Anspruch auf Versorgungskrankengeld nach dem SVG; Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 44 SGB V für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit
Tatbestand
Der Kläger verlangt Versorgungskrankengeld über den 30.08.2010 hinaus.
Der am 14.02.1963 geborene Kläger leistete nach Hauptschulabschluss, einjährigem Berufsorientierungslehrgang und nach anderthalb
Jahren abgebrochener Lehre zum Werkzeugmacher vom 01.01.1984 bis 31.05.1985 seinen Grundwehrdienst ab (Bl 9 VV). Am 03.06.1984
oder 04.07.1984 erlitt er beim Training für eine Nahkampfvorführung einen Unfall, wobei er sich verdrehte das linke Knie (Angaben
d. Klägers, Bl 1 WDB-Akte). Diagnostiziert wurde eine Distorsion (- Zerrung - Karteieintrag Sanitätsarzt N. vom 06.07.1984,
Bl 12 WDB-Akte), die mit Salbenverbänden behandelt wurde; die Beweglichkeit war eingeschränkt, es lag aber kein Hämatom und
kein Erguss vor. Nach Besserung (Karteieintrag vom 12.07.1984) und ohne weitere ärztliche Konsultationen stürzte der Kläger
am 21.11.1984 auf das linke Knie und suchte danach mehrere Fachärzte auf (bei geringen Beschwerden, Karteieintrag vom 22.11.1984).
Dr. N. hielt einen Zusammenhang zwischen der Schädigung und dem traumatischen Ereignis für sehr unwahrscheinlich. Dr. S. diagnostizierte
eine frische Außenbandläsion und eine ältere Kreuzbandläsion (Befundbericht vom 03.12.1984, Bl 17 WDB-Akte). Prof. Dr. R./Dr.
T. stellten nach Röntgenaufnahmen die Verdachtsdiagnose einer veralteten vorderen Kreuzbandruptur des linken Kniegelenks;
das rechte Kreuzband sei ebenfalls locker (V.-Krankenhäuser K., Befundbericht vom 25.02.1985, Bl 18 WDB-Akte). Dr. B. beschrieb
nach Röntgenaufnahmen eine komplexe Kapselbandverletzung am linken Kniegelenk und empfahl eine operative Refixation des ausgerissenen
Kreuzbandes Befundbericht vom 31.01.1985, Bl 19 WDB-Akte). Dr. A. diagnostizierte am 15.01.1985 Kontusion und Distorsion des
linken Kniegelenks, sieben Monate nach Dienstunfall bei der Bundeswehr am 04.06.1984, knöcherner Ausriss des Kreuzbandes und
Teilzerreißung des fibularen Kollateralbandes, Instabilität des Kniegelenkes durch laterale Seitenbandlockerung und Kreuzbandlockerung
sowie am 15.07.1985 eine Zerrung des linken Kniegelenks mit Verdacht auf Vorschädigung des medialen Meniskus (Befundbericht
vom 26.03.1986, Bl 21 VV). Im Auftrag des Beklagten erstellte der Chirurg Dr. L. nach Untersuchung des Klägers sein Gutachten
vom 10.04.1986. Dieser konnte klinisch keinen pathologischen Befund mehr am linken Kniegelenk feststellen. Das positive Schubladenzeichen
sei auch rechts vorhanden. Eine Muskelminderung am linken Bein bestehe nicht, kein Funktionsausfall an den Gelenken. Röntgenologisch
finde sich eine freie Körperbildung in der vorderen Condylen-Grube unter der Patella, die von einem knöchernen Ausriss des
vorderen Kreuzbandes herrühre. Die Verletzung des linken Kniegelenks sei aktenkundig und die Folgen seien als Schädigung mit
einer MdE von 20 v.H. anzuerkennen.
