach Art.
80 Abs.
1 GG verfassungsrechtlich verbindlichen Rahmen der Ermächtigungsnorm. Das nicht im Wortlaut des § 6 HärteV enthaltene Erfordernis eines "unmittelbaren" Zusammenhanges von Internatskosten mit der Ausbildung (§
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG) wird daher in der Verordnungsregelung vorausgesetzt.
2.
Die Kosten einer § 6 HärteV entsprechenden Internatsunterbringung sind keine "Unterkunftskosten" im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 2
BAföG, für die aufgrund der Verordnungsermächtigung Zusatzleistungen bereits dann gewährt werden können, wenn dies zur Vermeidung
unbilliger Härten erforderlich ist.
§ 6 HärteV sieht keine isolierte Übernahme von Unterkunftskosten vor, sondern nur von Internatskosten, die weitere Bestandteile
enthalten müssen, um überhaupt Zusatzleistungen zu ermöglichen. Die Aufwendungen für die Internatsunterbringung beschränken
sich nicht auf die zur Deckung des Unterkunftsbedarfs erforderlichen Leistungen; insoweit knüpft §
14a Satz 1 Nr.
2 BAföG an den - ausbildungsförderungsrechtlich (§
12 Abs.
2 und
3, §
13 Abs.
2 und
3 BAföG), grundsicherungsrechtlich (§ 22 SGB II), sozialhilferechtlich (§ 29 SGB XII) und auch wohngeldrechtlich (§§ 1 ff. WoGG) vorgeformten - Begriff der Unterkunftskosten an, ohne ihn für § 6 HärteV zu erweitern. Für die nach § 6 HärteV allein zu fördernde Internatsunterbringung sind die als Leistungsvoraussetzung
erforderliche pädagogische Betreuung und die Verpflegung mit der Unterkunftsgewährung zu einer einheitlichen Leistungsgewährung
verschmolzen; Verpflegung und Betreuung sind keine Leistungsbestandteile, die sich als untergeordneter Annex zu den Unterkunftskosten
darstellen. Der Verordnungsgeber hatte überdies in der Erstfassung der Härteverordnung (vom 15. Juli 1974, BGBl. I S. 1449) die Zusatzleistungen bei Internatsunterbringung (§§ 6, 7 HärteV) von den Zusatzleistungen zu den Kosten der Unterkunft (§
8 HärteV <aufgehoben durch Art. 7 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung - Ausbildungsförderungsreformgesetz
[AföRG] vom 19. März 2001, BGBl. I S. 390>) getrennt.
Es ist daher nicht zu vertiefen, ob die Übernahme der Kosten der Internatsunterbringung zur Vermeidung einer unbilligen Härte
erforderlich wäre.
3.
Die für die Internatsunterbringung der Auszubildenden entstehenden Kosten, deren Höhe nicht im Streit steht (3.3), sind hier
zur Erreichung des Ausbildungsziels notwendig (3.1) und stehen im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG mit der Ausbildung in unmittelbarem Zusammenhang (3.2).
3.1
Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die auswärtige Unterbringung der Auszubildenden "zur Erreichung
des Ausbildungsziels notwendig" ist. Denn von der Wohnung der Eltern aus ist eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte
nicht erreichbar. Die Auszubildende hat in gleicher Weise wie Menschen ohne Behinderung das Recht auf eine ihrer Neigung,
Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung. Sie hat ferner in gleicher Weise wie Menschen ohne Behinderung einen Anspruch
auf individuelle Förderung einer derartigen Ausbildung nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, wenn ihr die
für ihren Lebensunterhalt oder ihre Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (§
1 BAföG). Sie kann daher nicht darauf verwiesen werden, eine Ausbildung zu wählen oder diese so zu gestalten, dass eine auswärtige
Unterbringung nicht notwendig wird. §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 BAföG unterstreicht, dass die dort genannten Ausbildungsstätten - auch im Rahmen einer etwaigen "Spezialisierung" - der Art nach
"wählbar" sind und sich bei gleichartigen Ausbildungsstätten Einschränkungen nur in Bezug auf die Ortswahl ergeben, indem
der Besuch einer entfernteren Ausbildungsstätte der in §
2 Abs.
1 Nr.
1 BAföG genannten Art dann nicht förderungsfähig ist, wenn von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte
(täglich) erreichbar ist. Der Anspruch auf eine nach Maßgabe ihrer Eignung und Fähigkeit bedarfs- und neigungsgerechte Ausbildung
umschließt bei Menschen mit Behinderung die Wahl einer Ausbildungsstätte, die ihrer Behinderung gerecht wird.
