Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Autounfall
und einem Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Unfallfolgen streitig.
Der am 1951 geborene Kläger ist bei der Firma Dr. Ing. h.c. F. P. AG im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt. Am
03.07.2005 erlitt er als Testfahrer bei einer Erprobungsfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in I. einen Arbeitsunfall,
als bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs platzte, das Fahrzeug von der Fahrbahn abkam,
die Leitplanke durchbrach und in einem Wäldchen zum Stehen kann.
Nach notfallmedizinischer Versorgung durch die örtliche Notfallambulanz der J.-Unfall-Hilfe e.V. und Erstuntersuchung im örtlichen
Krankenhaus, in dem Röntgenaufnahmen von Halswirbelsäule (HWS), Brustkorb und Hüfte gefertigt wurden, die keinen Anhalt für
Frakturen erbrachten, stellte sich der Kläger am 06.07.2005 bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. St. in Pforzheim vor, der ausweislich
seines Durchgangsarzt- bzw. Nachschauberichts eine HWS-Distorsion, eine Hüftprellung, eine Thoraxprellung rechts, ein stumpfes
Bauchtrauma sowie eine Sprunggelenksdistorsion links diagnostizierte. Bei seinen Wiedervorstellungen am 22.07.2005 klagte
der Kläger u.a. über eine zunehmende Einschränkung der Beweglichkeit des linken Armes und am 01.08.2005 über ein wiederkehrendes
Taubheitsgefühl im Bereich der linken Hand sowie eine Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit der HWS, worauf Dr. St. eine
Kernspintomographie der HWS veranlasste, die am 04.08.2005 durchgeführt wurde. Die Radiologen Dr. L. u.a. beschrieben im Befundbericht
an der HWS erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie eine ventrale Höhenminderung des
zweiten Brustwirbelkörpers mit Deckplatteneinbruch, für den Bereich von C6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal
weiten Neuroforamina. Im Hinblick auf die weitere Therapieplanung veranlasste Dr. St. eine Vorstellung des Klägers in der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., die am 26.08.2005 erfolgte. Dabei berichtete er von ziehenden Dauerschmerzen im
Bereich des Nackens links und von seit drei Wochen vermehrten Kribbelparästhesien vor allem im Bereich des dritten und vierten
Fingers, jedoch auch im Bereich des zweiten und fünften Strahls der linken Hand. Eine deshalb veranlasste erneute kernspintomographische
Untersuchung der HWS am 30.08.2005 ergab (Befundbericht des Dr. W.) zwischen den Halswirbelkörpern C6/7 einen links gelegenen
Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente, der die Nervenwurzelreizung C7 links und damit die Beschwerdesymptomatik
im Bereich der linken Hand erklären könne. Der Kläger wurde daraufhin vom 15.09. bis 06.10.2005 stationär intensiv physio-
und ergotherapeutisch behandelt. Nach einer am 07.11.2005 begonnenen Belastungserprobung arbeitete der Kläger zunächst ab
05.12.2005 wieder vollschichtig bevor am 09.12.2005 erneut Arbeitsunfähigkeit eintrat. An diesem Tag stellte er sich wegen
zunehmender Beschwerden von Seiten der HWS mit Ausstrahlung in den linken Arm bei dem H-Arzt Dr. B. vor, der den Kläger in
das Klinikum K.-L.. überwies, wo der Kläger am 03.01.2006 stationär aufgenommen wurde. Im Hinblick auf den Bandscheibenvorfall
C6/7 links mit Wurzelkompression wurde am 12.01.2006 eine Bandscheibenprothese implantiert. Die Anschlussheilbehandlung erfolgte
vom 26.04. bis 20.05.2006 in der Rehaklinik H. in B.. Die behandelnden Ärzte gingen ausweislich des Entlassungsberichts davon
aus, dass die aufgetretene Symptomatik als indirekte Folge des vom Kläger erlittenen Arbeitsunfalls anzusehen sei (posttraumatische
Aktivierung bei sicher vorbestehenden, aber asymptomatischen degenerativen Veränderungen der mittleren und unteren HWS). In
diesem Sinne äußerte sich auch Prof. Dr. H., Leitender Arzt im Klinikum K.-L., in seinem an den Bevollmächtigten des Klägers
gerichteten Schreiben vom 05.04.2006, nachdem die Beklagte die Übernahme der Behandlungskosten abgelehnt hatte. Seines Erachtens
sei das erlittene Hochrasanztrauma auslösende Ursache des Bandscheibenvorfalls; dieser Unfall sei "sehr wohl" geeignet, einen
solchen hervorzurufen. Wegen auftretender Komplikationen wurden im Juli 2007 die Bandscheibenprothese wieder entfernt und
die Wirbelkörper C 6/7 fusioniert.
