Wirtschaftsausschuß - Einsetzung in einem Tendenzbetrieb
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Einsetzung eines Wirtschaftsausschusses.
Die Antragsgegnerin führt als gemeinnützige Gesellschaft im Sinne der §§
51 ff..
Abgabenordnung (
AO) Maßnahmen zur beruflichen Integration von Kieler Sozialhilfeempfängern durch. Sie ist im Zuständigkeitsbereich des Sozialamtes
der Landeshauptstadt Kiel alleiniger Durchführungsträger der "Hilfe zur Arbeit" nach §§ 18 ff.. BSHG. An ihr sind die Landeshauptstadt Kiel mit 80 %, das Bildungswerk der DAG e.V. sowie das Berufsfortbildungswerk der DGB GmbH
zu jeweils 10 % beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag vom 29.03.1994 bestimmt in § 3 zum Gegenstand folgendes:
Gegenstand des Unternehmens ist es, Personen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, Hilfen zu bieten.
Dieser Personenkreis setzt sich wie folgt zusammen:
* Empfängerinnen von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) im Rahmen der Durchführung der "Hilfe zur Arbeit" nach den §§ 19, 20
BSHG
* sonstige Langzeitarbeitslose
* Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten
* Frauen, die an der (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert sind
* Schwerbehinderte
* Arbeitslose ohne angemessene Qualifikation
* Jugendliche mit besonderen Problemen
* Personen mit Erwerbsminderung
In § 4 heißt es unter anderem:
(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte
Zwecke" der
Abgabenordnung.
(2) Zweck des Unternehmens ist es, die berufliche Qualifikation, die soziale Integration und die persönliche Stabilisierung
des in § 3 genannten Personenkreises zu fördern.
In der Rahmenvereinbarung zwischen der Landeshauptstadt Kiel und der Antragsgegnerin in der Fassung vom 28.05.1998/05.06.1998
heißt es unter § 2 (Bl. 34 d. A.):
Gegenstand und Zweck der K... GmbH
Gegenstand des Unternehmens ist es, Personen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, Hilfen zu bieten.
Zweck des Unternehmens ist es, die berufliche Qualifikation, die soziale Integration und die persönliche Stabilisierung dieser
Personen durch den Abschluss befristeter Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse oder durch andere Hilfen zu fördern."
Der Tarifvertrag der ÖTV mit der Antragsgegnerin gemäß § 3
BetrVG sieht in § 10 (Bl. 17 d. A.) vor, dass § 118
BetrVG nicht Anwendung finde.
Bei der Antragsgegnerin werden nach dem Stand Februar 1999 ca. 600 Personen geführt, und zwar wie folgt:
Mitarbeiter im sogen. Stamm ohne Förderung
31
Mitarbeiter im sogen. Stamm mit Förderung
26
ABM-Kräfte
22
Mitarbeiter über Lohnkostenzuschüsse vom Arbeitsamt
3
sogen. HzA-Kräfte
361
darunter Auszubildende mit einem Ausbildungsvertrag nach dem BBiG ca.
80
Mitarbeiter über Mehraufwandsentschädigung gem. § 19 Abs. 2, 2. Alt. BSHG
53
Lohnkostenerstattungsfälle, die bei anderen Arbeitgebern beschäftigt werden und von der Antragsgegnerin die Erstattungsleistung
im Auftrag der Landeshauptstadt Kiel erhalten, ca.
100
Die Mitarbeiter im Stamm mit Förderung werden projektfinanziert und sind nicht ausschließlich in anleitender Funktion tätig.