3.2
Die für die Unterbringung der Auszubildenden anfallenden Internatskosten stehen im Sinne des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG in einem "unmittelbaren Zusammenhang" mit der Ausbildung. Ein für die Gewährung zusätzlicher Leistungen der Ausbildungsförderung
hinreichender Zusammenhang besteht auch dann, wenn ein Auszubildender eine seiner Behinderung entsprechende Ausbildungsstätte
besuchen will, dies aber aufgrund der räumlichen Entfernung von Schul- und Wohnort eine Internatsunterbringung erforderlich
macht. Der Wortlaut der Regelung lässt eine Auslegung, dass der für die Leistungsgewährung erforderliche "unmittelbare Zusammenhang"
besteht, jedenfalls zu (3.2.1). Dieser Auslegung gebührt nach der Systematik des Ausbildungsförderungsrechts (3.2.2) und dem
Zweck der Regelung (3.2.4) der Vorzug, ohne dass die Entstehungsgeschichte dem entgegensteht (3.2.3).
3.2.1
Der Wortlaut des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG legt nahe, in Fällen der vorliegenden Art einen hinreichenden Zusammenhang anzunehmen, ohne dies zwingend vorzugeben. Der
Begriff des "unmittelbaren" Zusammenhangs ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Ein "unmittelbarer" Zusammenhang mit
der Ausbildung erfordert jedenfalls nicht, dass es sich in dem Sinne um Aufwendungen "für die" Ausbildung handelt, dass allein
Kosten für die ausbildungsbedingte Wissensvermittlung (z.B. Schulgeld) erfasst wären. Bei dieser Auslegung hätte § 6 HärteV
keinen Anwendungsbereich. Denn die Internatskosten sind (ungeachtet des Erfordernisses der pädagogischen Betreuung) gerade
nicht solche unmittelbar auf die Wissensvermittlung bezogene Kosten.
Ein nach §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG hinreichender unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Ausbildung und der Internatsunterbringung besteht vielmehr schon
dann, wenn ohne die auswärtige Unterbringung eine der Behinderung entsprechende Ausbildungsstätte nicht besucht werden könnte,
weil sie vom Wohnort der Eltern aus nicht täglich erreichbar ist, und die Internatsbetreuung nicht ausschließlich oder vorrangig
wegen der Art und Schwere einer Behinderung oder sonst zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe notwendig wird. Bei einer derart
aus Entfernungsgründen erforderlichen auswärtigen Unterbringung entfällt der unmittelbare Zusammenhang mit der Ausbildung
nicht schon deswegen, weil die Behinderung für die Wahl der speziellen Ausbildungsstätte (hier: gymnasiale Oberstufe an einer
Förderschule mit Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation) maßgebend ist und ohne die Behinderung eine wohnortnahe allgemeine
Ausbildungsstätte (hier: gymnasiale Oberstufe an einem allgemeinen Gymnasium) besucht werden könnte. Zahl und Standorte von
Ausbildungsstätten, die für die schulische oder berufliche Ausbildung von Menschen mit Behinderung geeignet sind, sind von
den Auszubildenden nicht zu beeinflussen und vom System der Ausbildungsförderung hinzunehmen. Die Internatsunterbringung hängt
in diesen Fällen zwar mit der Behinderung zusammen, welche die Wahl des Standortes der Ausbildungsstätte prägt; für die Unterbringung
in einem Wohnheim bzw. Internat, die bei einem Schulbesuch am Wohnort der Eltern nicht erforderlich gewesen wäre, ist dann
aber unmittelbar die Ausbildung an einem bestimmten Ort und nicht - gar überwiegend - die pflegerische, medizinische und soziale
Betreuung des Behinderten maßgebend (s. dazu auch BSG, Urteil vom 9. November 1983 - 7 Rar 48/82 - SozR 4100 § 56 Nr. 14).
