Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Erwerbsfähigkeit von Ausländern; Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, den Antragsgegner zu verpflichten,
ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitssuchende-
(SGB II) zu gewähren, zu Recht abgelehnt.
Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung [ZPO]) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung
nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG (Anordnungsgrund) ist dann gegeben, wenn es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache
abzuwarten, weil ansonsten schwere, schlechthin unzumutbare Nachteile entstehen (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom
25. November 2005, Az.: L 13 AS 4106/05 ER-B). Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein materiell- rechtlicher Anspruch auf die begehrte Leistung glaubhaft,
d.h. überwiegend wahrscheinlich, gemacht ist (vgl. §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 ZPO). In Anlegung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens einen Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II u.a. voraus, dass
der die Leistung Begehrende erwerbsfähig ist. Erwerbsfähig ist gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung
aus absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden
täglich erwerbstätig zu sein. Ausländer können im Sinne des Absatz 1 nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer
Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 8 Abs. 2 SGB II). Von Leistungen nach dem SGB II sind (daneben) gemäß
§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen
Union vom 19. August 2007 (BGBl. I 1970) u.a. Ausländer ausgenommen, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer
oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind für die ersten
drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt
(Nr. 2).
Die Leistungsberechtigung ausländischer Hilfebedürftiger wird hiernach durch die Qualität des Aufenthaltsrechts (§ 7 Abs.
1 Satz 2 SGB II) und die rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme (§ 8 Abs. 2 SGB II) bestimmt.
Bereits letzteres, die rechtliche Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme steht vorliegend einer Leistungsgewährung nach
dem SGB II entgegen. Gemäß §
284 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -Arbeitsförderung- (
SGB III) in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulgarien
und Rumäniens zur Europäischen Union vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I 2814) dürfen Staatsangehörige der Staaten, die nach dem
Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik
Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der
Slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl. II 1408) der Europäischen Union beigetreten sind [MOE- Staaten], und deren
freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und
von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages
abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden. Die Genehmigung wird befristet
als Arbeitserlaubnis- EU erteilt, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung- EU besteht
(§ 284 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die Regelung beruht auf Art. 24 der Beitrittsakte 2003 (Abl. L 236 vom 23. September 2003, S.33)
i.V.m. den entsprechenden Anhängen und den dortigen Freizügigkeitsbeschränkungen für die Angehörigen der MOE- Staaten. Mit
ihr wird nicht die Freizügigkeit der Unionsbürger oder die Arbeitnehmerfreizügigkeit schlechthin ausgenommen. Lediglich die
Geltung der Art. 1 bis 6, 11 der VO (EWG) Nr. 1612/68 werden vorläufig und aktuell nach dem "2+3+2 Modell" ausgeschlossen
(Schreiber, Der Arbeitslosengeld II- Anspruch von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen, in info also 2008, 3 ff, 5). Als slowakischer Staatsangehöriger bedarf der Antragsteller hiernach für die Aufnahme einer Beschäftigung der Genehmigung
der Bundesagentur für Arbeit. Eine solche Genehmigung ist dem Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht
erteilt. Die Bundesagentur für Arbeit hat einen Antrag des Antragstellers mit Bescheid vom 19. August 2009 (Widerspruchsbescheid
vom 22. Oktober 2009) abgelehnt. Ein (gerichtliches) Verfahren auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung ist vor dem SG unter dem Az.: S 7 AL 7356/09, anhängig. Eine Entscheidung hierüber steht indes noch aus.
Auch ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Antragsteller erfolgreich auf die 2. Alternative des § 8 Abs. 2 SGB
II die, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte, berufen kann. Um die Fiktion des § 8 Abs. 2 2. Alt SGB II auszulösen,
reicht einzig die in §
284 Abs.
3 SGB III, § 39 Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eingeräumte generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht aus (Landessozialgericht [LSG] Baden-
Württemberg, Beschluss vom Beschluss vom 23. Juli 2008, Az.: L 7 AS 3031/08 ER-B; Beschluss vom 6. Mai 2009, Az.: L 1 AS 1259/09 ER-B; LSG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 17. Oktober 2006, Az.: L 3 ER 175/06 AS). Vielmehr muss die konkrete realistische
Aussicht auf die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung bestehen. Diese Auslegung gründet insb. in den Gesetzgebungsmaterialien,
denen zu entnehmen ist, dass die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit am Maßstab des Arbeitsgenehmigungsrechts vorzunehmen ist
(BT- Drs. 15/1516, S.52). Eine hiernach erforderliche konkrete Aussicht auf die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung ist jedoch
