LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014 - 6 VG 4352/13
Anspruch auf Versorgungskrankengeld; Bindungswirkung der Prognosefrist von 78 Wochen für Versorgungsverwaltung und Gericht
An die Prognosefrist von 78 Wochen zur Prüfung der Frage, ob ein Dauerzustand (hier PTBS anch Überfall) eingetreten ist, ist
- auch wenn die Krankheitseit 10 Jahren phasenweise verläuft - sowohl die Versorungsverwaltung wie das Gericht gebunden, insbesondere
da Versorgungskrankengeld kein auf Dauer angelegter Ausgleich für eine Minderung des Arbeitseinkommens darstellt. Die Prognoseentscheidung
ist voll gerichtlich überprüfbar.
Normenkette: BVG § 16 ,
BVG § 18a Abs. 7 ,
BVG § 9 ,
Vorinstanzen: SG Mannheim 03.09.2013 S 1 VG 2552/10
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. September 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Der Kläger begehrt Versorgungskrankengeld über den 06.02.2010 hinaus.
Der am 28.01.1984 geborene Kläger wurde am 10.09.1999, also im Alter von 15 Jahren, Opfer einer Gewalttat. Nach eigenen Angaben
sei er hierbei von einer Gruppe von 15 Personen überfallen worden. Er selbst sei mit drei anderen Bekannten zusammen gewesen,
die sich aber zurückgehalten hätten. Die Angreifer seien Ausländer gewesen, die Zigaretten hätten haben wollen. Den ersten
beiden habe er eine Zigarette gegeben, dann jedoch keine weiteren mehr hergegeben, weil er selbst nur noch wenige gehabt habe.
Als einer der Angreifer seiner Freundin ins Gesicht geschlagen habe, habe er ihn zur Rede gestellt. Daraufhin sei er von der
Gruppe misshandelt worden (Gutachten M. im Rentenverfahren, Bl. 217 Rentenakte) und erlitt hierdurch multiple Stichverletzungen,
Prellungen an Kopf, Becken, linkem Handgelenk und linkem Oberschenkel, eine Nasenbeinfraktur mit Septumhämatom sowie eine
kaum dislozierte Orbitabodenfraktur links und einen 2 mm breiten Spitzenpneumothorax im linken Lungenoberfeld (ärztlicher
Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses E. vom 11.10.1999, Bl. 16 OEG-Akte). Nach der ersten stationären Behandlung vom 10. bis 22.09.1999 schloss sich eine weitere stationäre Behandlung vom
29.09. bis 05.10.1999 in der Universitätskinderklinik H. aufgrund einer Artikulationsstörung und intermittierender Kribbelparästhesien
der linksseitigen Kopfhaut an, ohne dass sich aufgrund der durchgeführten Untersuchungen ein organisches Korrelat hierfür
finden ließ. Die beklagte Symptomatik wurde als mögliche Konversionssymptomatik im Rahmen der posttraumatischen Belastungsstörung
(PTBS) nach der erlebten Gewalttat interpretiert (Bl. 18/19 OEG-Akte). Nach dem Überfall hat der Kläger zunächst einzelne Stunden, dann vollständig die Schule wieder besucht und den Realschulabschluss
erlangt. Anschließend wechselte er auf das Technische Gymnasium in M., brach jedoch bereits im Oktober 2000 wegen des hohen
Tempos der Leistungsanforderungen und weil er sich im Kontakt mit manchen Mitschülern sehr unwohl gefühlt hatte den Schulbesuch
ab, um bis März 2001 die Bauzeichner-Schule zu besuchen. Einen Ausbildungsplatz zum Bauzeichner konnte er jedoch nicht finden,
so dass er im September 2001 eine Ausbildung zum Heizungsbauer begann, die er jedoch nach öfteren krankheitsbedingten Fehlzeiten
im Februar 2002 abbrach (vgl. psychiatrisches Gutachten Dr. B. vom 30.06.2003, Bl. 72 OEG-Akte).
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 05.02.2001 erkannte der Beklagte als Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ( OEG) eine abgeheilte Nasenbein-, Orbitaboden- und Kieferhöhlen-Vorderwandfraktur, eine reizlose Narbe im Bereich des linken Halses,
am linken Handgelenk sowie am linken Oberschenkel sowie eine PTBS an und gewährte ab 01.09.1999 eine Grundrente nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vom Hundert (v. H.).
Auf Veranlassung des Beklagten erstattete Oberarzt Dr. B., Psychiatrische Klinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universitätsklinikum
H., das Gutachten vom 30.06.2003, der als Folgen der Gewalttat eine chronifizierte Form einer PTBS, die mit erheblichen psychosozialen
Funktionseinschränkungen verbunden sei, eine mittelgradige depressive Störung sowie einen somatoformen Beschwerdekomplex diagnostizierte.
Die Leitsymptomatik der PTBS seien die intrusiven Gedanken sowie das Vermeidungsverhalten mit angst-phobischen Reaktionen.
Im Bereich der depressiven Leitsymptomatik finde sich ein Beschwerdebild mit Antriebslosigkeit, Schwermut, Einsamkeitsgefühlen
und Schlafstörungen. Das psychosomatische Beschwerdebild werde geprägt durch eine extrem hohe Erschöpfungsneigung mit Schwächegefühl
und Müdigkeit. Auch aufgrund der schwerwiegenden psychosozialen Funktionseinschränkungen drohe eine weitere Chronifizierung
der PTBS mit der Gefahr der Ausbildung einer sogenannten andauernden Persönlichkeitsänderung infolge einer Extrembelastung.
Besonders gravierend sei die Schwere und Chronizität der PTBS sowie eine fehlende Remission der Störung durch die direkt im
Anschluss an das Erleben des Traumas stattgefundenen psychotherapeutischen Interventionen. Es erscheine eine umfassende psychiatrisch-psychotherapeutische
Behandlung der Folgeerkrankung erforderlich. Die schädigungsbedingte MdE liege zwischen 40 und 50 v. H.
Hierauf gestützt hob der Beklagte die Grundrente ab 01.07.2003 aufgrund einer MdE um 40 v. H. an. Außerdem gewährte der Beklagte
dem Kläger ab 19.02.2002 Versorgungskrankengeld. Mit Bescheid vom 09.12.2003 stellte der Beklagte fest, dass in der Arbeitsunfähigkeit
zwischenzeitlich ein Dauerzustand eingetreten sei und daher die Gewährung von Versorgungskrankengeld mit Ablauf des 17.08.2003
ende. Vom 15.06. bis 27.07.2004 befand sich der Kläger auf Kosten der LVA Baden-Württemberg zur medizinischen Rehabilitation
in der Klinik A., wo eine PTBS bei Verdacht auf selbstunsichere Persönlichkeit, soziale Phobien mit agoraphobischen Tendenzen
sowie Senk-Spreiz-Knickfuß beidseits diagnostiziert wurde. Die Entlassung erfolgte arbeitsfähig in der sozialmedizinischen
Leistungsbeurteilung als angehender Zimmermann-Azubi sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr. Eine weiterführende
ambulante Psychotherapie wurde empfohlen (Entlassungsbericht vom 26.07.2004, Bl. 219 Rentenakte).
Von September 2004 bis August 2007 absolvierte der Kläger erfolgreich eine Lehre zum Zimmermann.
Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, berichtete in seinem Arztschreiben vom 29.03.2005 über eine erneute Vorstellung
des Klägers am 10.03.2005. Danach sei der psychopathologische Befund jetzt unauffällig und zeige einen normalen, altersentsprechenden
Befund. Die vorbestehende PTBS und auch die persönlichkeitsgebundene soziale Phobie seien nun weitestgehend remittiert, es
ließen sich jetzt keine Restsymptome mehr eruieren. Eine ambulante psychotherapeutische Behandlung, die der Kläger seit der
Entlassung aus seiner Rehabilitationsbehandlung sowieso nicht absolviert habe, erübrige sich von daher auch (Bl. 201 OEG-Akte). Anlässlich seiner Vorstellung bei Dr. W., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, am 16.11.2006 berichtete der Kläger
wieder über depressive Gefühle bzw. eine Stimmungsreduktion, insbesondere bestehe auch eine depressive Antriebsschwäche. Verordnet
wurden Fluoxetin und Aponal und es wurde erneut zu einem späteren Zeitpunkt eine begleitende psychotherapeutische Verhaltenstherapie
empfohlen (Bl. 203 OEG-Akte).