3.2.2
Für einen nach §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG ausreichenden "unmittelbaren Zusammenhang" mit der Ausbildung spricht bei einer systematischen Auslegung durchgreifend bereits,
dass §
2 Abs.
1a Satz 1 Nr.
1 BAföG die von der Wohnung der Eltern aus fehlende Erreichbarkeit einer weiterführenden allgemeinbildenden zumutbaren Ausbildungsstätte
als hinreichende Rechtfertigung für eine Ausbildungsförderung dem Grunde nach ansieht. §
2 Abs.
1a Satz 1 Nr.
1 BAföG weist dementsprechend das "Risiko", dass eine der jeweiligen Behinderung entsprechende schulische Ausbildungsstätte nicht
von der Wohnung der Eltern aus täglich erreicht werden kann, nicht als einen der Behinderung zuzurechnenden (und damit letztlich
vom behinderten Auszubildenden zu verantwortenden) Umstand dem Auszubildenden (bzw. dem für die Sicherung und Unterstützung
einer schulischen Ausbildung zuständigen Sozialhilfeträger) zu. Vielmehr ist dies als ein mit der Ausbildung zusammenhängendes,
ausbildungsförderungsrechtliches Problem zu bewerten - und zwar gerade auch für den Fall, dass die Behinderung ursächlich
für die Wahl (des Ortes) der Ausbildungsstätte ist. Das bedeutet mit Blick auf das Erfordernis eines "unmittelbaren Zusammenhanges"
zwar keinen Automatismus zwischen der Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch weiterführender allgemeinbildender
Schulen wegen notwendiger auswärtiger Unterbringung dem Grunde nach und der Gewährung zusätzlicher Leistungen nach der Härteverordnung
(s.a. OVG Münster, Urteil vom 10. November 1982 a.a.O; BayVGH, Urteil vom 13. Mai 2008 - 12 B 06.3207 -). Der für §
2 Abs.
1a BAföG ausbildungsförderungsrechtlich hinreichende, die Behinderung als ausbildungsförderungsrechtlichen Aspekt berücksichtigende
Zusammenhang zwischen der Notwendigkeit, eine bestimmte, weil auf die Behinderung aus- bzw. eingerichtete Ausbildungsstätte
zu besuchen, und der auswärtigen Unterbringung legt eine entsprechende Auslegung jedenfalls systematisch nahe. Daher bedürfte
es gewichtiger Gründe, um für die Anwendung des § 14a BAföG/§ 6 HärteV einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und einen "unmittelbaren"
Zusammenhang von Ausbildung und aus der auswärtigen Unterbringung folgenden Internatsunterbringung zu verneinen. Solche sind
nicht erkennbar.
Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG, nach dem niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, unterstützt diese Auslegung. Allerdings geht es vorliegend
nicht um den Zugang der Auszubildenden zur schulischen Bildung selbst, der hier durch eine auf die besonderen Belange der
behinderten Auszubildenden aus- bzw. eingerichtete Schule gewährleistet wird. Es steht auch nicht im Streit, dass die Kosten
der hiermit verbundenen Internatsunterbringung, soweit sie nicht von dem Auszubildenden oder seinen Eltern selbst getragen
werden können, durch eine Sozialleistung (Ausbildungsförderung oder Eingliederungshilfe) übernommen wird. Dem sozialgestaltenden,
leistenden Gesetz- oder Verordnungsgeber ist ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen, welchem Sozialleistungssystem er
die bedarfsgerechte und bedarfsdeckende Hilfeleistung zuordnet. Die Sicherung gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen
am Leben in der Gemeinschaft und insbesondere im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung hat Bedeutung für alle Leistungsbereiche
und ist nicht auf die Leistungen der Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe beschränkt. In der Gewährung von Sozialhilfe
liegt auch keine (gar grundrechtlich relevante) Diskriminierung. Geht es um die Sicherung einer der Behinderung entsprechenden
Ausbildung, die ausbildungsförderungsrechtlich dem Grunde nach förderungsfähig ist, liegt es nahe, in dem Umfange, in dem
das Ausbildungsförderungsrecht die Deckung hiermit im Zusammenhang stehender Bedarfe zulässt, diese auch im Rahmen der Ausbildungsförderung
zu decken. Dies bedeutet keinen allgemeinen, von der einfachgesetzlichen Ausgestaltung gelösten Vorrang der Ausbildungsförderung
unter Verdrängung der Ergänzungs- und Auffangfunktion der Eingliederungshilfe und verkennt nicht, dass das Ausbildungsförderungsrecht
überwiegend typisierende Leistungen gewährt, die nicht an einem individualisierenden Bedarfsdeckungsprinzip orientiert sind.