Am 15.01.1987 erfolgte eine Kreuzbandplastik durch eine kohlefaseraugmentierte Semitendinosusplastik im Bundeswehrkrankenhaus
U.. Am 08.07.2005 wurde in der A.-Klinik P. eine Zyste im Bereich des körpernahen Unterschenkels festgestellt, die als zystische
Erweiterung des Bohrkanals unter Einfluss des Kohlfaserbandes interpretiert wurde. In der Sportklinik S. wurde daraufhin ein
Transplantatversagen festgestellt und arthroskopisch eine II-gradige Chondromalazie medial mit Innenmeniskusausfaserung diagnostiziert.
Die Zyste von 4 x 3 x 3 cm wurde mit teilweiser autologer Spongiosa, teilweise Fremdknochen, gefüllt. Am 19.09.2006 wurde
in der Sportklinik S. eine Patellasehnenplastik durchgeführt. Danach erfolgte keine orthopädische Behandlung, der Kläger erhielt
vielmehr nur vom Hausarzt ein homöopathisches Mittel und nahm bei Bedarf Ibuprofen. Bildgebende Diagnostik fand in Form von
MRT-Aufnahmen des linken Kniegelenks am 17.01.2008 und 03.11.2008, Röntgen am 09.01.2007 und 23.08.2011, CT am 06.05.2008
und 12.01.2009 statt.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 16.09.1985 wurde als Wehrdienstbeschädigung anerkannt: "Knöcherner Ausriss des vorderen Kreuzbandes
des linken Kniegelenkes". Der Kläger habe Anspruch auf Heilbehandlung, eine Rente stehe ihm nicht zu, weil eine Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v. H.) nicht erreicht werde. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid
vom 28.06.1988 - bestandskräftig). Im Widerspruchsverfahren wurde ein Gutachten von Prof. Dr. H. für die Allianz-Versicherung
vom 12.11.1987 beigezogen (Bl 68 ff VV), demzufolge nach einer OP am 15.01.1987 die Kniegelenksfunktion praktisch weitgehend
wiederhergestellt worden sei; wesentliche Funktionseinschränkungen und Änderungen der Muskelbepackung an beiden Beinen seien
nicht erkennbar. Prof. Dr. H. schätzte die MdE ab Mitte Juli 1987 auf 20 v. H., seit dem 12.11.1987 auf weniger als 5 v. H.
Mit Bescheid vom 29.03.2006 (Bl 170 VV) erkannte der Beklagte nach Überprüfung von Amts wegen als Folgen der anerkannten Wehrdienstbeschädigung
an: "knöcherner Ausriss des vorderen Kreuzbandes den linken Kniegelenkes, vordere Kreuzbandplastik mit einem Kunstband, Kreuzbandreruptur,
Tibia-Zyste". Die MdE sei unter 25 v. H. (Bescheid vom 29.03.2006, Bl 170 VV). Die Feststellung einer besonderen beruflichen
Betroffenheit wurde abgelehnt (Bescheid vom 13.07.2006). Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.08.2006,
Bl 232 VV), ebenso die Klage auf Beschädigtenrente (Gerichtsbescheid vom 18.09.2007, Sozialgericht Karlsruhe - SG - S 13 VS 5140/06), das Berufungsverfahren (Landessozialgericht Baden-Württemberg - LSG - Urteil vom 16.07.2008 - L 6 VS 5037/07) und die Nichtzulassungsbeschwerde (Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 17.10.2008 - B 9 VS 8/08 B).
Mit Bescheid vom 11.11.2009 stellte der Beklagte die Wehrdienstbeschädigungsfolgen neu fest: "knöcherner Abriss des vorderen
Kreuzbandes des linken Kniegelenkes, vordere Kreuzbandplastik mit einem Kunstband, Kreuzbandreruptur, Tibiacyste, Rekonstruktion
des Kreuzbandes mit Anteilen der Patellasehne, Knorpelschaden linker medialer Femurkondylus" und lehnte die Gewährung von
Beschädigtenrente erneut ab, da ein Grad der Schädigung (GdS) von wenigstens 25 nicht erreicht werde. Der Widerspruch blieb
erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.03.2010), ebenso die Klage (S 13 VS 1476/10; Urteil vom 25.07.2012). Die Berufung (L 6 VS 3591/12) wurde am 14.07.2014 zurückgenommen.