Nach Mitteilung der Krankenkasse des Klägers, dass dieser seit 17.09.2007 arbeitsunfähig erkrankt sei und seit 29.10.2007
Krankengeld erhalte, gewährte der Beklagte ab 29.10.2007 Versorgungskrankengeld (Bl. 239, 244 OEG-Akten).
Am 14.01.2008 stellte sich der Kläger in der Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin H. vor und gab an,
sich wegen akuter Ängste vor etwa zwei Monaten für zwei bis drei Wochen in sein Zimmer eingeschlossen und sich zurückgezogen
zu haben. Er lebe sehr zurückgezogen in der Wohnung seiner Eltern, Freunde gebe es keine, eine Partnerschaft habe er nie gehabt.
Im Arztbrief vom 24.01.2008 wird darüber hinaus ausgeführt, aufgrund der langjährigen Chronifizierung und aktuellen Symptomverschlechterung
hätten sie dem Kläger im November 2007 einen stationären Aufenthalt auf ihrer psychosomatischen Station vorgeschlagen, dem
der Kläger zunächst zugestimmt habe. Nach Besichtigung ihrer Station habe er aber mitgeteilt, kein gutes Gefühl zu haben und
sich nicht vorstellen zu können, hier inmitten der Stadt für mehrere Wochen behandelt zu werden, da er mehr Kontakte zur Natur
benötige. Diagnostiziert wurde ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen Stichverletzungen, eine PTBS, eine leichte
bis mittelgradige depressive Episode sowie eine soziale Phobie.
Aufgrund der Empfehlung des Klinikums H. begab sich der Kläger am 11.03.2008 in die M.-Klinik zur stationären Behandlung.
Bereits am Abend des Aufnahmetages befand sich der Kläger indes schon nicht mehr in der Klinik, sondern war wieder zu seinen
Eltern nach Hause gefahren und hatte sich dort in sein Zimmer eingeschlossen. Der Kläger selbst war nicht bereit, mit der
Klinik den Sachverhalt zu klären. Von der Mutter des Klägers war zu erfahren, dass er die Klinik verlassen habe, weil es auf
seinem Zimmer in der Klinik keinen abschließbaren Schrank für sein Mountainbike und seine spezielle Funktionswäsche gegeben
habe. Der Hinweis im Aufnahmegespräch, diese Frage am nächsten Morgen mit der Rezeption oder auf der Visite mit dem Leitenden
Oberarzt zu klären, wurde nicht akzeptiert (Gutachten M., Bl. 223 Rentenakte). Im Anwaltsschreiben vom 08.05.2008 wird zu
diesem Sachverhalt ausgeführt, der Kläger habe die Rehabilitationseinrichtung nach kurzer Zeit wieder verlassen, weil er sich
in dieser Klinik absolut nicht wohl gefühlt habe. Er habe in einem Zwei-Bett-Zimmer untergebracht werden sollen. Das Zimmer
sei jedoch allenfalls 10 qm groß und damit für zwei Personen viel zu klein gewesen, was auch für den in dem Zimmer befindlichen
Kleiderschrank gegolten habe. Der Kläger habe im Aufnahmegespräch auf den Missstand hingewiesen. Eine Änderung der Unterbringung
sei jedoch nicht erfolgt, so dass der Kläger nach einer regelrechten Panikattacke die Klinik noch am gleichen Abend verlassen
habe.
Im sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 04.04.2008 wird ausgeführt, der Kläger leide an einer chronifizierten PTBS mit
rezidivierenden depressiven Episoden, Antriebsminderung, Konzentrationsstörungen und sozialen Rückzugstendenzen. Er sei nun
aktuell wieder seit September 2007 arbeitsunfähig erkrankt. Trotz psychotherapeutischer Behandlung in der Ambulanz der Universitätsklinik
H. sei keine ausreichende Stabilisierung eingetreten. Von den behandelnden Psychiatern werde dringend eine stationäre Rehabilitation
empfohlen, anschließend solle die Psychotherapie weitergeführt werden. Aufgrund der psychischen Problematik sei die Erwerbsfähigkeit
des Klägers gefährdet, er habe aktuell auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein ausreichendes Leistungsbild. Empfohlen wurde
die Einleitung eines Verfahrens nach § 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V), nämlich eine stationäre psychosomatische Reha-Behandlung. Aufgrund der Stellungnahme des rentenärztlichen Sachverständigen
Dr. S. vom 13.06.2008, wonach eine Reha-Maßnahme nicht zu empfehlen sei, da der Kläger aus psychiatrischer Sicht für ein psychosomatisches
Heilverfahren nicht ausreichend belastbar erscheine, während eine heimatnahe Akutbehandlung sinnvoller sei, widerrief der
Rentenversicherungsträger die mit Bescheid vom 04.03.2008 bewilligte stationäre medizinische Rehabilitation.
Aufgrund des hiergegen eingelegten Widerspruchs des Klägers holte der Rentenversicherungsträger bei dem Facharzt für Neurologie
und Psychiatrie Karl C. M. das nervenfachärztliche Gutachten vom 05.10.2008 ein. Darin führte dieser u. a. aus, es sei nach
der Schilderung des Klägers auch während der Ausbildung zum Zimmermann in quasi jährlichem Abstand zu Krisensituationen gekommen
mit vermehrten Symptomen, immer wenn er sich unter Druck gefühlt habe. Trotz dieser in regelmäßigen Abständen auftretenden
Symptome, unterbrochen von Zeiten des völligen Wohlbefindens, sei es zu keiner kontinuierlichen nervenärztlichen oder psychotherapeutischen
Behandlung gekommen. Symptomatisch im Vordergrund stehe ein ängstliches Vermeidungsverhalten. Der Kläger wohne weiter bei
den Eltern, es bestehe nur ein sehr geringer Kontakt außerhalb der Familie, der sich nach eigenen Schilderungen des Klägers
in dreiwöchentlichen kurzen Treffen mit einem Kollegen für ein Bier in einer Gaststätte erschöpfe. Eine partnerschaftliche
Beziehung habe noch nie bestanden. Größere Veranstaltungen meide er, da er Angst habe, dass es dort wieder zu aggressiven
Situationen kommen bzw. er den Überblick verlieren könne oder Angstsymptome auftreten könnten. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers
sei in Übereinstimmung mit dem MDK-Gutachten langfristig als gefährdet anzusehen. Die Gefährdung resultiere hauptsächlich
aus der Chronifizierung des ängstlichen Vermeidungsverhaltens. Der Kläger sehe sich weiterhin überwiegend in der Opferperspektive,
es bestehe wenig Einsicht, dass auch im Rahmen einer Behandlung aktive Schritte seinerseits erforderlich seien. Angesichts
einer zur Chronifizierung neigenden Entwicklung in den letzten Jahren könne nicht davon ausgegangen werden, dass allein eine
stationäre medizinische Rehabilitation zu einer langfristigen Stabilisierung sowohl des Gesundheitszustandes als auch der
Erwerbsfähigkeit des Klägers führen werde. Voraussetzung hierfür sei, dass nach Möglichkeit bereits vor einer stationären
medizinischen Rehabilitation eine langfristig notwendige ambulante nach Möglichkeit nervenärztliche und verhaltenstherapeutische
Behandlung vorgebahnt sei und dann auch im Anschluss durchgeführt werde. Hierfür gebe es bisher wenig Bemühungen und aktuell
keine wirkliche Einsicht und Motivation. Eine stationäre Rehabilitation wäre nur unter der Bedingung erfolgversprechend, dass
eben bereits vorher eine ambulante Behandlung eingeleitet und ein tragfähiger therapeutischer Kontakt zustande gekommen sei.
