Teilhabe behinderter Menschen; Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber, Anrechnung des Arbeitsplatzes eines schwerbehinderten
Fremdgeschäftsführers einer GmbH auf Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beiden schwerbehinderten Geschäftsführer der Klägerin jeweils auf einen Pflichtarbeitsplatz
im Sinne des §
75 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (
SGB IX) anzurechnen sind.
Die Klägerin, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in H., betreibt ein Unternehmen, das sich
die Förderung selbstbestimmter Lebensführung von Menschen, die persönliche Hilfeleistung benötigen, zum Ziel gesetzt hat.
Dieses Ziel soll u.a. durch die Bereitstellung und Organisation eines ambulanten sozialen Pflege- und Hilfsdienstes erreicht
werden. Gesellschafter der Klägerin sind das P. B. B. e. V. in F. und die Individualhilfe für Schwerbehinderte e. V. in H.
Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin sind seit 01.07.1999 die Dipl. S. (FH) I. S.-K. und der Dipl. S.
W. R. Nach den im Wesentlichen gleichlautenden Dienstverträgen zwischen der Klägerin und den genannten Geschäftsführern vom
30.06.1999, in dem letztere als "Arbeitnehmer(in) und Geschäftsführer(in)" bezeichnet worden sind, ist ein Monatsbruttogehalt
in Anlehnung an den BAT, Vergütungsgruppe III, Stufe 11 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden (Geschäftsführerin S.-K.) bzw. 30 Stunden
(Geschäftsführer R.) vereinbart worden. Ferner enthalten die Dienstverträge weitere Regelungen (z. B. hinsichtlich der Weiterzahlung
des Gehalts im Krankheitsfall für sechs Wochen und des Urlaubsanspruchs von 35 Arbeitstagen einschließlich fünf Tage Zusatzurlaub
als Schwerbehinderte).
Mit Schreiben vom 02.05.2006 beantragte die Klägerin die Anrechnung ihrer beiden schwerbehinderten Geschäftsführer, die keine
Gesellschaftsanteile inne hätten, jeweils auf einen Pflichtarbeitsplatz nach §
75 Abs.
3 SGB IX. Ihre beiden Geschäftsführer I. S.-K. und W. R. stünden in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis,
da sie funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Klägerin teilnähmen, für ihre Geschäftsführertätigkeit ein entsprechendes
Arbeitsentgelt erhielten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft geltend machen könnten. Ihnen
könnten über die gesellschaftsrechtlichen Weisungsverhältnisse hinaus auch typische arbeitsrechtliche Weisungen erteilt werden.
Ferner bestehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Mit Bescheid vom 26.07.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Als Geschäftsführer
einer GmbH seien sie vertretungsberechtigte Organmitglieder einer juristischen Person und damit nicht auf einem Arbeitsplatz
im Sinne des §
73 SGB IX beschäftigt. Eine Anrechnung auf einen Pflichtarbeitsplatz sei daher nicht möglich.
Dagegen legte die Klägerin unter Wiederholung der nach ihren Angaben auf die Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung
Bund zurückgehenden Antragsbegründung Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch
der Klägerin zurück. Die schwerbehinderten Geschäftsführer der Klägerin seien nicht auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte
Menschen anzurechnen, da sie weder Arbeitgeber noch auf einem Arbeitsplatz im Sinne des
SGB IX beschäftigt seien. Nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12.12.1997 - 24 A 4419/95) nehme der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ohne eigene Gesellschafterstellung keinen Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschriften
ein. Dem stehe eine auf anderen Rechtsgebieten, insbesondere dem Sozialversicherungsrecht und Arbeitsrecht, möglicherweise
gebotene andere Beurteilung nicht entgegen. Durch die Privilegierung von schwerbehinderten Arbeitgebern (natürliche Personen)
sei auch der allgemeine Gleichheitssatz nicht verletzt worden.