Der Kläger war nach dem Grundwehrdienst in verschiedenen Bereichen, ab 1990 in der Werkzeugherstellung beschäftigt (vgl. Lebenslauf
vom 12.12.2007, Bl 28 zu L 6 VS 5037/07; Zeugnis der I. GmbH & Co KG vom 31.08.1997, Bl 80 Handakte). Vom 03.07.2000 bis 22.12.2000 nahm er an einem Lehrgang CNC-Technik
des Berufsbildungswerks teil (Bl 78 Handakte). Danach war er von Januar bis April 2001 bei der Firma K. als Fräser beschäftigt,
von April bis Juli 2001 krank, danach bis November 2001 bei der Firma H. als Fräser. Vom 10.12.2001 bis 18.06.2004 war er
bei der Firma B. GmbH Maschinenfabrik als Zerspanungsmechaniker tätig und programmierte CNC-Maschinen, rüstete, spannte und
bearbeitete Maschinenteile nach Zeichnung (Handakte Bl 79). Anschließend war er zunächst ohne Beschäftigung. Von Oktober bis
Dezember 2004 war er als Fräser tätig. Vom 08.06.2005 bis 31.07.2005 war er als CNC-Fräser bei der Firma F. S. beschäftigt,
erkrankte jedoch nach wenigen Tagen arbeitsunfähig, bezog Entgeltfortzahlung und anschließend vom 27.06.2005 bis 17.01.2007
Versorgungskrankengeld (Schreiben der G. E. - GEK - vom 03.08.2006, Bl 277 VV; Bescheid vom 07.04.2006, Bl 302 VV, Abhilfebescheid
vom 18.05.2006, Bl 323 VV, Einstellungsbescheid der GEK vom 20.12.2006, Bl 363 VV, Teilabhilfebescheid des Beklagten vom 14.02.2007,
Bl 408 VV, bestandskräftiger Widerspruchsbeschied vom 09.03.2007, Bl 417 VV). Nach der Einstellung des Versorgungskrankengeldes
zum 17.01.2007 stand der Kläger bis zum 22.02.2008 im Arbeitslosengeldbezug (Vermerk vom 14.03.2008, Bl 436 VV). Danach bezog
er bis zum 14.03.2008 wieder Versorgungskrankengeld (Bescheid der GEK vom 20.03.2008, Bl 447 VV).
Vom 07.10 2009 bis (voraussichtlich) 09.07.2010 - letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung datierte vom 28.06.2010 - war der
Kläger wegen einer schweren depressiven Episode, ICD-10 F32.2, arbeitsunfähig (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Facharzt
für Innere Medizin, Naturheilverfahren Dr. L., Bl 23/35 Hilfsakte). Von August 2005 bis 04.07.2010 bestand kein Beschäftigungsverhältnis
(vgl. MDK-Gutachten, Bl 60 Hilfsakte S. 1). Am 05.07.2010 nahm der Kläger eine bis zum 30.06.2011 befristete Beschäftigung
als CNC-Fräser bei der Firma H. GmbH & Co KG auf (Arbeitsvertrag vom 25.06.2010). Mit Schreiben vom 09.07.2010 kündigte der
Arbeitgeber innerhalb der Probezeit zum 23.07.2010. Am 12.07.2010 erkrankte der Kläger, diesmal wegen Kniegelenksbeschwerden.
