Überschaubarer Sachverhalt als Bestandteil eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses - Versorgung der sich auf dem Gebiet
einer Gemeinde aufhaltenden Asylbewerber mit einer Unterkunft
Gründe:
Durch das Inkrafttreten des bayerischen Asylbewerberaufnahmegesetzes vom 22. Dezember 1989 (GVBl. S. 714) am 1. Januar 1990
haben sich der Feststellungsrechtsstreit insoweit, als er das Nichtbestehen einer Verpflichtung der Klägerin zur Unterbringung
der den Asylantrag in München stellenden Asylbewerber auch in der Zeit ab 1. Januar 1990 zum Gegenstand hatte, und, als Folge
davon, auch das wegen der Zulassung der Revision insoweit betriebene Beschwerdeverfahren erledigt (Beschluß vom 28. August
1985 - BVerwG 8 B 128.84 - BVerwGE 72, 93).
Die auf Zulassung der Revision gegen die berufungsgerichtliche Feststellung des Nichtbestehens einer Unterbringungsverpflichtung
der Klägerin auch während der Zeit bis zum 31. Dezember 1989 gerichtete Beschwerde, die sich nicht erledigt hat, ist unbegründet.
Die von dem Beklagten als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete prozessuale Rechtsfrage, "welchen Grad an Bestimmtheit
eine Feststellungsklage aufweisen muß und ob die Anforderungen an die Bestimmtheit bei einer Feststellungsklage gegenüber
einem öffentlichen Hoheitsträger geringer sein dürfen als bei einer entsprechenden Verpflichtungsklage", rechtfertigt nicht
die Zulassung der Revision. Es mag dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungserfordernissen im Sinne von §
132 Abs.
3 Satz 3
VwGO entspricht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedenfalls geklärt, unter welchen Voraussetzungen dem
Erfordernis eines bestimmten Antrages im Sinne von §
82 VwGO genügt ist, so daß eine hinreichend bestimmte Klage vorliegt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung erweist sich der gestellte
Klageantrag als inhaltlich eindeutig, so daß sich weder die Frage nach der erforderlichen Bestimmtheit der Feststellungsklage
noch die weiter aufgeworfene Frage nach etwaigen unterschiedlichen Anforderungen bei Feststellungsklagen zwischen Trägern
öffentlicher Verwaltung im Verhältnis zu Feststellungsklagen allgemein in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde.
Hinreichend bestimmt ist eine Klage immer dann, wenn ihr Ziel aus der Tatsache der Erhebung allein oder in Verbindung mit
den abgegebenen Erklärungen erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwGE 3, 75; 12, 189; 23, 41; 60, 144, 149). Danach
ist im vorliegenden Verfahren das Rechtsschutzziel der Klägerin nicht unbestimmt geblieben. Der Klägerin geht es um die gerichtliche
Klärung der Frage, ob der Beklagte es durch eigenes Untätigsein geschehen lassen darf, daß Asylbewerber, die sich in München
aufhalten und eine Unterkunft benötigen, auf Unterbringung durch die Klägerin angewiesen sind. Dieses Rechtsschutzziel hat
die Klägerin hinreichend klar zum Ausdruck gebracht mit dem ein negatives Feststellungsbegehren beinhaltenden Antrag im Berufungsverfahren,
das Gericht möge feststellen, daß sie nicht verpflichtet ist, Asylbewerber unterzubringen, die in München ihren Asylantrag
gestellt haben oder künftig stellen werden. Etwaige Zweifel an der genügenden Bestimmtheit der Klage, die der Verwaltungsgerichtshof
wegen des Zusammenhangs zwischen dem Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags und der Vollstreckungsfähigkeit eines stattgebenden
Verpflichtungsurteils gesehen hat, sind mit der Umstellung der Klage auf den Feststellungsantrag im Berufungsverfahren gerade
entfallen.
