Gründe:
I. Die Klägerin, die in Bad L. (Baden-Württemberg) vom Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhielt, beantragte im
Mai 1983 bei dem Beklagten, den Beitrag (250 DM) für die Aufnahme ihrer 1976 geborenen Tochter in eine Freie Waldorfschule
in P. und das monatliche Schulgeld (145 DM) ab September 1983 als Hilfe zum Lebensunterhalt zu übernehmen. Der Beklagte lehnte
diesen Antrag ab, da die Tochter der Klägerin eine öffentliche Grundschule in zumutbarer Entfernung an ihrem Wohnort besuchen
könne und die Mehrkosten für den Schulbesuch in P. unvertretbar seien. Im September 1983 wurde das Kind in die Waldorfschule
in P. aufgenommen.
Die von der Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Verpflichtungsklage ist im ersten und zweiten Rechtszug ohne Erfolg
geblieben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 11.8.1988 (ZfF 1990 S. 84) im wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen:
Der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 BSHG umfasse nach Wortlaut, Zweck und Systematik des Gesetzes den Aufnahmebeitrag und das Schulgeld für den Besuch einer Waldorfschule
nicht. Da der Staat unentgeltlich öffentliche Grundschulen bereitstelle, bestehe insoweit kein sozialhilferechtlicher Bedarf.
Das Wunsch- und Wahlrecht des Hilfesuchenden nach § 3 Abs. 2 BSHG komme daher nicht zum Zuge. Dieses Ergebnis verletze weder Grundrechte der Klägerin noch die Privatschulfreiheit.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung des § 11 Abs. 1 BSHG sowie des Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG und des Art.
7 Abs.
4 Satz 1
GG.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§
144 Abs.
2 VwGO).
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe nach den Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt in den §§
11 ff. BSHG in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 24. Mai 1983 (BGBl I S. 613) kein Anspruch auf Übernahme der Kosten (Aufnahmebeitrag, monatliches Schulgeld) zu, die dadurch entstanden sind, daß ihre
Tochter anstelle einer öffentlichen Grundschule eine Waldorfschule besucht hat, verletzt Bundesrecht nicht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO).
Zweifelhaft ist bereits, ob die Klägerin selbst Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs sein kann. Das Bundessozialhilfegesetz räumt Kindern einen eigenständigen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ein (BVerwGE 55,148,150; 89,192,198). Ob hier etwas
anderes gilt, weil die Klägerin sich gegenüber dem privaten Schulträger zur Zahlung der umstrittenen Kosten verpflichtet hat
und ihren Anspruch auf Kostenübernahme u.a. auf das elterliche Erziehungsrecht stützt, kann hier jedoch dahinstehen. Denn
die Voraussetzungen des von der Klägerin verfolgten Anspruchs sind jedenfalls aus einem weiteren Grunde nicht erfüllt.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln beschaffen kann. Die hier umstrittenen Kosten für den Besuch einer Waldorfschule werden vom »notwendigen
Lebensunterhalt« im Sinne dieser Vorschrift nicht erfaßt. Insoweit fehlt es an einem mit Mitteln des Sozialhilferechts zu
deckenden Bedarf. Denn der Tochter der Klägerin war es möglich und zumutbar, eine öffentliche Grundschule ihres Wohnorts zu
besuchen, ohne daß hierfür ein Aufnahmebeitrag und Schulgeld angefallen wären. Der Beklagte und die Vorinstanzen haben die
Klägerin zu Recht auf diesen Weg verwiesen:
Mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschule kommt der Staat seinem Erziehungsauftrag aus Art.
7 Abs.
1 GG nach, der u.a. darin besteht, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem
heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet und den verschiedenen Begabungsrichtungen
Raum zur Entfaltung läßt (vgl. BVerfGE 34,165,182,184). In Baden-Württemberg ist - wie in allen Bundesländern - der Unterricht
an den öffentlichen Schulen unentgeltlich (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953
GBl. S. 173 und § 93 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg in der Fassung vom 1.8.1983 GBl. S. 397).
Die Schulgeldfreiheit für öffentliche (Grund-)Schulen ist - wie die Einrichtung der öffentlichen Grundschule (vgl. BVerwGE
75,275,278) selbst - auch eine Konkretisierung des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes (Art.
20 Abs.
1 und Art.