Aus nervenärztlicher Sicht sei bei dem langjährigen Verlauf, wie von Dr. B. und offensichtlich auch von mehreren anderen Fachärzten
bereits empfohlen, in jedem Fall auch eine medikamentös unterstützende Behandlung mit einem Antidepressivum sinnvoll. Eine
alleinige stationäre Behandlung sei in jedem Fall unzureichend, um eine dauerhafte Stabilisierung zu erreichen. Es bestünden
erhebliche Zweifel, ob durch eine stationäre Behandlung die Motivation für eine erforderliche langfristige ambulante Behandlung
zustande komme und damit eine langfristige Stabilisierung überhaupt durch eine Reha erreichbar sei. Wesentlich sei aber auch,
dass ein subjektives therapeutisch sinnvolles Krankheitsmodell mit Erkennen der eigenen Möglichkeiten und Notwendigkeit einer
Mitarbeit Voraussetzung für das Gelingen eines stationären Aufenthaltes wäre. Derzeit bestehe überwiegend eine prognostisch
ungünstige passive Erwartungshaltung. Da der Kläger nicht vorhabe, an den derzeitigen Arbeitsplatz zurückzukehren, wäre zu
wünschen, dass er sich möglichst bald dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle und sich entsprechend um einen neuen Arbeitsplatz
kümmere.
Vom 05.02. bis 05.03.2009 befand sich der Kläger auf Kosten seiner Krankenkasse in stationärer Behandlung in den Fachkliniken
für Psychosomatik, Psychotherapeutische Medizin und Naturheilverfahren, Panoramakliniken S.. Dort wurden eine PTBS, eine schwere
depressive Episode ohne psychotische Symptome sowie soziale Phobien diagnostiziert. Dem Kläger wurde geraten, zur Fortführung
und langfristigen Stabilisierung des hier Erreichten eine verhaltenstherapeutische Behandlung aufzunehmen.
Auf Anfrage des Beklagten teilte der Versorgungsarzt L. am 26.03.2009 mit, dass die vorhandene Arbeitsunfähigkeit des Klägers
in den nächsten 78 Wochen voraussichtlich nicht zu beseitigen sei (Bl. 264 OEG-Akte).
Vom 06. bis 09.04.2009 nahm der Kläger an einer Maßnahme zur Feststellung, Verringerung und Beseitigung von Vermittlungshemmnissen
der Bundesagentur für Arbeit teil.
Mit Schreiben vom 25.11.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Eintritt eines Dauerzustandes
festzustellen und danach die Zahlung von Versorgungskrankengeld zu beenden. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme
und teilte mit Schreiben vom 08.12.2009 mit, zum April 2009 ein Praktikum bei der Firma A. als Zimmerer begonnen zu haben,
zum Abschluss eines Arbeitsvertrages sei es jedoch nicht gekommen. Er sei bis zum heutigen Zeitpunkt von seinem Hausarzt krankgeschrieben
und mache sich darüber Gedanken, wie seine Zukunft aussehen könne. Die Mutter des Klägers teilte fernmündlich mit, dass die
Situation mit ihrem Sohn schwierig sei und der Kläger weiterhin gesundheitliche Schwierigkeiten habe (Bl. 301 RS, 315). Es
fehle ihm jedoch die Kraft und die Zuversicht, entsprechende Maßnahmen auszuführen.
Mit Bescheid vom 20.01.2010 stellte der Beklagte fest, dass in der derzeitigen Arbeitsunfähigkeit des Klägers zwischenzeitlich
ein Dauerzustand eingetreten sei. Die Gewährung von Versorgungskrankengeld ende daher mit Ablauf des 06.02.2010.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Die Mutter des Klägers teilte am 02.03.2010 fernmündlich mit, dass sich
der Kläger derzeit um nichts mehr kümmere und eine Betreuung beim Amtsgericht beantragt sei. Im Rahmen der Widerspruchsbegründung
gab die Bevollmächtigte des Klägers an, sie habe die Einrichtung einer Betreuung für den Widerspruchsführer angeregt, nachdem
die Mutter des Klägers von ihren erheblichen Schwierigkeiten berichtet habe, ihren Sohn zu einer ausreichenden medizinischen
Behandlung seiner Schädigungsfolgen zu bewegen.
In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.04.2010 ging Dr. M. nach erneuter Prüfung der Sachlage weiterhin vom
Eintritt eines Dauerzustandes aus. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in den nächsten 78 Wochen ab Feststellung
des Dauerzustandes die Arbeitsfähigkeit erreichen werde. Der ursächliche Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen
sei weiterhin gegeben (Bl. 355 OEG-Akten).
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2010 wies der Beklagte daher den Widerspruch des Klägers zurück.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers informierte den Beklagten am 20.05.2010 fernmündlich darüber, dass das angestrebte
Betreuungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, da sie nicht wisse, ob sich der Kläger mit einer Betreuung einverstanden
erkläre und ohne dessen Zustimmung das Verfahren nicht weiter geführt werde. Sie werde nochmals versuchen, den Kläger von
der Notwendigkeit einer Betreuung zu überzeugen.
Am 15.07.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, es habe nicht der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung bedurft, da sich
sein Gesundheitszustand stabilisiert habe. Er sei wieder in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Es hätten
sich Ansätze zu einer Annäherung an das Berufsleben gezeigt, denn er widme sich eigenverantwortlich hobbyweise der Imkerei
und sei zuletzt auch in der Lage gewesen, allein eine kurze Reise nach Berlin zu unternehmen und bei Arbeiten im Wald behilflich
zu sein. Zwar bestehe noch Arbeitsunfähigkeit, diese könne aber innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von weniger als eineinhalb
Jahren beseitigt werden. Hierbei komme der Einschätzung des Allgemeinmediziners Dr. S. besondere Bedeutung zu, der im Hinblick
auf den bei der Deutschen Rentenversicherung gestellten Reha-Antrag eine sehr ausgeprägte Rehabilitationsbedürftigkeit des
Kläger bestätigt habe, aber auch erwarte, dass eine nachhaltige Besserung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die
Reha-Maßnahme und die Möglichkeit eintreten werde, die bisherige berufliche Tätigkeit weiterzuführen. Im mitübersandten Schreiben
der Bundesagentur für Arbeit vom 15.04.2010 wird der Kläger aufgefordert, einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu
stellen, nachdem der Amtsarzt festgestellt habe, dass er in seiner Leistungsfähigkeit soweit gemindert sei, dass er nur noch
weniger als 15 Stunden wöchentlich arbeiten könne.
Der Antrag des Klägers auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist von der Deutschen Rentenversicherung mit Bescheid
vom 04.10.2010 abgelehnt worden, da der derzeitige Gesundheitszustand des Klägers eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation
nicht zulasse. Zur Prüfung des Antrages war die Untersuchung des Klägers bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. K. angeordnet worden, zu der der Kläger jedoch nicht erschienen ist. Statt dessen ist die Mutter des Klägers gekommen,
die berichtet hat, ihr Sohn sei nicht in der Lage, zur Untersuchung zu kommen. Seit er Ende August die Einladung zur gutachterlichen
persönlichen Untersuchung erhalten habe, habe er sich wieder total zurückgezogen, esse und spreche nichts mehr mit der Familie,
fahre aber weiterhin mit dem Auto in den Wald, wandere dort und versorge seine beiden Bienenstöcke. Er plane im nächsten Jahr
eine Honigproduktion (Bl. 46 SG-Akten).
