LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2022 - 2 SO 1183/22
Der Anspruch auf Auszahlung der Covid-19-Einmalzahlung i.H.v. 150 € gemäß § 144 Satz 1 SGB XII knüpft akzessorisch an einen bestehenden materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel
an. Da nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. März 2021 - B 8 SO 16/19 R -) bei Hilfe zur Pflege in Form stationärer Pflege neben den eigentlichen Maßnahmekosten
und dem notwendigen Lebensunterhalt (inkludierter Lebensunterhalt) der weitere notwendige Lebensunterhalt, der insbesondere
den Barbetrag nach § 27b Abs. 3 SGB XII und die Bekleidungspauschale nach § 27b Abs. 4 SGB XII umfasst, als Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt wird, handelt es sich bei den Ansprüchen auf den Barbetrag und die Bekleidungspauschale
um Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII. Dies hat zur Folge, dass immer dann, wenn ein Bewohner eines Pflegeheimes, dessen Einkommen jedenfalls nicht ausreicht,
um den gesamten Bedarf einschließlich der Heimkosten zu decken und daher Hilfe zur Pflege erhält, einschließlich eines Barbetrages
und einer Bekleidungspauschale, auch Anspruch auf die Einmalzahlung nach § 144 Satz 1 SGB XII hat.
Normenkette: SGB XII § 144 S. 1
Vorinstanzen: SG Freiburg 22.03.2022 S 9 SO 2322/21
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. März 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Einmalzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie nach § 144 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1935 geborene Kläger lebt vollstationär in dem Pflegeheim E in F. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100,
das Merkzeichen G (siehe Schwerbehindertenausweis ab 10. November 2014 - Bl. 137 VA) sowie Pflegegrad 4 (Bl. 43 VA) festgestellt.
Als Einkommen hat der Kläger eine deutsche und eine italienische Altersrente, eine Hinterbliebenenrente sowie Wohngeld. Mit
bestandskräftigem Bescheid vom 15. Dezember 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem
Siebten Kapitel SGB XII in Form der Übernahme der Aufwendungen für das Pflegeheim und der Festsetzung einer Eigenleistung (607,67 €); weiterhin bewilligte
die Beklagte mit diesem Bescheid den Barbetrag sowie die Bekleidungspauschale. Diese wurden auf das Taschengeldkonto des Pflegeheims
überwiesen. Als Rechtsgrundlagen benannte der Bescheid für die Bewilligung die §§ 27b, 42 und 61 des SGB XII. Berücksichtigt wurde bei der Bewilligung damals ein Einkommen des Klägers in Form von seiner Altersrente und seiner Witwerrente.
In der Folgezeit erließ die Beklagte mehrere Änderungsbescheide über Leistungen nach dem Dritten und dem Siebten Kapitel des
SGB XII, mit denen sie die Höhe der Eigenleistung (überwiegend) und auch die Höhe des monatlichen Betrages neu festsetzte.
Auf den streitgegenständlichen Zeitraum (Mai 2021) bezogen erließ die Beklagte zuletzt den bestandskräftigen Bescheid vom
14. Dezember 2020, mit dem sie unter Änderung der Leistungen nach dem Dritten und dem Siebten Kapitel des SGB XII die Höhe der Eigenleistung des Klägers ab 1. Januar 2021 auf 856,35 € und die Höhe des monatlichen Barbetrages auf 120,42
€ sowie die monatliche Bekleidungspauschale auf 23,00 € festsetzte; mit weiterem Bescheid vom 26. Januar 2021 setzte sie schließlich
in Änderung von Leistungen nach dem Dritten und dem Siebten Kapitel des SGB XII die Höhe der Eigenleistung des Klägers ab 1. März 2021 auf 855,54 € fest; der monatliche Barbetrag blieb unberührt. Diesen
(letzten) Bescheiden war jeweils ein Berechnungsbogen beigefügt, in dem sie das einzusetzende Einkommen des Klägers (im Änderungsbescheid
vom 26. Januar 2021 waren dies: Altersrente vom 615,46 €, Hinterbliebenenrente von 107,88 €, italienische Altersrente von
132,20 € und Wohngeld in Höhe von 324,00 €), davon übergeleitetes Einkommen in Höhe von 314,00 € abzog, unter Berücksichtigung
der Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII und von Leistunden nach dem Dritten Kapitel SGB XII (Bekleidungsbeihilfe und Barbetrag) ein weiterhin zu berücksichtigendes Resteinkommen von 712,12 € anführte und sodann unter
Berücksichtigung von Leistungen nach dem Siebten Kapitel SGB XII zu einer diesbezüglich zu gewährenden Leistung von 2.481,99 € gelangte; hiervon gingen an den Zahlungsempfänger Pflegeheim
2.338,57 €, die Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 23,00 € monatlich ebenfalls an das Pflegeheim und an den Kläger direkt ein
Auszahlungsbetrag in Höhe von 120,42 €.