Am 21.08.2007 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie an ihrem Ziel festhielt. Sie machte geltend, ihre beiden schwerbehinderten Geschäftsführer S.-K. und R. seien
auf Pflichtplätze gemäß §
75 SGB IX anzurechnen. Diese seien nicht Gesellschafter und hätten daher keinerlei Einfluss auf die Gesellschaft. Vielmehr seien sie
weisungsgebunden, so dass sie den Status von Arbeitnehmern hätten. Dass der Geschäftsführer einer GmbH als Organ der juristischen
Person gegenüber den Arbeitnehmern des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehme, bedeute nicht, dass er nicht zugleich
auch Arbeitnehmer sein könne. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die hier umstrittene Frage auch Einfluss darauf habe, ob
ein Anspruch auf eine Arbeitsassistenz - der Geschäftsführer Rathke bedürfe einer solchen Hilfe - bestehe. Wenn aber schwerbehinderte
Geschäftsführer einer GmbH nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer,
stelle dies einen Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz dar. Die Assistenz sei entgegen der Auffassung der Beklagten
auch nicht mit einem Sekretariat gleichzusetzen. Die Klägerin legte die mit den beiden Geschäftsführern am 30.06.1999 geschlossenen
Dienstverträge, einen die Klägerin betreffenden Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Heidelberg und das an die
Klägerin gerichtete Schreiben des Partätischen Wohlfahrtsverbands - Landesverband Baden-Württemberg - vom 19.07.2004 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, ein Geschäftsführer sei nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Organ
der GmbH. Als solches nehme er Arbeitgeberfunktionen wahr, was für die hier maßgebliche Frage entscheidend sei. Die Beklagte
verwies auf die bereits im Widerspruchsbescheid zitierte Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen, wonach der Fremdgeschäftsführer
einer GmbH ohne eigene Gesellschafterstellung keinen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz einnehme.
Dass der Gesetzgeber nur die Gruppe der schwerbehinderten Einzelunternehmer habe begünstigen wollen, werde durch die Gesetzesmaterialien
bestätigt. Die unterschiedliche Behandlung von schwerbehinderten Einzelunternehmern und schwerbehinderten Geschäftsführern
einer GmbH verstoße nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.09.1992 (11 RAr 79/91) auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Frage, ob ein Geschäftsführer einer Arbeitsassistenz bedürfe, sei nicht
entscheidungserheblich.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.10.2008, der Beklagten zugestellt am 21.10.2008, hob das SG die angegriffenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte festzustellen, dass die Geschäftsführer der Klägerin auf jeweils
einen Pflichtarbeitsplatz gemäß §
75 SGB IX anzurechnen sind. Zur Begründung führte es aus, Arbeitgeber, die auf einen Pflichtarbeitsplatz anzurechnen sind, könnten
nur natürliche Personen sein, so dass eine entsprechende Anrechnung der Geschäftsführer der Klägerin mit dieser Begründung
nicht erfolgen könne. Nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles seien die Geschäftsführer der Klägerin jedoch Arbeitnehmer
und hätten damit einen Arbeitsplatz inne. Die beiden Geschäftsführer der Klägerin, die keine Geschäftsanteile besäßen, seien
persönlich von der Klägerin abhängig. Sie hätten auch keine arbeitgebergleiche Position, sondern seien als Arbeitnehmer zu
betrachten. Dafür sprächen die Regelungen in den jeweiligen Dienstverträgen zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, zur
Zustimmungspflicht bei der Ausübung von Nebentätigkeiten und Ehrenämtern, zum Urlaubsanspruch und zum Verbot der Beteiligung
an bestimmten anderen Unternehmen.
Dagegen hat die Beklagte am 17.11.2008 Berufung eingelegt, mit der sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens an
ihrer Auffassung festhält. Sie macht zusätzlich geltend, die angefochtene Entscheidung des SG sei mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Das SG habe versucht, die hier streitige Frage aus rein arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Perspektive zu lösen. Unter
Hinweis auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 24.02.1994 und 25.07.1997 (NVwZ-RR 1998, 241) bringt sie vor, schwerbehinderte anrechnungsfähige Arbeitgeber seien nur natürliche, jedoch nicht juristische Personen oder
eine Personenmehrheit. Auch die gesetzlichen Vertreter oder die Gesellschafter seien insoweit nicht Arbeitgeber und könnten
daher nicht auf einen Pflichtarbeitsplatz angerechnet werden. Arbeitgebergleiche Personen, die Arbeitgeberfunktionen lediglich
wahrnehmen, seien bewusst ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall sei die Verpflichtung der Geschäftsführer, als Organ der GmbH
Arbeitgeberfunktionen auszuüben, maßgeblich. Geschäftsführer juristischer Personen seien aus dem Geltungsbereich arbeitsrechtlicher
Gesetze - z.B. gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 5 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), § 14 Abs. 1 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und § 1 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitszeitordnung - ausgeschlossen. Die Geschäftsführer seien nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne des
SGB IX beschäftigt. Mit der Einbeziehung von schwerbehinderten Arbeitgebern (nur natürliche Personen) sei auch der allgemeine Gleichheitssatz
nicht verletzt worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ihre beiden Geschäftsführer seien aufgrund einer differenzierten
und auf den Einzelfall abgestellten Betrachtungsweise - wie nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 26.09.2002
(5 C 53/01) erforderlich - als Arbeitnehmer anzusehen. Soweit die Beklagte vorbringe, dass durch die Regelung des §