Das SG hat Dr. M., Leitender Oberarzt der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie, Stadtklinik F., mit der Erstattung eines fachpsychiatrischen
Gutachtens beauftragt. Den ersten Untersuchungstermin hat der Kläger abgesagt, weil er an diesem Termin an einem Imkerseminar
teilnehmen wolle. Den zweiten Untersuchungstermin hat die Mutter des Klägers telefonisch storniert, da der Kläger ihn krankheitsbedingt
nicht wahrnehmen könne. Dem Kläger ist mitgeteilt worden, er solle sich zwecks erneuter Terminvereinbarung bei dem Sachverständigen
telefonisch melden. Nachdem dies bis zum 16.03.2011 nicht geschehen war, hat der Sachverständige den Kläger zur Untersuchung
am 19.04.2011 einbestellt. Anlässlich dieser Untersuchung hat der sich in athletischer Konstitution befindliche Kläger zur
Arbeits- und Berufsanamnese angegeben, er sei zur Zeit nicht arbeitsunfähig geschrieben. Er stehe offiziell dem Arbeitsamt
als Zimmerer zur Verfügung, aber es gebe nichts, denn wenn er unter Druck stehe, bekomme er Zitter- und Schwindelanfälle.
Als ihn ein ihm bekannter Förster gefragt habe, ob er ihm bei der Dachdeckung helfe, sei er nach zwei Tagen völlig fertig
gewesen. Der dabei beteiligte Zimmerer habe ihm sogar einen Job angeboten. Es gebe durchaus Phasen, wo es ihm gut gehe, wo
er den Eindruck habe, dass er dann die Arbeit tun könne, aber dann gehe es ihm wieder schlechter und er befürchte, zwischenzeitlich
wieder zu versagen. So würde eine Tätigkeit schon nach wenigen Tagen scheitern. Körperlich wie psychisch sei er nicht belastbar.
Nach etwas Arbeit sei er körperlich kaputt, die Gelenke schmerzten, dann Schlafstörungen, Gedanken kämen, er denke über den
Tatablauf nach, es kämen dann Bilder. Er überlege sich, vielleicht eine Berufsausbildung als Imker anzustreben. Zur Frage
der Prognose der Arbeitsfähigkeit des Klägers hat der Sachverständige dargelegt, es sei eine emotionale Labilität und insgesamt
somit verringerte psychische Belastbarkeit nicht zu übersehen. Das Vermeidungsverhalten beim Auftreten von erhöhter Anspannung,
aber auch erhöhter körperlicher Erschöpfbarkeit erscheine als eine eingefahrene Verhaltensstrategie, die dafür sorge, dass
berufliche Alltagsanforderungen rasch zur Überforderung, dann zu Rückzug und Krankschreibung führten. Realistischerseits sei
derzeit davon auszugehen, dass sowohl Tätigkeiten im Lehrberuf als Zimmerer als auch anderweitige Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt beim Kläger rasch zur subjektiven Überforderung und Erschöpfung führten mit dem Weg der Vermeidungshaltung und
Arbeitsunfähigkeitsschreibung. Andererseits hätten die bisherigen zwei psychosomatischen stationären Behandlungen einen deutlichen
Therapieerfolg gezeigt. Im Anschluss an das Heilverfahren in S. habe der Kläger seine Ausbildung als Zimmerer beginnen und
durchführen können, zeitweilig sei von einer Vollremission berichtet worden. Auch der psychosomatische Krankenhausaufenthalt
2009 in S. habe eine deutliche Befundbesserung gebracht. Bemerkenswert sei, dass der Kläger trotz der seit 1999 bestehenden
PTBS keine reguläre ambulante Psychotherapie durchgeführt habe. Im Antrag zur medizinischen Rehabilitation an die Deutsche
Rentenversicherung seien am 09.05.2010 neben der chronischen PTBS eine mittelgradige depressive Episode und soziale Phobie
genannt worden, Diagnosen, die eine Arbeitsunfähigkeit plausibel begründen könnten. Zwar sei im Juli 2010 eine Besserung des
Gesundheitszustandes erwähnt worden, Ende August jedoch wiederum eine Verschlechterung, so dass der Kläger zur vorgesehenen
Begutachtung bei der Deutschen Rentenversicherung Ende September 2010 nicht habe erscheinen können. Insgesamt biete sich daher
ein instabiles Bild, das von einer emotionalen Labilität und insgesamt verminderten psychischen Belastbarkeit des Klägers
geprägt sei. Dieser sei trotz der psychopathologisch erkennbaren Besserung aktuell noch nicht ausreichend stabil, den üblichen
Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bzw. als Zimmerer zu genügen. Über den 06.02.2010 hinaus habe daher eine schädigungsbedingte
Arbeitsunfähigkeit bis heute bestanden. Aus fachpsychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht könne festgestellt werden, dass
es sich bei dem Kläger nicht um einen Dauerzustand handle. Es sei wahrscheinlich, dass bis Anfang/Mitte August 2011 wieder
die Arbeitsfähigkeit als Zimmermann eintrete, wenn bis dahin das psychosomatische Reha-Verfahren laufe.
Mit Schreiben vom 07.09.2011 hat der Kläger mitgeteilt, er habe nach Bewilligung der Medizinischen Rehabilitationsmaßnahme
in der Klinik M. den Aufnahmetermin nicht wahrgenommen, weil er zwischenzeitlich seine Imkeraktivitäten deutlich erweitert
habe. Die auf ein halbes Jahr befristete Reha-Bewilligung sei hierdurch wegen Zeitablaufs unwirksam geworden. Er habe jedoch
erneut einen Antrag auf medizinische Rehabilitation gestellt.
Nachdem ein Erörterungstermin anberaumt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet worden ist, hat die Klägervertreterin
mitgeteilt, der Kläger könne an dem Termin nicht persönlich teilnehmen. Seine Mutter habe berichtet, er verschließe sich aktuell
jeglichem Kontakt zur Außenwelt und weigere sich, einen Gerichtstermin wahrzunehmen. Auch die Klägervertreterin selbst erhalte
derzeit keine Zugangsmöglichkeit zu dem Kläger. Der Kläger sei zur Zeit völlig unzugänglich und befinde sich in einer tiefen
depressiven Episode, die noch immer auf das traumatische Ereignis in seiner Jugend und die darauf folgende Hilflosigkeit zurückzuführen
sei. Im gleichwohl durchgeführten Erörterungstermin hat die Mutter des Klägers dargelegt, es würden aktuell vom Kläger Kontakte
nach draußen verweigert. Der Kläger bleibe zuhause, hole sich sein Essen in der Küche. Er habe mittlerweile neun Bienenvölker,
um die er sich kümmere. Einen neuen Reha-Antrag habe der Kläger noch nicht gestellt, habe aber die entsprechenden Antragsunterlagen
zuhause. Er habe den Versuch, sich als Imker selbständig zu machen, abgebrochen, nachdem er erkannt habe, dass das Ganze eine
schlechte finanzielle Perspektive habe.
Mit Bescheid vom 09.01.2012 hat die Deutsche Rentenversicherung erneut eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation
bewilligt.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Prognose dauerhafter Arbeitsunfähigkeit im Bescheid vom 20.01.2010 sei nicht zu beanstanden.
Zwar habe der Kläger zwischen 2004 und 2007 eine Lehre zum Zimmerer erfolgreich abschließen können, bereits ab September 2007
sei jedoch deutlich geworden, dass er den alltäglichen beruflichen Belastungen und nicht zu vermeidenden Stresssituationen
nicht gewachsen gewesen sei. Es sei immer wieder zu depressiven Episoden mit komplettem sozialen Rückzug gekommen. Auffallend
sei in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt um eine dauerhafte adäquate Behandlung,
die ein Zurückdrängen des Krankheitsbildes hätte bewirken können, bemüht habe. Trotz rezidivierender depressiver Phasen nehme
er keine Psychopharmaka ein. Eine stationäre Behandlung in H. habe er ebenso abgelehnt wie eine solche in der Klinik im S.
