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BVerwG, Urteil vom 24.08.1990 - 8 C 65.89, FEVS 41, 89
b. »Für die Widerlegung der von § 18 Abs. 2 Nr. 2, Halbsatz 2 WoGG vermuteten Tatsache, daß eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht, wenn der Antragsberechtigte und (zumindest) eine weitere Person eine Wohngemeinschaft führen, ist der volle Beweis dafür erforderlich, daß ungeachtet der Wohngemeinschaft eine Wirtschaftsgemeinschaft nicht besteht.«
c. »Das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne der §§ 4 Abs. 2 Satz 2, 18 Abs. 2 Nr. 2, Halbsatz 2 WoGG ist grundsätzlich anzunehmen, wenn sich der Antragsberechtigte und sein(e) Mitbewohner im Interesse der Einsparung von Zeit und Geld zumindest teilweise gemeinsam mit Gütern des täglichen Lebensbedarfs versorgen und in diesem Sinne "aus einem Topf wirtschaften".«
d. »Nach § 41 Abs. 3 Satz 1 und 2 WoGG ( 1980) scheiden alleinstehende Auszubildende mit Blick auf das Bundesausbildungsförderungsgesetz nur dann aus dem Kreis der Wohngeldberechtigten aus, wenn ihnen Ä in welcher Höhe auch immer Ä ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach diesem Gesetz zusteht.«
Fundstellen: BVerwGE 85, 314, DRsp V(545)116b-d, DÖV 1991, 208, FEVS 41, 89, FamRZ 1991, 327, NJW 1991, 2583
Normenkette:
BAföG § 48 Abs.1 S.1 Nr.2
,
WoGG § 4 Abs.2 S.2, § 18 Abs.2 Nr.2, § 41 Abs.3
b. »Das Vorliegen einer Wohngemeinschaft ist Ä wie sich aus § 18 Abs. 2 Nr. 2, Halbsatz 2 WoGG ebenso wie aus § 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG ergibt Ä anzunehmen, wenn der Antragsberechtigte und (zumindest) eine weitere Person »Wohnraum gemeinsam bewohnen«. Die tatsächlichen Feststellungen des BerGer. [BayVGH] rechtfertigen seine Ansicht, der Kl. und die Zeugin W. hätten eine Wohngemeinschaft in diesem Sinne geführt. ... Da der Kl. und die Zeugin W. .. Wohnraum gemeinsam bewohnt haben, sei Ä so hat das BerGer. ausgeführt Ä gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2, Halbsatz 2 WoGG das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft zu vermuten. ...
Die gesetzl. Vermutung des § 18 Abs. 2 Nr. 2, Halbsatz 2 WoGG ist eine sogen. Rechtsvermutung, nach der eine Tatsache (hier: Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft) als feststehend zu behandeln ist, wenn eine andere Tatsache (hier: Bestehen einer Wohngemeinschaft) feststeht. Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine solche Vermutung auf, ist nach der gemäß § 173 VerwGO entsprechend anwendbaren Regel des § 292 Satz 1 ZPO der Beweis des Gegenteils, nämlich der Beweis, daß die vom Gesetz vermutete Tatsache nicht vorliegt, zulässig, es sei denn Ä was hier jedoch nicht der Fall ist Ä das Gesetz schreibe etwas anderes vor. Zu Recht hat das BerGer. erkannt, zur Widerlegung der vom Gesetz vermuteten Tatsache müsse allerdings der volle Beweis dafür erbracht werden, daß diese Tatsache nicht vorliegt, es genüge nicht, die Vermutung nur zu erschüttern (vgl. BGH, NJW 1980, 1047, 1048, m. w. N., sowie BVerwGE 23, 255, 259 zu § 16 BSHG). ...