Dr. L. stellte am 12.07.2010 eine Erstbescheinigung wegen ICD-10 S83.5 (Verstauchung und Zerrung des Kniegelenkes mit Beteiligung
des Kreuzbandes) und weitere Folgebescheinigungen bis 03.09.2010 aus (Bl 37/39 Hilfsakte). Die letzten aktenkundigen Bescheinigungen
der Arbeitsunfähigkeit datieren vom 17.08.2010 bis auf Weiteres (Internist Dr. H., Bl 49 Hilfsakte) und vom 07.09.2010 bis
auf Weiteres (Dr. L. Bl 64 Hilfsakte). Laut Ausdruck des Dr. L. vom 20.01.2011 (Bl 54/55 SG-Akte - 13 VS 1476/10) wurden allerdings eine Erstbescheinigung wegen der Kniegelenksbeschwerden am 29.11.2010 und Folgebescheinigungen
bis 11.02.2011 ausgestellt. Die GEK stellte Ermittlungen an, ob ein ordnungsgemäßes Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Der
Arbeitgeber gab an, der Kläger habe wohl von einem Bekannten erfahren, dass die Firma viel Arbeit habe, und sich beworben.
Es sei ein Mitarbeiter für das Programmieren des 5-Achs-Bearbeitungszentrums benötigt worden, das bisher allein der Geschäftsführer
bedient habe, dem der Kläger unmittelbar unterstellt gewesen sei. Es sei aber schnell klar gewesen, dass der Kläger mit der
Tätigkeit überfordert sei. Deshalb sei ihm am Freitag gekündigt worden, am Montag habe er sich krank gemeldet und auf Anfrage
Probleme mit seinem Fuß angegeben (Gesprächsvermerk vom 24.08.2010, Bl 15 Hilfsakte; Schreiben vom 30.08.2010, Bl 21/22 Hilfsakte).
Nach dem Arbeitsvertrag vom 25.06.2010 erhielt der Kläger als CNC-Fräser während der Probezeit einen Stundenlohn von 15 Euro,
danach war ein Stundenlohn von 16 Euro vereinbart und es bestand eine Kündigungsfrist von zwei Wochen während der Probezeit
von drei Monaten. Der Kläger kündigte der GEK die Beiziehung anwaltlichen Beistands wegen der "unterschiedlichen Behandlung
im Vergleich zu 2005 bei 12 Arbeitstagen" an.
Die GEK veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 26.08.2010.
Auf einem Fragebogen vom 05.08.2010 gab der Kläger an, die Tätigkeit sei gehend und stehend. Der MDK fand den Kläger ab 12.07.2010
arbeitsfähig. Es bestehe ein positives Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten, ohne schweres Heben und Tragen,
ohne häufiges Knien, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, entsprechend dem Leistungsbild eines Gerätezusammensetzers, das
sozialmedizinisch als Beschäftigungsalternative anerkannt werden könne. Der letzte Arbeitsplatz als CNC-Fräser mit überwiegend
stehender Tätigkeit, auch teilweise Heben und Tragen von Lasten, sei nicht leidensgerecht.
Mit Bescheid vom 27.08.2010 teilte die GEK dem Kläger mit, die Klärung des Krankengeldanspruchs stehe aus, da der Arbeitgeber
die Anfrage noch nicht beantwortet habe. Eine Zahlung könne bei positiver Entscheidung aber nur bis zum 31.08.2010 erfolgen,
weil er keinen anerkannten Ausbildungsberuf habe und Arbeitsunfähigkeit nur vorliege, wenn er eine ähnliche Tätigkeit nicht
oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung ausüben könne. Mit seinem Widerspruch verwies er auf seine langjährige Tätigkeit
als CNC-Fräser, Arbeitszeugnisse und Stellenangebote der Bundesanstalt für Arbeit von 2004. Der Beklagte zog die Auskunft
der S. vom 13.02.2008 aus dem Verfahren L 6 VS 5037/07 bei (Bl 92/93 Hilfsakte). Danach führt zum Berufsbild des CNC-Fräsers eine Ausbildung zum Industriemechaniker und Zerspanungstechniker,
die jeweils 3,5 Jahre dauere. Die Bezeichnung CNC-Fräser sei nicht geschützt, es gebe viele halbjährige Lehrgänge. Die meisten
Arbeitsplätze seien Steh-Sitz-Arbeitsplätze und beinhalteten nicht mehr als mittelschwere Belastungen. Mit Widerspruchsbescheid
vom 10.11.2010 wies der Beklagte daraufhin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.08.2010 zurück.