Die sogen. HzA-Kräfte (Hilfe zur Arbeit) sind der Antragsgegnerin nach §§ 18 ff.. BSHG von der Landeshauptstadt Kiel zugewiesen. Für ihre Beschäftigung erhält die Antragsgegnerin Erstattung der Personal-, nicht
aber der Sachkosten. Die ebenfalls als HzA-Kräfte geführten Auszubildenden haben einen bei der Handwerkskammer bzw. der IHK
eingetragenen Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Die Kammer bewertet die Ausbildung als überbetriebliche und fordert, dass
die Auszubildenden je Ausbildungsjahr 3 Monate, je nach Ausbildungsberuf, in einem Produktions- oder Dienstleistungsbetrieb
ausgebildet werden. Die Mitarbeiter mit Mehraufwandsentschädigung schließen nicht einen Vertrag mit der Antragsgegnerin, sondern
erhalten weiterhin Sozialhilfe und zusätzlich eine Mehraufwandsentschädigung von 2 DM je Stunde. Vor ihrer Beschäftigung oder
bei Beendigung der Beschäftigung wird der Antragsteller nicht beteiligt. In den Lohnkostenerstattungsfällen, deren Tendenz
steigend ist zu Lasten der anderen Fälle, werden die betreffenden Personen von der Antragsgegnerin in Betriebe vermittelt,
mit denen sie im Auftrag der Landeshauptstadt Kiel die Höhe der Lohnkosten aushandelt. Die Antragsgegnerin leitet die Erstattungsleistung
an diese Betriebe weiter. Die Betriebe sind verpflichtet, den Mitarbeitern eine psychosoziale Betreuung zuteil werden zu lassen,
was auch über die Antragsgegnerin erfolgen kann.
Die Antragsgegnerin gewährt ihren Arbeitnehmern eine differenzierte Eingangsberatung, eine arbeits- und berufsbezogene sowie
sozialpädagogische bzw. psychologische Beratung und Unterstützung. Daneben gibt es im Rahmen von Einzelgesprächen und begleitenen
Kursen vielfältige Hilfestellung, wie z.B. die sozialpädagogisch betreute Krisenintervention, Hausbesuche, Deutschunterricht
und andere berufsbezogene Angebote. Ferner wird den Betroffenen ggfs. eine Schuldner- oder Alkoholberatung ermöglicht. Alleinerziehenden
Müttern, psychisch Kranken, Lernbehinderten und Suchtgefährdeten wird eine besondere persönliche Betreuung und Beratung zuteil.
Der Antragsteller vertritt die Auffassung, er sei berechtigt, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden. Er hat vorgetragen, im
Unternehmen der Antragsgegnerin seien mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer tätig. Die Antragsgegnerin könne sich
angesichts des Haustarifvertrags nicht auf den Tendenzschutz berufen. Unabhängig hiervon habe sie weder karitative noch erzieherische
Ziele.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, dass der Beteiligte zu 1. berechtigt ist, für das Unternehmen der Beteiligten zu 2. einen Wirtschaftsausschuss
zu bilden.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Bildung eines Wirtschaftsausschusses stehe der Tendenzcharakter des Unternehmens entgegen. Auch beschäftige
sie nicht ständig die durch das Gesetz vorgegebene notwendige Anzahl von Arbeitnehmer. Das Unternehmen diene karitativen Bestimmungen.
Als gemeinnützige Gesellschaft sei sie, die Antragsgegnerin, selbstlos tätig. Darüber hinaus habe sie sich dem sozialen Dienst
an körperlich oder seelisch leidenden Menschen verschrieben und wolle innere und äußere Leiden des Einzelnen heilen. Daneben
diene das Unternehmen auch erzieherischen Bestimmungen. Der Zweck des Unternehmens erschöpfe sich nicht im Vermitteln von
bloßen, für ein späteres Arbeitsleben nützlichen, Kenntnissen. Vielmehr sei Hauptziel, die Beschäftigten auch psychisch wieder
so zu stabilisieren, dass sie in der Lage seien, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Der sich hieraus ergebende
Tendenzschutz nach § 118
BetrVG könne nicht durch Tarifvertrag beseitigt werden.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.7.1999 dem Antrag stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird
auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Diesen am 17.9.1999 zugestellten Beschluss greift die Antragsgegnerin mit der
am 6.10.1999 eingegangenen und am 5.11.1999 begründeten Beschwerde an.
Die Antragsgegnerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt vor, entgegen der im Beschluss vertretenen
Auffassung sei es auch möglich, nicht Behinderten karitative Hilfe zuteil werden zu lassen. Sie leiste fast ausschließlich
Personen mit besonderen psychosozialen und psychischen Schwierigkeiten Hilfe. Die psychologische Betreuung stehe bei ihr während
der gesamten Zeit, in der sich ein Teilnehmer in einem Programm befinde, im Vordergrund. Der berufliche Erfolg werde durch
die persönliche Stabilisierung ermöglicht. Auch das Jugendlichen-Programm werde durchgehend von Pädagogen betreut, wobei auch
mit Eltern und Partnern Dialoge geführt würden. Sie setze ständig ca. 15 Sozialpädagogen und Therapeuten ein. Alle Vorarbeiter
hätten die Verpflichtung, einen sogen. AdA-Schein (= Ausbildung der Ausbilder) zu absolvieren. Der karitativen Zwecksetzung
stehe nicht entgegen, dass sie ihre Arbeit im Zusammenwirken mit dem Sozialamt durchführe. Weiter habe ihre Tätigkeit auch
erzieherische Qualität. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts könne eine Erziehung auch bei Erwachsenen erfolgen. Sie,
die Antragsgegnerin, müsse durch sozialpädagogische Betreuung Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer
nehmen. Entsprechende Seminare biete sie an.