Soweit aber das Ausbildungsförderungsrecht Raum für eine Auslegung lässt, bei der durch die Gewährung von Zusatzleistungen
der Ausbildungsförderung besondere Aufwendungen gedeckt werden können, die einem Menschen mit Behinderung als Folge der zufälligen
- von seiner Behinderung unabhängigen - örtlichen Lage der behinderungsgerechten Ausbildungsstätten entstehen, spricht Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG dafür, dass dann auch Ausbildungsförderung zu gewähren ist. Damit wird zugleich am besten der in §
1 BAföG zum Ausdruck kommende Grundgedanke verwirklicht, allen jungen Menschen - in gleicher Weise und ohne Rücksicht auf eine Behinderung
- den Zugang zu einer den individuellen Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Bildung zu ermöglichen.
Keinen weitergehenden Aufschluss bietet für den systematischen Zusammenhang zwischen dem Recht der Ausbildungsförderung und
der Sozialhilfe deren Nachrang (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Er gilt auch für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§
53 ff. SGB XII). Der Nachrang der Sozialhilfe greift allerdings nur und erst dann, wenn und soweit ein auch sozialhilferechtlich
anzuerkennender Bedarf durch andere Sozialleistungen gedeckt werden kann. Er setzt einen Anspruch auf solche den Bedarf (teilweise)
deckenden anderweitigen Sozialleistungen voraus. Aus dem Nachranggrundsatz folgt kein bereichsübergreifender, allgemeiner
Rechtsgrundsatz dahin, dass das Leistungsrecht außerhalb der Sozialhilfe dahin auszulegen ist, dass Bedarfe, die gleichermaßen
von der (sozialhilferechtlichen) Eingliederungshilfe erfasst werden (können), auch zu Leistungen außerhalb der Sozialhilfe
führen. Die Auffangfunktion der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe greift nur dort, wo die Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz auch unter Beachtung der Härteverordnung den behinderungsbedingten Bedarf nicht abdecken können (s.a. BayVGH, Urteil vom
13. Mai 2008 - 12 B 06.3207 -); sie wirkt nicht auf die Frage zurück, ob der mit der Ausbildung eines Menschen mit Behinderung
im Zusammenhang stehende Bedarf durch Leistungen der Ausbildungsförderung zu decken ist.
Der Nachrang der Sozialhilfe steht allerdings dem Argument entgegen, dass Leistungen der Ausbildungsförderung nicht erforderlich
sind, weil ein im Zusammenhang mit der Ausbildung stehender Bedarf des behinderten Menschen auch durch Leistungen der Eingliederungshilfe
gedeckt werden kann und bei Ablehnung von Leistungen der Ausbildungsförderung der Auszubildende nicht in eine "Leistungslücke"
fällt. Dass die Regelungen der Eingliederungshilfe auf die Ausbildungssituation junger Menschen mit Behinderung detaillierter
und umfassender eingehen und zusätzlich solche spezifisch behinderungsbedingten Bedarfe (z.B. besondere Unterstützungspersonen
oder Lernmittel) berücksichtigen sollen, für deren Deckung in der Ausbildungsförderung kein Raum ist, rechtfertigt mit Blick
auf den Nachrang der Sozialhilfe auch sonst nicht eine restriktive Auslegung des Ausbildungsförderungsrechts. Der Gesetzgeber
hat der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe in Bezug auf die schulische Integration von Menschen mit Behinderung ferner
nicht in dem Sinne eine Bündelungsfunktion beigemessen, dass dort alle nichtschulischen Hilfen zu konzentrieren und zusammenzufassen