Mit Schreiben seines Betreuers vom 8. Juni 2021 beantragte der Kläger eine COVID-19-Einmalzahlung. Mit Bescheid vom 8. Juni
2021 lehnten die Beklagten die Einmalzahlung COVID-19-Pandemie in Höhe von 150,00 € ab. Zur Begründung führte sie aus, aus
der Bedarfsberechnung für den Monat Mai 2021 ergäbe sich, ausschließlich ein Anspruch des Klägers auf Hilfe zur Pflege. Berechtigt
seien aber nur erwachsene Leistungsberechtigte mit einem eigenen Anspruch auf Grundsicherung/Hilfe zum Lebensunterhalt. Beigefügt
war ein Berechnungsbogen bezogen auf Mai 2021 mit einem einzusetzenden Einkommen des Klägers Altersrente in Höhe von 615,46
€ nach dem Altersrentenbescheid vom 18. Januar 2021 der Deutschen Rentenversicherung Schwaben, eine Hinterbliebenenrente in
Höhe von 107,88 € nach dem Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 18. Januar 2021, ein Wohngeld in
Höhe von 324,00 € nach dem Wohngeldbescheid der Beklagten vom 2. Januar 2021 und schließlich eine italienische Altersrente
in Höhe von 132,20 €. Nach der Zusammenstellung im Berechnungsbogen ergaben sich daraus Leistungen gemäß des Vierten Kapitels
des SGB XII in Höhe von 0,00 €, des Dritten Kapitels SGB XII in Höhe von 0,00 € und nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII in Höhe von 2.481,99 €.
Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 14. Juni 2021 Widerspruch. Zur Begründung führte
er aus, die Hilfe zum Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen sei Teil der Hilfe zur Pflege. Daher sei der Zuschlag nach
§144 Satz 2 SGB XII mit dem Barbetrag auszuzahlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte
sie aus, gemäß § 144 Satz 1 SGB XII erhielten Leistungsberechtigte, denen für den Monat Mai 2021 Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII gezahlt würden und deren Regelsatz sich aus der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 der Anlage zu § 28 SGB XII ergebe, für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang stehenden
Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150,00 €. Leistungsberechtigten, für die die Regelbedarfsstufe 3 gelte, sei
die Leistung zusammen mit dem Barbetrag auszuzahlen (§ 144 Satz 2 SGB XII). Die Bedarfe des Widerspruchsführers ergäben sich aus § 42 Nr. 1, Nr. 4b, § 27b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII (Grundsicherung), sowie aus § 27b Abs. 2, 3 Nr. 1 SGB XII (Bekleidungsbeihilfe und Barbetrag). Im Übrigen ergäbe sich der Bedarf aus §§ 61 ff. SGB XII. Der Bedarf des Klägers für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII betrage 357,00 € als Regelbedarf zuzüglich der pauschalen Unterkunftskosten aus § 27b SGB XII in Höhe von 468,00 €. Hieraus ergäbe sich ein Grundsicherungsbedarf in Höhe von 825,00 €. Der Bedarf für Leistungen nach
dem Dritten Kapitel SGB XII aus § 25b Abs. 2, 3 Nr. 1 SGB XII betrage 23,00 € als Bekleidungsbeihilfe zuzüglich des Barbetrages in Höhe von 120,42 €. Dies ergäbe einen Bedarf der Hilfe
zum Lebensunterhalt in Höhe von 143,42 €. Der Gesamtbedarf für Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII betrage also 968,42 €. Das einzusetzende Einkommen des Klägers betrage für den Monat Mai 2021 1.179,54 €. Es ergäbe sich
aus der Altersrente in Höhe von 615,46 €, der Hinterbliebenenrente in Höhe von 107,88 €, der italienischen Rente in Höhe von
132,20 € und des Wohngeldes in Höhe von 324,00 €. Damit decke das einzusetzende Einkommen den Bedarf aus dem Vierten und dem
Dritten Kapitel SGB XII vollständig ab. Es verbleibe noch ein Resteinkommen von 211,12 €. Der Kläger habe somit keinen Anspruch auf Leistungen nach
dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII; Zahlungen erfolgten ausschließlich nach dem Siebten Kapitel SGB XII. Die Voraussetzungen des § 144 SGB XII seien kumulativer Art. Er müsse sowohl Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII beziehen als auch müsse sein Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 der Anlage zu § 28 SGB XII zu bemessen sein.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 26. Juli 2021 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Kläger erhalte neben der Hilfe zur Pflege auch Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem Dritten Kapitel SGB XII. Soweit er die reinen Pflegeheimkosten nicht selbst bezahlen könne, ergäbe sich sein Anspruch aus § 65 SGB XII. Darüber hinaus habe er Anspruch auf den notwendigen Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen nach § 27b Abs. 1 Satz 2 und 2 SGB XII. Die Beklagte erbringe den notwendigen Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen nach § 27b Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht als Geldleistung, sondern als Sachleistung. Der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen umfasse die
