Gründe:
I. Der 1974 geborene Kläger erfüllte seit Februar 1982 seine Schulpflicht in einer 6,5 km von seinem Elternhaus entfernten
privaten Sonderschule für geistig Behinderte. Wegen einer körperlichen Behinderung konnte er am Schulunterricht, der montags
bis donnerstags erst nachmittags endete, nur halbtags teilnehmen. Der Kläger verließ die Schule jeweils nach der Einnahme
des Mittagessens. Da der Schulträger, der einen Schulbus unterhielt keinen Fahrdienst eigens für den Kläger einrichtete, benutzte
dieser an den Tagen, an denen er die Schule vor Unterrichtsende verließ, für die Heimfahrten ein Taxi. Die Kosten von jeweils
10,- DM trugen seine Eltern, die vom Schulträger eine Wegstreckenentschädigung von O,25 DM pro km erhielten. Eine weitergehende
Kostenübernahme lehnte der Schulträger im Benehmen mit der Schulbehörde ab.
Unter dem 16. Februar 1982 beantragte der Vater des Klägers beim Beklagten die Übernahme der Fahrkosten. Er machte hierzu
geltend, weder er noch seine Ehefrau seien in der Lage, ihren Sohn mit ihrem Pkw zur Mittagszeit von der Schule abzuholen.
Durch Bescheid vom 30. Juli 1982 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme mit der Begründung ab, der Schulträger habe sich
zur Erstattung derjenigen Fahrkosten bereit erklärt, die nach den Maßstäben der Schülerfahrkosten-Verordnung als notwendig
anzuerkennen seien; der Sozialhilfeträger sei nicht gehalten, über den danach gebotenen Rahmen hinauszugehen.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid des Oberkreisdirektors des Kreises Recklinghausen vom
1. Dezember 1982 u.a. unter Hinweis auf die aus dem bürgerlichen Recht folgende Pflicht der Eltern des Klägers zurückgewiesen,
diesem in zumutbarer Weise zu helfen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, soweit
es um die Übernahme von Taxikosten ab März 1982 ging (hinsichtlich des davorliegenden Zeitraumes war die Berufung zurückgenommen
und das Verfahren eingestellt worden). Das Berufungsurteil ist folgendermaßen begründet:
Hinsichtlich der Übernahme von Taxikosten nach Erlaß des Widerspruchsbescheides sei die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens
unzulässig. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. März 1982 bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides am 1. Dezember 1982 sei sie
unbegründet. Die Kostenübernahme komme zwar im Rahmen der Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung
in Betracht, sei jedoch nach der Besonderheit des Einzelfalles (§ 3 Abs. 1 BSHG) hier nicht notwendig. Es sei der Mutter des Klägers möglich und zuzumuten gewesen, ihn mittags mit dem familieneigenen Pkw
von der Schule abzuholen.
Mit der beschränkt auf die Übernahme von Taxikosten für die Zeit vom 1. März 1982 bis 1. Dezember 1982 eingelegten Revision
rügt der Kläger eine Verletzung von § 43 BSHG und eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1975 - BVerwG 5 C 19.74 - (BVerwGE 48, 228); er hält den Beklagten für unzuständig.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
II. Die Revision ist zulässig und auch begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (vgl. §
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hätte der Berufung des Klägers hinsichtlich der Gewährung von Eingliederungshilfe, bezogen auf
den von der Revision erfaßten Zeitraum (1. März 1982 bis 1. Dezember 1982), stattgeben müssen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme von Taxikosten aus § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Danach ist Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, Eingliederungshilfe
zu gewähren. Der Kläger gehört unbestritten zu diesem Personenkreis. Auch die weiteren Voraussetzungen der Eingliederungshilfe
nach § 39 Abs. 3, § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG sind erfüllt; denn die Beförderungskosten, deren Übernahme hier im Streit ist, entstehen, da der Kläger den Schulweg an den
betreffenden Tagen und zu den betreffenden Zeiten nicht anders bewältigen kann, als notwendige Folge seiner Behinderung. Ihre
Übernahme dient dazu, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern und den Kläger - hier im Zusammenhang mit der Ermöglichung
einer angemessenen Schulbildung (vgl. insoweit BVerwGE 48, 228 [232 f.]) - in die Gesellschaft einzugliedern (s. dazu auch BVerwGE 25, 28 [29 f.] für die Übernahme von Krankentransportkosten; BVerwGE 35, 99 [101] für die Übernahme von Heimreisekosten).