2008. Tatsächlich sei es dann zwar im Februar/März 2009 zu einer stationären Behandlung gekommen, an die sich im April 2009
ein berufliches Praktikum angeschlossen habe. Aber losgelöst davon, dass dieses nicht in ein Arbeitsverhältnis gemündet habe,
sei Arbeitsunfähigkeit infolge der Maßnahme nicht dauerhaft beseitigt worden. Hervorzuheben sei insofern, dass sich an den
Klinikaufenthalt keine Verhaltenstherapie angeschlossen und das Krankheitsbild letztlich keine dauerhafte Besserung erfahren
habe. Der Kläger selbst sei es gewesen, der damals davon gesprochen habe, keine Kraft und keine Zuversicht zu besitzen, um
seine berufliche Zukunft angehen zu können. Es könne deshalb allenfalls bestätigt werden, dass es ein gesundheitliches Auf
und Ab auf niedrigem Niveau gegeben und der Kläger nach der stationären Maßnahme des Jahres 2009 keine Stabilität erlangt
habe, die ihn in die Lage versetzt hätte, beruflich wieder Fuß zu fassen. Im Mai 2010 habe er zwar einen weiteren Reha-Antrag
gestellt, sei aber zu dem anberaumten Untersuchungstermin nicht erschienen, habe sich um nichts gekümmert und sich sozial
komplett zurückgezogen. Damit sei erneut zutage getreten, dass er keine Ausdauer besessen habe, dass er nicht ausreichend
motiviert gewesen sei, eine kontinuierliche Therapie anzugehen und dass er den gestellten Anforderungen und Erwartungen nicht
habe gerecht werden können. Die Einschätzung der Psychiaterin Dr. K. in ihrer für die Deutsche Rentenversicherung am 29.09.2010
verfassten Stellungnahme, wonach eine außerordentlich schlechte Reha-Prognose bestehe, habe sich in der Folgezeit bestätigt.
Dr. M. habe im Mai 2011 von einem Vermeidungsverhalten des Klägers gesprochen, es handle sich um eine eingefahrene Verfahrensstrategie,
objektivierbar sei ein instabiles Bild, geprägt von emotionaler Labilität und verminderter psychischer Belastbarkeit. Eine
berufliche Tätigkeit führe rasch zu einer subjektiven Überforderung und einem Erschöpfungszustand. Die Annahme von Dr. M.,
es sei wahrscheinlich, dass der Kläger nach Durchführung des genehmigten psychosomatischen Heilverfahrens bis Anfang/Mitte
August 2011 wieder als Zimmerer arbeitsfähig sein werde, habe sich als nicht haltbar herausgestellt. Dem Kläger sei es tatsächlich
wichtiger gewesen, sich den Sommer 2011 über um seine Bienenvölker zu kümmern, anstatt seine rasche berufliche Rehabilitation,
die er habe zeitlich zurückstellen wollen, mit Nachdruck voranzutreiben. Es habe sich somit bestätigt, was der Beklagte im
Januar 2010 prognostiziert habe. Aufgrund der ins Auge springenden Labilität sei ein Dauerzustand zu verzeichnen gewesen,
Arbeitsfähigkeit sei innerhalb von 78 Wochen, gerechnet ab Februar 2010 nicht nur voraussichtlich, sondern tatsächlich nicht
zu erreichen gewesen.
Gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 09.09.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.10.2013 beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und ergänzend mitgeteilt, er betreue mittlerweile zwischen 42 und 48 Bienenvölker.
Wie sich aus der vorgelegten Gewerbeanmeldung ergibt, hat der Kläger am 20.03.2012 eine Imkerei, Vertrieb von Imkereiprodukten
(Honig, Wachs etc.) über das Internet und auf Märkten als Gewerbe angemeldet.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. September 2013 sowie den Bescheid vom 20. Januar 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Versorgungskrankengeld über
den 6. Februar 2010 hinaus bis auf Weiteres zu gewähren,
hilfsweise ein weiteres nervenfachärztliches Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat zur Begründung auf die Entscheidung des SG Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass ein Dauerzustand bereits seit August 2011 vorliege, so dass der danach
einsetzenden Entwicklung keine Bedeutung zukomme.
Im Erörterungstermin des Berichterstatters vom 21.02.2014 hat der Kläger erklärt, er sei seit Anfang dieses Jahres in psychotherapeutischer
Behandlung bei Dr. T., zuvor habe er zu keinem Zeitpunkt eine ambulante Psychotherapie erhalten. Er habe sich nach seinem
dreitägigen Praktikum bei der A. GmbH im Jahr 2009 nicht um eine Beschäftigung als Zimmermann kümmern können, da er wegen
der Ablehnung der Anstellung niedergeschlagen gewesen sei.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) hat der Senat bei Prof. Dr. B. das nervenärztliche Gutachten vom 28.07.2014 eingeholt. Danach lag beim Kläger zum maßgeblichen
Zeitpunkt am 06.02.2010 eine komplexe PTBS vor. Auch sei eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung zu diskutieren.
Die komplexe PTBS, die auch die Symptome einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung erkennen lasse, sei
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch das Schädigungsereignis vom 10.09.1999 entstanden. Bei Erlass des Widerspruchsbescheides
am 15.06.2010 habe man auf keinen Fall unbedingt davon ausgehen müssen, dass auch in den folgenden 78 Wochen nach dem 06.02.2010
weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestehen würde. Die Krankheitsbilder einer komplexen PTBS und einer andauernden Persönlichkeitsänderung
nach Extrembelastung, die bei dem Kläger zumindest gleichfalls zu diskutieren sei, weise sehr flukturierende Verläufe auf.