75 Abs.
3 SGB IX insbesondere kleine Betriebe finanziell entlastet werden sollten, verkenne sie, dass es sich bei ihr ebenfalls um einen kleinen
Betrieb handele. Die mit der Anrechnung auf einen Pflichtarbeitsplatz verbundenen finanziellen Vorteile kämen entgegen der
Auffassung der Beklagten nicht nur ihr selbst, sondern auch den Schwerbehinderten unmittelbar zugute. Wäre der schwerbehinderte
Geschäftsführer nicht auf einen Pflichtarbeitsplatz anzurechnen, so würde der Arbeitgeber bei gleichwertigen Bewerbern keinen
Schwerbehinderten einstellen, da eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden müsste. Dies würde sogar gegen das Antidiskriminierungsgesetz
verstoßen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist zulässig (§
151 SGG), aber nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Feststellung verurteilt, dass die schwerbehinderten
Geschäftsführer der Klägerin I. S.-K. und W. R. jeweils auf einen Pflichtarbeitsplatz anzurechnen sind. Die Klägerin hat gegen
die Beklagte gemäß §
75 Abs.
1 SGB IX einen Anspruch auf die geltend gemachte Anrechnung auf einen Pflichtarbeitsplatz.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2007, mit dem es die
Beklagte, deren Zuständigkeit aus §
104 Abs.
1 Nr.
7 und
8 SGB IX folgt, abgelehnt hat, die genannten Geschäftsführer der Klägerin auf einen Pflichtarbeitsplatz anzurechnen.
Nach §
77 Abs.
1 Satz 1
SGB IX haben Arbeitgeber, solange sie die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, für jeden unbesetzten
Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. §
75 Abs.
1 SGB IX bestimmt, dass ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz im Sinne des §
73 Abs.
1 oder Abs.
2 Nr.
1 oder 4
SGB IX beschäftigt wird, auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet wird. Nach dem hier allein in Betracht
kommenden §
73 Abs.
1 SGB IX sind Arbeitsplätze im Sinne des Teils 2 des
SGB IX alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende
und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. §
75 Abs.
3 SGB IX bestimmt, dass ein schwerbehinderter Arbeitgeber auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet
wird.
Zu Unrecht ist die Beklagte der Auffassung, dass die beiden Geschäftsführer der Klägerin keinen Arbeitsplatz im Sinne des
§
73 Abs.
1 SGB IX inne haben. Allerdings ist der Beklagten mit dem SG darin zuzustimmen, dass eine Anrechnung gemäß §
75 Abs.
3 SGB IX, der die Anrechnung schwerbehinderter Arbeitgeber vorsieht, nicht erfolgen kann. Arbeitgeber im Sinne des §
75 Abs.
3 SGB IX sind nämlich lediglich natürliche Personen, nicht aber Personen, die als Organ - hier als Geschäftsführer einer GmbH gemäß
§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG - oder als Organmitglied einer juristischen Person eine Arbeitgeberfunktion ausüben. Die Vorschrift ist eng auszulegen, da
sie dem Ziel des
SGB IX, schwerbehinderte Menschen (als Beschäftigte) in das Arbeitsleben einzugliedern, nicht dient. Die gesetzgeberische Entscheidung
zugunsten von Einzelunternehmern verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (vgl. Urteil des BSG vom 30.09.1992 - 11 Rar 79/91). Im Übrigen ist Arbeitgeber im Rechtssinne auch nicht der Geschäftsführer,
der als Organ der GmbH diese gesetzlich vertritt, sondern die GmbH selbst, die gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG selbst Träger von Rechten und Pflichten ist, folglich auch Arbeitsvertragspartei und damit Arbeitgeber sein kann. Dass im