Die gerügte Abweichung des Berufungsgerichts vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 1966 - BVerwG 5 C 114.65 - (Buchholz 310 §
43 VwGO Nr. 18 = NJW 1967, 797) liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat nicht den Rechtssatz aufgestellt, "auch bei noch unwägbarem, d.h. unübersehbarem
Sachverhalt seien die Voraussetzungen des §
43 Abs.
1 VwGO gegeben". Die Ausführungen auf S. 8 des Berufungsurteils lassen vielmehr erkennen, daß der Verwaltungsgerichtshof die Kriterien
zugrunde gelegt hat, anhand derer das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung beurteilt, ob Gegenstand der begehrten
gerichtlichen Feststellung ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist. Nach dieser Rechtsprechung sind als Rechtsverhältnis
im Sinne von §
43 Abs.
1 VwGO die rechtlichen Beziehungen anzusehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden
öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Solche
rechtlichen Beziehungen haben sich dann zu einem bestimmten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten
Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist (Beschluß vom 12. November 1987 - BVerwG
3 B 20.87 - Buchholz 310 §
43 VwGO Nr. 97). Ein Mangel an Bestimmtheit und Überschaubarkeit des Elementes "Sachverhalt" in dem vom Berufungsgericht festgestellten
Rechtsverhältnis ergibt sich entgegen der Beschwerde auch nicht daraus, daß Gegenstand der negativen gerichtlichen Feststellung
nicht eine schlechthin und unterschiedslos gegenüber jedem Asylbewerber geltende Verpflichtung zur Unterkunftsgewährung als
Sachleistung ist, sondern daß der Verwaltungsgerichtshof lediglich festgestellt hat, es gebe diese Verpflichtung grundsätzlich
nicht, es sei denn, es lägen besondere Umstände des Einzelfalles vor. Ein durch das Fehlen atypischer Umstände gekennzeichneter
Sachverhalt ist kein unbestimmter, in seinen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen nicht überschaubarer Sachverhalt im
Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Beschwerde hält weiter für grundsätzlich bedeutsam, "ob die Gemeinden bei der Unterbringung von Asylbewerbern gemäß Art.
28 Abs.
1 GG mitwirkungspflichtig sind". Es mag auch hier offenbleiben, ob damit die grundsätzliche Bedeutung hinreichend durch Bezeichnung
einer konkreten Rechtsfrage unter Angabe eines die grundsätzliche Bedeutung rechtfertigenden Grundes dargetan ist. Zugunsten
des Beklagten kann auch unterstellt werden, daß entgegen dem Wortlaut des Beschwerdevorbringens die als rechtsgrundsätzlich
angesehene Frage nicht dem Art.
28 Abs.
1 GG, sondern der die gemeindliche Selbstverwaltung garantierenden Norm des Art.
28 Abs.
2 GG gilt. Art.
28 Abs.
1 GG enthält nur Normativbestimmungen für die Verfassungen der Länder; aus dieser Vorschrift kann für eine wie auch immer ausgestaltete
Mitwirkungspflicht der Gemeinden bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben nichts hergeleitet werden.
Gleichwohl kommt auch dann die Zulassung der Revision wegen einer materiell grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage nicht in
Betracht, wenn die Ausführungen der Beschwerde insoweit auf Art.