Zur Prüfung des Zusammenhangs zwischen dem Bandscheibenvorfall und dem Unfallereignis veranlasste die Beklagte das Gutachten
des Facharztes für Orthopädie Dr. C. aufgrund Untersuchung des Klägers am 12.02.2007. Dieser ging von einer richtungsweisenden
Verschlimmerung der vorbestehenden degenerativen Veränderungen an der HWS aus und beurteilte den Bandscheibenvorfall im Bereich
von C6/7 als sich kontinuierlich einstellende Folge einer Gefügelockerung bei degenerativer Diskopathie, wie sie im MRT-Befund
vom 30.08.2005 beschrieben sei. Der Unfall sei für den Bandscheibenvorfall mit Wahrscheinlichkeit wesentliche Teilursache
im Sinne einer Verschlimmerung. An der insoweit vertretenen Auffassung hielt Dr. C. auch unter Berücksichtigung der Einwendungen
der von der Beklagten hinzugezogenen Beratungsärztin Dr. K. fest, die es mangels Zeichen einer Traumatisierung im Segment
C6/7 für spekulativ erachtete, dass der Unfall wesentliche Teilursache des zwischen dem ersten und zweiten MRT entstandenen
Bandscheibenvorfalls sei. Er verwies insbesondere auch darauf, dass es sich bei dem in Rede stehenden Ereignis um einen ungewöhnlichen
Unfallhergang handele, dessen Ablauf detailliert nicht rekonstruierbar sei und er bei seinen umfangreichen Recherchen in der
einschlägigen traumatologischen Literatur auf keine Quelle gestoßen sei, die sich mit den Auswirkungen von Hochrasanztraumen
auf die Wirbelsäule beschäftige.
Mit Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte als Unfallfolgen "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule
nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers", führte
aus, dass die Verstauchung der HWS, die Brustkorbprellung, die Hüftprellung rechts sowie die Sprunggelenksverstauchung links
folgenlos verheilt seien und lehnte die Anerkennung des Bandscheibenvorfalls zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper als Folge
des Arbeitsunfalls sowohl im Sinne der Entstehung als auch im Sinne der Verschlimmerung ab. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall
sei angesichts des MRT-Befundes vom 04.08.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen,
zumal es auch erstmals am 22.07.2005 zu einer starken lokalen Schmerzsymptomatik gekommen sei, also nicht in unmittelbarem
zeitlichem Zusammenhang mit dem Aufpralltrauma. Die Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens könne begrifflich nur eintreten,
wenn eine Gesundheitsstörung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls klinisch manifest und objektivierbar vorhanden gewesen
sei. Da einen Monat nach dem Unfall jedoch keine geschädigte Bandscheibe im Segment C6/7 vorgelegen habe, könne auch eine
unfallbedingte Verschlimmerung nicht wahrscheinlich gemacht werden. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 28.02.2008).
Am 31.03.2008 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, als Unfallfolgen auch die infolge des Bandscheibenvorfalls im Bereich von C6/7 notwendig
gewordene Versteifung in diesem Bewegungssegment mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik festzustellen.
Die Beklagte ist dem mit dem Hinweis entgegengetreten, nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft, wie er sich
aus Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage ergebe, könne ein isolierter Bandscheibenvorfall
dann nicht als Unfallfolge anerkannt werden, wenn es nicht auch zu begleitenden Verletzungen der die Bandscheibe umgebenden
ligamentären oder knöchernen Strukturen gekommen sei.
Das SG hat das Gutachten des Dr. D., Oberarzt in der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie im M.