Der Kläger hat am 03.12.2010 Klage beim SG erhoben. 2005 habe er auf der Basis des CNC-Fräsers Versorgungskrankengeld erhalten. Er sei nach seinem Gesundheitszustand
auch für sitzende Tätigkeiten nicht vermittelbar. Das SG hat die Akten des Parallelverfahrens S 13 VS 1476/10 (Klage auf Beschädigtenrente) beigezogen. In diesem sind die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen vernommen worden.
Anschließend ist ein Gutachten von Amts wegen und ein Gutachten auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingeholt worden. Die Fachärzte für Chirurgie Dr. B. und Prof. Dr. P. haben den Kläger zuletzt im März bzw. November 2009
untersucht. Facharzt für Innere Medizin L. bezeichnete die Gonarthrose rechts (gemeint ist wohl links) als führendes Leiden
mit seit Jahren bestehenden Schmerzen und Bewegungsminderung bei deutlicher Zunahme in den letzten Monaten.
Facharzt für Orthopädie Dr. M. hat in seinem von Amts wegen erstatteten Gutachten vom 24.08.2011 ein flüssiges Gangbild barfuß
ebenerdig ohne Hinken beschrieben. Die Beweglichkeit beider Kniegelenke sei seitengleich frei mit 10-0-135°. Die Muskelminderung
sei gegenüber dem Zustand im März 2006 gebessert und betrage nur noch 0,5 cm (gegenüber 2 cm 2006). Es bestehe nach wie vor
eine Kreuzbandinsuffizienz mit positivem Lachmann- und Schubladenphänomen, die aber bei der Untersuchung muskulär ausgleichbar
gewesen sei. Die leichte Zunahme der Chondromalazie von II° bis III° 2006 zu III° sei ohne klinische Folgen, denn die Beweglichkeit
der Kniegelenke sei frei und es bestünden keine Muskelminderungen, was für eine ausreichende Belastungsfähigkeit der Kniegelenke
spreche. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung sei daher seit März 2006 nicht eingetreten.
Der Orthopäde Dr. S. hat auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG sein Gutachten vom 24.03.2012 erstattet. Er hat ein normales Gangbild ebenerdig, auch mit geschlossenen Augen ohne Fallneigung
festgestellt, Zehen- und Hackenstand und -gang seien bds. möglich, die Hocke könne nur beidfüßig eingenommen werden. Der monopedale
Aufstand aus der Hocke sei nur rechts möglich. Die Kniegelenkskonturen seien nicht wesentlich vergröbert, es bestehe kein
intraartikulärer Erguss. Die Beweglichkeit sei für Beugung und Streckung bds. 0-0-140° ohne retropatellares Reiben. Beide
Kniegelenke seien seitenbandstabil und nicht aufklappbar. Der Lachmann-Test sei links positiv bei fehlendem festen Anschlag,
rechts negativ. Der mediale Kniegelenkspalt sei links druckschmerzhaft. Die Fußbeschwielung sei bds. kräftig ausgeprägt. Der
Sachverständige maß eine Umfangsdifferenz 20 cm oberhalb des Kniegelenks von 4 cm (rechts 58 cm, links 54 cm), 10 cm oberhalb
des Kniegelenks von 3 cm (rechts 46 cm, links 43 cm).und unterhalb des Kniegelenkspalts 1,5 cm (43 cm rechts, 41,5,cm links).