sind, die mit der schulischen Ausbildung behinderter Menschen im Zusammenhang stehen. Das von dem Verwaltungsgericht herangezogene
Instrument des Gesamtplans (§ 58 SGB XII) ist gerade offen dafür, das Zusammenwirken der Leistungen unterschiedlicher Leistungsträger
zu koordinieren und zu optimieren. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts spricht dies gerade gegen eine Auslegung
der allgemeinen ausbildungsförderungsrechtlichen Härteregelungen, die ausbildungsbedingte Zusatzbedarfe von Menschen mit Behinderung
ausblendet. Einer Konzentration der Leistungen in der Eingliederungshilfe im Sinne einer Gewährung von "Leistungen aus einer
Hand" steht bereits entgegen, dass in jedem Fall zumindest der Lebensunterhalt der Auszubildenden (einschließlich des allgemeinen
ausbildungsbedingten Bedarfs) durch Leistungen der Ausbildungsförderung zu sichern ist, es also allein darum geht, welchen
Umfang die neben der Eingliederungshilfe gewährten Leistungen der Ausbildungsförderung haben. Auch sonst ist die Sozialhilfe
- jedenfalls im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt - keine Ausbildungsförderung der zweiten Ebene (s. § 22 SGB XII; stRspr,
BVerwG, Urteile vom 12. Februar 1981 - BVerwG 5 C 51.80 - BVerwGE 61, 352 und 14. Oktober 1993 - BVerwG 5 C 16.91 - BVerwGE 94, 224; s.a. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 8).
3.2.3
Die Entstehungsgeschichte steht einer Auslegung nicht entgegen, die in Fällen der hier zu beurteilenden Art einen unmittelbaren
Zusammenhang zwischen der Internatsunterbringung und der Ausbildung annimmt und die Internatskosten nicht der Eingliederungshilfe
zuweist.
§
14a Satz 1 Nr.
1 BAföG entspricht hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen im Wesentlichen §
12 Abs.
5 BAföG (in der Erstfassung des Gesetzes vom 26. August 1971, BGBl. I S. 1409), der sich seinerseits an §
10 Abs.
5 AföG angelehnt hatte (BTDrucks VI/1975, 27). Zu §
12 Abs.
5 BAföG hatte das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 9. Oktober 1973 - BVerwG 5 C 15.73 - BVerwGE 44, 110) allerdings - in Auswertung der Entstehungsgeschichte - entschieden, dass dessen Anwendungsbereich begrenzt ist. Andere Gründe
als die räumliche Entfernung zwischen der elterlichen Wohnung und der zumutbaren Ausbildungsstätte, wie etwa Erwerbstätigkeit
des alleinstehenden Elternteils oder beengte Wohnverhältnisse, rechtfertigten den erhöhten Bedarfssatz für eine auswärtige
Unterbringung nicht; der besondere Aufwand für den Besuch eines blinden Schülers in einer auswärtigen (Heim-)Schule für Blinde
und Sehbehinderte stehe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung im Sinne des § 10 Abs. 5 AföG. Auch hat der
Senat in jener Entscheidung angedeutet, dass mit dem Übergang zur Härteverordnung jedenfalls kein maßgeblicher Wechsel der
Tatbestandsvoraussetzungen und ihrer Auslegung verbunden sei. Diese Erwägungen zu §
12 Abs.
5 BAföG (a.F.) bestimmen die Auslegung des §
14a Abs.
1 Satz 1
BAföG schon deswegen nicht, weil der Senat ausdrücklich nicht entschieden hat, ob die Härteverordnung die Entscheidungsmöglichkeiten,
die nach dem vorliegend noch maßgebenden früheren Recht bestanden haben, erweitert hat, oder ob die Härteverordnung lediglich
einen Rechtsanspruch auf zusätzliche Förderungsleistungen begründet, die auch nach der früheren Regelung des §