28 Abs.
2 GG bezogen werden. Die Frage einer "Mitwirkungspflicht" der Gemeinden aus Art.
28 Abs.
2 GG bei der Unterbringung von Asylbewerbern läßt sich anhand gesicherter Auslegung dieser Verfassungsbestimmung, ohne weiteres
und ohne daß es noch der Lösung ungeklärter Rechtsfragen bedarf, verneinen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beschwerde
mit der von ihr so bezeichneten "Mitwirkungspflicht bei der Unterbringung von Asylbewerbern" eine Pflicht meint, welche der
Klägerin unmittelbar gegenüber den Asylbewerbern obliegt, oder ob die Beschwerde eine der Klägerin gegenüber dem Beklagten
obliegende, auf dessen Unterstützung bei der Unterbringung von Asylbewerbern gerichtete Pflicht meint. Als institutionelle
Garantie verschafft die Verfassungsnorm über die gemeindliche Selbstverwaltung der Gemeinde einen besonderen Schutz vor Einwirkungen;
sie verbietet jeglichen Eingriff in den Kernbereich und Eingriffe in den Außenbereich der Selbstverwaltung, soweit letzteren
eine sachliche Rechtfertigung fehlt (BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127, 143; BVerwG, Beschluß vom 2. August 1984 - BVerwG 3 C 40.81 - Buchholz 11 Art.
28 GG Nr.
53 S. 17). Weiterhin vermittelt Art.
28 Abs.
2 GG der Gemeinde zum einen ein Abwehrrecht gegen solche Angriffe, zum anderen das Recht, sich mit Angelegenheiten des örtlichen
Wirkungskreises in eigener Verantwortung zu befassen (BVerfG, a.a.O.; Leibholz-Rinck-Hesselberger,
Grundgesetz-Kommentar, Art.
28, RdZiff. 16;
Grundgesetz-Kommentar, herausgegeben von Ingo von Münch, Art.
28 RdZiff. 47). Hieraus folgt, daß entgegen der Auffassung der Beschwerde unmittelbar aus Art.
28 Abs.
2 GG eine Pflicht der Gemeinde gegenüber dem Land zur Mitwirkung bei der Erledigung staatlicher Aufgaben nicht hergeleitet werden
kann. Eine in Art.
28 Abs.
2 GG wurzelnde Verpflichtung der einzelnen Gemeinde gegenüber den Asylbewerbern, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und keine
Unterkunft haben, eine solche zu stellen, besteht ebenfalls nicht, und zwar schon deshalb nicht, weil die Unterbringung von
Asylbewerbern bereits keine Angelegenheit des örtlichen Wirkungskreises ist.
Zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art.
28 Abs.
2 GG zählen nur diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder zu ihr einen spezifischen
Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der
Menschen in der Gemeinde betreffen (BVerfG, a.a.O., S. 127). Schuldner der einzelnen, aus Art.
16 Abs.
2 Satz 2
GG i.V.m. Art.
83 und Art.
84 Abs.
1 GG herzuleitenden Leistungspflichten während des Laufs eines Asylverfahrens ist jedoch der Staat; von seinen Organen sind bei
Fehlen gegenteiliger gesetzlicher Regelungen diese Pflichten zu erfüllen (Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 44.70 - BVerwGE 49, 44, 48; Urteil vom 7. Oktober 1975 - BVerwG 1 C 46.69 - BVerwGE 49, 202, 206; Hofmann ZAR 1983, 138, 140). Die Unterbringung politischer Flüchtlinge ist auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch den Bund und die Länder
wahrgenommen worden. Darauf weisen bereits die früheren gesetzlichen Aufenthaltsvorschriften hin (§ 3 AsylVO, § 39 AuslG a.F.). Erst nach Aufnahme des Verteilungsverfahrens für asylsuchende Ausländer auf die einzelnen Bundesländer im Februar
1974, das nunmehr in §
22 AsylVfG eine gesetzliche Grundlage hat, sind die Gemeinden nach Maßgabe landesrechtlicher Bestimmungen mit dieser Aufgabe konfrontiert
worden. Eine überkommene Selbstverwaltungsaufgabe scheidet daher aus. Soweit nicht Landesgesetze die Unterbringung den Gemeinden
verpflichtend auferlegen (vgl. etwa § 1 Abs. 1 bad.-württ. Zuweisungsgesetz, § 1 rheinland-pfälzisches Aufnahmegesetz, § 4
des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Zuweisung und Aufnahme ausländischer Flüchtlinge), bleibt die Unterbringung
daher Teil der Aufgaben des Staates.