S., aufgrund Untersuchung des Klägers vom 03.09.2008 eingeholt. Dieser hat nach Auswertung der MRT-Aufnahmen vom August 2005
ausgeführt, der linksseitige Bandscheibenvorfall C6/7 sei bereits im Kernspintomogramm vom 04.08.2005 zu objektivieren und
unverändert am 30.08.2005 dokumentiert. Unter Berücksichtigung der vorbestehenden Chondrose im Bewegungssegment C6/7 und angesichts
der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen überfallartigen unphysiologischen Belastung der HWS sowie des Umstandes,
dass Beschwerden im Sinne einer Cervicobrachialgie sofort nach dem Unfall vorhanden gewesen seien, hat der Sachverständige
die Auffassung vertreten, das Unfallereignis sei wesentliche Teilursache für den erlittenen Bandscheibenvorfall und die daraus
resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen. Im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme hat er trotz des Einwands der Beklagten,
entgegen früher vertretener älterer Lehrmeinungen - so auch noch Schönberger, Mehrtens, Valentin in der von Dr. D. herangezogenen
6. Auflage - werde das Vorliegen traumatisch bedingter isolierter Bandscheibenvorfälle aufgrund der neuesten bildtechnischen
Verfahren für ausgeschlossen gehalten, an seiner zuvor vertretene Auffassung festgehalten und darauf hingewiesen, dass er
die in der 7. Auflage neu von Schönberger, Mehrtens, Valentin vertretene Auffassung nicht teile und diese durch entsprechende
Veröffentlichungen auch nicht schlüssig belegt sei. Mit Urteil vom 14.07.2010 hat das SG unter Abänderung des Bescheids vom 18.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2008 festgestellt, dass
die Versteifung im Bewegungssegment C6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005
sei.
Am 13.08.2010 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf ihre bisherigen
Ausführungen geltend gemacht, den Gutachten des Dr. C. und des Dr. D. sei nicht zu folgen. Im Standardwerk der gesetzlichen
Unfallversicherung Schönberger, Mehrtens, Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentierte,
werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung
nicht möglich sei. Sie sieht sich im Übrigen durch das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2007,
L 17 U 75/06, bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.07.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II. Die gemäß §
153 Abs.
1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§
143,
144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten
gemäß §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat unter Abänderung des Bescheids vom 18.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2008 zu Recht als weitere
Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005 eine Versteifung im Bewegungssegment C6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik
festgestellt. Denn soweit die Beklagte den im Bewegungssegment C6/7 erlittenen Bandscheibenvorfall, der diese Versteifung
notwendig machte, als unfallunabhängig ansah, ist die angefochtene Entscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen
Rechten.
Vorliegend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger einen Arbeitsunfall erlitt. Denn der in Rede stehende
Unfall ereignete sich in Ausübung der versicherten Tätigkeit des Klägers, was aufgrund der bestandskräftigen Feststellung
in dem angefochtenen Bescheid auch feststeht.
Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass der nach dem Arbeitsunfall festgestellte weitere Gesundheitsschaden,
hier der Bandscheibenvorfall im Bereich des Bewegungssegments C6/7, ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen
Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom
12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das
Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund
nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio
sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden
wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die
wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist
und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des
Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die hier vorzunehmende Kausalitätsprüfung hat somit nach dieser zweistufigen Prüfung zu erfolgen.
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge
geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens
muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil
vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit
und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, aaO. auch zum Nachfolgenden).
Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen
Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen
oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen
als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine
Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche
Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung
des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.
Vorliegend ist zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 03.07.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen
Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C6/7 war. Hierfür sprechen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung
im Bereich des Bewegungssegments C6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichen
Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinweisen.
Regelmäßig wird nach der Praxis der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte angesichts des üblichen Verlaufs der
- zunächst von der durch die Heilungsabsicht geprägten Diagnostik getragenen - medizinischen Maßnahmen nach einem Arbeitsunfall
für die Prüfung, ob Zeichen einer akuten Substanzschädigung vorliegen, maßgeblich auf die vom erstuntersuchenden Arzt erhobenen
Befunde mit Diagnose, die danach veranlasste bildgebende Diagnostik (insbesondere Röntgenaufnahmen, Sonografie, Kernspintomografie)
und eventuell durchgeführte invasive Diagnoseverfahren (insbesondere Arthroskopie) mit nachfolgender mikroskopischer Auswertung
(Histologie) abgestellt. Ergeben sich hieraus keine oder keine hinreichenden Hinweise auf akute traumatische Verletzungen
der in Rede stehenden Strukturen, wie plötzliche Funktionseinschränkungen, Einblutungen, sonstige Flüssigkeitsansammlungen
und dergleichen, wird eine traumatische Schädigung eher unwahrscheinlich sein. Liegen dagegen derartige Hinweise vor, ohne
dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, wird ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang
regelmäßig als wahrscheinlich anzunehmen sein (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08, veröffentlicht u.a. in juris).