maßgebende Regelbedarfsstufe, die pauschalierten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der durchschnittlichen angemessenen
tatsächlichen Aufwendungen wie Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfeträgers
und bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen auch eventuelle Mehrbedarfe. Bei dem sich daraus ergebenden Betrag handele
es sich nicht um eine auszuzahlende Leistung, sondern um einen Rechenbetrag zur Bestimmung der Höhe der für den Lebensunterhalt
einzusetzenden eigenen Mittel. Der Grund dafür sei hier das vollständige Einbringen des eigenen Einkommens, also auch der
Pflegeversicherungsleistung. Damit aber dem Leistungsberechtigten trotzdem finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, würden
bei Aufenthalt in einer stationären Einrichtung für den weiteren notwendigen Lebensunterhalt und der Sozialhilfegeldleistungen
für die Bekleidung und ein angemessener Barbetrag gewährt. Der genannte Barbetrag stehe für persönliche Bedürfnisse zur Verfügung
und belaufe sich für volljährige Leistungsberechtigte auf mindestens 27% der Regelbedarfsstufe 1. Als Gegenleistungen würden
dementsprechend immer nur der Barbetrag und die Bekleidungspauschale als weiterer notwendiger Lebensunterhalt an den Kläger
über sein Taschengeldkonto ausgezahlt. Insoweit seien die Wörter "gezahlt werden" in § 144 SGB XII missverständlich, da bei Personen in stationären Einrichtungen der Regelbedarf nach Stufe 3 nicht gezahlt werde, sondern
nur eine Rechenposition bei den Pflegeheimkosten darstelle. Das ändere aber nichts daran, dass dem Kläger die Bedarfe nach
§ 27b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XII unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 3 erbracht würden und daher der Anspruch auf die Sonderzahlung nach § 144 SGB XII bestehe. Anders als die Beklagte meine, sei Voraussetzung für die Sonderzahlung nicht, dass nur bezogen auf den Bedarf nach
§ 27b Abs. 1 Satz 2 SGB XII ein ungedeckter Bedarf verbleibe. Es sei ausreichend, dass der Bedarf, der in stationären Einrichtungen durch die Einrichtung
erbracht werde, als Teil der Bedarfsberechnung berücksichtigt werde und der Gesamtbedarf, der sich aus der Hilfe zur Pflege
und der Hilfe zum Lebensunterhalt zusammensetze, nicht ausreichend durch Einkommen gedeckt sei. Dass sich für die Beklagte
kein Anspruch des Klägers nach dem Dritten Kapitel errechne, liege nur daran, dass sie zunächst den Bedarf nach dem Dritten
Kapitel des SGB XII und erst danach den Bedarf nach dem Siebten Kapitel des SGB XII berechne. Wenn man dagegen erst den Bedarf nach dem Siebten Kapitel berechne, verbleibe kein Einkommen, das man noch auf
die Leistungen nach dem Dritten Kapitel anrechnen könne. Es wäre mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz unvereinbar, wenn der
Kläger - nur weil er über ein eigenes Einkommen über 712,12 € verfüge - den Zuschlag nicht erhalten würde, eine Person, die
über kein Einkommen verfüge, den Zuschlag jedoch erhalten könne, obwohl sich beim Bedarf und dem Gesamteinkommen ansonsten
überhaupt kein Unterschied ergebe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Dass der Regelbedarf des Klägers nach Regelbedarfsstufe 3 zu bemessen sei, sei unstreitig. Streitig sei lediglich, ob dem
Kläger Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII ausgezahlt würden. Soweit die Klägerseite ausführe, der Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung nach § 144 SGB XII ergäbe sich aus der Leistung des Barbetrages bzw. der Bekleidungspauschale, verkenne sie, dass gerade weil aufgrund des einzusetzenden
Einkommens kein Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel bestehe, diese im Rahmen der Hilfe zur Pflege
nach §§ 61 ff. SGB XII geleistet würden. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten
oder Vierten Kapitel des SGB XII für die Sonderzahlung zwingend voraussetze. Nur ergänzend werde darauf hingewiesen, dass für den Kläger, der in einer vollstationären
Einrichtung lebe, keine pandemiebedingten Mehraufwendungen ersichtlich seien.