vorliegenden Fall §
75 Abs.
3 SGB IX nicht anwendbar ist, ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Dagegen werden die schwerbehinderten Geschäftsführer der Klägerin auf einem Arbeitsplatz im Sinne des §
73 Abs.
1 SGB IX beschäftigt. Auf Arbeitsplätzen in diesem Sinne werden nach §
73 Abs.
1 SGB IX u. a. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen - nur diese Alternative ist hier in Betracht zu ziehen - beschäftigt. Entscheidend
ist daher, dass die Geschäftsführer der Klägerin als Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin in diesem Sinne anzusehen sind. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer einer GmbH zwar einerseits Organ und gesetzlicher Vertreter der GmbH ist
und daher bestimmte arbeits- bzw. arbeitsschutzrechtliche Regelungen für ihn nicht gelten. Die Beklagte hat insoweit zutreffend
auf § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG und § 14 Abs. 1 Nr. 1KSchG hingewiesen. Dass es sich somit bei einem Geschäftsführer einer GmbH nicht um einen "klassischen" Arbeitnehmer
handelt, sondern dass dieser auch bei Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber eine herausgehobene Position, idR als
leitender Angestellter, inne hat und deshalb nach Ansicht des Gesetzgebers nicht in dem Maße schutzbedürftig ist wie der "klassische"
Arbeitnehmer, wird dadurch zwar deutlich, hindert aber nicht, bei entsprechender Vertragsgestaltung von einem Arbeitsverhältnis
des Fremdgeschäftsführers der GmbH auszugehen.
In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist anerkannt (und wird auch von der Beklagten nicht bestritten), dass
sogenannte Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer ohne Kapitalanteil und somit ohne Einfluss auf die Entscheidungen der
Gesellschaft, grundsätzlich sozialversicherungspflichtig sind. Ob der Umstand, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
vorliegt, ausreicht, um die Schutzvorschriften des
SGB IX auf den Fremdgeschäftsführer anwenden zu können, oder ob darüber hinaus weitere Umstände hinzukommen müssen, um solche Geschäftsführer
als Arbeitnehmer im Sinne des §
73 Abs.
1 SGB IX ansehen zu können, kann der Senat letztlich dahingestellt sein lassen. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 26.09.2002
- 5 C 53/01) hat entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH dann auf einen Pflichtarbeitsplatz im Sinne des §
73 Abs.
1 SGB IX anzurechnen ist, wenn er zwar hinsichtlich anderer Beschäftigter Arbeitgeberaufgaben erfüllt, aber gleichwohl abhängig fremdbestimmte
Arbeit leistet. Das Oberlandesgericht München ist in seinem Urteil vom 16.05.2007 (14 U 399/04) zu dem Ergebnis gekommen, dass im Rahmen der Schutzvorschriften des
SGB IX maßgeblich ist, ob nach der konkreten Ausgestaltung ein durch persönliche Abhängigkeit geprägtes arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis
vorliegt. Dabei könne bei Anstellungsverträgen von Organmitgliedern juristischer Personen regelmäßig davon ausgegangen werden,
dass es sich um ein Dienstverhältnis und nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt.