Im vorliegenden Fall deuten wesentliche Indizien auf eine akute traumatische Schädigung der HWS und hier insbesondere der
Bandscheibe im Bewegungssegment C6/7 durch den Unfall hin.
Vor dem Unfall war der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS - worauf auch Dr.
D. hingewiesen hat - beschwerdefrei. Der Unfall führte zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule, wie durch
den - als Unfallfolge anerkannten - Kompressionsbruch des zweiten Brustwirbelkörpers anschaulich dokumentiert ist. Auch der
Zustand des Fahrzeugs, das nach dem Unfall als solches kaum noch zu erkennen war, macht die auf den Körper des Klägers, insbesondere
auch dessen HWS einwirkenden Kräfte bei der zum Unfallzeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeit von 295 km/h mehr als deutlich.
Dr. D. hat vor diesem Hintergrund für den Senat schlüssig und nachvollziehbar auf die Bedeutung der Schwere der Gewalteinwirkung
sowie des Moments des Unerwarteten und nicht Vorhersehbaren hingewiesen und in seine Beurteilung mit einbezogen. Selbst nach
Auffassung der Beklagten führte der Unfall zu einer Schädigung der HWS (so ausdrücklich unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides:
Verstauchung). Unmittelbar nach dem Unfall traten Beschwerden auf, die nur durch eine erhebliche Schädigung der HWS erklärbar
sind. So ist bereits im notfallmedizinischen Bericht der J.-Unfall-Hilfe e.V. ein Bewegungsschmerz der HWS dokumentiert, der
offenbar auch Anlass war, im Rahmen der Erstuntersuchung im Krankenhaus in I. eine Röntgenaufnahme der HWS anzufertigen. Auch
im Durchgangsarztbericht des Dr. St. sind für den Untersuchungstag am 06.07.2005 Schmerzen seitens der HWS, eine Einschränkung
der Drehbeweglichkeit des Kopfes zur linken Seite sowie ein schmerzhaft eingeschränktes Heben und Senken dokumentiert. Zunehmende
diesbezügliche Beschwerden, insbesondere auch seitens des linken Armes mit Taubheitsgefühl im Bereich der linken Hand sind
dann im Zusammenhang mit den weiteren Vorstellungen am 22.07.2005 und 01.08.2005 bei Dr. St. dokumentiert, was diesen dann
auch zur weiteren Diagnostik mittels MRT veranlasste, dessen Auswertung damals durch die Radiologen Dr. L. u.a. zwar keinen
Bandscheibenvorfall in dem die Beschwerden erklärenden Segment C6/7 erbrachte, dies - wie sogleich darzulegen ist - allerdings
zu Unrecht. Persistierende Beschwerden mit zunehmenden Parästhesien im Bereich der linken Hand waren dann Anlass für ein erneutes
Kernspintomogramm, nach dessen Auswertung - dann damals erstmals - diagnostisch von einem links gelegenen Bandscheibenvorfall
im Bewegungssegment C6/7 mit intraforaminaler Vorfallskomponente ausgegangen wurde; der Radiologe Dr. W. führte ausdrücklich
aus, dass dieser Befund eine Nervenwurzelreizung C 7 links und damit die Beschwerdesymptomatik an der linken Hand erkläre.
Dieser Ablauf macht deutlich, dass sich ausgehend von dem in Rede stehenden Unfall linksseitig eine zunehmende Wurzelkompressionssymptomatik
mit sensiblen Ausfällen der Finger entwickelte, die mit dem in Rede stehenden Bandscheibenvorfall zu erklären ist, der - bei
richtiger Befundung des Kernspintomogramms vom 04.08.2005 - nur einen Monat nach dem Unfall kernspintomografisch objektiviert
wurde.
Im Ergebnis führte das Unfallereignis zu einer Schädigung der HWS (was unstreitig ist) mit zunehmender Beschwerdesymptomatik
und zeitnaher Dokumentation des Bandscheibenvorfalles. Zusammen mit der Tatsache, dass zuvor keine Beschwerden bestanden,
gelangt der Senat somit mit Dr. D. zu der Einschätzung, dass das Unfallereignis den Bandscheibenvorfall im naturwissenschaftlichen
Sinne herbeiführte.