Mit Urteil vom 22. März 2022 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2021 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2021 aufgehoben und die Beklagte
verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2021 eine weitere Zahlung von 150,00 € zu gewähren; die
Berufung hat es wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, gemäß § 144 Satz 1 SGB XII erhielten Leistungsberechtigte, denen für den Monat 2021 Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel gezahlt würden
und deren Regelsatz sich nach der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 der Anlage zu § 28 ergäbe, für den Zeitraum vom 1. Januar
bis zum 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung
in Höhe von 150,00 €. Der Anspruch auf die Einmalzahlung setze also kummulativ voraus, dass für Mai 2021 Leistungen nach dem
Dritten oder Vierten Kapitel gezahlt würden und dass sich der Regelsatz für den jeweiligen Leistungsberechtigten nach der
Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 richte. Die erstgenannte Voraussetzung sei nach allgemeiner Auffassung abweichend vom Wortlaut
(gezahlt werden) aus historischen (Gesetzesbegründung) und systematischen Erwägungen (vgl. zur Parallelvorschrift § 70 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II -) dahingehend auszulegen, dass für den Monat Mai 2021 ein materieller Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten
Kapitel des SGB XII bestanden haben müsse. Demgegenüber sei für die zweite Voraussetzung lediglich entscheidend, dass sich der Regelbedarf zur
Sicherung des Lebensunterhalts bei der jeweiligen Person nach der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 bemesse. Dass der Regelsatz
gezahlt werde, sei dagegen nicht Voraussetzung des Anspruchs. Erfasst werden sollten alle erwachsenen Personen in allen denkbaren
Wohnformen. Dies ergäbe sich auch im Umkehrschluss aus § 144 Satz 2 SGB XII, wonach die Leistung nach Satz 1 Leistungsberechtigten, für die die Regelbedarfsstufe 3 gelte, zusammen mit dem Barbetrag
nach § 27b Abs. 3 auszuzahlen sei; denn bei diesem Personenkreis werde definitionsgemäß nicht der Regelsatz gezahlt, sondern
lediglich die Regelbedarfsstufe 3 als Faktor bei der Bedarfsberechnung herangezogen. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen
sei zunächst festzustellen, dass der Kläger die zweite Anspruchsvoraussetzung erfülle, weil sich der für ihn maßgebende Regelbedarf
nach Regelbedarfsstufe 3 der Anlage zu § 28 SGB XII bemesse, was offenkundig und unstreitig sei. Näherer Betrachtung bedürfe lediglich die erste Anspruchsvoraussetzung, also
ob der Kläger im Mai 2021 Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII gehabt habe. Der Kläger habe im Mai 2021 aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 15. Dezember 2014 in der Fassung der späteren
Änderungsbescheide, zuletzt desjenigen vom 14. Dezember 2020, Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Form der Übernahme der Aufwendungen für das Pflegeheim unter Festsetzung einer Eigenleistung gehabt. Diese Leistung sei
nicht anspruchsbegründend im Sinne von § 144 Satz 1 SGB XII. Der Kläger habe aber auch Ansprüche auf den Barbetrag und die Bekleidungspauschale nach § 27b Abs. 2 bis 4 SGB XII gehabt. Die Beklagte habe diese Leistungen mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 ausdrücklich gesondert und unter Bezugnahme
auf § 27b SGB XII bewilligt. Bei den Ansprüchen auf Barbetrag und Bekleidungspauschale handele es sich um Leistungen nach dem Dritten Kapitel
des SGB XII im Sinne von § 144 Satz 1 SGB XII, sodass auch die erste Anspruchsvoraussetzung des § 144 Satz 1 SGB XII erfüllt sei. Die besondere Sozialhilfeleistung Hilfe zur Pflege in Form stationärer Pflege umfasse nach der gesetzlichen
Konzeption neben den eigentlichen Maßnahmekosten den in der Einrichtung erbrachten notwendigen Lebensunterhalt ("inkludierter
Lebensunterhalt") in Höhe normativer Vorgaben sowie daneben als ergänzende Leistungen (§ 27b Abs. 2 SGB XII) den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, der insbesondere einen Betrag nach Abs. 3 sowie eine Bekleidungspauschale nach
Abs. 4 umfasse. Der weitere notwendige Lebensunterhalt werde allerdings als Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt. Barbetrag und
Bekleidungspauschale stellten also Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII dar (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 23. März 2021 - B 8 SO 16/19 R, Rn. 18, in juris). Während der inkludierte (notwendige) Lebensunterhalt bloßer
