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BVerwG, Urteil vom 15.05.1986 - 5 C 68.84
c-e. Gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne von Satz 1.
(c) deckt sich mit der Legaldefinition in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I;
(d) ist nicht der tatsächliche Aufenthaltsort, an dem sich ein Minderjähriger für einen nicht erheblichen Zeitraum gegen den Willen des Personensorgeberechtigten aufhält;
(e) ist der Ort der Unterbringung in einem Heim, wenn diese nicht nur vorübergehend sondern auf Dauer angelegt ist.
Fundstellen: BVerwGE 74, 206 , DRsp V(545)96c-e, ZblJR 1986, 465
Normenkette:
JWG § 11 S.1, §§ 30, 40, 42, 47
(c) »... Nach § 11 Satz 1 JWG .. ist das Jugendamt für alle Minderjährigen zuständig, die in seinem Bezirk ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben. Während das JWG selbst keine Definition des für die Festlegung der örtlichen Zuständigkeit des Jugendamtes zentralen Begriffs des «gewöhnlichen Aufenthaltsortes« enthält, hat nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I jemand den »gewöhnlichen Aufenthalt« dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dieser auch in §§ 30, 40 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1, 42 Abs. 2 und 47 b Abs. 2 JWG verwendete Begriff deckt sich mit dem des »gewöhnlichen Aufenthaltsorts«. Da gemäß Art. II § 1 Nr. 16 SGB I das JWG derzeit als besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs gilt, findet die Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I auch im Geltungsbereich des JWG Anwendung (so schon das Urteil des Senats [in] BVerwGE 64, 224, 230 f.). Das gleiche ergibt sich aus der Regelung zum Recht der Jugendhilfe in § 27 SGB I (ebenso für den Bereich des Kindergeldrechts BSG, BSGE 49, 254, 255).
(d) Bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts von Minderjährigen kommt der Festlegung des Aufenthaltsorts durch den zur Bestimmung des Aufenthalts Berechtigten maßgebliche Bedeutung zu, hinter der der Wille des Minderjährigen, sich tatsächlich an einem anderen Ort aufzuhalten, zurücktritt. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Minderjährige steht nicht diesen selbst zu, sondern den Personensorgeberechtigten .. . Da die das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübenden Personen i. d. R. nicht nur die rechtliche, sondern auch die tatsächliche Möglichkeit haben, ihre diesbezüglichen Entscheidungen durchzusetzen, ist grundsätzlich auch der Wille dieser Personen, nicht aber der des Minderjährigen ausschlaggebend. Der Versuch des Minderjährigen, durch Entweichen aus dem Elternhaus, einer Pflegefamilie oder einem Heim sich der Bestimmung seines Aufenthalts durch den hierzu Berechtigten zu entziehen, führt daher jedenfalls solange nicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen an seinem tatsächlichen Aufenthaltsort, als der Berechtigte bemüht ist, seine Aufenthaltsbestimmung durchzusetzen, und es dem Minderjährigen nicht gelingt, für einen erheblichen Zeitraum unterzutauchen und damit den eigenen Willen zu verwirklichen. ...
(e) Bei der Unterbringung von Minderjährigen in Pflegefamilien, Heimen oder sonstigen Einrichtungen kommt es hinsichtlich ihres gewöhnlichen Aufenthalts darauf an, ob die Unterbringung außerhalb der eigenen Familie nur vorübergehend oder auf Dauer erfolgen soll. ... Da es immer das Ziel der unterstützenden und ergänzenden öffentlichen Jugendhilfe sein muß, die Rückkehr des Minderjährigen in die eigene Familie zu ermöglichen, behält der Minderjährige trotz auswärtiger Unterbringung im Regelfall seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort am Wohnort seiner Familie. Wenn die Rückführung angestrebt werden kann, weil es eine Herkunftfamilie gibt, und auch tatsächlich beabsichtigt ist, werden die Umstände in der Regel darauf hindeuten, daß sich der Minderjährige in der Pflegefamilie, dem Heim oder der sonstigen Einrichtung nur vorübergehend aufhält. Er wird dann Ä vergleichbar etwa dem Jugendlichen aus einer »normalen« Familie, der überwiegend in einem Internat erzogen wird Ä zumeist seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort seiner Eltern behalten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Rückkehrmöglichkeit nicht besteht oder eine Rückführung nicht angestrebt wird. Deuten nicht sonstige besondere Umstände auf ein nur vorübergehendes Verweilen hin, begründet der Minderjährige solchenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt regelmäßig an dem Ort, an dem er in einer Pflegefamilie, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung lebt und erzogen wird. ...«