Diese Variabilität beziehe sich nicht nur auf die häufig wechselnden Symptome/Ausgestaltungen, sondern auch auf viele andere
Parameter, so auf die häufig wechselnde Fähigkeit, sich sozial zu integrieren oder auch nicht, auf die Stimmung im engeren
Sinne und auch auf die Leistungsfähigkeit im weiteren Sinne. Diese Tatsache spiegele sich wider in dem bisherigen Krankheitsverlauf
des Klägers, der einerseits oftmals habe Hoffnungen entstehen lassen und andererseits oft in Enttäuschungen und für alle Seiten
frustrierende Ergebnisse eingemündet gewesen sei. Letztlich lasse sich bis zum heutigen Tag keine definitive prognostische
Einschätzung hinsichtlich der gesundheitlichen und leistungsmäßigen Entwicklung des Klägers abgeben. Der Kläger selbst werde
von der Hoffnung getragen, eines Tages wieder voll leistungsfähig zu sein. Dieser Hoffnung stünden seine soziale Isolierung
und sein oftmals zu erkennendes Unvermögen, Angebote beruflicher, sozialer oder therapeutischer Art positiv zu reflektieren,
entgegen. Diese Reflektionsfähigkeit, die bislang sehr mangelhaft gewesen sei, könne sich dann ändern, wenn er wieder in der
Lage dazu sein werde, über genügendes Selbstvertrauen und über günstige Zukunftsperspektiven zu verfügen. Um dieses Ziel zu
erreichen, seien weitere therapeutische Bemühungen notwendig, insbesondere eine langfristige Trauma-Therapie. Das Krankheitsgeschehen
einer PTBS dieser komplexen Art wie auch einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bahne sich über Jahre,
gar über Jahrzehnte an. Ebenso langwierig könne es sein, dass sich die jeweiligen Symptome zurückbildeten. Phasische Krankheitsverläufe
seien also dafür kennzeichnend. Diese wiederum würden jeweils gefolgt von Phasen einer geringen und von Phasen einer relativ
stabilen Leistungskapazität. Man müsse dem Kläger nach alldem, was ihm das Schicksal aufgelastet habe, einen viel größeren
Zeitrahmen als den von ca. 10 Jahren einräumen, um definitiv über die bei ihm verbliebenen Symptome und über die damit assoziierte
Leistungsfähigkeit aus der ärztlichen Sicht zu urteilen. Es lasse sich auch heute nicht mit Sicherheit ausschließen, dass
der Kläger eines Tages wieder fähig dazu sein werde, als Zimmermann eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vorgelegt, der nochmals darauf hingewiesen hat,
dass bis spätestens zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 15.06.2010 voraussichtlich davon auszugehen gewesen sei, dass
die Arbeitsunfähigkeit bis August 2011 nicht zu beseitigen sein werde. Hierfür hätten die nach Aktenlage sich durchziehende
emotionale Labilität und deutlich verminderte psychische Belastbarkeit mit rascher Überforderung und Mündung in Vermeidungs-
und Rückzugshaltung gesprochen. Phasische Krankheitsverläufe bzw. Schwankungen im Ausprägungsgrad der schädigungsbedingten
psychischen Symptomatik und der Leistungsfähigkeit seien dabei sicherlich nicht auszuschließen und zu beachten gewesen, eine
länger anhaltende Phase einer relativ stabilen Leistungsfähigkeit mit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit sei jedoch als
wenig wahrscheinlich anzusehen gewesen. Letztendlich sei nach Aktenlage in dem Zeitraum 02/10 bis 08/11 Arbeitsfähigkeit als
Zimmermann nicht wieder erreicht worden.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.01.2014 die fachliche Qualifikation des Versorgungsarztes Dr. G. in Frage gestellt und
die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet von Amts wegen beantragt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten
sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis
der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Die Einstellung der Gewährung von Versorgungskrankengeld ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Das SG hat daher die Klage zu Recht abgewiesen. Dabei hält der Senat ebenso wie das SG eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG für zulässig. Eine isolierte Anfechtungsklage würde dem Begehren des Klägers nicht gerecht, denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen
Bescheides allein erwächst nicht zugleich ein bereits titulierter Anspruch. Anders wäre dies nur dann, wenn der Beklagte gegenüber
dem Kläger durch schriftlichen Verwaltungsakt unbefristet Versorgungskrankengeld bewilligt und diesen Bescheid durch den Bescheid
vom 20.01.2010 aufgehoben hätte. Ein solcher unbefristeter Bewilligungsbescheid findet sich in den Behördenakten jedoch nicht.
Vielmehr hat der Beklagte mit Schreiben vom 20.10.2008 an die Krankenkasse des Klägers mitgeteilt, dass gegen eine Umstellung
des Krankengeldes auf Versorgungskrankengeld und rückwirkende Auszahlung des Spitzbetrages keine Bedenken bestünden. Ein ausdrücklich
an den Kläger gerichteter Bescheid ist hingegen nicht ergangen. Zwar ist mit der Überweisung des Versorgungskrankengeldes
an den Kläger zugleich durch konkludentes Handeln ein Bewilligungsbescheid gem. § 33 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) "in anderer Weise" erlassen worden (vgl. zur insoweit vergleichbaren Situation beim Krankengeld BSG SozR 2200 § 182 Nr. 103). Da das Versorgungskrankengeld jedoch jeweils monatsweise überwiesen wird, ergibt sich hieraus keine Regelung für
einen Anschlusszeitraum. Der Beklagte musste daher auch nicht vor Einstellung des Versorgungskrankengeldes dem entgegen stehende
Bewilligungsbescheide zunächst aufheben, da solche weder schriftlich noch in anderer Weise ergangen waren.
Die Entscheidung des Beklagten, die Gewährung von Versorgungskrankengeld mit Ablauf des 06.02.2010 einzustellen, unterliegt
keinen rechtlichen Bedenken.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines
vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung
in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Der Kläger gehört aufgrund des Überfalles am 10.09.1999 zum grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 OEG i. V. m. den Leistungsnormen des BVG (vgl. Erstanerkennungsbescheid des Beklagten vom 05.02.2001).
Gem. § 16 Abs. 1 lit. a) Halbs. 1 BVG wird Versorgungskrankengeld nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Beschädigten gewährt, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung,
die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im
Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Als arbeitsunfähig nach § 16 Abs. 2 BVG ist auch der Berechtigte anzusehen, der wegen der Durchführung einer stationären Behandlungsmaßnahme der Heil- oder Krankenbehandlung
bzw. einer Badekur oder ohne arbeitsunfähig zu sein, wegen einer anderen Behandlungsmaßnahme der Heil- oder Krankenbehandlung,
ausgenommen die Anpassung und die Instandsetzung von Hilfsmitteln keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann.
Gem. § 18a Abs. 7 BVG endet das Versorgungskrankengeld mit dem Wegfall der Voraussetzungen für seine Gewährung, dem Eintritt eines Dauerzustands,
der Bewilligung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Zahlung von Vorruhestandsgeld (Satz 1 d.
Vorschrift). Ein Dauerzustand ist gegeben, wenn die Arbeitsunfähigkeit in den nächsten 78 Wochen voraussichtlich nicht zu
beseitigen ist (Satz 2 d. Vorschrift). Versorgungskrankengeld wird bei Wegfall der Voraussetzungen für seine Gewährung bis
zu dem Tag gewährt, an dem diese Voraussetzungen entfallen (Satz 3 d. Vorschrift). Bei Eintritt eines Dauerzustands oder Bewilligung
einer Altersrente wird Versorgungskrankengeld, sofern es laufend gewährt wird, bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Feststellung
des Dauerzustands, bei Altersrentenbewilligung bis zu dem Tag gewährt, an dem der Berechtigte von der Bewilligung Kenntnis
erhalten hat (Satz 4 d. Vorschrift). Wird Versorgungskrankengeld nicht laufend gewährt, so wird es bis zu dem Tag der Feststellung
des Dauerzustands oder des Beginns der Altersrente gewährt (Satz 6 d. Vorschrift). Die Feststellung eines Dauerzustands ist
ausgeschlossen, solange dem Berechtigten stationäre Behandlungsmaßnahmen gewährt werden oder solange er nicht seit mindestens
78 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig ist; Zeiten einer vorausgehenden, auf derselben Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit
sind auf diese Frist anzurechnen, soweit sie in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit liegen (Satz 7
d. Vorschrift).
Danach endet das Versorgungskrankengeld u. a. nach 78 Wochen ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsunfähigkeit
in den nächsten 78 Wochen voraussichtlich nicht zu beseitigen und somit ein Dauerzustand eingetreten ist.
Eine Legaldefinition für den Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" findet sich in den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung
nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V) nicht. Nach dem Wortsinn muss der Versicherte durch eine Erkrankung gehindert sein, seine Arbeit weiterhin zu verrichten.
Hat der Versicherte im Beurteilungszeitpunkt einen Arbeitsplatz inne, kommt es darauf an, ob er die dort an ihn gestellten
gesundheitlichen Anforderungen noch erfüllen kann. Verliert er den Arbeitsplatz, bleibt die frühere Tätigkeit als Bezugspunkt
erhalten; allerdings sind nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früheren Arbeitsplatz maßgebend, sondern es ist nunmehr
abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen (st. Rspr., vgl. BSG, Urteile vom 08.02.2000, SozR 3-2500 § 49 Nr. 4, vom 14.02.2001, SozR 3-2500 § 44 Nr. 9 sowie vom 19.09.2002, SozR 3-2500 § 44 Nr. 10). Entsprechendes gilt über die Verweisungsnorm des § 16 Abs. 1 BVG für Geschädigte nach dem OEG, sodass hier darauf abzustellen ist, welcher Beschäftigung diese zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit nachgegangen
sind.