Rechenposten für die Beurteilung der Bedürftigkeit sei, begründe der weitere notwendige Lebensunterhalt im Umkehrschluss einen
eigenen Anspruch. Etwas anderes ergäbe sich hier auch nicht etwa daraus, dass der Kläger nach der rechtlich gebotenen und
von der Beklagten zutreffend vorgenommenen Anrechnung seines Einkommens auf die verschiedenen Sozialhilfeleistungen - zunächst
beim inkludierten Lebensunterhalt (§§ 43, 27b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB XII), dann beim weiteren notwendigen Lebensunterhalt (§ 27b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 bis 4 SGB XII) sowie schließlich erst dann bei der Hilfe zur Pflege objektiv keinen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen für den weiteren
notwendigen Lebensunterhalt gemäß § 27b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB XII gehabt habe, weil sein Einkommen vollständig den Bedarf für den inkludierten und weiteren notwendigen Lebensunterhalt und
sogar noch teilweise den Bedarf für die Pflege gedeckt habe. Denn der Kläger habe schon aufgrund der Bindungswirkung des Bewilligungsbescheids
(§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen im Mai 2021 Anspruch auch auf diese Leistungen gehabt. Zwar hätte die
Beklagte dem Kläger aufgrund seiner konkreten Bedarfssituation Barbetrag und Bekleidungspauschale nicht als gesonderte Leistungen
gewähren müssen (bzw. in Anbetracht des gesetzlich vorgesehenen "Naturprinzips" möglicherweise nicht einmal dürfen). Die Beklagte
hätte den weiteren notwendigen Lebensunterhalt - gleich einem bloßen Rechnungsposten - auch vom einzusetzenden Einkommen absetzen
und nicht über das Taschengeldkonto der stationären Einrichtung auszahlen lassen können. Dies ändere aber zum einen nichts
daran, dass die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid dem Kläger tatsächlich Barbetrag und Bekleidungspauschale und somit
Leistungen für den weiteren notwendigen Lebensunterhalt als solche bewilligt und auf diese Weise einen Anspruch auf diese
Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt begründet habe. Zum anderen würde dem Kläger auch im Falle einer solchen alternativen
Gestaltung eine weitere Leistung in Höhe von 150,00 € zustehen. Denn nach der Entscheidung des BSG (a.a.O.) sei in derartigen Konstellationen die Leistung der Hilfe zur Pflege um den Betrag zu erhöhen, in dessen Höhe dem
Barbetrag zuzuordnende Bedarfe weder durch diesen in pauschalierter Höhe noch im Rahmen des inkludierten Lebensunterhalts
tatsächlich gedeckt würden. Der Gesetzgeber selbst gehe, wie sich aus § 144 Satz 1 SGB XII und der Gesetzesbegründung zu § 70 SGB II und § 144 SGB XII ergäbe, von durch die COVID-19-Pandemie verursachten Mehraufwendungen im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021
in pauschalierter Höhe von 150,00 € aus. Er habe weiter entschieden, dass dieser Bedarf in identischer Höhe auch für erwachsene
Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen bestehe. Dies ergäbe sich aus § 144 Satz 2 SGB XII und ebenfalls ausdrücklich aus der Gesetzesbegründung. Schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden
Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ( GG) sei es daher geboten, eine einmalige Leistung in dieser Höhe für alle im Mai 2021 auf Sozialhilfeleistungen angewiesenen
Bewohner stationärer Einrichtungen sicherzustellen, und zwar unabhängig davon, ob sie aufgrund der gesetzlich gebotenen Reihenfolge
der Einkommensanrechnung auch den Anspruch auf Hilfe zur Pflege oder auf Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt gemäß
§ 27b Abs. 1 SGB XII hätten und auch unabhängig davon, ob der Sozialhilfeträger in den erstgenannten Fällen den weiteren notwendigen Lebensunterhalt
durch gesonderte Zahlung nach § 27b Abs. 3 und 4 SGB XII oder durch Berücksichtigung bei der Berechnung des Eigenanteils für die Hilfe zur Pflege sicherstelle. Denn in Anbetracht
der sonstigen identischen Bedarfssituation könne weder das eine noch das andere den völligen Wegfall des Anspruchs auf die
Einmalzahlung für den pandemiebedingten Sonderbedarf sachlich rechtfertigen. Insbesondere habe aufgrund der gesetzgeberischen
Entscheidung die Überlegung der Beklagten außer Betracht zu bleiben, ob bzw. inwieweit Bewohnern vollstationärer Einrichtungen
tatsächlich Mehraufwendungen entstanden seien.