12 Abs.
5 BAföG hätten gewährt werden können. Mit der Einführung eines gesetzlichen Leistungsanspruchs auf Zusatzleistungen in den durch
die Härteverordnung geregelten Fällen (auch) der Internatsunterbringung hat sich außerdem der systematische Zusammenhang,
auf den die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 9. Oktober 1973 bezogen waren, geändert, das Bundessozialhilfegesetz gewährleiste "von seiner materiellrechtlichen Regelung her eine gesichertere, gezieltere und individuellere Betreuung des
Behinderten, als es nach § 10 Abs. 5 AföG, soweit es sich um den behinderungsbedingten besonderen Aufwand handelt, möglich
wäre" (a.a.O. <111>). Dieses Urteil bezieht sich zudem auf den Fall, dass "Aufwendungen entstehen, die ihre unmittelbare Ursache
in der Behinderung des Auszubildenden haben, mit denen der Behinderung entgegengewirkt werden soll und die zu den typischen,
im Normalfall entstehenden Ausbildungskosten hinzutreten" (a.a.O.). Hier stehen indes Internatskosten im Streit, die deswegen
entstehen, weil die behinderte Schülerin eine behinderungsgerechte Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht
täglich erreichen kann und die nicht maßgeblich wegen der medizinischen oder pflegerischen Betreuung des behinderten Auszubildenden
anfallen. Die hier zu beurteilende Fallkonstellation zur Auslegung des §
14a Satz 1 Nr.
1 BAföG ist bereits nicht durch diese zu §
12 Abs.
5 BAföG (a.F.) ergangene Rechtsprechung erfasst (a.A. etwa OVG Münster, Urteil vom 10. November 1982 - 16 A 582/81 -; BayVGH, Urteil vom 10. Januar 2007 - 12 B 06.1996 -; SG Dortmund, Beschluss vom 9. September 2008 - S 47 SO 214/08 ER
-). Dann aber greift auch das Argument nicht durch, der Gesetzgeber habe mit dem Übergang zu einem durch Rechtsverordnung
zu konkretisierenden Leistungsanspruch diese ihm bekannte Rechtsprechung nicht ändern wollen. Dieser Auffassung ist zuzugeben,
dass die Entstehungsgeschichte beim Übergang von der gesetzesunmittelbaren Härteregelung des §
12 Abs.
5 BAföG (a.F.) hin zu der Schaffung eines gesetzlichen Anspruchs in den durch die Rechtsverordnung geregelten Härtefällen (§
14a BAföG i.V.m. der HärteV) keinen Hinweis auf eine Abkehr von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt. Die Gesetzesmaterialien
(s. BTDrucks 7/556, 4 <Gesetzentwurf>, BTDrucks 7/695 <Ausschussbericht> und BTDrucks 7/981, 1; 7/1036 <Vermittlungsvorschlag>)
enthalten indes auch keinen Anhalt dafür, dass Menschen mit Behinderung von den Härtezusatzleistungen ausgeschlossen werden
sollten, die eine behinderungsgerechte Schule nicht vom Wohnort der Eltern aus täglich erreichen können und deswegen in einem
Internat unterzubringen sind. Der im Vermittlungsverfahren hinzugefügte heutige Satz 2, nach dem durch Verordnung u.a. auch
Regelungen getroffen werden können über Ausbildungsgänge, für die ein bestimmter Bedarf gewährt wird, die Arten der Aufwendungen,
die allgemein als bedarfserhöhend berücksichtigt werden, sowie die Arten der Lern- und Arbeitsmittel, deren Anschaffungskosten
als zusätzlicher Bedarf anzuerkennen sind, spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber den Umfang der Zusatzleistungen in
Härtefällen differenzierend im Rahmen der Härteverordnung gesteuert wissen und keine überspannten Anforderungen an den "unmittelbaren
Zusammenhang" der zur Erreichung des Ausbildungszieles notwendigen besonderen Aufwendungen mit der Ausbildung stellen wollte.
3.2.4
Sinn und Zweck des §
14a BAföG ist es, bestimmte, durch Rechtsverordnung der Art nach umschriebene Aufwendungen auch über die pauschalierenden Regelleistungen
hinaus zu übernehmen, um dem Auszubildenden aus Mitteln der Ausbildungsförderung eine adäquate Ausbildung zu ermöglichen.
Dieser allgemeine Zweck erfasst, wie die konkretisierende Härteverordnung belegt, gerade auch Mehraufwendungen im Rahmen einer
ausbildungsbedingten und -geprägten Internatsunterbringung; Zweck der Regelung ist nicht, lediglich im nur mittelbaren Zusammenhang
zur Ausbildung stehende Aufwendungen abzugelten, die als besondere, behinderungsbedingte Aufwendungen zu qualifizieren sind.