Auch die Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmer sei unzutreffend erfolgt. Sie verfüge, von den Stammarbeitsplätzen abgesehen,
nicht über "ständig vorhandene Arbeitsplätze". Die zu besetzenden Arbeitsplätze bzw. -aufgaben wechselten ständig im Zusammenhang
mit der Unternehmensplanung und -entwicklung, insbesondere den Projekten. Das Suchen nach ständig neuen Beschäftigungsfeldern
gehöre zum Programm. Es bestehe auch die Möglichkeit des Abbruchs der Projekte mangels Eignung für den angestrebten Zweck.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.7.1999 - - 4 BV 24 b/99 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor, die karitative Bestimmung sei nicht erfüllt. Vermittlung, Schulung
und Beschäftigung eines Arbeitslosen reiche hierfür nicht aus. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Ursache der Langzeitarbeitslosigkeit
ausschließlich psychische Probleme seien. Unzutreffend sei, dass die psychologische Betreuung der Teilnehmer im Vordergrund
stehe. Es werde nämlich nur eine Psychologin, jedoch im Bereich Statistik/EDV eingesetzt. Zwar könne es im Einzelfall Unterstützungsleistenen
wie Einzelgespräche, Erstellung von Hilfelplänen, sozialpädagogisch betreute Krisenintervention u.a.m. geben. Eine psychologische
oder sozialtherapeutische Begleitung werde aber nicht jedem Beschäftigten zuteil und sei auch nicht erforderlich. Das gelte
auch für das Ausbildungsprogramm "Start". Soweit die Antragsgegnerin behaupte, sie habe ca. 15 Sozialpädagogen und Therapeuten
eingesetzt, übten diese, wenn sie denn beschäftigt werden sollten, andere Arbeiten aus, so z.B. Frau Ulrike W.. Auch diese
Kräfte seien i.d.R. HzA-Kräfte, die nach Vortrag der Antragsgegnerin ihrerseits therapeutische Unterstützung benötigten. Die
Zusatzqualifizierung der Vorarbeiter befähige sie nicht zu therapeutischen oder erzieherischen Maßnahmen. Die Antragsgegnerin
werde auch nicht erzieherisch tätig. Richtig sei, dass der Vorsitzende des Antragstellers die Auffassung geäußert habe, eine
sozialpädagogische Betreuung zur sozialen Eingliederung sei wünschenswert. Das liege daran, dass eine solche bei der Antragsgegnerin
nicht geleistet werde. Soweit die Antragsgegnerin angebotene Seminare zitiere, sei die Teilnahme freiwillig. Das Angebot stelle
nicht eine gezielte Einflussnahme auf die Entwicklung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer dar. Schließlich könne die Antragsgegnerin
sich angesichts des Tarifvertrags nicht auf den Tendenzschutz berufen. Eine entsprechende Vereinbarung sei zulässig.
Die Antragsgegnerin beschäftige auch ständig mehr als 100 Arbeitnehmer. Maßgeblich sei der dauerhafte Bestand von mehr als
100 Arbeitsplätzen. Darauf, ob diese Plätze bestimmten Bereichen zugeordnet seien, komme es nicht an.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll,
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Im Betrieb der Antragsgegnerin ist ein Wirtschaftsausschuss nicht zu bilden.
Gem. § 106
BetrVG ist ein Wirtschaftsausschuss in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern zu bilden.
Diese Vorschrift findet auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend
- politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen
Bestimmungen oder
- Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet,
dienen, nicht Anwendung.
Bei dem Betrieb der Antragsgegnerin handelt es sich um einen Tendenzbetrieb i.S. des § 118 Abs. 1
BetrVG. Er dient unmittelbar und überwiegend karitativen Zwecken.
