Gründe:
I. Die Kläger sind Eltern eines im Dezember 1970 geborenen hochgradig sehbehinderten Sohnes sowie einer Tochter. Der Kläger
zu 1 erhält Kindergeld für beide Kinder. Der Sohn der Kläger besuchte seit Sommer 1985 ein Aufbaugymnasium der Deutschen Blindenstudienanstalt
e.V. in M., die ihn auch heilpädagogisch betreute. Während der Schulzeit (etwa sieben Monate im Jahr) war er im Schulinternat
untergebracht und besuchte etwa vierzehntägig seine in N. wohnenden Eltern. Der Beklagte übernahm die Unterbringungskosten
im Wege der Eingliederungshilfe und zog die Kläger zu einem Kostenbeitrag heran.
Mit Kostenbeitragsbescheid vom 24. April 1987 forderte der Beklagte von den Klägern einen zusätzlichen Beitrag zu den Internatskosten
in Höhe des auf den Sohn entfallenden Kindergeldanteils. Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte zurück. Die von den
Klägern erhobene Klage blieb im ersten und zweiten Rechtszug ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat sein Urteil im wesentlichen
wie folgt begründet:
Das Kostenbeitragsverlangen des Beklagten finde seine Rechtsgrundlage in § 43 Abs. 3 Satz 2 BSHG. Der auf den Sohn der Kläger entfallende Kindergeldanteil und die ihm gewährte Eingliederungshilfe dienten demselben Zweck.
Kindergeld solle die in der Person des Kindes entstehenden Kosten der allgemeinen Lebensführung mindestens teilweise decken.
Da die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 3
BSHG) für den Sohn der Kläger in einer Einrichtung (Schulinternat) geleistet werde, umfasse sie gemäß § 27 Abs. 3
BSHG auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt (im wesentlichen Unterkunft, Ernährung und Haushaltsenergie). Insoweit
bestehe Zweckgleichheit mit dem Kindergeldanteil. Der Umstand, daß die Kläger während des Internatsaufenthalts ihres Sohnes
ebenfalls Aufwendungen für seinen allgemeinen Lebensunterhalt getragen hätten, ändere daran nichts. Mit § 43 Abs. 3 Satz 2 BSHG sei das Kostenverlangen des Beklagten auch insoweit vereinbar, als es den Kindergeldanteil über die Vollendung des 18. Lebensjahres
des Sohnes hinaus umfasse. Ermessensfehler des Beklagten seien nicht ersichtlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger. Sie rügen eine Verletzung von § 43 Abs. 3
BSHG und wenden sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen dem anteiligen Kindergeld für ihren Sohn und der diesem
gewährten Eingliederungshilfe bestehe teilweise Zweckgleichheit.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Landesanwaltschaft Bayern ist ebenfalls der Ansicht, daß der mit der Eingliederungshilfe für den Sohn der Kläger verfolgte
Zweck mit dem Zweck seines Kindergeldanteiles nicht teilweise identisch sei.
II. Die Revision ist begründet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte könne von den Klägern für die ihrem Sohn geleistete
Eingliederungshilfe nach § 43 Abs. 3 Satz 2 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 1987 (BGBl I S. 401) die Aufbringung der Mittel in Höhe eines auf den Sohn entfallenden Kindergeldanteils verlangen, verletzt Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1
VwGO). Das Berufungsgericht hätte der Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der entgegenstehenden Bescheide
des Beklagten stattgeben müssen.
Der von den Klägern angefochtene Kostenbeitragsbescheid findet in dem hier allein in Betracht kommenden § 43 Abs. 3 Satz 2 BSHG keine Rechtsgrundlage. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines solchen Bescheides ist nach § 43 Abs. 3
BSHG, daß ein anderer als ein nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtiger nach sonstigen Vorschriften Leistungen gewährt, die
für denselben Zweck bestimmt sind, dem Eingliederungshilfemaßnahmen im Sinne des § 43 Abs. 2
BSHG dienen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist unter einer im Sinne des § 43 Abs. 3
BSHG zweckgleichen Leistung nur eine solche zu verstehen, die dem Zweck der Eingliederungshilfe in Gestalt einer der in § 43 Abs. 2
BSHG genannten Maßnahmen entspricht (Urteil vom 26. Juli 1994 - BVerwG 5 C 11.92 - [UA S. 4 - 5]). Zur Feststellung der Zweckidentität genügt es nicht, pauschal auf die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach
§ 39 Abs. 3
BSHG abzustellen. Die Zweckgleichheit der Leistung eines anderen ist vielmehr bezogen auf eine konkrete, in § 43 Abs. 2
BSHG aufgeführte Maßnahme der Eingliederungshilfe zu ermitteln (Urteil vom 26. Juli 1994, aaO.). Entscheidungserheblich ist daher,
ob und inwieweit im Sinne von § 43 Abs. 3
BSHG Zweckidentität zwischen dem auf den Sohn der Kläger entfallenden, vom Beklagten beanspruchten Kindergeldanteil und der dem
Sohn der Kläger nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 40 Abs. 1 Nr. 3
BSHG gewährten Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung besteht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen diesen
Leistungen keine - auch keine teilweise - Zweckgleichheit.
Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung für den
Sohn der Kläger nur die Leistungen als mit dem anteiligen Kindergeld zweckgleich in Betracht kommen, die der Beklagte für
den Lebensunterhalt des Sohnes im Schulinternat erbringt. Wird wie hier Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BSHG in einer Anstalt gewährt, umfaßt die Hilfe gemäß § 27 Abs. 3
BSHG auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt, der damit zum Bestandteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen wird.
Diese rechtliche Zuordnung beruht auf dem engen funktionalen Bezug zwischen dem Lebensunterhalt in der Einrichtung und dem
konkreten Zweck der Hilfemaßnahme (vgl. auch Senatsurteil vom 22. März 1990 - BVerwG 5 C 58.86 - [Buchholz 436.0 § 27
BSHG Nr. 2 S. 2]). Art, Umfang und Dauer des in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalts werden maßgeblich durch den jeweiligen
Eingliederungshilfebedarf (hier: angemessene Schulbildung für einen stark sehbehinderten Schüler) geprägt.
Eine vergleichbare maßnahmebezogene Zweckprägung besitzt das Kindergeld nach dem
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 21. Januar 1986 (BGBl I S. 222) nicht. Es hat den Charakter einer allgemeinen Sozialleistung, die dem Familienlastenausgleich dient und dazu bestimmt ist,
den Aufwand, insbesondere die wirtschaftliche Belastung, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht, teilweise auszugleichen
(vgl. BVerfGE 82, 60 [78 f.] m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht sieht die wesentliche Zweckbestimmung des Kindergeldes darin, die in der Person
des Kindes entstehenden Kosten der allgemeinen Lebensführung mindestens teilweise zu decken, zur Entlastung von den Kosten
des Lebensunterhalts beizutragen (BVerwGE 60, 6 [10]; st.Rspr.). Diese Zielsetzung wird auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hervorgehoben (vgl. BSGE 69,
191 [195]; Urteil vom 22. September 1993 - 10 RKg 18/92 - [SozR 3-5870 § 2
BKGG Nr. 21 S. 65]). Sie kommt schließlich in der (Kindergeld einschließenden) Umschreibung des sozialen Rechts auf Minderung
des Familienaufwands zum Ausdruck, das §
6
SGB I ("Wer Kindern Unterhalt zu leisten hat oder leistet, hat ein Recht auf Minderung der dadurch entstehenden wirtschaftlichen
Belastungen") enthält (vgl. auch §
48
SGB I).
Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, den Anspruch auf Kindergeld über diese allgemeine Zwecksetzung hinaus stärker maßnahme-
oder bedarfsbezogen zu regeln. Das anteilige Kindergeld für den Sohn der Kläger kann daher auch nicht als teilweise zweckgleich
mit den Leistungen für seinen Lebensunterhalt im Schulinternat qualifiziert werden. Eine solche partielle Zweckidentität setzte
voraus, daß das Kindergeld mehrere Teilleistungen mit unterschiedlicher Zweckbestimmung enthielte und in Einzelbestandteile
aufgegliedert werden könnte. Für eine quantitative Aufteilung des Kindergeldes in verschiedene Bedarfspositionen, die es zu
decken geeignet wäre, fehlen jedoch rechtliche Maßstäbe. Maßnahme- oder bedarfsorientierte Anhaltspunkte für eine solche Aufteilung
sind der gesetzlichen Regelung des Kindergeldrechts nicht zu entnehmen. Mit dem allgemeinen Zweck des Familienlastenausgleichs
wird ein weiter Verwendungsrahmen gezogen, der von den Kindergeldberechtigten auf sehr unterschiedliche und vielfältige Weise
ausgefüllt werden kann (und ausgefüllt wird). Die Offenheit und Weite dieser Zweckbestimmung sind Ausdruck gesetzgeberischer
Zurückhaltung, die dem einzelnen Kindergeldberechtigten die Entscheidung überläßt, in welcher Art und Weise er das Kindergeld
entsprechend seiner allgemeinen Zielsetzung zugunsten der Kinder, für die es geleistet wird, verwendet (vgl. auch BVerwGE
60, 6 [11 f.]).