Wie sich aus den Einlassungen des Klägers im hier urkundlich zu verwertenden Gutachten des Psychiaters K. C. M. ergibt, hat
der Kläger nach Abschluss der Zimmermannslehre noch sechs Wochen im Ausbildungsbetrieb als Geselle gearbeitet und wurde dann
im September 2007 krank geschrieben. Zum Zeitpunkt der nervenärztlichen Untersuchung am 01.10.2008 bestand das Arbeitsverhältnis
noch (Bl. 231 Rentenakten). Bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 20.01.2010 war der Kläger sodann ununterbrochen
arbeitsunfähig und bezog deshalb Versorgungskrankengeld von Seiten des Beklagten. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der
Arbeitsunfähigkeit ist daher vorliegend die Tätigkeit als Zimmerer, die der Kläger unmittelbar vor Beginn der Gewährung des
Versorgungskrankengeldes im September 2007 ausgeübt und deren Wiederaufnahme er im April 2009 bei einem neuen Arbeitgeber
(Firma A.) angestrebt hatte. Dagegen ist für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich, ob zum Zeitpunkt des
Erlasses des Bescheides bzw. des Widerspruchsbescheides abzusehen war, dass der Kläger innerhalb von 78 Wochen erfolgreich
eine selbständige Erwerbstätigkeit als Imker würde aufnehmen können. Denn im Sinne einer Erwerbstätigkeit hatte der Kläger
weder vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit noch während des Bezugs des Versorgungskrankengeldes die Imkerei betrieben. Vielmehr
hat er sich nach eigenen Angaben lediglich hobbymäßig bis zum Ende des Bezugszeitraums mit der Imkerei beschäftigt.
Hinsichtlich der Prüfung eines Dauerzustandes verlangt der Gesetzgeber von der Versorgungsverwaltung eine Prognose der Entwicklung
des gesundheitlichen Zustandes des Leistungsempfängers in Bezug auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. Ob Prognoseentscheidungen
von Verwaltungsträgern nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind und der Behörde hier ein nicht zu überprüfender Berurteilungsspielraum
einzuräumen ist (so z. B. BSG SozR 3-4460 § 10 Nr. 2 zur Frage, ob eine berufliche Bildungsmaßnahme unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig
ist) oder ob die geforderte hypothetische Betrachtung einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (so z. B.
BSG SozR 4-4300 § 324 Nr. 2 bzgl. der Förderungsbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei Eingliederungszuschüssen) richtet sich im Wesentlichen danach,
ob die prognostische Einzelbeurteilung tatsächlichen Feststellungen im gerichtlichen Verfahren mit gleicher Sicherheit zugänglich
ist wie im Verwaltungsverfahren (BSG a. a. O.). Da es für die Frage der Perpetuierung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich auf den Gesundheitszustand und somit auf
medizinische Fakten ankommt und weder eine wertende noch eine Zweckmäßigkeitsentscheidung der Verwaltung vorgeschaltet ist,
ist ein der gerichtlichen Überprüfung entzogener Entscheidungsfreiraum der Behörde hier nicht zu begründen. Weder rechtliche
noch faktische Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von der nach Art 19 Abs. 4 Grundgesetz prinzipiell gewährleisteten vollständigen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen (vgl. BVerfGE 64, 261, 279; 78, 214, 226; 84, 34, 49 ff.; 84, 59, 77 ff.), sind hier gegeben (BSG SozR 4-4300 § 324 Nr. 2). Mithin unterliegt die Prognoseentscheidung ("voraussichtlich") des Beklagten der vollen gerichtlichen Überprüfung.
Dabei bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob eine im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gerechtfertigte Prognose
fortbestehender Arbeitsunfähigkeit von mindestens 78 Wochen dadurch rechtswidrig wird, dass noch im Laufe der anschließenden
78 Wochen - entgegen der Prognose - tatsächlich Arbeitsfähigkeit eintritt. Denn der Kläger hat nicht binnen 78 Wochen nach
Einstellung des Versorgungskrankengeldes, also bis 06.08.2011, die Arbeitsfähigkeit als Zimmermann wieder erlangt. Ob allein
schon deshalb, weil sich retrospektiv die Annahme des Beklagten als zutreffend erwiesen hat, von der Rechtmäßigkeit der Einstellung
des Versorgungskrankengeldes auszugehen ist, oder ob im Einzelfall trotz faktisch bestätigter weiterer Arbeitsunfähigkeit
von 78 Wochen eine unzutreffende Prognose wegen zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung nicht absehbarer künftiger Entwicklungen
möglich ist, kann vorliegend ebenfalls offen bleiben. Denn der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass der Kläger voraussichtlich
nicht bis August 2011 schädigungsbedingt als Zimmerer wieder wird arbeiten können. Dies beurteilt sich, da vorliegend im Wege
der Leistungsklage die fortlaufende Gewährung von Versorgungskrankengeld erstritten werden soll, nach der Sach- und Rechtslage
zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 11. Auflage, 2014, § 54 Rdnr. 34).
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid im Einzelnen dargelegt und ausführlich begründet, dass und weshalb die Annahme des
Beklagten, der Kläger werde in seinem Beruf als Zimmerer jedenfalls in den folgenden 78 Wochen ab Leistungseinstellung nicht
mehr Fuß fassen können, zutreffend ist und daher ein Anspruch nach § 16 Abs. 1 BVG auf Fortzahlung des Versorgungskrankengeldes nicht besteht. Der Senat schließt sich dieser Auffassung sowohl hinsichtlich
der Begründung als auch hinsichtlich des Ergebnisses vollinhaltlich an und sieht unter Bezugnahme auf die dort gemachten Ausführungen
von der nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG bei Prof. Dr. B. eingeholte nervenärztliche Gutachten sowie das weitere Vorbringen des Klägers sind nicht geeignet, Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen.
Der Senat hält das Gutachten des Sachverständigen im Hinblick auf die hier maßgebliche Frage der prognostizierten dauerhaften
Arbeitsunfähigkeit für nicht überzeugend. Bereits bei der Diagnosestellung lässt der Sachverständige offensichtliche Unsicherheiten
erkennen. Denn er vermochte sich hinsichtlich der Schädigungsfolgen nur insoweit eindeutig festzulegen, als er eine komplexe
PTBS diagnostiziert und damit die Auffassung des Vorgutachters Dr. M. sowie der behandelnden Ärzte bestätigt hat. Eine andauernde
Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0 ICD-10-GM-2014) hielt er lediglich differentialdiagnostisch für diskussionswürdig.
Der Nachweis einer solchen, von keinem der bislang gehörten Ärzte diagnostizierten, Gesundheitsstörung ist damit nicht erbracht.
Für nicht überzeugend hält der Senat auch die Erwägungen des Sachverständigen, mit denen er die Prognose des Beklagten hinsichtlich
des Dauerzustandes der Arbeitsunfähigkeit in Zweifel gezogen hat. Bereits in formaler Hinsicht ist zu beanstanden, dass der
Sachverständige beide Krankheitsbilder in seine Begründung einbezogen hat, ohne sich eindeutig bzgl. des Vorliegens einer
andauernden Persönlichkeitsänderung geäußert zu haben. Wenn er hier formuliert, dass eine solche Erkrankung "...bei dem Kläger
zumindest gleichfalls zu diskutieren ist", ohne im Anschluss diese Diskussion zu führen und mit einer eindeutigen positiven
Diagnose abzuschließen, kann mangels festgestellter Erkrankung insoweit diese nicht zur Grundlage der weiteren Argumentation
gemacht werden. Aber auch hinsichtlich der Folgen der vom Sachverständigen diagnostizierten und von Seiten des Beklagten als
Schädigungsfolge seit langem anerkannten PTBS können die Ausführungen des Sachverständigen nicht überzeugen. Selbst wenn seiner
These, dass das Krankheitsgeschehen einer PTBS dieser komplexen Art sich über Jahre, gar über Jahrzehnte anbahne und die Rückbildung
der jeweiligen Symptome ebenso langwierig sein könne, phasische Krankheitsverläufe also dafür kennzeichnend seien, zuzustimmen
wäre, ist seiner Schlussfolgerung, es müsse dem Kläger nach all dem, was ihm das Schicksal aufgelastet habe, ein viel größerer
Zeitrahmen als den von ca. zehn Jahren eingeräumt werden, um definitiv über die bei ihm verbliebenen Symptome und über die
damit assoziierte Leistungsfähigkeit aus der ärztlichen Sicht zu urteilen, zu widersprechen. Denn der Gesetzgeber hat in §
18a Abs. 7 BVG eine Prognosefrist von 78 Wochen festgesetzt, an die sowohl die Versorgungsverwaltung als auch das Gericht gebunden ist.