Ein Tendenzbetrieb (bzw. -unternehmen) nach § 118 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG liegt vor, wenn das Unternehmen sich den sozialen Dienst am körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt
hat, wenn es auf Heilung oder Milderung innerer und äußerer Nöte des Einzelnen gerichtet ist, gleichgültig, ob diese Hilfe
zur Linderung und Beseitigung der Nöte oder zu deren vorbeugender Abwehr geleistet wird. Weiter ist Voraussetzung, dass die
Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt. Ohne Bedeutung ist, wer rechtlich oder wirtschaftlich an dem privatrechtlich
organisierten Unternehmen beteiligt ist (BAG, Beschluss vom 8.11.1988 - 1 ABR 17/87 -, EzA Nr. 44 zu § 118
BetrVG 1972 = AP Nr. 38 zu § 118
BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 29.6.1988 - 7 ABR 14/87 -, EzA Nr. 43 zu § 118
BetrVG 1972 = AP Nr. 37 zu § 118
BetrVG 1972 = BAGE 59,120; BAG, Beschluss vom 31.1.1995 - 1 ABR 35/94 -, EzA Nr. 126 zu § 99
BetrVG 1972 = ). Sie dürfen aber nicht unmittelbar eine gesetzliche Verpflichtung erfüllen (BAG, Beschluss vom 24.5.1995 - 7 ABR 48/94 - NZA 1996,444 = DB 1996,1347). Unschädlich ist, wenn sie kostendeckende Einnahmen erhalten (BAG Beschluss vom 8.11.1988,
aaO.).
Dass die Antragsgegnerin ohne die Absicht der Gewinnermittlung tätig wird, steht nicht im Streit. Auch erfüllt sie selbst
nicht unmittelbar eine gesetzliche Verpflichtung.
Auch die karitative Zielsetzung ist nach der Zielsetzung im Gesellschaftsvertrag (Bl. 39 d.A.) sowie der Rahmenvereinbarung
mit der Landeshauptstadt Kiel (Bl. 34, 137 d.A.) zu bejahen. Danach hat sich die Antragsgegnerin zum Ziel gesetzt, Personen
mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt Hilfen zu bieten, indem sie die berufliche Qualifikation, soziale Integration
und persönliche Stabilisierung dieser Personen durch den Abschluss befristeter Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse oder durch
andere Hilfen fördert. Auch wenn bei den einzelnen betroffenen Personen nicht ein geistiges oder seelisches Leiden vorliegen
muss, liegt doch das Ziel in der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Das ist ebenso ein karitativer
Zweck wie bei der Eingliederung von Behinderten. Eine körperliche oder seelische Behinderung muss nicht vorliegen. Das Ziel
der Integration ist maßgeblich.
Ob die Antragsgegnerin daneben auch erzieherische Ziele verfolgt, was auch bei Erwachsenen der Fall sein kann (BAG, Beschluss
vom 31.1.1995 - 1 ABR 35/94 -, aaO.; BAG, Beschluss vom 3.7.1990 - 1 ABR 36/89 -, EzA Nr. 90 zu § 99
BetrVG 1972 = AP Nr. 81 zu § 99
BetrVG 1972), kann daher offenbleiben.
Die Antragsgegnerin kann sich dennoch nicht auf den Tendenzschutz des § 118 Abs. 1
BetrVG berufen. Denn sie hat in dem Haustarifvertrag vom 30.6.1994 vereinbart, dass § 188
BetrVG nicht Anwendung findet. Diese Vereinbarung ist grundsätzlich zulässig, auch wenn § 3
BetrVG den Abschluss eines Tarifvertrages hierzu nicht vorsieht.
Dass die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag mit "Tarifvertrag gemäß § 3
BetrVG" überschrieben haben, besagt nicht, dass sie nur Regelungen zu den dort vorgesehenen Themenbereichen treffen wollten und
somit etwa, entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des § 10 TV, die Geltung des § 118
BetrVG nicht abbedingen wollten. Ein entsprechender Wille kann dem Tarifvertrag nicht entnommen werden. Vielmehr spricht der Eingangssatz
"wird in Wahrnehmung der Ermächtigung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG..." dafür, dass die Tarifvertragsparteien den § 3 als Rechtsgrundlage für den Abschluss des Tarifvertrages gesehen haben.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann der Tendenzschutz auch abbedungen werden (vgl. zur Einstellung von Tendenzträgern:
BAG, Beschluss vom 31.1.1995 - 1 ABR 35/94 -, DB 1995,1670 = NZA 1995,1059). Zweck der Regelung in § 118 Abs. 1
BetrVG ist es, die Grundrechte der Artt. 2 Abs. 1, 4, 5, 9 Abs. 3
GG nicht durch das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmerschaft beeinflussen zu lassen. Der Tendenzschutz soll dem Arbeitgeber
die Verwirklichung seiner Ziele nach eigenen Vorstellungen ermöglichen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber, dem es ohnehin
freisteht, sich auf den Tendenzschutz zu berufen, auch entscheiden kann, ob und in welchen in tendenzrelevanten Fragen er
ein Mitbestimmungsrecht einräumen will. Da dies hier durch einen Haus- und nicht durch einen Flächentarifvertrag geschehen
ist, wurde durch den Abschluss des Tarifvertrags auch nicht durch Dritte, sondern durch die Antragsgegnerin selbst über den
Verzicht auf den Tendenzschutz entschieden.