Die von Dr. M. am 23.08.2011 angefertigten Röntgenaufnahmen zeigten einen völligen Aufbrauch des lateralen und eine erhebliche
Verschmälerung des medialen Gelenkspalts.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.07.2012 abgewiesen. Die Bewilligung von Versorgungskrankengeld setze Arbeitsunfähigkeit im
Sinn der gesetzlichen Krankenversicherung voraus. Sei das Beschäftigungsverhältnis beendet, richte sich die Beurteilung nach
den Verhältnissen dieses Arbeitsverhältnisses, wobei auch gleichgeartete Tätigkeiten in Betracht kämen. Demnach sei der Kläger
nicht über den 30.08.2010 hinaus arbeitsunfähig, denn er sei gesundheitlich in der Lage, Tätigkeiten als CNC-Fräser vollschichtig
zu verrichten. Diese sei nach der Auskunft des Arbeitgebers und dem Arbeitsvertrag mit einer Entlohnung von 16,00 Euro/Stunde
durchaus qualifiziert mit Programmieren des 5-Achs-Bedienelements gewesen, wobei der Schwerpunkt der Tätigkeit im Programmierbereich
gelegen habe. Dass der Kläger tatsächlich überfordert gewesen sei, bleibe außer Betracht. Der Kläger sei nicht über den 30.08.2010
hinaus gesundheitlich gehindert gewesen, derartige Tätigkeiten auszuüben. Die meisten dieser Arbeitsplätze seien als Steh-Sitz-Arbeitsplätze
konzipiert. Solche Tätigkeiten könne er verrichten, was den Gutachten des MDK vom 26.08.2010 und des Orthopäden Dr. M. im
Parallelverfahren S 13 VS 1476/10 zu entnehmen sei. Danach bestehe zwar Kreuzbandinstabilität nach Implantatversagen, diese sei jedoch muskulär kompensierbar.
Das Gangbild sei vom Sachverständigen als flüssig ohne Schonhinken beschrieben worden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 06.08.2012 zugestellte Urteil am 05.09.2012 Berufung beim LSG eingelegt. Er habe entgegen
der Auffassung des SG seine vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht ausüben können, auch nicht auf Steh-Sitz-Arbeitsplätzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2012 und den Bescheid vom 27. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger über den 30. August 2010 hinaus Versorgungskrankengeld
in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, auch zu L 6 VS 3591/12 und L 6 VS 5037/07, die SG-Akten, auch zu S 13 VS 1476/10 und S 14 R 4710/06, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten (3 Bände B-Akten, 1 Hilfsakte und 1 WBD-Akte) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §§
143,
144 SGG statthafte und nach §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
nach §
124 Abs.
2 SGG entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versorgungskrankengeld (VKrG) richtet sich nach § 80 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Danach erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen
der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung
der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Die ihm damit auf seinen Antrag zustehende Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend
anwendbaren § 9 Nr. 1 BVG unter anderem auch Heilbehandlung (§§ 10 bis 24a BVG). Dazu gehört auch VKrG i.S. der §§ 16 ff. BVG. Nach dem hier einschlägigen § 16 Abs. 1 Buchst a BVG wird VKrG nach Maßgabe der folgenden Vorschriften u.a. Beschädigten gewährt, wenn wegen einer Gesundheitsstörung, die als
Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, Arbeitsunfähigkeit (AU) im
Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung eintritt. Nach der Rechtsprechung des BSG zur gesetzlichen Krankenversicherung ist AU gegeben, wenn der Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit wegen einer Krankheit
nicht mehr verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VS 1/09 R - SozR 4-3100 § 16b Nr. 1). Auch bei der entsprechenden Anwendung dieses Grundsatzes im sozialen Entschädigungsrecht ist
- bei Fehlen abweichender Regelungen - zu verlangen, dass es sich bei der Tätigkeit, die aus Gesundheitsgründen nicht mehr
verrichtet werden kann, um eine Erwerbstätigkeit handeln muss.
Beim Kläger ist zunächst eine Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden, ob zu Recht, ist, da die Entscheidung bindend geworden
ist (§
77 SGG), ohne Belang. Darunter ist eine gesundheitliche Schädigung zu verstehen, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen
während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt
worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs
(§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG).