Die Beklagte hat gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 28. März 2022 zugestellte Urteil am 20. April 2022 schriftlich
beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, dem Kläger stehe kein
Anspruch auf die pandemiebedingte Sonderzahlung zu, da er keine Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII beziehe. Da die Voraussetzungen des § 144 SGB XII kumulativer Art seien, müsse der Kläger sowohl Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII beziehen als auch sein Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 der Anlage zu § 28 SGB XII zu bemessen sein. Vorliegend sei der Regelsatz des Klägers nach Regelbedarfsstufe 3 zu bemessen. Die Bedarfe des Klägers
ergäben sich aus § 42 Nr. 1, Nr. 4b, § 27b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII (Grundsicherung) sowie aus § 27b Abs. 2, 3 Nr. 1 SGB XII (Bekleidungsbeihilfe und Barbetrag). Im Übrigen ergäbe sich der Bedarf der §§ 61 ff. SGB XII. Die Reihenfolge der Anrechnung von Einkommen in stationären Leistungsfällen habe das BSG in seinem Urteil vom 23. März 2021 (B 8 SO 16/19 R) explizit bestätigt. Der Bedarf für Leistungen nach dem Vierten Kapitel
des SGB XII betrage 357,00 € als Regelbedarf zuzüglich der pauschalen Unterkunftskosten aus § 27b SGB XII in Höhe von 468,00 €. Es ergäbe sich ein Grundsicherungsbedarf in Höhe von 825,00 €. Der Bedarf für Leistungen nach dem Dritten
Kapitel SGB XII betrage 23,00 € als Bekleidungsbeihilfe zuzüglich des Barbetrages in Höhe von 120,42 €. Es ergäbe sich ein Bedarf der Hilfe
zum Lebensunterhalt von 143,42 €; der Gesamtbedarf für Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII betrage 968,42 €. Das vorhandene, einzusetzende Einkommen des Klägers betrage für den Monat Mai 2021 1.179,54 €. Damit decke
das einzusetzende Einkommen die Bedarfe aus dem Vierten Kapitel des SGB XII vollständig ab; als Differenz verbleibe ein Resteinkommen von 354,54 €. Dieses decke auch den Bedarf aus dem Dritten Kapitel
des SGB XII in Höhe von 143,42 € vollständig ab; es verbleibe ein Resteinkommen von 211,12 €. Der Kläger habe folglich keinen gesetzlichen
Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel SGB XII. Demzufolge würden auch keine Leistungen nach diesen Vorschriften ausgezahlt. Die Zahlung erfolge ausschließlich nach dem
Siebten Kapitel des SGB XII.
Das SG gehe davon aus, dass sich ein materiell-rechtlicher Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel direkt aus
dem Leistungsbescheid ergäbe. Zwar sei dem SG insoweit zuzustimmen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Auszahlungen in Höhe von 120,42 € und 23.00 € zustehe. Nicht ersichtlich
sei jedoch, wie das SG daraus den Schluss ziehe, dem Kläger stehe ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des
SGB XII. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 habe die Beklagte entschieden, dem Kläger stünden ein "Barbetrag" sowie eine "Bekleidungspauschale"
zu. Dem Bescheid seien entsprechende Berechnungsbögen beigefügt gewesen, aus denen sich offenkundig ergäbe, dass die Leistungen
vollständig und ausschließlich der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII zuzuordnen seien. Dort werde ausgeführt, dass keinerlei Leistung nach dem Dritten oder Vierten Kapitel gewährt würden; beide
Leistungen seien mit einem Rechnungsposten von 0,00 € ausgewiesen. Soweit das SG ausführe, der Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung ergäbe sich aus der Leistung des Barbetrages bzw. der Bekleidungspauschale,
verkenne das Gericht insoweit, dass diese im Rahmen der Hilfe zur Pflege geleistet und ausgezahlt würden. Im Ergebnis ergäbe
sich damit ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Zahlungen der Leistungen in der mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 ausgewiesenen
Höhe. Der leistungsberechtigte Personenkreis nach § 144 SGB XII umfasse lediglich Leistungsempfänger, denen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel SGB XII gezahlt würden. Die Rechtsauffassung der Beklagten werde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seinen Ausführungshinweisen
vom 19. Februar 2021 bestätigt. Der Wille des Gesetzgebers sehe für die Personen, die vollstationär untergebracht, aber nicht
nach dem Dritten oder Vierten Kapitel leistungsberechtigt seien, keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung vor. Soweit das SG in Anlehnung an das Urteil des BSG vom 23. März 2021 (B 8 SO 16/19 R) einen Anspruch des Klägers aus § 27b SGB XII herleite, fehle es hierfür an der Darlegung der konkreten Bedarfssituation des Klägers. Weder sei vorgetragen noch sonst
ersichtlich, dass der Kläger über Bedarfe an pandemiebedingten Schutzmaterialien verfüge, die seitens des Pflegeheimes nicht
ohnehin gestellt würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts F. vom 22. März 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt aus, der Anspruch ergäbe sich aus § 144 SGB XII. Denn der Bedarf des Klägers richte sich nach der Regelbedarfsstufe 3. Nach § 144 Satz 2 werde bei Leistungsberechtigten,
bei denen die Regelbedarfsstufe 3 gelte, die Leistung mit dem Barbetrag ausbezahlt. Beim Kläger gelte die Regelbedarfsstufe
3 und er erhalte den Barbetrag von der Beklagten auch ausbezahlt. Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger der Barbetrag und die Bekleidungspauschale nach dem Dritten Kapitel SGB XII tatsächlich auch bewilligt worden seien und die Leistung tatsächlich wie in Satz 1 vorgesehen gezahlt werde. Darauf komme
es aber auch gerade nicht an, denn bei der Berechnung der Leistungen wäre der Coronazuschlag als Teil der Hilfe zur Pflege
auszuzahlen, weil der Bedarf nach dem Dritten Kapitel entsprechend um 150,00 € zu erhöhen sei. Der Bedarf hierfür müsse aufgrund
der gesetzgeberischen Intension des § 144 SGB XII unterstellt werden. Im Übrigen sei es Aufgabe der Beklagten darzulegen, dass die konkrete Bedarfssituation des Klägers ausnahmsweise
keinen Coronazuschlag erfordere, obwohl der Gesetzgeber diesen nach § 144 SGB XII für Heimbewohner grundsätzlich vorsehe. Letztendlich würde die Ablehnung des Coronazuschlags zu einer ungerechtfertigten
Schlechterstellung von Heimbewohnern mit eigenem Einkommen aber nicht ausreichenden Einkommen führen, weil diese trotz gleicher
Bedarfssituation anders als Bewohner ohne oder mit nur wenig Einkommen nicht an der Einmalzahlung partizipieren würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten
sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gemäß § 144 SGB XII auf die Einmalzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie in Höhe von 150,00 € bejaht.
Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger die persönlichen Voraussetzungen gemäß den §§ 19, 41 und 61 SGB XII erfüllt, der Kläger insbesondere nicht in der Lage ist den gesamten Bedarf einschließlich der Pflegekosten aus eigenen Mitteln
zu bestreiten, der Kläger insbesondere auch pflegebedürftig ist (GdB 100, Merkzeichen G, Pflegegrad 4).
Gemäß § 144 Satz 1 SGB XII (i.d.F. vom 10. März 2021 gültig ab 1. April 2021) erhalten Leistungsberechtigte, denen für den Monat Mai 2021 Leistungen
nach dem Dritten oder Vierten Kapitel gezahlt werden und deren Regelsatz sich nach der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 der Anlage
zu § 28 ergibt, für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang
stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150,00 €. Leistungsberechtigten, für die die Regelbedarfsstufe 3
gilt, ist die Leistung nach Satz 1 zusammen mit dem Barbetrag nach § 27b Abs. 3 oder § 27c Abs. 3 auszuzahlen; die Einmalzahlung
für Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel sind Bruttoausgaben nach § 46a Abs. 2 Satz 1 (Satz 2). Die Sätze 1 und 2
gelten nur, sofern bei Leistungsberechtigten kein für sie gewährtes und an sie unmittelbar ausgezahltes oder weitergeleitetes
Kindergeld als Einkommen berücksichtigt wird (Satz 3).
Zutreffend hat das SG in seinem Urteil vom 22. März 2022 die beiden Anspruchsvoraussetzungen für die Einmalzahlung in § 144 Satz 1 SGB XII bejaht. Voraussetzung des Leistungsanspruchs nach § 144 Satz 1 SGB XII ist zunächst ein bestehender Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel für den Monat 2021. Dies ergibt
sich - so auch zutreffend das SG - zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift, die von Zahlung spricht. Allerdings stellt die Gesetzesbegründung
zu § 144 Satz 1 SGB XII selbst auf "einen bestimmten Anspruch" ab (vgl. BT-Drs. 19/26542, S. 20). Darin macht der Gesetzgeber weiter auch deutlich,
dass er die Regelung zur Einmalzahlung im SGB II als die führende ansieht, die in das SGB XII lediglich übernommen worden ist (vgl. a.a.O.). § 70 Satz 1 SGB II aber knüpft dezidiert an den Anspruch auf Arbeitslosengeld II und nicht nur an die Zahlung an. Somit geht der Senat von der
akzessorischen Anknüpfung an einen bestehenden materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten
Kapitel aus. Dieser aber hat für den Kläger für den Mai 2021 bestanden. Die diesbezügliche Begründung des SG in seinem Urteil vom 22. März 2022 hält der Senat für zutreffend. Der Kläger hatte im Mai 2021 einen materiell-rechtlichen
Anspruch gemäß § 27b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 4 SGB XII auf den Barbetrag und die Bekleidungspauschale. Denn bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Dezember 2014 hat die
Beklagte dem Kläger ausdrücklich ab 1. Januar 2015 einen "Barbetrag zur persönlichen Verfügung", damals in Höhe von 107,73
€ monatlich, bewilligt; dafür hat sich die Beklagte in diesem Bewilligungsbescheid ausdrücklich auf die Rechtsgrundlage des
§ 27b SGB XII bezogen. Diese ausdrückliche Bewilligung eines Barbetrages auf der Rechtsgrundlage des § 27b SGB XII hat die Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 8. Dezember 2017, 7. Dezember 2018, 3. Dezember 2019 und 9. Januar 2020 in der
Folgezeit ausdrücklich bestandskräftig wiederholt. In diesen Änderungsbescheiden hat sie jeweils zum Ausdruck gebracht, dass
es um einen "Bescheid über die Änderung von Leistungen nach dem Dritten und Siebten Kapitel SGB XII (§§ 27b, 61 SGB XII)" Sie hat jeweils auch die Höhe des monatlichen Barbetrags verbindlich neu festgesetzt. Unmittelbar bezogen auf den streitgegenständlichen
Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2021 bzw. Mai 2021 hat die Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 bestandskräftig