Die Bildung eines Wirschaftsausschusses kommt dennoch nicht in Betracht, da im Betrieb der Antragsgegnerin nicht ständig mehr
als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Es können nämlich nur die 57 Stammarbeitnehmer, mit und ohne Förderung, berücksichtigt
werden. Selbst wenn noch die ABM-Kräfte (22) und die Mitarbeiter über Lohnkostenzuschüsse vom Arbeitsamt (3) hinzugezählt
werden, ergeben sich nicht mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer.
Die Personen, die als Lohnkostenerstattungsfälle geführt werden, werden nicht selbst von der Antragsgegnerin beschäftigt.
Sie scheiden schon deshalb als Arbeitnehmer aus.
Es können aber auch die HzA-Kräfte einschließlich der Auszubildenden nicht als ständig beschäftigte Arbeitnehmer i.S. des
§ 106
BetrVG angesehen werden. Sie dienen nämlich nicht dem Betriebszweck, sondern sind Gegenstand des Betriebszwecks. Das gilt für sämtliche
Beschäftigte, die sich in Maßnahmen befinden, ohne selbst als Anleiter tätig zu werden.
Soweit die Auszubildenden betroffen sind, ergibt sich das bereits aus der Tatsache, dass sie, obwohl ein bei der Kammer eingetragener
Ausbildungsvertrag abgeschlossen ist, nicht in einer betrieblichen Ausbildung gem. § 1 Abs. 5, 1. Alt. BBiG geführt werden, sondern dass die Kammer die Ausbildung als überbetriebliche ansieht. Dass diese Auffassung zutreffend ist,
ergibt sich daraus, dass ihnen zwar eine praktische Unterweisung zuteil wird, diese sich aber nicht im Rahmen der jeweiligen
arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebes vollzieht, zu dessen Erreichen die betriebsangehörigen Arbeitnehmer zusammenwirken.
Ein laufender Produktions- oder Dienstleistungsprozess ist im Betrieb der Antragsgegnerin nur insoweit vorhanden, als Dienstleistungen
an den zu qualifizierenden Mitarbeitern erbracht werden. Die betriebliche Zielsetzung richtet sich nicht auf die Herstellung
und Veräußerung eines (Dienstleistungs-)Produkts. Vielmehr ist er auf die Vermittlung der berufspraktischen Ausbildung beschränkt.
Weitere arbeitstechnische Zwecke werden nicht verfolgt. Damit ist die Ausbildung selbst der Betriebszweck. Die Auszubildenden
sind nicht in den Betrieb eingegliedert (BAG, Beschluss vom 20.3.1996 - 7 ABR 46/95 -, EzA Nr. 59 zu § 5
BetrVG 1972 = AP 9 § 5
BetrVG 1972 Ausbildung; BAG, Beschluss vom 26.01.1994 - 7 ABR 13/92 -, EzA Nr. 57 zu § 5
BetrVG 1972 = AP Nr. 54 zu § 5
BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 21.07.1993 - 7 ABR 35/92 -, EZA Nr. 56 zu § 5
BetrVG 1972 = AP § 5
BetrVG 1972 Ausbildung). Ohne Bedeutung ist, ob innerbetriebliche Regelungen, insbesondere der Tarifvertrag vom 30.6.1994 sich auch
auf die Auszubildenden erstreckt und die Ausbilder gegenüber den Auszubildenden weisungsbefugt sind (BAG, Beschluss vom 20.3.1996
- 7 ABR 34/95 -, EzA Nr. 60 zu § 5
BetrVG 1972 = AP § 5
BetrVG 1972 Ausbildung; BAG, Beschluss vom 12.9.1996 - 7 ABR 61/95 -, EzA Nr. 61 zu § 5
BetrVG 1972 = AP § 5
BetrVG 1972 Ausbildung).