28 Abs.
1 Satz 1
GG). Sie stellt in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge (Fürsorge im weitesten Sinne)
dar, die jedermann ohne Rücksicht auf Herkunft und wirtschaftliche Lage zugute kommen soll und den Personenkreis einschließt,
dem nach § 11 Abs. 1 BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren ist. Da die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen
eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden hat, ist für einen Rechtsanspruch
gegen den Sozialhilfeträger, zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches
Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule (oder einer vergleichbaren Klassenstufe) als Hilfe zum Lebensunterhalt
zu übernehmen, grundsätzlich kein Raum mehr. Die gesetzliche Gewährleistung der Schulgeldfreiheit an öffentlichen Grundschulen
wirkt im Verhältnis zu den Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11 ff. BSHG) als Sonderregelung, die in aller Regel einen sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf für die Übernahme von Schulgeld
im Rahmen des notwendigen Lebensunterhalts nicht entstehen läßt.
Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen nur in Betracht, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen
(z.B. wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich
oder nicht zumutbar ist. Maßstab hierfür ist vor allem die Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines
Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG; vgl. auch §
9 SGB I). Wo die Grenze der Unzumutbarkeit im einzelnen verläuft, ist hier nicht zu entscheiden. Die von der Klägerin angeführten
Gründe für den Besuch der Waldorfschule können eine derartige Ausnahme jedenfalls nicht rechtfertigen.
Nach dem Vorbringen der Klägerin sind nicht weltanschauliche Gründe, sondern pädagogische Gesichtspunkte dafür ausschlaggebend,
daß ihre Tochter eine Waldorfschule besuchen soll. Sie ist der Ansicht, daß ihr Kind auf einer Waldorfschule stärker als auf
einer öffentlichen Schule gefördert werden könne, weil Lehrinhalte und Unterrichtsziele an Waldorfschulen durch eine »besondere
kindgemäße Pädagogik« geprägt seien. Sie verweist auf das besondere pädagogische Interesse an der Ausbildung nach dem Waldorflehrplan,
das mit der Zulassung der Freien Waldorfschule als Ersatzschule durch Verordnung der Landesregierung vom 1. November 1973
(GBl. S. 454) anerkannt worden sei. Angesichts des Bildungsangebots der öffentlichen Grundschule kommt diesen Gesichtspunkten
jedoch ungeachtet des besonderen pädagogischen Interesses, das sich in der Zulassung Freier Waldorfschulen als private Ersatzschulen
ausdrückt (vgl. auch Art.
7 Abs.
4 und
5 GG), nicht jenes elementare Gewicht zu, das Voraussetzung für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe der
§§ 11,12 BSHG ist und in der Beschränkung auf den notwendigen Lebensunterhalt Ausdruck findet. Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht
die vom Berufungsgericht aufgeworfene weitere Frage, welche Bedeutung den »Bedarfstypen« Schulbildung und Ausbildung im Rahmen
von § 12 BSHG und mit Rücksicht auf § 26 BSHG im »Gesamtsystem des Sozialrechts« zukommt, nicht vertieft zu werden.
Da der von der Klägerin gewünschte Besuch der Waldorfschule nicht Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne von
§ 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist, kann die Klägerin sich auch nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des § 3 Abs. 2 BSHG berufen, nach der Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, entsprochen werden soll, soweit
sie angemessen sind und keine unvertretbaren Mehrkosten erfordern. Denn die Vorschrift setzt voraus, daß Sozialhilfe zu gewähren
ist. Da der geltend gemachte Anspruch schon dem Grunde nach nicht besteht, kann es auf Art, Form und Maß der Sozialhilfe (§
3 Abs. 1 BSHG) ebensowenig ankommen wie auf Wünsche des Hilfeempfängers (§ 3 Abs. 2 BSHG).
In dieser Auslegung verletzt § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG nicht höherrangiges Recht. Die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung dieser Vorschrift Inhalt und
Tragweite des elterlichen Grundrechts auf Erziehung in Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG und die Gewährleistung der Privatschulfreiheit in Art.
7 Abs.
4 Satz 1
GG verkannt, greift nicht durch.
