Gründe:
I. Der Kläger nimmt als Kriegsbeschädigter den Beklagten auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz für seine 1964 geborene Tochter A. in Anspruch. Diese hatte nach der Sonderschule für Lernbehinderte und einem Lehrgang zur
Förderung der Berufsreife von August 1981 bis Juni 1982 die Berufsfachschule besucht und mit dem Abschlußzeugnis den Hauptschulabschluß
erworben. Während des Besuchs der Berufsfachschule hatte der Kläger für seine Tochter Erziehungsbeihilfe nach § 27 BVG erhalten. Von August 1982 bis Juli 1984 wurde A. im Berufsbildungswerk für Lernbehinderte zur Fachgehilfin im Gastgewerbe
ausgebildet. Für diese Ausbildung erhielt sie vom Beigeladenen berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation nach §§ 56 ff. AFG.
Durch Bescheid vom 11. November 1982 lehnte das Sozialamt im Namen und Auftrag des Beklagten eine Weitergewährung der Erziehungsbeihilfe
ab August 1982 mit der Begründung ab, A. habe für den Besuch des Berufsbildungswerks einen vorrangigen Förderungsanspruch
gegen die Arbeitsverwaltung; Leistungen der Kriegsopferfürsorge seien deshalb ausgeschlossen. Mit Bescheid vom 29. November
1982 lehnte das Sozialamt mangels eines Anspruchs des Klägers auf Erziehungsbeihilfe auch die Bewilligung einer Weihnachtsbeihilfe
für A. ab.
Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat
die Berufung des Klägers im wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
Die Tochter des Klägers erhalte im Rahmen ihrer Ausbildung die in § 56 Abs. 1 Satz 1 AFG vorgesehenen Geldleistungen, deshalb sei gemäß § 25 Abs. 4 BVG ein gleichartiger Anspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz ausgeschlossen. Es lasse diese Vorschrift auch nicht aufgrund der Formulierung in Satz 1 (»soweit«) eine Aufstockung von
Leistungen nach § 56 AFG um Leistungen der Kriegsopferfürsorge zu: § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG sein inhaltlich fast wörtlich aus der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge F. 1961 übernommen worden. In der Begründung der
Bundesregierung zum Entwurf dieser Verordnung heiße es, daß die Kriegsopferfürsorge, soweit sie auch Familienmitglieder umfaßt,
ihrer Zielsetzung nach nicht einzusetzen brauche, wenn Familienmitglieder wegen Tuberkulose oder Behinderung eigene Ansprüche
geltend machen könnten, und daß hierzu auch fürsorgerechtliche Ansprüche gehörten. Daraus sei zu entnehmen, daß nach den Vorstellungen
des Verordnungs- und später des Gesetzgebers jedenfalls dann, wenn die Leistungen nach den anderen öffentlich-rechtlichen
Vorschriften nach Art und Höhe geeignet seien, das Ziel der Kriegsopferfürsorge ebenfalls zu erreichen, die Kriegsopferfürsorge
»nicht einzutreten« brauche. Das sei schon dann der Fall, wenn die anderen Leistungen - wie hier die Erziehungsbeihilfe -
dazu bestimmt und geeignet seien, Unterhalts- und Ausbildungsbedarf des Auszubildenden zu decken, um ihm so zu ermöglichen,
das Ziel der Ausbildung zu erreichen. Dies treffe auf die Leistungen zur Rehabilitation nach den §§ 56 ff. AFG zu, auch wenn sie die Höhe der Erziehungsbeihilfe nicht voll erreichten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung von § 25 Abs. 4 BVG rügt.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren.
II. Die zulässige Revision ist begründet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG lasse eine Aufstockung von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz um Leistungen der Kriegsopferfürsorge nicht zu, verletzt Bundesrecht (vgl. §
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO).