Der Senat schließt sich dieser auch vom SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vertretenen Rechtsauffassung an. Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats
fest, dass die Geschäftsführer der Klägerin abhängig fremdbestimmte Arbeit leisten, weshalb nach der konkreten Ausgestaltung
ein durch persönliche Abhängigkeit geprägtes arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis vorliegt. Dies folgt für den Senat zunächst
aus den Regelungen der - im Wesentlichen gleichlautenden - Dienstverträge, die die Klägerin mit ihren beiden Geschäftsführern
S.-K. und Rathke abgeschlossen hat. Zwar kann bei Anstellungsverträgen von Organmitgliedern juristischer Personen - wie bereits
erwähnt - regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Dienstverhältnis und nicht ein Arbeitsverhältnis handelt
(vgl. auch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.1994 - AP Nr. 17 zu § 5 Arbeitsgerichtsgesetz 1979). Die hier maßgeblichen Dienstverträge vom 30.06.1999 sprechen angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung trotz der Bezeichnung
als Dienstvertrag aber dafür, dass ein Arbeitsverhältnis vereinbart wurde. Schon eingangs des Vertragstextes, nämlich bei
der Bezeichnung der Geschäftsführer als "Arbeitnehmerin und Geschäftsführerin" bzw. "Arbeitnehmer und Geschäftsführer" wird
deutlich, dass sie trotz ihrer Bestellung zu Geschäftsführern ihre Tätigkeit als abhängige Beschäftigte ausüben. Noch deutlicher
wird dies durch Ziff. 1 des Vertrages, in dem es heißt, dass zum 30.06.1999 das Arbeitsverhältnis zwischen dem Bundesverband
des Paritätischen Bildungswerkes, einem Gesellschafter der Klägerin, und Frau S.-K. und Herrn R. beendet wird und ab 01.07.1999
ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Geschäftsführer beginnt. Ferner ist in diesem Zusammenhang
auch Ziff. 4 des Vertrages von erheblicher Bedeutung, wonach die Geschäftsführerin ihre ganze bzw. der Geschäftsführer nicht
seine ganze Arbeitskraft (30 Stunden wöchentlich) der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Hinzu kommt, dass in einer Gesamtbetrachtung
die Regelungen zum Gehalt nach Ziff. 2 des Vertrages (Monatsbruttogehalt in Anlehnung an BAT, Vergütungsgruppe III, Stufe 11) sowie die weiteren vereinbarten Leistungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, betriebliche
Altersversorgung und vermögenswirksame Leistungen (Ziff. 2 Buchst. a bis d) und die Regelungen zur Arbeitszeit (nach Ziff.
5 des Vertrages 38,5 Stunden bzw. 30 Stunden wöchentlich), zur Kündigung (Ziff. 6), zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall
(Ziff. 7), zum Erfordernis einer vorherigen Zustimmung zur Übernahme von Nebentätigkeiten und Ehrenämtern (Ziff. 8) sowie
zum Urlaubsanspruch (Ziff. 9: 35 Arbeitstage einschließlich fünf Tage Urlaub als Schwerbehinderte) keine Zweifel daran aufkommen
lassen, dass es sich um eine Geschäftsführertätigkeit handelt, die in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt wird. Es ist weder
erkennbar noch vorgetragen, dass die konkrete Ausübung der Geschäftsführertätigkeit von diesen einzelvertraglichen Regelungen
abweicht.
Die "Dienstverträge" bieten auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Geschäftsführer der Klägerin trotz dieser für ein Arbeitsverhältnis
sprechenden vertraglichen Regelungen bei ihrer Tätigkeit in einem Maße von Weisungen der Gesellschafter der Klägerin frei
sind, dass eine abhängige Beschäftigung zu verneinen ist. Vereinbarungen, die den Grad der persönlichen Abhängigkeit der Geschäftsführer
und den Umfang der Weisungsbefugnis der Gesellschafter betreffen, enthalten die Dienstverträge nicht. Gegen eine wesentliche
Einschränkung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern der Klägerin spricht zudem, dass es sich
bei den beiden Gesellschaftern, dem Paritätischen Bildungswerk Bundesverband e.V. in Frankfurt und der Individualhilfe für
Schwerbehinderte e.V. in Heidelberg, jeweils um eingetragene Vereine, also juristische Personen, handelt, für die der Vorstand
handelt, der der Gemeinnützigkeit verpflichtet ist. Das bedeutet, dass die unternehmensleitenden Entscheidungen der Klägerin
von der Willensbildung und den Beschlüssen der Vorstände dieser Vereine oder ggf. auch deren Vereinsmitglieder abhängig sind,
was den eigenen Entscheidungsspielraum der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber den Gesellschaftern wegen des von den Gesellschaftern
definierten Unternehmenszwecks der Gemeinnützigkeit eher einengt als erweitert.
Nach dem Gesamtbild, das nach den Dienstverträgen und den zusätzlich zu berücksichtigenden und zuletzt erörterten Gesichtspunkten
besteht, sind die Geschäftsführer der Klägerin bei ihren Tätigkeiten mithin persönlich abhängig und weisungsgebunden. Auch
durch die Gesellschafterstruktur der Klägerin sind die Aufgaben und Ziele, die die Geschäftsführer zu verwirklichen haben,
im Wesentlichen vorgegeben.
Die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.