Der Kläger erhielt die benötigte Hilfe nicht von seinen Eltern; denn diese lehnten es ab, ihn mit ihrem Pkw von der Schule
abzuholen. Einem Sozialhilfeanspruch des Klägers kann daher auch nicht § 2 Abs. 1 BSHG entgegengehalten werden, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen,
besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Insbesondere hatte der Kläger keinen Rechtsanspruch
gegen seine Eltern auf Hilfeleistung, der sich ohne weiteres und alsbald hätte realisieren lassen. Seine Eltern machen geltend,
daß sie zur Hilfeleistung außerstande seien. Es war dem Kläger nicht zuzumuten, ggf. mit gerichtlicher Hilfe seine Eltern
zu einer Aufgabe ihres Standpunktes und Änderung ihres Verhaltens zu bewegen und bis dahin von einer Inanspruchnahme der Sozialhilfe
abzusehen. Auch vom Träger der Sonderschule, die er besuchte, konnte der Kläger über die von der Schule organisierte Schulbusbeförderung
der Schüler und über die Zahlung einer Wegstreckenentschädigung an seine Eltern hinaus keine Hilfe erwarten.
Ein Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 28 BSHG ausgeschlossen, wonach Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht gewährt wird, soweit seinen Eltern nach §§ 76 ff. BSHG die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen zuzumuten ist. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG ist die Aufbringung der Mittel bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten.
Die vom Kläger benötigten Fahrkosten sind allein behinderungsbedingt und deshalb keine Kosten des Lebensunterhalts.
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (vgl. §
144 Abs.
4 VwGO). Insbesondere scheitert das Begehren des Klägers nicht an mangelnder Passivlegitimation des Beklagten.
Der Hilfeanspruch des Klägers richtet sich gegen den Beklagten. Dessen Zuständigkeit für Maßnahmen der Eingliederungshilfe
ist hier nicht durch eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe verdrängt. Dieser ist nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 BSHG, soweit nicht nach Landesrecht der örtliche Träger sachlich zuständig ist, zuständig für die Hilfe in besonderen Lebenslagen
u.a. für die in § 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BSHG genannten Personen, wenn es wegen der Behinderung dieser Personen in Verbindung mit den Besonderheiten des Einzelfalles erforderlich
ist, die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder in einer Einrichtung zur teilstationären
Betreuung zu gewähren. Es kann auf sich beruhen, inwiefern die vom Kläger besuchte Sonderschule als eine Einrichtung in diesem
Sinne angesehen werden kann; denn die Unterrichtung und Betreuung des Klägers in der Sonderschule sind hier jedenfalls keine
Maßnahmen der Sozialhilfe. Schon deshalb scheidet eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe aus, die sich
allein aus § 100 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 BSHG ergeben könnte (vgl. in diesem Zusammenhang einerseits BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1985 - BVerwG 5 C 27.84 - [Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 12, S. 10 f.] und Urteil vom 14. März 1991 - BVerwG 5 C 8.87 - [Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 19, S. 23 f.]; andererseits BVerwGE 25, 28 [31 ff.]).
Der Revision ist nach alledem stattzugeben, indem der Beklagte unter Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen antragsgemäß
zur Übernahme der Taxikosten verpflichtet wird (§
144. Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 VwGO). Zwar sind Form und Maß der Sozialhilfe nach § 4 Abs. 2 BSHG in das Ermessen des Beklagten gestellt, und mögen früher verschiedene Beförderungshilfen in Betracht gekommen sein. Mit Rücksicht
auf die tatsächliche Taxibeförderung in der streitgegenständlichen Zeit von März bis Dezember 1982 ist jetzt aber als Hilfeleistung
nur noch die Übernahme der - notwendigen - Taxikosten möglich.