Das Vorstehende gilt aber auch für die übrigen HzA-Kräfte. Auch sie dienen mit ihrer Tätigkeit nicht dem Betriebszweck. Vielmehr
wird die Tätigkeit als Training und zur Erweiterung der beruflichen Qualifikation ausgeübt. Unter "Hilfe zur Arbeit" sind
in §§ 18 bis 20
BSHG verschiedene mögliche Maßnahmen aufgezählt, die ergriffen werden können. Im vorliegenden Fall handelt es sich, wie die Rahmenvereinbarung
nach § 93
BSHG (Bl. 34 ff., 137 f d.A.) zeigt, um Arbeitsverträge, die im Rahmen von § 19 Abs. 2, 1. Alt. BSHG abgeschlossen worden sind. Danach wird Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geschaffen. Bei gemeinnütziger
und zusätzlicher Arbeit nach § 19 Abs. 2
BSHG handelt es sich um solche Aufgaben, die sonst nicht durchgeführt worden wären. Für diese wird entweder das übliche Arbeitsentgelt
(1. Alt.) oder Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL) zuzüglich einer Mehraufwandsentschädigung (2. Alt.) gewährt. In beiden Fällen
handelt es sich um eine Maßnahme der Eingliederung in das Arbeitsleben. Auch wenn (1. Alt.) formell Arbeitsverträge abgeschlossen
worden sind und reguläre bürgerlich-rechtliche Arbeitsverhältnis entstanden sind, bleiben sie doch über ihre Besonderheit
der Entstehung und Durchführung als Maßnahme der Sozialhilfe in das Sozialhilferecht eingebunden (Schellhorn/Jirasek/Seipp,
BSHG, 15.A., Rdn. 14, 15 zu § 19
BSHG). Das bedeutet, dass auch diese Personen weiterhin der Verwaltung durch die Sozialbehörde unterstehen, die ggf. eine Änderung
oder Aufhebung der Maßnahme anordnen kann.
Dafür, dass die Mitarbeiter nach § 19 Abs. 2, 1. Alt. BSHG (HzA-Kräfte) nicht als Arbeitnehmer i.S. des § 106
BetrVG zu betrachten ist, spricht auch die Tatsache, dass es sich bei den der Antragsgegnerin mit den HzA-Kräften (1. Alt.) geschlossen
Verträge um Eingliederungsverträge handelt. Obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für den Fall des § 19 Abs. 2, 1. Alt. BSHG nicht getroffen ist, ist hier der Gedanke des § 231 Abs. 2
SGB III (entspr. § 54a
AFG) heranzuziehen. Danach sind Personen, die einen Eingliederungsvertrag abgeschlossen haben, soweit die Geltung arbeitsrechtlicher
Vorschriften von der Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen abhängig ist, nicht mitzuzählen. Das kann sich bei
der Finanzierung der Eingliederung durch den Sozialhilfeträge statt der Bundesanstalt für Arbeit nicht anders verhalten.
Auch die Mitarbeiter über Mehraufwandsentschädigung gem. § 19 Abs. 2, 2. Alt. BSHG, eigentlich auch HzA-Kräfte, sind nicht als Arbeitnehmer i.S. des § 106
BetrVG anzusehen (vgl. zur Beteiligung nach § 99
BetrVG: LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 2.9.1998 - 2 TaBV 20/98 -). Die Antragsgegnerin hat ihnen gegenüber nicht Weisungsbefugnisse als Arbeitgeber. Ob diese Personen zur Arbeit erscheinen
und ob sie tatsächlich arbeiten, steht in ihrer Entscheidung. Etwaige Maßnahmen wegen einer Verweigerung der Arbeitsleistung
stehen nur dem Sozialamt zu. Dementsprechend sieht § 19 Abs. 3
BSHG vor, dass in einem solchen Fall ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts nicht begründet wird.
Der Beschwerde ist daher stattzugeben und der Feststellungsantrag des Betriebsrats abzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung, insbesondere der Frage, welche Personen als ständig beschäftigte
Arbeitnehmer im Sinne des § 106
BetrVG anzusehen sind, zuzulassen, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.