Der Kläger hat während der Ausübung des Wehrdienstes einen bereits mit Bescheid vom 16.09.1986 von dem Beklagten anerkannten
Unfall im Sinne von § 81 Abs. 1, 2. Alt. SVG erlitten. Zuletzt hat der Beklagte mit Bescheid vom 11.11.2009 als Folgen der Wehrdienstbeschädigung "knöcherner Abriss des
vorderen Kreuzbandes des linken Kniegelenkes, vordere Kreuzbandplastik mit einem Kunstband, Kreuzbandreruptur, Tibiacyste,
Rekonstruktion des Kreuzbandes mit Anteilen der Patellarsehen, Knorpelschaden linker medialer Femurkondylus" festgestellt.
Die beim Kläger über den 30.08.2010 hinaus vorliegenden Gesundheitsstörungen begründeten zur Überzeugung des Senats keine
AU. Das hat die GEK als dafür nach § 18 c Abs. 1 Satz 3 BVG zuständige Krankenkasse mit Bescheid vom 27.08.2010 zutreffend festgestellt und der Beklagte dem folgend den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2010 als nach § 18 c Abs. 2 Satz 2 BVG zuständige Widerspruchsbehörde zurückgewiesen.
Maßgeblich ist der AU-Begriff nach §
44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V). AU liegt danach vor, wenn ein Versicherter nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich
gelagerten Tätigkeit nachzugehen (st. Rspr; vgl. BSG, Urteil vom 12.03.2013 - B 1 KR 7/12 R - [...]; BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R - SozR 4-2700 § 46 Nr. 3). Ob sich der rechtliche Maßstab ändert, wenn er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt
innegehabte Arbeitsstelle aufgibt, eine Verweisung auf gleich oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten möglich ist (dafür noch BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R; ausdrücklich offen gelassen in BSG, Urteil vom 12.03.2013 - B 1 KR 7/12 R), lässt der Senat dahinstehen. Zwar war das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist von zwei Wochen aufgrund
der Kündigung am 09.07.2010 am 23.07.2010 beendet. AU bestand aber bereits nach den konkreten Bedingungen in diesem Beschäftigungsverhältnis
nicht, so dass es auf eine mögliche Verweisung auf andere Tätigkeiten nicht ankommt. Diese Tätigkeit bestand in der Programmierung
des 5-Achs-Bedienzentrums, die ansonsten vom Geschäftsführer vorgenommen wurde. Es handelte sich also um eine qualifizierte
Tätigkeit, die nicht ständiges Stehen und Gehen erforderte. Die meisten Arbeitsplätze für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit
als CNC-Fräser sind nach der Auskunft der S. vom 13.02.2008 als Steh-Sitz-Arbeitsplätze konzipiert und beinhalten in der Regel
nicht mehr als mittelschwere Belastungen.
Bei dem Kläger liegt eine Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenkes nach zweifacher Kreuzbandplastik und Transplantatversagen
sowie eine Zyste im Bereich des Schienbeinkopfes vor, die anerkannte Folgen der Wehrdienstbeschädigung sind. Diese führen
jedoch nicht zur AU. Er hat zwar Belastungsschmerzen nach längeren Gehstrecken und nach längerem Verharren in einer Knieposition,
zum Beispiel beim Autofahren, das Treppensteigen abwärts ist erschwert. Er hat Instabilitätsgefühle und knickt manchmal nach
außen ein. Das Gangbild ist aber ebenerdig flüssig ohne Schonhinken, die sonstige Motorik ungestört. Die Muskelumfangsmessungen
durch den Sachverständigen Dr. M. zeigten nur leichte Muskelminderungen am Oberschenkel von 1 cm proximal und 0,5 cm distal,
einen seitengleichen Knieumfang und eine minimale Minderung der Wadenmuskulatur um 0,5 cm. Dies deutet darauf hin, dass das
linke Bein nicht wesentlich geschont wird. Beide Kniegelenke sind frei beweglich. Es besteht eine Kreuzbandinstabilität, die
aber muskulär ausgleichbar ist. Dies entnimmt der Senat den schlüssigen Darlegungen des Orthopäden Dr. M.. Mit diesem Leistungsbild
ist die Tätigkeit des Klägers als CNC-Fräser vereinbar.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem MDK-Gutachten vom 26.08.2010, in dem ein positives Leistungsbild für leichte bis
mittelschwere Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Knien, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten festgestellt
wurde. Die - unzutreffende - Bewertung, die letzte Tätigkeit als CNC-Fräser sei nicht leidensgerecht, folgt allein aus den
Angaben des Klägers, die Tätigkeit sei überwiegend stehend und gehend.