Eine nicht durch besondere, behinderungsbedingte Pflege- oder Betreuungsbedarfe veranlasste Unterbringung in einem Internat,
die nur deswegen erforderlich wird, weil eine der Behinderung entsprechende Ausbildungsstätte nicht von der Wohnung der Eltern
aus täglich erreicht werden kann, sichert Menschen mit Behinderung eine bedarfsgerechte Ausbildung. Die Übernahme der durch
ein Internat veranlassten besonderen Aufwendungen entspricht somit dem Zweck des §
14a Satz 1 Nr. 1
BAföG, durch Zusatzleistungen in Härtefällen eine Ausbildung zu ermöglichen. Es liegt auf der Hand, dass es einen solchen - bei
Ausblendung der Leistungen der subsidiären Eingliederungshilfe wohl auch mit Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG unvereinbaren - "Härtefall" bewirkte, wenn allein wegen der räumlichen Verteilung behinderungsgeeigneter schulischer Ausbildungsstätten
einem behinderten Menschen die Möglichkeit einer begabungsgerechten weiteren schulischen Ausbildung verwehrt bliebe. Der Grund,
der für die Wahl einer speziellen Ausbildungsstätte (und damit auch des Ausbildungsortes) maßgebend ist, ist auch dann, wenn
er auf eine Behinderung zurückzuführen ist, als ausbildungsbedingt anzuerkennen.
3.3
Zur Leistungshöhe steht zwischen den Beteiligten - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - nicht im Streit, dass nach
§ 7 Abs. 1 HärteV bei der Internatsunterbringung die tatsächlich im Bewilligungszeitraum zu entrichtenden Kosten ohne Schulgeld
(Heimkosten) zu übernehmen sind, deren Aufteilung sich nach Absatz 2 richtet, und § 7 Abs. 3 Satz 1 HärteV hier nicht der
Gewährung einer Zusatzleistung entgegensteht. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht festgestellt, dass hier neben den allgemeinen
Internatskosten noch behinderungs- oder pflegebedingte Zusatzkosten angefallen wären.
§ 6 Abs. 1 HärteV setzt voraus, dass in dem Internat oder Wohnheim auch eine pädagogische Betreuung durch geeignetes Fachpersonal,
das zu einer Kommunikation mit den Auszubildenden in der Lage ist, erfolgt, so dass die Internatskosten regelmäßig deutlich
über reinen Unterbringungskosten liegen werden, weil von ihnen auch die Aufwendungen umfasst sind, die wegen einer entsprechenden,
auch auf die Behinderungen des betreuten Personenkreises sowie dessen Alter eingestellte pädagogische Betreuung entstehen.
Solche Mehrkosten der nach § 6 Abs. 1 HärteV gerade als Leistungsvoraussetzung geforderten pädagogischen Betreuung können
auch nicht als spezifisch behinderungsbedingte Aufwendungen qualifiziert werden. Der Senat braucht daher nicht zu erörtern,
wie Fälle zu beurteilen wären, in denen das Einrichtungsentgelt gesonderte Kostenbestandteile enthält, die auf einen spezifisch
behinderungsbedingten Bedarf bezogen sind und bei einer Internatsunterbringung von Menschen ohne Behinderung mit fachgerechter
pädagogischer Betreuung so nicht anfallen oder diese doch erheblich übersteigen.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
1 VwGO. Gerichtskosten werden nach §
188 Satz 2 Halbs. 1
VwGO nicht erhoben. Das Betreiben der Feststellung einer Sozialleistung nach § 95 SGB XII bzw. § 91a BSHG betrifft nicht eine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des §
188 Satz 2 Halbs. 2
VwGO und wird ungeachtet seiner funktionalen Nähe zum Erstattungsanspruch nicht von dieser Regelung erfasst (s. etwa VGH Mannheim,
Beschluss vom 7. Februar 2006 - 7 S 2426/05 - FEVS 58, 191 <zu § 91a BSHG>; BayVGH, Urteil vom 10. Januar 2007 - 12 B 06.1996 - a.a.O.). Der Gesetzgeber kann die für
Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern eingeführte Ausnahme von der
Gerichtskostenfreiheit auch auf Verfahren zur Feststellung der Sozialleistung erstrecken. Dies hat er bisher - offenbar bewusst
- nicht getan.