Im Gegensatz zu der Beratungsärztin der Beklagten Dr. K. und dem Gutachter Dr. C. geht der Senat insbesondere nicht davon
aus, dass dieser Bandscheibenvorfall erst zwischen dem ersten und dem zweiten MRT entstanden ist. Zwar wird im MRT-Befund
vom 04.08.2005 der Radiologen Dr. L. u.a. (allein dieser lag Dr. K. und Dr. C. vor) im Bereich von C 6/7 kein Bandscheibenvorfall
beschrieben. Für den Senat überzeugend hat der Sachverständige Dr. D. jedoch dargelegt, dass die von ihm vorgenommene Auswertung
der Kernspinbilder ergeben hat, dass bereits die Aufnahmen vom 04.08.2005 im Bewegungssegment C6/7 einen linksseitigen Bandscheibenvorfall
zeigen, der sich auch im MRT vom 30.08.2005 noch unverändert in dieser Form darstellt. Dr. D. hat in seinem Gutachten konkret
die jeweilige Nummer der Bilder des Kernspintomogramms vom 04.08.2005 angeführt, auf dem der Bandscheibenvorfall zu erkennen
ist, und eine entsprechende Vergrößerung als Anlage 2a seinem Gutachten beigefügt, sodass die Beteiligten und der Senat seine
Beurteilung nachvollziehen können. Die Richtigkeit dieser Beurteilung sieht der Senat gerade auch darin bestätigt, dass die
jeweiligen Untersuchungen aufgrund einer im Wesentlichen identischen Beschwerdesituation veranlasst wurden und damit keine
Hinweise darauf vorliegen, dass der Bandscheibenvorfall erst zeitlich nach der Untersuchung vom 04.08.2010 aufgetreten sein
könnte. Auch die Beklagte hat die Richtigkeit der Auswertung der Kernspintomographieaufnahmen durch den Sachverständigen Dr.
D. nicht in Zweifel gezogen. Im Ergebnis gelangt der Senat deshalb zu der Überzeugung, dass der Bandscheibenvorfall im Segment
C6/7 bereits im Kernspintomogramm vom 04.08.2005 dokumentiert ist.
Umständen, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprechen, kommt im vorliegenden Fall keine durchgreifende
Bedeutung zu. Insbesondere sprechen die vor allem durch das Kernspintomogramm vom 30.08.2005 nachgewiesenen vorbestehenden
degenerativen Veränderungen im Sinne einer Chondrose (Verschmälerung der Bandscheibe) und Spondylose (Wirbelkörperkantenausziehungen)
auch im Segment C6/7 mit dadurch verursachter Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes (so die zusammenfassende Beschreibung
von Dr. D.) nicht gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Denn aus diesen degenerativen Veränderungen lässt sich
nicht ableiten, dass der Bandscheibenvorfall schon vor dem Unfall bestand. Hiergegen spricht auch die Beschwerdefreiheit des
Klägers vor dem Unfall. Von einem vorbestehenden Bandscheibenvorfall geht keiner der mit der Beurteilung betrauten Ärzte aus,
auch die Beklagte nicht. Deshalb spielen diese vorbestehenden degenerativen Veränderungen allenfalls auf der zweiten Stufe
der Kausalitätsbeurteilung eine Rolle.
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf das unfallmedizinische Standardwerk von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Seite 527 ff., nunmehr 8. Auflage 2010, Seite 434 ff. und meint, hierauf gestützt, es
sei neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären
Begleitverletzungen einhergehe. Sie folgert daraus, dass ein Bandscheibenvorfall ohne solche Begleitverletzungen physikalisch
nicht möglich sei.
Es trifft zu, dass diese von der Beklagten herangezogene Literatur traumatische Bandscheibenvorfälle ausschließlich im Zusammenhang
mit derartigen Begleitverletzungen sieht (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage,
Seite 434 und 436). Diesen Ausführungen folgt der Senat allerdings aus Rechtsgründen nicht.
Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden (vgl. jeweils zur Rotatorenmanschettenruptur unter dem Gesichtspunkt
der Eignung des Unfallereignisses Urteil des Senats vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08, aaO. - zur 7. Auflage des Werkes - und Urteil des Senats vom 23.09.2010, L 10 U 1617/07 - zur 8. Auflage des Werkes -), dass dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur der Kausalitätsprüfung nicht zugrunde
gelegt werden kann, wenn unter Vermengung der Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der
wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit) die dadurch gefundenen Ergebnisse verkürzt
dargestellt werden, u.a. deshalb, weil es sich bei der Prüfung der Wesentlichkeit um eine wertende Entscheidung handelt (BSG,
Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 31.07.1985, 2 RU 74/84 in SozR 2200 § 548 Nr. 75), die - weil mit der Wertung zugleich die Reichweite des Unfallversicherungsschutzes bestimmt wird
(BSG, aaO.) - dem juristischen Betrachter vorbehalten ist und bei einer Vermischung der Prüfungsschritte die der Wertung zu
Grunde liegenden Kriterien (hierzu später) nicht erkennbar sind.