Soweit die Klägerin bei fehlenden staatlichen Unterkünften als Gemeinde tätig wird, um eine drohende Obdachlosigkeit des Asylbewerbers
zu beseitigen, nimmt sie gleichfalls nicht eine Aufgabe wahr, die ihr durch die von der Beschwerde in dieser Hinsicht als
klärungsbedürftig angesehene Verfassungsbestimmung des Art.
28 Abs.
2 GG vorbehalten ist.
Sofern der Obdachlosigkeit des Asylbewerbers durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe begegnet wird, beruhen die sich daraus
herleitenden Zuständigkeiten der Klägerin auf landesrechtlichen Vorschriften (Art. 7 Abs. 1 b) BayAG BSHG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Ziff. 12 BayAG BSHG und der entsprechenden Verordnung des Bezirks Oberbayern), deren Einhaltung sich deshalb einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung
durch das Bundesverwaltungsgericht entzieht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO).
Klärungsbedürftig ist schließlich auch nicht, "ob grundsätzlich die Verpflichtung besteht, Asylanten Sozialhilfe durch Sachleistung,
auch durch Unterbringung, zu gewähren". Die Begründung der Beschwerde verfehlt bereits die Anforderungen, die §
132 Abs.
3 Satz 3
VwGO an das Beschwerdevorbringen stellt. Ohne Rücksicht darauf läßt sich die Rechtsfrage ohne weiteres anhand des geltenden Rechts
auf der Grundlage der dazu ergangenen Rechtsprechung verneinen. Dazu bedarf es keines Revisionsverfahrens:
Der Anspruch des Asylbewerbers auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 4 BSHG i.V.m. § 120 Abs. 1 und Abs. 2 BSHG unterliegt dem Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 BSHG). So erhält etwa der Asylbewerber, der die Möglichkeit hat, während der Dauer des Asylverfahrens in einer von einem Dritten
eingerichteten Sammelunterkunft aufgenommen zu werden, wegen der dort gewährten Sach- und Geldleistungen, soweit diese geeignet
sind, den notwendigen Lebensunterhalt sicherzustellen, keine Hilfe zum Lebensunterhalt (Urteil vom 11. August 1983 - BVerwG
5 C 32.82 - BVerwGE 67, 349). Im Regelfall gehört zu den laufenden Leistungen für die Hilfeempfänger auch die Übernahme der Kosten einer Unterkunft (§
12 Abs. 1 BSHG i.V.m. § 22 BSHG und § 3 der Regelsatzverordnung). In der davon abweichenden Bestimmung des § 120 Abs. 2 Satz 3 BSHG, nach der Sozialhilfe, soweit dies möglich ist, als Sachleistung gewährt werden soll, ist die durch das Wort "soll" bewirkte
weitgehende Festlegung der Ermessensausübung auf die Gewährung von Sachleistungen durch den Halbsatz "soweit dies möglich
ist" wieder teilweise zurückgenommen worden. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß die Übernahme der Kosten für die Unterkunft
durch den Träger der Sozialhilfe nur noch in atypischen Fällen in Betracht kommen kann und die Gewährung einer Unterkunft
in Form der Sachleistung die Regel sein soll. Von den konkreten Umständen in der Person des Asylbewerbers und von den gegebenen
Möglichkeiten des Trägers der Sozialhilfe wird es deshalb abhängen, welche Form der Hilfe eingreifen kann und ob im Einzelfall
das Ermessen weiter verdichtet ist.
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte gemäß §
154 Abs.
2 VwGO zu tragen. Die Kosten des durch Inkrafttreten des bayerischen Asylbewerberaufnahmegesetzes erledigten Verfahrens fallen gemäß
§
161 Abs.
2 VwGO ebenfalls dem Beklagten zur Last. Wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, war - bei Außerachtlassung des Ereignisses,
das zu der Erledigung geführt hat - das negative Feststellungsbegehren der Klägerin auch für die Zeit nach dem 31. Dezember
1989 zulässig und begründet.