und verbindlich über die Änderung von Leistungen wieder "nach dem Dritten und Siebten Kapitel SGB XII" entschieden und ausdrücklich ab 1. Januar 2021 einen Anspruch auf den Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von 120,42
€ bestätigt sowie einen Anspruch auf die Bekleidungspauschale in Höhe von 23,00 € monatlich. Dabei ist die Beklagte selbst
und auch zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den Ansprüchen auf den Barbetrag und die Bekleidungspauschale um Leistungen
nach dem Dritten Kapitel des SGB XII handelt, wie in den genannten Änderungsbescheiden ersichtlich. Zum anderen umfasst - so zutreffend das SG - die Sozialhilfeleistung Hilfe zur Pflege in Form stationärer Pflege neben den eigentlichen Maßnahmekosten den in der Einrichtung
erbrachten notwendigen Lebensunterhalt (inkludierter Lebensunterhalt) in Höhe normativer Vorgaben sowie daneben als ergänzende
Leistungen (§ 27b Abs. 2 SGB XII) den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, der insbesondere einen Betrag nach Abs. 3 sowie eine Bekleidungspauschale nach
Abs. 4 umfasst. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. März 2021 - B 8 SO 16/19 R) wird der weitere notwendige Lebensunterhalt als Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt;
Barbetrag und Bekleidungspauschale stellen also Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII dar. Während der inkludierte (notwendige) Lebensunterhalt - insoweit teilt der Senat die Rechtsauffassung der Beklagten -
ein bloßer Rechenposten für die Beurteilung der Bedürftigkeit ist, begründet der weitere notwendige Lebensunterhalt im Umkehrschluss
einen eigenen Anspruch. Insofern nimmt der Senat ausdrücklich auf die Begründung des SG in seinem Urteil vom 22. März 2022 gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
Wenn die Beklagte in der Berufungsbegründung noch vorbringt, dass ausgehend von der einzuhaltenden Reihenfolge der Berücksichtigung
des Einkommens des Klägers zunächst bei seinem Bedarf nach dem Vierten Kapitel SGB XII, dann bei seinem Bedarf nach dem Dritten Kapitel SGB XII und schließlich auch bei seinem Bedarf nach dem Siebten Kapitel SGB XII es dazu führt, dass die Bedarfe nach dem Vierten und dem Dritten Kapitel SGB XII vollständig vom anzurechnenden Einkommen des Klägers im Mai 2021 gedeckt waren, folglich auch keine Leistungen nach diesen
Vorschriften ausgezahlt wurden, hält der Senat dies nicht für überzeugend. Aus dem Berechnungsbogen zum Bescheid vom 14. Dezember
2020, auf den auch die Beklagte Bezug nimmt, folgt, dass Leistungen in Höhe von 2.368,63 € errechnet wurden, und bezogen auf
diese in Höhe von 2.218,21 € und in Höhe von 23,00 € Bekleidungsbeihilfe das Pflegeheim als Zahlungsempfänger benannt wird
und weitere 120,42 € als Auszahlungsbetrag an den Kläger angeführt sind. Auch wenn alle drei genannten Beträge auf ein Konto
des Pflegeheims überwiesen wurden, sind die Bekleidungsbeihilfe und der Barbetrag an den Kläger ausgezahlt worden. Denn wie
schon im Bescheid vom 15. Dezember 2014 seitens der Beklagten - und in der Folgezeit hat sich hieran nichts geändert -bestätigt
wurde, stand der Barbetrag und auch die Bekleidungspauschale zur persönlichen Verfügung des Klägers. Er hatte somit (auch)
für den Mai 2021 einen Anspruch gegen das Heim auf Überlassung dieser Beträge zu seiner freien Verfügung. Insofern ist somit
von einer Auszahlung dieser Beträge an den Kläger auszugehen. Dass schließlich in diesem Berechnungsbogen die als Leistung
"berechneten" 2.368,63 € unter "Leistung gemäß Kapitel 5 bis 9 SGB XII" genannt sind, davor bei Leistungen gemäß Kapitel 4 SGB XII wie Kapitel 3 SGB XII jeweils 0,00 € eingesetzt sind, ändert nichts daran, dass sowohl der Barbetrag als auch die Bekleidungspauschale gemäß §
27b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB XII Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII sind.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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