nicht glaubhaft gemacht. Eine Arbeitsgenehmigung- EU kann gemäß §
284 Abs.
3 SGB III nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 und Abs. 6 des AufenthG erteilt werden. Nach § 39 Abs. 2 AufenthG kann die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 [AufenthG]
u.a. zustimmen, wenn sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insb. hinsichtlich
der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben (§ 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a AufenthG) und für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt
sind oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt
haben, nicht zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 S.1 Nr. 1 b AufenthG). Bei Unionsbürgern, die in ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt sind, ist hiernach eine Arbeitsmarktprüfung vorzunehmen
(LSG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 17. Oktober 2006, Az.: L 3 ER 175/06 AS). Hierbei ist nach der Stellungnahme der Agentur
für Arbeit Stuttgart vom 4. Dezember 2009 ohne weiteres davon auszugehen, dass in erheblichem Umfang bevorrechtigte Arbeitnehmer
zur Verfügung stehen und hiernach keine realistischen Aussichten auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung- EU bestehen.
§ 39 Abs. 6 AufenthG, der ebenfalls Regelungen für Angehörige der MOE- Staaten trifft, normiert Anforderungen für Beschäftigungen, die eine qualifizierte
Berufsausbildung voraussetzen. § 25 der Beschäftigungsverordnung vom 22. November 2004 (BGBl. I 2937) definiert die qualifizierte
Beschäftigung als eine Tätigkeit, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung voraussetzt. Diese Vorschrift greift vorliegend
nicht ein, da nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller eine qualifizierte Berufsausbildung besitzt und sich in der Bundesrepublik
Deutschland um eine Stelle bemüht haben, die eine entsprechende Ausbildung erfordert.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsberechtigung-EU nach §
284 Abs.
5 SGB III i.V.m. §
12a Abs.
1 Satz 1 der
Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArbGV). Hiernach wird Staatsangehörigen derjenigen Staaten, die nach dem EU- Beitrittsvertrag vom 16. April 2003 der Europäischen
Union beigetreten sind, sofern sie am 1. Mai 2004 oder später für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten
im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, abweichend von § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
SGB III eine Arbeitsberechtigung erteilt. Da jedoch nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller in einem ununterbrochenen Zeitraum
von mindestens zwölf Monate im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen war, d.h. im Besitz einer wirksamen Arbeitserlaubnis
oder einer Arbeitserlaubnis- EU gewesen ist (vgl. Düe in Niesel,
SGB III, 4. Aufl. § 284, RdNr. 44) kann auch unter Heranziehung von § 12a Abs.1 Satz 1 ArbGV eine Arbeitsberechtigung nicht erteilt werden.
Der Umstand, dass dem Antragsteller eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU ausgestellt worden ist, führt zu
keinem anderen Ergebnis. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass die dem Antragsteller erteilte Bescheinigung die Einschränkung
beinhaltet, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einer Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung- EU bedarf. Ob sich
der Antragsteller tatsächlich, wie vorgebracht, ständig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, er deswegen gemäß
§ 2 Abs. 5 FreizügG/EU ein Daueraufenthaltsrecht genießt, welches wiederum den Ausschluss des § 7 Abs. 1 S.2 SGB II zeitlich
begrenzt (Hackethal in jurisPK, Stand 2007, § 7, RdNr. 30), vermag über die fehlende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nicht
hinwegzuhelfen. Ob und in welchen Zeiträumen sich der Antragsteller ständig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten
hat, ist hiernach nicht entscheidungserheblich.
Nachdem hiernach ein Anordnungsanspruch bereits in Ermangelung der Glaubhaftmachung einer Berechtigung zum Bezug von SGB II-
Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II nicht besteht, kann der Senat die Frage eines etwaigen Ausschlusses
nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II offen lassen.
Der Senat hat von einer Beiladung des Sozialhilfeträgers abgesehen (vgl. LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2009,
Az.: L 1 AS 1259/09 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.2007, Az.: L 19 B 21/07 AS ER).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).
Da die Beschwerde entsprechend der obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist der Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. G. gemäß §
73 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung abzulehnen.