Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung einer Divergenz
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -
Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010.
Mit Bescheid vom 08.02.2010 in der Fassung des Bescheides vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2010
bewilligte der Beklagte der Klägerin sowie ihren beiden Kindern Alg II unter der Annahme, der Ehemann der Klägerin, der einen
getrennten Bescheid erhalten habe, gehöre ebenfalls zur Bedarfsgemeinschaft. Die Eheleute hätten zwar bis Oktober 2009 zwei
Wohnungen im selben Haus bewohnt und ab Oktober 2009 sich angeblich getrennt, so dass die Klägerin und ihre Kinder nur noch
eine der beiden Wohnungen bewohnt hätten. Die sich aus § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II ergebende Vermutung sei mit der bloßen Angabe des Getrenntwohnens aber nicht widerlegt, eine schlichte Behauptung genüge
hierfür nicht, wobei allein eine räumliche Trennung nicht genüge, sondern auch ein nach außen sich manifestierender Trennungswille
erkennbar sein müsse. Eine Überprüfung der Wohnung sei nicht ermöglicht worden. Damit sei die Klägerin auch nicht als allein
erziehend anzusehen.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Sie lebe nicht mehr mit dem Ehemann zusammen, sie seien getrennt von Tisch und Bett. Sie bewohne die Wohnung im
2. Obergeschoss allein mit den Kindern, ihr Ehemann wohne im 3. Stock. Im Erörterungstermin vom 11.08.2011 hat die Klägerin
erklärt, sie beabsichtige nicht, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen, sie habe auch keinen Scheidungsantrag eingereicht.
Das SG hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 16.02.2012 die Klage abgewiesen. Es sei
nicht davon überzeugt, die Eheleute lebten getrennt. Die Voraussetzungen für ein Getrenntleben entsprechend der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 49/09 R -) lägen nicht vor. Es fehle sowohl an der räumlichen Trennung als auch an einem nach außen erkennbaren Trennungswillen,
nachdem auch eine Scheidung weder beantragt noch beabsichtigt sei. Im Übrigen hat das SG auf die Ausführung im Widerspruchsbescheid vom 04.10.2010 Bezug genommen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Das SG weiche von der o.g. Rechtsprechung des BSG ab. Es verkenne nämlich, dass eine räumliche Trennung auch innerhalb einer Wohnung möglich sei und es habe der Klägerin die
volle Beweislast für das Getrenntleben auferlegt. Zudem habe das SG die Amtsermittlungspflicht verletzt, der Ehemann der Klägerin übernehme, wenn die Klägerin arbeite, die Aufsicht über die
gemeinsamen Kinder. Er habe aber nicht das Recht, Mitarbeiter des Beklagten in die Wohnung der Klägerin einzulassen. Bei richtiger
Anwendung des Begriffes "Trennung" und entsprechender Amtsermittlung wäre das SG zu der Erkenntnis gekommen, dass eine Trennung im familienrechtlichen Sinne vorliege.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die von der Klägerin fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht.
Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Eine grundsätzliche Bedeutung macht die Klägerin nicht geltend. Vielmehr spricht sie lediglich eine Abweichung des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung (Urteil des BSG vom 18.02.2010 - B 4 AS 49/09 R -) an. Eine solche Abweichung liegt jedoch tatsächlich nicht vor, wobei die Abweichung durch das SG zudem bewusst erfolgt sein müsste. Das SG hat jedoch ausdrücklich auf die Entscheidung des BSG abgestellt und hat diese dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde gelegt. Ob das SG dies zutreffend getan hat, d.h. ob das SG die Frage der räumlichen Trennung zutreffend geklärt hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu prüfen.
Im Übrigen würde das Urteil des SG auch nicht auf einer solchen Abweichung beruhen, denn es hat nicht allein die für ein Getrenntleben erforderliche Voraussetzung
der räumlichen Trennung, sondern auch den nach außen erkennbaren Trennungswillen der Ehegatten verneint. Die Klägerin selbst
hatte angegeben, dass ein Scheidungsantrag nicht gestellt worden ist und auch nicht gestellt werden sollte. Einen anderen
Anhaltspunkt für einen nach außen hin erkennbaren Trennungswillen hat es nicht gesehen. Ein solcher ist von der Klägerin auch
nicht weiter vorgetragen worden. Nachdem die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des SG nicht zu prüfen ist, ist auf das Vorbringen der Klägerin, es entspreche nicht den Tatsachen, dass sie die volle Beweislast
für das Getrenntleben trage, nicht weiter einzugehen.
Zuletzt macht die Klägerin noch geltend, das SG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Es hätte die Klägerin weiter befragen müssen und der Ehemann der Klägerin habe
die Außendienstmitarbeiter des Beklagten nicht in die Wohnung der Klägerin einlassen dürfen. Zu berücksichtigen hierbei ist,
dass ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nur dann vorliegt, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner
rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10.Aufl, § 144 Rdnr 34). Aus Sicht des SG war durch die Angabe der Klägerin, sich von ihrem Ehemann nicht scheiden lassen zu wollen, ein nach außen erkennbarer Trennungswille
nicht zu erkennen. Zu weiteren Ermittlungen hat sich das SG nicht gedrängt fühlen müssen. Insbesondere hatte die Klägerin ausreichend Möglichkeiten gehabt, weitere Erklärungen hierzu
abzugeben.
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil rechtskräftig ist (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Prozesskostenhilfe war für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aus den o.g. Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussicht
nicht zu bewilligen (§
73a SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).