Die AU-Bescheinigungen des behandelnden Hausarztes Dr. L. führen zu keiner anderen Bewertung. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts sind Krankenkassen und Gerichte an den Inhalt ärztlicher Bescheinigungen über die AU nicht gebunden.
Diesen kommt lediglich die Bedeutung einer ärztlich-gutachtlichen Stellungnahme zu (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 18/04 R SozR 4-2500 § 44 Nr. 7 m.w.N.). Ihr Inhalt kann durch andere Beweismittel widerlegt werden (BSG, a.a.O.). Dies ist hier durch das MDK-Gutachten und das Gutachten des Dr. M. erfolgt. Im Übrigen bestehen Zweifel an der
Beurteilung durch Dr. L.. Dieser hatte zuletzt am 28.06.2010 beim Kläger eine AU-Bescheinigung wegen einer schweren depressiven
Episode, ICD-10 F32.2, ausgestellt, während der Kläger am 25.06.2010 in der Lage war, einen Arbeitsvertrag zu schließen, den
er auf Eigeninitiative hin gefunden hatte, und bis zur Kündigung pünktlich zu erscheinen und vollschichtig zu arbeiten. Auch
später hat er zweimal Erstbescheinigungen - einmal sogar eines Notfalles wegen der Knieproblematik ausgestellt, obwohl es
sich um durchgehende Arbeitsunfähigkeit gehandelt haben soll.
Das Gutachten des Orthopäden Dr. S. führt zu keiner anderen Bewertung. Dieser hat sieben Monate nach der Untersuchung durch
Dr. M. erheblich schwerere Befunde erhoben und eine deutliche Atrophie der Ober- und Unterschenkelmuskulatur links festgestellt
sowie anamnestisch eine Einschränkung der Gehstrecke auf 500 Meter. Allerdings steht dies im Widerspruch zu der ebenfalls
von Dr. S. festgestellten freien Beweglichkeit der Kniegelenke, dem normalen Gangbild und der bds. kräftig ausgeprägten Fußbeschwielung.
Ob die von Dr. S. im März 2012 erhobenen Befunde zutreffend sind, kann dahinstehen, denn wenn nach der Begutachtung durch
Dr. M. insoweit eine wesentliche, eine AU begründende Verschlimmerung eingetreten wäre, läge ab diesem Zeitpunkt ein neuer,
gesondert zu bewertender Leistungsfall vor. Vorliegend ist aber der Eintritt einer AU am 12.07.2010 und deren Fortdauer über
den 30.08.2010 hinaus streitgegenständlich.
Der Senat kann daher dahingestellt sein lassen, ob dem Anspruch nicht bereits die nach Aktenlage nicht fortlaufende Feststellung
der AU (zum nach ständiger Rechtsprechung bestehenden Erfordernis vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 04.03.2014 - B 1 Kr 17/13 R - SozR 4-2500 § 192 Nr. 6) entgegensteht bzw. der Anspruch nicht nach § 18 Abs. 7 Satz 7 BVG erschöpft ist, weil der Kläger bis 09.07.2010 vom gleichen Arzt wegen der Depression krankgeschrieben mit Leistungsbezug
war und danach einiges dafür spricht, dass die jetzige Erkrankung hinzugetreten ist und das zwischenzeitliche Beschäftigungsverhältnis
nur zum Schein begründet wurde (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung z. B. Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 19.05.2011 -
L 10 KR 52/07 - [...]).
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründen, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).