c. Zutreffend hat das BerGer. dargelegt, für die Bestimmung des Begriffs »Wirtschaftsgemeinschaft« in § 18 Abs. 2 Nr. 2, Halbsatz 2 WoGG könne auf die Definition in § 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG zurückgegriffen werden. Maßgebend ist dementsprechend für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft, ob sich der Antragsberechtigte und sein(e) Mitbewohner »ganz oder teilweise gemeinsam mit dem täglichen Lebensbedarfversorgen« (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG), d. h. ob sie in dem bezeichneten Ausmaß Ä wie es das BVerwG (BVerwGE 52, 11, 12) im Zusammenhang mit § 122 BSHG ausgedrückt hat Ä »aus einem Topf wirtschaften«. Zuzustimmen ist dem BerGer. ferner, wenn es meint, ein solches »gemeinsames Versorgen« bzw. »Wirtschaften aus einem Topf« setze nicht voraus, daß nur eine einzige gemeinsame Kasse bestehe. Ohne Belang ist überdies, ob die Partner der Gemeinschaft eine getrennte Kassenführung, d. h. vereinbart haben, daß jeder der Partner nicht nur die Hälfte der Generalunkosten des Haushalts, sondern auch die Hälfte der Aufwendungen zu tragen hat, die für eine gemeinsame Versorgung mit dem täglichen Lebensbedarf anfallen. Denn die Fragen, wer wann welchen Anteil dieser Kosten deckt, berühren nicht das »Wirtschaften aus einem Topf«, sondern betreffen die »Speisung« dieses Topfes. Zu folgen ist dem BerGer. schließlich in der Annahme, eine Wirtschaftsgemeinschaft i. S. des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WoGG verlange nicht, daß die der teilweisen gemeinsamen Versorgung mit dem täglichen Lebensbedarf dienenden Güter gemeinsam und/oder aufgrund gemeinsamer Planung angeschafft werden oder daß der eine Partner über ein etwa bestehendes Konto des anderen verfügen darf. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Partner im Interesse der Einsparung von Zeit und Geld sich zumindest teilweise gemeinsam mit Gütern des täglichen Lebensbedarfs versorgen und in diesem Sinne »aus einem Topf wirtschaften«. ...
d. Nach § 41 Abs. 3 Satz 1 und 2 WoGG scheiden alleinstehende Auszubildende mit Blick auf das BAföG nur dann aus dem Kreis der Wohngeldberechtigten aus, wenn ihnen Ä in welcher Höhe auch immer Ä tatsächlich ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach diesem Gesetz zusteht. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
§ 41 Abs. 3 Satz 2 WoGG (1980 wie 1982) hebt mit den Worten »Leistungen zur Förderung dem Grunde nach nicht zustehen« auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Anspruchs auf die Gewährung von Leistungen nach dem BAföG ab; das Wohngeldgesetz soll anwendbar sein, wenn dem alleinstehenden Auszubildenden ein solcher Anspruch dem Grunde nach nicht zusteht. Mit der Formulierung, ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen sei (bereits) dem Grunde nach nicht gegeben, er stehe dem (hier:) Auszubildenden (bereits) dem Grunde nach nicht zu, wird im juristischen Sprachgebrauch zum Ausdruck gebracht, es fehle (zumindest) an einer Voraussetzung für diesen Anspruch, so daß sich die Frage, in welcher Höhe der Anspruch, wenn er gegeben wäre, bestünde, nicht stellt. ... Das führt zu der Annahme, § 41 Abs. 3 Satz 1 und 2 WoGG machten den Ausschluß der Anwendbarkeit des WoGG mit Blick auf das BAföG abhängig vom Bestehen eines Anspruchs auf die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz; § 41 Abs. 3 Satz 2 WoGG hindere einen Ausschluß der Anwendbarkeit des WoGG nach § 41 Abs. 3 Satz 1 WoGG immer dann, wenn irgendeine Voraussetzung für das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht erfüllt ist und deshalb dem alleinstehenden Auszubildenden ein Anspruch auf die Gewährung solcher Leistungen (bereits) »dem Grunde nach nicht zusteht«. ...
Auch der mit § 41 Abs. 3 WoGG verfolgte Zweck spricht für die Ansicht, der Begriff »dem Grunde nach nicht zustehen« in § 41 Abs. 3 Satz 2 WoGG stelle darauf ab, ob im konkreten Einzelfall tatsächlich ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem BAföG besteht. ... Das ist nicht der Fall, wenn es Ä wie z. B. im vorl. Fall Ä mangels Vorlage einer Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG an einer für den Bezug von Afö [Ausbildungsförderung] unerläßlichen Voraussetzung .. fehlt. ... Entfällt eine (anteilige) Sicherung des Wohnbedarfs durch eine Afö, steht einem alleinstehenden Auszubildenden also Ä aus welchen Gründen immer Ä kein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zu, fällt dem WoGG die Aufgabe der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen Wohnens zu.«