Der Sachverständige scheint darüber hinaus auch Sinn und Zweck des Versorgungskrankengeldes aus dem Blick verloren zu haben,
das kein auf Dauer angelegter Ausgleich für eine Minderung des Arbeitseinkommens durch Arbeitsunfähigkeit ist (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm,
BVG, Soziales Entschädigungsrecht und Sozialgesetzbücher, Stand Januar 2014, § 18a - 13). Die abschließende Bemerkung des Sachverständigen, es lasse sich auch heute noch nicht mit Sicherheit ausschließen,
dass der Kläger eines Tages wieder fähig sein wird, als Zimmermann eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, wobei erste Voraussetzung
hierfür für ihn selbst sei, sein Selbstvertrauen zu regenerieren und seine soziale Kompetenz zu erweitern, deckt sich teilweise
mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M., der ebenfalls die Arbeitsfähigkeit des Klägers als Zimmermann nicht pauschal
ausgeschlossen hat, sondern diese von der vorherigen Durchführung eines psychosomatischen Reha-Verfahrens abhängig gemacht
hat, also falls der Kläger sich einer Reha-Maßnahme stellt. Beide Sachverständige haben übereinstimmend bei dem Kläger ein
instabiles Leistungsbild festgestellt und eine Stabilisierung nur unter der Voraussetzung therapeutischer Hilfsmaßnahmen bejaht.
Dies steht der Prognoseentscheidung des Beklagten jedoch nicht entgegen, denn der oben beschriebene Sachverhalt zeigt, dass
der Kläger, obwohl es zweimal unter Therapie zu einer Besserung gekommen ist, nicht nur danach keinerlei ambulante Behandlungsmaßnahme
durchführte, sondern nur höchst eingeschränkt bereit gewesen ist, das Therapieangebot zu nutzen bzw. seinerseits die notwendigen
Therapien zu beginnen. Das von Dr. M. im Einzelnen beschriebene Vermeidungsverhalten des Klägers betrifft nicht nur die berufliche
Tätigkeit, sondern auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, Leistungsfähigkeit und den bestehenden Defiziten.
Ohne entsprechende Aufarbeitung dieses Problemkreises waren die vom Kläger absolvierten stationären Behandlungen aber letztlich
fruchtlos. Zwar war der Kläger nach dem stationären Aufenthalt vom 15.06. bis 27.07.2004 in der Klinik A. in der Lage, eine
Ausbildung als Zimmerer zu absolvieren. Auch während der Ausbildung war der Kläger jedoch nicht symptomfrei, weshalb der Senat
der Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. B., die PTBS und die persönlichkeitsgebundene soziale Phobie seien am 10.03.2005
weitestgehend remittiert gewesen, auch nicht zu folgen vermag. Dagegen spricht, dass die nur zwei Monate später geäußerten
Beschwerden an der linken Schulter nach Auffassung von Dr. M. der Hinweis auf eine sich wieder einstellende Somatisierung
im Rahmen des psychischen Störungsbildes waren, ab September 2006 der behandelnde Hausarzt Dr. S. von einem Rezidiv der PTBS
berichtet und am 16.11.2006 der Nervenarzt Dr. W. eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert hat. Der Senat misst
auch dem stationären Aufenthalt vom 05.02. bis 05.03.2009 in der Fachklinik für Psychosomatik in S. keinen anhaltenden Erfolg
im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers bei. Denn schon die Absage der Zimmereifirma A., bei der der Kläger im Anschluss
an den Klinikaufenthalt ein kurzzeitiges Praktikum absolviert hatte, genügte, um den Kläger in sein vorheriges Verhaltensschema
mit sozialem Rückzug und Krankschreibung zurück zu werfen. Der Senat hält insoweit die Ausführungen des Psychiaters K. C.
M. in seinem hier urkundlich zu verwertenden Gutachten vom 05.10.2008 für schlüssig und überzeugend, wonach eine langfristige
ambulante psychiatrische Behandlung erforderlich gewesen wäre, die der Kläger aber nicht durchgeführt hat. Erst Anfang 2014
hat sich der Kläger nach eigener Einlassung in psychotherapeutische Behandlung bei Dr. T. begeben. Ebenso wenig war der Kläger
bereit, die von den behandelnden Ärzten und dem Psychiater M. empfohlene medikamentöse Therapie durchzuführen, sodass insgesamt
die Voraussetzungen für eine positive Prognose nicht vorgelegen haben. Allein der zweimalige stationäre Aufenthalt in psychosomatischen
Fachkliniken war keineswegs ausreichend, um das nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. B. sehr komplexe schädigungsbedingte
Krankheitsbild des Klägers in Richtung Arbeitsfähigkeit anhaltend positiv zu beeinflussen. Die von dem Sachverständigen unterstellten
Phasen einer relativ stabilen Leistungskapazität beschränkten sich nach Beendigung der Ausbildung auf das vierwöchige Praktikum
bei der Holzbaufirma A.. Dies allein genügt jedoch unter Berücksichtigung all der augenfälligen, oben im Einzelnen beschriebenen
Zeichen mangelnder Arbeitsfähigkeit nicht, um eine positive Prognose für die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit als
Zimmerer binnen 78 Wochen begründen zu können. Zu Recht hat Dr. M. die Schilderung des Klägers für bezeichnend gehalten, dass
er einem Förster und Zimmermann bei der Dachdeckung geholfen und sogar von dem Zimmermann einen Job angeboten bekommen hat,
sich aber nach zwei Tagen so erschöpft gefühlt hat, dass er die Mitarbeit abbrechen und sich zwei Wochen lang erholen musste.
Die fehlende Bereitschaft des Klägers, die Ursachen dieser geringen Belastbarkeit mittels adäquater psychiatrischer medikamentöser
und therapeutischer Therapien zu beseitigen, ist letztlich verantwortlich dafür, dass der Prognoseentscheidung des Beklagten
zuzustimmen ist.
Der geltend gemachte Anspruch auf weitere Gewährung von Versorgungskrankengeld ergibt sich auch nicht aus § 16 Abs. 2 BVG. Denn der Kläger war im Verlauf der an den 06.02.2010 anknüpfenden 78 Wochen weder aufgrund einer stationären Behandlungsmaßnahme
der Heil- oder Krankenbehandlung bzw. einer Badekur oder ohne arbeitsunfähig zu sein, wegen einer anderen Behandlungsmaßnahme
der Heil- oder Krankenbehandlung daran gehindert, eine ganztägige Erwerbstätigkeit auszuüben. Die ihm bewilligte medizinische
Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik M. hat der Kläger im Jahr 2011 nicht wahrgenommen, weil er seine Imkereiaktivitäten
für vorrangig erachtete.
Letztlich steht dem von Seiten des Klägers geltend gemachten Anspruch auf Versorgungskrankengeld für die Zeit ab 07.02.2010
auch entgegen, dass entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von ihm nicht vorgelegt worden und auch nicht aktenkundig
sind.
Zu einer weiteren Beweiserhebung wie von Seiten des Klägers beantragt hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen. Der entscheidungserhebliche
Sachverhalt ist ausermittelt, die maßgeblichen Tatsachen zur Beurteilung des prognostizierten Dauerzustandes der Arbeitsunfähigkeit
ergeben sich aus dem oben dargestellten Sachverhalt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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