Die für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21). Danach erhalten Beschädigte Leistungen der Kriegsopferfürsorge auch für Familienmitglieder, soweit diese ihren nach den
einschlägigen Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes anzuerkennenden Bedarf nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken
können und nicht wegen Tuberkulose oder Behinderung Anspruch auf Leistungen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften
haben. Hier ist nur die letzte Alternative im Streit, nämlich das Verhältnis der Erziehungsbeihilfe nach § 27 BVG in Verbindung mit §§ 18 ff. der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge - KFürsV - vom 16. Januar 1979 (BGBl. I S. 80) zu berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation nach § 56 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 582) in der hier maßgeblichen Fassung von § 36 Nr. 4 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation - RehaAnglG - vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1881).
Dem Kläger steht für seine Tochter A. Erziehungsbeihilfe nach § 27 BVG in dem nicht durch Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz gedeckten Umfang zu. Denn der in § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG normierte Nachrang schließt Leistungen der Kriegsopferfürsorge nicht absolut, sondern nur in dem Umfang aus, in dem wegen
Tuberkulose oder Behinderung Anspruch auf Leistungen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften besteht.
Diese Auslegung ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift (»soweit«). In bezug auf das an gleicher Stelle und in gleichem
Zusammenhang genannte zu berücksichtigende »Einkommen und Vermögen« kann von vornherein nicht zweifelhaft sein, daß es sich
bei § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG um eine Anrechnungsvorschrift handelt. Für den »Anspruch auf Leistungen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften«
kann nichts anderes gelten. Auch sonst pflegt der Gesetzgeber mit der Formulierung »soweit« auszudrücken, daß der nachrangige
Leistungsträger von einer Leistungsverpflichtung nicht absolut entlastet werden soll. In diesem Sinne hat das Bundessozialgericht
etwa die Regelung des § 37 Satz 1 AFG gedeutet, wonach Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nur gewahrt werden dürfen, »soweit« nicht
andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Gewährung solcher Leistungen gesetzlich verpflichtet sind: Der Anspruch auf den übersteigenden
Teil der nachrangigen Leistung nach dem Arbeitsförderungsgesetz bleibt dem Berechtigten erhalten (BSG, Urteil vom 28. Februar 1974 - 7 RAr 27/72 - [SozR 4100 § 37 AFG Nr. 1]). Auch § 57 AFG, der einen Nachrang berufsfördernder und ergänzender Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber der Zuständigkeit
anderer Rehabilitationsträger begründet und der vor der ihm durch § 36 Nr. 5 RehaAnglG verliehenen Fassung die gleiche Formulierung (»soweit«) enthalten hatte wie § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG, war im Sinne einer nur eingeschränkten, aber nicht ausgeschlossenen Leistungszuständigkeit des nachrangigen Leistungsträgers
ausgelegt worden (s. BSGE 41, 241 [245 f.]; 42, 5 [7]). Entsprechend dem sprachlichen Bedeutungsunterschied zwischen der Formulierung »soweit«, mit der der
Gesetzgeber Raum für eine Aufstockung der Leistungen des vorrangigen Leistungsträgers läßt (vgl. z.B. aus der Begründung zu
§ 37 AFG den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit zu § 36 des Regierungsentwurfs des AFG, BT-Drs. V/4110, S. 8 f.), und dem Wortlaut von gesetzlichen Regelungen, die einen Nachrang im Sinne eines völligen Ausschlusses
von der Leistungspflicht begründen, wird der vom Gesetzgeber in der Neufassung des § 57 AFG gewählten Formulierung (»sofern«) demgegenüber entnommen, daß der nachrangig zuständige Leistungsträger Leistungen nicht
gewähren darf und daß deshalb auch eine Aufstockung der Leistungen durch ihn ausscheidet (s. BSGE 48, 92 [99]; BSG, Urteil vom 15. November 1979 - 11 RA 22/79 - [SozR 4100 § 57 AFG Nr. 9, S. 29 f.]; BSGE 50, 111 [113]).
