Gründe:
I. Die Beklagte bewilligte der Klägerin aus Anlaß ihrer Einschulung im Juli 1989 eine einmalige Leistung in Höhe von 147,90
DM zur Abdeckung des auftretenden Einschulungsbedarfs, lehnte u.a. aber eine einmalige Beihilfe für den Erwerb einer Schultüte
ab.
Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Gewährung einer weiteren einmaligen Beihilfe u.a. in Höhe
von 40 DM für eine Schultüte samt Inhalt hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine weitere einmalige
Leistung in Höhe von 25 DM zu gewähren: Für normal große, von Nichthilfeempfängern unterer Einkommensschichten verwendete
Schultüten sei ein Kaufpreis in Höhe von 15 DM zugrunde zu legen. Der für die Füllung der Schultüte mit Süßigkeiten oder anderen
Kleinigkeiten erforderliche Betrag sei gleichfalls mit 15 DM anzusetzen. Von dem Gesamtbetrag müsse sich die Klägerin allerdings
den Anteil aus dem Regelsatz, der ihr im Monat ohnehin für Süßigkeiten zur Verfügung stehe, nach Auffassung der Kammer 5 DM,
anrechnen lassen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es durch Bezugnahme
auf sein Urteil vom 27. November 1991 - 4 L 2/90 - (info also 1992, 134) ausgeführt:
Der Besitz einer Schultüte gehöre zum notwendigen Lebensunterhalt. Der Einschulungsbedarf werde von den Regelsätzen nicht
erfaßt, dafür kämen einmalige Leistungen in Betracht. Dies gelte auch dann, wenn man den Einschulungsbedarf nicht dem in §
12 Abs. 2
BSHG genannten besonderen Bedarf der Kinder und Jugendlichen zuordne, sondern den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens
im Sinne von § 12 Abs. 1
BSHG. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 87, 212) halte einer experimentellen Überprüfung nicht stand. Für den von der Beklagten vorgeschlagenen Rückgriff auf § 4 Abs. 2
BSHG sei - rechne ein Gegenstand des Bedarfs zum notwendigen Lebensunterhalt - kein Raum.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt Verletzung der §§ 4 Abs. 2, 12
BSHG. Aufwendungen für eine Schultüte, die zum notwendigen Lebensunterhalt zu rechnen sei, seien mit den Regelsatzleistungen für
die Mutter bzw. das Kind abgegolten.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, so daß sie zurück zuweisen ist (§
144 Abs.
2
VwGO). Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe nach den §§ 11 ff. BSHG ein Anspruch auf eine einmalige Leistung für den Erwerb einer Schultüte zu, verletzt Bundesrecht nicht (§
137 Abs.
1 Nr.
1
VwGO).
Entgegen der Ansicht von Revision und Berufungsgericht liegt hierin keine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13. Dezember 1990 - BVerwG 5 C 17.88 - (BVerwGE 87, 212). Dort hat der erkennende Senat entschieden, daß nach § 22
BSHG und § 1
Regelsatzverordnung Sozialhilfeleistungen für den Regelbedarf, von nach § 1 Abs. 2
Regelsatzverordnung möglichen Ausnahmen abgesehen, ausschließlich nach Regelsätzen zu bemessen sind und insoweit einmalige Leistungen ausscheiden
(BVerwGE 87, 212 [216]). Dabei hat er den Regelbedarf umschrieben als den ohne Besonderheiten des Einzelfalles bei vielen Hilfeempfängern
gleichermaßen bestehenden, nicht nur einmaligen Bedarf aus den in § 1 Abs. 1
Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen. Hierunter fällt der Einschulungsbe darf, der auch nach Ansicht der Beklagten eine Schultüte umfaßt,
nicht. Denn er ist ein einmaliger Bedarf, der nicht durch die laufenden Leistungen nach Regelsätzen abzudecken ist. Hierfür
kommen vielmehr einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1
BSHG in Betracht. Dies hat der Senat in seinem ebenfalls für die Entscheidungssammlung bestimmten Urteil vom 5. November 1992
- BVerwG 5 C 15.92 - bereits klargestellt und sich dort auch mit den übrigen Einwendungen des Berufungsgerichts gegen das Urteil vom 13. Dezember
1990 auseinandergesetzt; hierauf kann verwiesen werden.
Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, daß der Besitz einer Schultüte zum notwendigen Lebensunterhalt eines Kindes, das
eingeschult wird, gehört. Auch die Beklagte bestreitet dies nicht mehr; sie hat sich insoweit von den Argumenten des Verwaltungsgerichts
überzeugen lassen. Ihnen ist beizutreten: Nach der Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens
zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG; vgl. auch §
9
SGB I), umfaßt der notwendige Lebensunterhalt nach § 12
BSHG nicht nur das physiologisch Notwendige, sondern den gesamten zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Bedarf (vgl.
BVerwGE 87, 212 [214 mit weiteren Nachweisen]). Dabei sind auch die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen zu berücksichtigen (vgl.
BVerwGE 69, 146 [154]). Der Besitz einer Schultüte gehört nach dem allgemeinen Lebenszuschnitt zur Einschulung und wird in der Öffentlichkeit
beachtet. Die Kinder tragen ihre Schultüte am ersten Schultag auf dem Weg zur Schule, weitgehend auch während der Einschulungsveranstaltung
und auf dem Heimweg. Aussehen und Inhalt der Schultüten sind gelegentlich Gegenstand der ersten Schulstunden, jedenfalls aber
immer von großem gegenseitigen Interesse bei den Erstkläßlern untereinander. Die Zugehörigkeit der Schultüte zur Einschulung
zeigt sich auch in ihrer Bedeutung für Gruppen- und Einzelphotographien, mit denen der Einschulungstag als Zäsur im Leben
allgemein im Bild festgehalten wird. Schüler, die für die Bestreitung ihres notwendigen Lebensunterhalts auf die Sozialhilfe
angewiesen sind, von derartigen, zum allgemeinen Lebenszuschnitt gehörenden Einschulungsgepflogenheiten auszuschließen, widerspräche
der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG, es dem Hilfeempfänger zu ermöglichen, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben (vgl. BVerwG,
Urteil vom 14. März 1991 - BVerwG 5 C 70.86 - [Buchholz 436.0 § 4
BSHG Nr. 4 S. 3]). Denn ohne den Besitz einer Schultüte wären die Kinder in einer für sie ohnehin schwierigen Lebenssituation
sozial ausgegrenzt und in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt.
Ob ein derartiger einmaliger Bedarf zu der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens gerechnet werden
kann, ist nicht zu entscheiden. Denn die in § 12 Abs. 1
BSHG aufgeführten Bedarfsgruppen stellen, wie sich aus der Beifügung "besonders" ergibt, keine abschließende Aufzählung des notwendigen
Lebensunterhalts dar. Darüber hinaus weist § 12 Abs. 2
BSHG ausdrücklich darauf hin, daß der notwendige Lebensunterhalt bei Kindern auch den besonderen, vor allem - aber nicht nur -
den durch das Wachstum bedingten Bedarf umfaßt.
Zu Unrecht beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe sein Ermessen unzulässigerweise an die Stelle des Ermessens
des Sozialhilfeträgers gesetzt. Den Inhalt der Schultüte sieht die Revision - wie im Ergebnis auch das Berufungsgericht, das
sich die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht hat - mit 10 DM als ausreichend bemessen an.
Ihr auf § 4 Abs. 2
BSHG gestützter Einwand gegen das Berufungsurteil kann sich deshalb lediglich auf den von den Vorinstanzen zugrundegelegten Kaufpreis
für die Schultüte selbst in Höhe von 15 DM beziehen. Insoweit hält die Revision allenfalls einen Betrag zwischen 5 und 10
DM für angemessen. Mit diesem Vortrag allein ist jedoch ein unzulässiger Eingriff der Vorinstanzen in das Verwaltungsermessen
des Sozialhilfeträgers nicht dargelegt. Denn das Verwaltungsgericht hat in Würdigung des tatsächlichen Vorbringens der Beteiligten
festgestellt, normal große, von Nichthilfeempfängern unterer Einkommensschichten verwendete vergleichbare Schultüten für Schulanfänger
seien für einen Kaufpreis in Höhe von 15 DM zu erwerben. Das Berufungsgericht hat sich diese tatsächlichen Feststellungen
zu eigen gemacht und sie dahingehend gewertet, daß das Verwaltungsgericht damit den notwendigen Lebensunterhalt umschrieben
habe, dessen Maß sich ermessensfehlerfrei nicht unterschreiten lasse. Gegen die dem zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen
und Würdigungen hat die Revision zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht, so daß das Revisionsgericht hieran
gemäß §
137 Abs.
2
VwGO gebunden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
2
VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus §
188 Satz 2
VwGO.