Nichts anderes gilt für die Ausführungen von Schönberger, Mehrtens, Valentin zum traumatischen Bandscheibenvorfall. Auch hier
wird - entgegen der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG - nicht zwischen den beiden Stufen der Kausalitätsprüfung
differenziert und lediglich behauptet - ohne dass die Kriterien für diese Wertung erkennbar würden -, ohne Begleitverletzung
sei die Schadensanlage wesentlich (Schönberger, Mehrtens, Valentin, aaO., S. 426). Dabei beruhen diese, unter dem Gesichtspunkt
"geeignetes Unfallereignis" stehenden Ausführungen maßgebend auf dem - falschen - Maßstab der "gesunden" Bandscheibe (Schönberger,
Mehrtens, Valentin, aaO.: "... können eine gesunde Bandscheibe zerreißen ..."). Maßgebend für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs
nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist jedoch nicht der gesunde Versicherte, sondern jener konkrete Versicherte,
der einen Unfall erlitt, wobei er im Zeitpunkt des Unfalls in dem Zustand versichert war, in dem er sich befand, also auch
mit degenerativen Schadensanlagen oder Vorschäden. Ohnehin unterliegt die genannte Literatur einem Zirkelschluss, wenn ausgeführt
wird (Schönberger, Mehrtens, Valentin, aaO., Seite 527), als Unfallfolge erschienen Bandscheibenvorfälle stets mit begleitenden
knöchernen oder Bandverletzungen. Schließlich wird auch das Kriterium der Eignung des Unfallereignisses überbewertet: Die
Eignung des Unfallereignisses ist - ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08 aaO. - eine Frage nach dem naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Denn wenn das Unfallereignis tatsächlich nicht geeignet
war, die fragliche Schädigung hervorzurufen, kann es hinweggedacht werden und die Schädigung wäre trotzdem vorhanden. Dem
entsprechend können Unfallereignisse regelmäßig nur dann als "nicht geeignet" bewertet werden, wenn der als geschädigt in
Rede stehende Körperteil durch den Unfall überhaupt nicht betroffen war. Auch lediglich geringfügige Einwirkungen durch den
Unfall lassen dagegen die naturwissenschaftliche Eignung nicht entfallen; die Frage nach dem Ausmaß der Einwirkung ist erst
auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung, bei der Frage der "Wesentlichkeit", von Bedeutung. Auch dies zeigt, dass die
von der Beklagten herangezogene medizinische Literatur - unzulässigerweise - die beiden Prüfungsstufen mit der Folge vermischt,
dass die Beurteilung auf der zweiten Stufe, also die Frage nach der Wesentlichkeit - wie die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung
- in erster Linie als medizinische Fragestellung erscheint.
Es trifft auch nicht zu - so die Argumentation der Beklagten -, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall ohne Begleitverletzungen
physikalisch nicht möglich ist. Tatsächlich treten Bandscheibenvorfälle meist degenerativ auf (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,
262. Auflage 2011), also nicht traumatisch und somit ohne besondere äußere Einwirkung und damit auch ohne die von der Beklagten
geforderten Begleitverletzungen. Dies beruht auf degenerativen Veränderungen und infolge dessen Schädigungen der Bandscheiben,
die schließlich zu Vorwölbungen und Vorfällen führen können (s. hierzu ausführlich Schönberger, Mehrtens, Valentin, aaO.,
Seite 453 ff.). Dabei bleibt die Hälfte der Bandscheibenvorfälle klinisch stumm (Schönberger, Mehrtens, Valentin, aaO., Seite
437, 454). Hiervon geht auch die Beklagte aus, wenn sie von stummen degenerativen Veränderungen und dem Auftreten degenerativ
bedingter Bandscheibenvorfällen bei stattgehabten Traumen spricht. Treten aber degenerativ bedingte Bandscheibenvorfälle auch
ohne äußere Einwirkung und ohne knöcherne oder ligamentäre Verletzungen auf, ist dies auch für einen traumatischen Bandscheibenvorfall
nicht physikalisch unmöglich.
Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang gezogene Vergleich mit Obst ist unzulässig. Die Beklagte begründet ihre Argumentation
der physikalischen Unmöglichkeit eines Bandscheibenvorfalls ohne Begleitverletzung mit dem Vergleich zum Entkernen eines Apfels
ohne dessen Außenhaut zu beschädigen. Sie übersieht dabei, dass die Wirbelsäule und deren Segmente kein derartig geschlossenes,
sondern ein aus mehreren Komponenten bestehendes, variables System darstellt (s. hierzu Schönberger, Mehrtens, Valentin, aaO.,
Seite 433), bei dem es durch degenerativ bedingte Veränderungen der Bandscheibe (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, aaO.,
Seite 453 ff.) zu entsprechenden Instabilitäten kommt.
Aus dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2007, L 17 U 75/06, auf das sich die Beklagte beruft, folgt nichts anderes. Dort werden lediglich Textpassagen aus Schönberger, Mehrtens, Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage wiedergegeben, ohne die oben dargelegten Umstände zu bedenken.
Den Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Auffassung, dass die traumatische Verursachung
eines isolierten Bandscheibenvorfalls ohne jedwede Begleitverletzung der ligamentären und knöchernen Strukturen im betroffenen
Segment der Wirbelsäule möglich sei, nicht dem gesicherten aktuellen medizinischen Kenntnisstand entspricht, lehnt der Senat
ab. Selbst wenn die von der Beklagten und von Schönberger, Mehrtens, Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen
Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung widergeben sollte, ändert dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung
deshalb nicht zugrunde gelegt werden darf, weil er - wie dargelegt - die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen
Rechtsprechung des BSG vernachlässigt. Im Übrigen ist die Beantwortung dieser Frage nach Auffassung des Senats nicht entscheidungserheblich.
Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass ein Bandscheibenvorfall stets mit Begleitverletzungen der ligamentären und knöchernen
Strukturen im betroffenen Segment der Wirbelsäule einhergeht, kann aus dem Umstand, dass beim Kläger solche Verletzungen mittels
bildgebender Verfahren nicht dokumentiert sind, nicht geschlossen werden, dass solche auch tatsächlich nicht vorhanden gewesen
sind. Diesbezüglich hat Dr. C. in seiner von der Beklagten eingeholten ergänzenden Stellungnahme auf die Problematik des eingeschränkten
Auflösungsvermögens der Kernspintomografie hingewiesen.
Ist somit der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stellt sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung),
ob das Unfallereignis auch wesentlich war.
Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis
wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig
oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch
eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit
Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt)
nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts
ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass
die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang
stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen,
ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer)
akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte,
sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt
selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil
vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von
Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.
Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit
einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis
etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier
nicht (BSG Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beurteilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des
Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wieder nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Ist eine erhebliche
Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht
hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht
dies nach dem im Sozialrecht geltenden, oben dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG,
Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 22).
Vorliegend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger im Zeitpunkt des Unfallgeschehens bereits ein struktureller
Vorschaden im Bereich der Bandscheibe der Wirbelkörper C6/7 (Chondrose und Spondylose) bestand, der bis zu dem Unfallereignis
jedoch keine funktionellen Beeinträchtigungen oder Beschwerden verursachte. Vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas
mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS vermag der Senat diesen degenerativen Veränderungen im Hinblick
auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall - ebenso wenig wie Dr. D. - jedoch keine überragende Bedeutung beizumessen. Insbesondere
ist nicht anzunehmen, dass just im Zeitpunkt des Unfallereignis eine sonst alltägliche Belastung zu derselben Schädigung geführt
hätte, wenn die HWS des Klägers doch zuvor alltäglichen Belastungen (zum Begriff alltägliches Ereignis vgl. Urteil des Senats
vom 15.10.2009, L 10 U 2011/09) Stand hielt und darüber hinaus sogar den durchaus nicht unerheblichen Belastungen seiner beruflichen Tätigkeit als Testfahrer,
die bis zum Unfall weder zu Beschwerden noch zu einem Bandscheibenvorfall geführt haben. Demnach ist das Unfallereignis wesentliche
Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment
einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen. Der Senat schließt sich auch insoweit
den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. an.
Die Berufung der Beklagten kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.