Diesem Verständnis steht die Entstehungsgeschichte des § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG nicht entgegen. Mit ihr läßt sich eine Gleichsetzung der Formulierungen »soweit« und »sofern« insbesondere nicht unter Hinweis
auf Materialien zu der jener Vorschrift vorausgegangenen Bestimmung des § 4 Satz 1 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge
- KFürsV - vom 30. Mai 196 1 (BGBl. I S. 653) begründen, wie dies das Berufungsgericht unternommen hat. Zwar heißt es in der
Begründung zu dieser Vorschrift: »... wenn Familienmitglieder wegen ... Behinderung eigene Ansprüche geltend machen können
...« (BR-Drs. 154/61 - Hervorhebung nicht im Original). An anderer Stelle, aber im gleichen, ebenfalls vom Berufungsgericht
wiedergegebenen Zusammenhang lautet die Begründung jedoch, es bestehe »keine Veranlassung, insoweit für Unterhaltsverpflichtungen
im Rahmen der Kriegsopferfürsorge einzutreten« (BR-Drs. aaO. - Hervorhebung nicht im Original). Den Materialien zu § 4 KFürsV
läßt sich folglich - sofern ihnen überhaupt und zudem speziell für die Auslegung von § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG Aussagekraft beigemessen werden kann - zumindest keine eindeutige Aussage in dem vom Berufungsgericht gemeinten Sinn entnehmen.
Vor allem ergibt sich auch aus einer Betrachtung der Gesetzeszwecke, besonders unter dem Gesichtspunkt der für das Rehabilitationsrecht
angestrebten Vereinheitlichung, kein Hinderungsgrund, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen. Zwar war es ein gesetzgeberisches
Ziel im Recht der Rehabilitation, daß für jeden Rehabilitationsfall nur noch ein einziger Träger zuständig sein sollte. Diesem
Ziel diente der durch die Änderung von § 57 AFG durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation bewirkte Ausschluß von Aufstockungsleistungen (vgl.
BSGE 5O, 111 [113]). Während zugleich auch zahlreiche Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes geändert wurden (s. § 27 RehaAnglG), blieb § 25 BVG jedoch unverändert. Erst durch strukturelle Änderungen des Bundesversorgungsgesetzes (s. Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die 17. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz [KOV-Anpassungsgesetz 1988 - KOVAnpG 1988] vom 21. Juni 1988 [BGBl. I S. 826]) hat der Gesetzgeber § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG geändert, jedoch nicht im Sinne des vom Berufungsgericht vertretenen Ausschlusses von Leistungen der Kriegsopferfürsorge,
sondern dahin, daß nunmehr andere, behinderungsbedingte, öffentlich-rechtliche Leistungsansprüche nicht (mehr) angerechnet
werden und somit der entschädigungsrechtlich begründete Vorrang der Kriegsopferfürsorge verwirklicht wird (s. die Begründung
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu Art. 2 Nr. 2 KOVAnpG 1988 [BT-Drs. 11/2315, S. 12]).
Zu einer abweichenden Beurteilung führt schließlich auch nicht die frühere Rechtsprechung des Senats zur Frage einer Berücksichtigung
anderweitiger öffentlich-rechtlicher Leistungen im Rahmen von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (BVerwGE 20, 194; 30, 6), auf die der Oberbundesanwalt hingewiesen hat. Sie befaßt sich nicht mit der hier zu beurteilenden Frage nach einer Aufstockungsmöglichkeit.
Nach alledem muß der Revision stattgegeben und der Beklagte - da Anhaltspunkte für gegenüber den Zeiten des Bezugs von Erziehungsbeihilfe
veränderte Verhältnisse nicht bestehen - unter Aufhebung der entgegenstehenden vorinstanzlichen Urteile und Verwaltungsbescheide
zur Gewährung der Erziehungsbeihilfe und einer Weihnachtsbeihilfe in dem vom Kläger beantragten Umfang verpflichtet werden.
Hierbei entspricht der zeitliche Rahmen des Verpflichtungsausspruchs dem hier maßgeblichen gerichtlichen Beurteilungszeitraum
bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf §
188 Satz 2
VwGO.