Der Klägerin ist zwar einzuräumen, daß das Elternrecht nach Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG grundsätzlich die freie Wahl zwischen den vom Staat zur Verfügung gestellten oder zugelassenen Schulformen einschließt und
daß dieses Wahlrecht nicht mehr als notwendig begrenzt werden darf (BVerfGE 34,165,183 ff.). Daraus erwächst das Recht der
Erziehungsberechtigten, staatliche Maßnahmen abzuwehren, die beeinträchtigend in ihren grundrechtlich geschützten Bereich
der Erziehung hineinwirken. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren jedoch nicht auf die abwehrrechtliche Bedeutung des Elternrechts
in Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG, sondern mißt diesem Grundrecht eine »leistungsrechtliche Dimension« zu, die entweder in Form eines grundrechtsunmittelbaren
Leistungsanspruchs oder kraft Ausstrahlung auf die sozialhilferechtlichen Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt
einen Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu einer privaten Schule begründe, wenn und soweit der Erziehungsberechtigte
den Besuch einer öffentlichen Grundschule aus pädagogischen Gründen ablehnt. Ein derartiger Leistungsanspruch kann jedoch
aus Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG weder unmittelbar abgeleitet noch mittelbar begründet werden. Dabei kann offenbleiben, ob oder in welchem Umfang das Elternrecht
nach Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG über ein individuelles Abwehrrecht hinaus - für sich allein oder in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art.
3 GG) und dem Sozialstaatsprinzip - Ausgangspunkt für einen Leistungsanspruch auf finanzielle Unterstützung bei der Ausübung des
Erziehungsrechts sein kann. Denn in Gestalt der Schulgeldfreiheit an öffentlichen (Grund-)Schulen besteht bereits eine das
Sozialstaatsgebot konkretisierende und die Chancengleichheit im Bildungswesen fördernde Leistung des Staates, die von laufenden
Kosten des Schulbesuchs im täglichen Leben entlastet und auf diese Weise Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützt. Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß das
Grundgesetz darüber hinaus der elterlichen Entscheidung für pädagogische Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb der öffentlichen (Grund-)Schule,
wie sie die Klägerin verfolgt, die existentielle Bedeutung einräumt, die es rechtfertigen könnte, dieses Erziehungsbedürfnis
sozialhilferechtlich als Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts anzuerkennen.
Entgegen der Revision kann der von der Klägerin verfolgte Sozialhilfeanspruch auch nicht mit der Privatschulfreiheit aus Art.
7 Abs.
4 Satz 1
GG begründet werden. Diese Bestimmung legt dem Staat zwar die Pflicht auf, das private Ersatzschulwesen zu schützen (BVerfGE
75,40). Diese Schutzpflicht findet jedoch ihren Grund in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Privatschulwesens,
also in der Förderung individueller Freiheit der Ersatzschulträger (BVerfGE 75,40,68), nicht aber in dem Recht der Eltern,
für ihre Kinder eine private Ersatzschule zu wählen. Wie das Berufungsgericht zu Recht klargestellt hat, scheide Art.
7 Abs.
54 Satz 1
GG schon deshalb als Anspruchsgrundlage für Leistungen an die Klägerin aus.
Der Leistungsanspruch ist aber auch nicht mittelbar über die aus Art.
7 Abs.
4 Satz 1
GG folgende Schutzpflicht des Staates im Wege der Auslegung aus § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG zu begründen. Auch dies hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Das von der Revision mehrfach angeführte Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 - 1 BvL 8, 16.84 - (BVerfGE 75,40) stützt ihren Rechtsstandpunkt nicht. In diesem
Urteil wird die staatliche Schutzpflicht für private Ersatzschulen zwar u.a. aus der Erwägung begründet, nur wenn das private
Ersatzschulwesen grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse offenstehe, könne
die in Art.
7 Abs.
4 Satz 1
GG gewährleistete Freiheit im Schulwesen tatsächlich verwirklicht und von allen Eltern und Schülern gleichberechtigt in Anspruch
genommen werden (BVerfGE 75,40,65). Gegenstand der den Gesetzgeber treffenden Schutzpflicht ist jedoch der Bestand des Ersatzschulwesens
als Institution. Dem Landesgesetzgeber bleibt es überdies im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit unbenommen, seine Förderung
zusätzlich von der konkreten Hilfsbedürftigkeit jedes einzelnen privaten Schulträgers abhängig zu machen. Entschließt sich
der Gesetzgeber, im Rahmen seiner Schutzpflicht das private Ersatzschulwesen zu unterstützen, so unterliegt er hierbei den
Beschränkungen aus Art.
3 GG (BVerfGE 75,40,67,69). Doch bleibt Schutzsubjekt dabei stets die private Ersatzschule. Das schließt es schon im Ansatz aus,
die Schutzpflicht aus Art.
7 Abs.
4 Satz 1
GG zugleich als Maßstab für den Umfang der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 11 ff. BSHG heranzuziehen, deren Schutzsubjekt der hilfebedürftige einzelne ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß §
188 Satz 2
VwGO nicht erhoben.