Entgegen der Ansicht der Kläger und der beteiligten Landesanwaltschaft beurteilt sich die hier entscheidungserhebliche Frage
nach der Zweckidentität zwischen (anteiligem) Kindergeld und dem im Schulinternat gewährten Lebensunterhalt nicht danach,
ob der Sohn der Kläger, der zu Beginn des hier streitbefangenen Zeitraums sein 16. Lebensjahr vollendet hatte, kindergeldrechtlich
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 3
BKGG zu berücksichtigen war. Danach werden Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, kindergeldrechtlich u.a. nur berücksichtigt,
wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden (Nr. 1) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung
außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (Nr. 3). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß sich aus diesen Bestimmungen
keine über den allgemeinen Zweck des Familienlastenausgleichs hinausgehenden Leistungszwecke ableiten lassen. Kindergeld,
das in Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 3
BKGG gezahlt wird, ist weder eine Leistung der Ausbildungsförderung noch eine Leistung der Eingliederungshilfe. Das Kindergeld
dient auch in diesen Fällen dazu, kinderbedingte wirtschaftliche Belastungen zumindest teilweise auszugleichen. Dieser Ausgleichszweck
setzt allerdings die wirtschaftliche Abhängigkeit (Unterhaltsbedürftigkeit) der zu berücksichtigenden Kinder voraus. Insoweit
geht das Gesetz davon aus, daß Kinder, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in der Regel noch nicht wirtschaftlich
unabhängig sind (vgl. hierzu die Begründung der Bundesregierung zur Herabsetzung der Altersgrenze von 18 auf 16 Jahre in §
2 Abs. 2 Satz 1
BKGG durch Art. 6 des Entwurfs eines 2. Haushaltsstrukturgesetzes, BTDrucks 9/842, S. 53). Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Kindes ist
auch der Grund dafür, bestimmte Gruppen von Kindern über die Vollendung des 16. Lebensjahres hinaus kindergeldrechtlich zu
berücksichtigen. Im Fall des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BKGG wird die Unterhaltsbedürftigkeit unwiderleglich vermutet, nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BKGG ist sie im Einzelfall festzustellen. Die genannten Regelungen konkretisieren also den Kreis der berücksichtigungsfähigen
Kinder (und damit die Höhe des Kindergeldes) im Einklang mit dem bereits umschriebenen Ausgleichszweck des Kindergeldes; sie
fügen diesem Zweck aber keine weiteren Zwecke hinzu.
Die Rechtsprechung des Senats, nach der es sich beim Kindergeld um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz zweckidentische Leistung im Sinne von § 77 Abs. 1
BSHG handelt (BVerwGE 94, 326 [328] m.w.N.), ist auf § 43 Abs. 3
BSHG nicht übertragbar. Das ergibt sich aus der unterschiedlichen Zweckrichtung dieser Vorschriften. Während sich im Rahmen von
§ 77 Abs. 1
BSHG die Frage stellt, ob Kindergeld sozialhilferechtlich als Einkommen zu berücksichtigen ist, regelt § 43 Abs. 3
BSHG, unter welchen Voraussetzungen der Sozialhilfeträger von den in § 28
BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel für eine der in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 BSHG genannten Maßnahmen der Eingliederungshilfe verlangen kann.
Da das Berufungsurteil aus den dargelegten Gründen nicht mit Bundesrecht im Einklang steht, ist der Revision stattzugeben.
Dahinstehen kann daher, ob die Ansicht der Vorinstanz zutrifft, § 43 Abs. 3 Satz 2 BSHG berechtige den Beklagten auch, von den Klägern den auf ihren Sohn entfallenden Kindergeldanteil über den Zeitpunkt hinaus
zu beanspruchen, in dem ihr Sohn das 18. Lebensjahr vollendet hat. Nicht zu überprüfen war auch die Annahme der Vorinstanz,
das Kostenbeitragsverlangen des Beklagten sei ermessensfehlerfrei.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1
VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus §
188 Satz 2
VwGO.