Rente wegen Erwerbsminderung
Quantitative Einschränkung des Restleistungsvermögens
Qualitative Einschränkungen aufgrund besonderer Umstände
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der vom Kläger bereits bezogenen
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der 1954 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Schlosser und zum Schweißer absolviert. Zuletzt war er von 2001 bis 2009
als Maschinenbaumonteur (Teilzeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Für den Kläger ist ein Grad der Behinderung - GdB -
von 40 festgestellt. Seit 1. Mai 2004 bezieht er Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer.
Mit Antrag vom 5. Juli 2011 begehrte der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm gewährten Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zur Begründung verwies er auf einen Hörschaden, Erkrankungen an Herz, Haut
und Psyche, ein Rückenleiden sowie eine chronische Bronchitis.
Die Beklagte zog einen Entlassungsbericht der Fachklinik H. über Maßnahmen der stationären medizinischen Rehabilitation bei,
an denen der Kläger vom 23. Oktober 2008 bis 12. März 2009 teilgenommen hatte. Hieraus gehen folgende Diagnosen hervor:
1. Störung durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom
2. Störung durch Alkohol, Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung
3. Essenzielle (primäre) Hypertonie
4. Chronische ischämische Herzkrankheit
5. Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit.
Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in der Lage, leichte bis maximal mittelschwere körperliche Tätigkeiten
3 bis unter 6 Stunden täglich zu verrichten.
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten, Kardiologen und Gastroenterologen Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens.
Dieser bescheinigte dem Kläger unter dem 12. September 2011 folgende Gesundheitsstörungen:
1. Erhebliche Innenohrschwerhörigkeit beidseits, teilkompensiert durch Hörgeräte
2. Durchblutungsstörungen am Herzen, zweimaliger Herzinfarkt (1995/1997), gute Herzpumpleistung, gut belastbar bis zu 125
W
3. Chronische Raucherbronchitis ohne signifikante Störung der Lungenfunktion
4. Übergewicht (BMI 35 kg/m2, Bauchumfang 123 cm) mit gut erhaltener Beweglichkeit
5. Chronischer Alkoholismus ohne Ausbildung von Leberzirrhose oder Wesensänderung, seit 3 Jahren Alkoholabstinenz
6. Abnutzungserscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreiz mit Minderbelastbarkeit.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger noch 6 Stunden und mehr leistungsfähig für leichte Tätigkeiten, die überwiegend
im Sitzen zu verrichten seien. Zu vermeiden seien häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische
Hilfsmittel.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 19. September 2011 den Antrag ab.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf pfeifende Geräusche im Innenohr, eine chronische
Bronchitis und Rückenschmerzen. Zusammenhängendes Arbeiten sei ihm nicht möglich. Seine Behinderungen und der sehr belastende
Geldmangel führten zu enormen depressiven Zuständen. Auf Anfrage der Beklagten, bei welchem Internisten/Pneumologen er in
Behandlung sei, teilte der Kläger mit, aufgrund seiner Armut könne er sich seit langer Zeit keine Behandlung bzw. Untersuchung
bei einem Facharzt mehr erlauben. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2011 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und vorgetragen, der Sachverständige der Beklagten habe ausschließlich nach Gründen gesucht, um ihm die Rente zu
verwehren. Er sei nur auf die chronische Bronchitis, nicht jedoch die anderen Krankheiten eingegangen bzw. habe diese verharmlost
dargestellt. Kardiologische Termine habe er aus Geldmangel trotz Dringlichkeit abgesagt. Er habe einen starken Hustenreiz,
Herzschmerzen, krampfartige Rückenbeschwerden, Schmerzen im Bereich linke Schulter und Ellbogen sowie Knieschmerzen. Auch
sei bei ihm ein Hörschaden durch die Berufsgenossenschaft anerkannt worden. Schließlich leide er unter sehr maroden Zähnen.
Bildschirmarbeit sei nur noch mit einer Brille (2 Dioptrin) möglich. Am 8. Februar 2012 habe er wieder eine schwere Herzattacke
gehabt.
Das SG hat aktuelle Befundberichte des Orthopäden Dr. D., des Allgemeinmediziners C. und des Kardiologen Dr. E. beigezogen. Es hat
gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. B. vom 7. August 2012 sowie eines kardiologischen
Gutachtens von Dr. P. vom 11. Oktober 2012.
Dr. B. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom insbesondere mit Betroffensein der Lendenwirbelsäule, pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung,
muskuläre Reizerscheinungen, eher nur geringe Bewegungsminderung, geringe bis mäßige Belastungsminderung
2. Operierter Tennisellbogen rechts, Tennisellbogenbeschwerden linkes Ellbogengelenk; Einschränkung der Unterarmwendungen
links bei Zustand nach kindlichem Unterarmbruch
3. Meniskopathie linkes Knie, ohne relevante Reizzeichen
4. Dreigefäß-KHK, normale linksventriculäre Funktion; Zustand nach Vorderwandinfarkt 1995 und Hinterwandinfarkt 1997; mehrere
erfolgreiche Herzkatheterinterventionen, zuletzt März 2012, noch Stenose der RCA, hier ist ebenfalls noch eine Herzkatheterintervention
geplant; Hypertonie, medikamentös eingestellt, gute linksventriculäre Funktion
5. Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung mit leichtgradiger peripherer und mäßiger zentraler Bronchialobstruktion
6. Alkoholkrankheit mit Entzugstherapie und anschließender Entwöhnungsbehandlung 2008, seither Alkoholkarenz, keine Leberzirrhose,
keine Wesensänderung
7. Erhebliche Innenohrschwerhörigkeit beidseits, teilkompensiert durch Hörgeräte, letztere werden aktuell wegen Mittelohrbelüftungsstörungen
nicht getragen
8. Mittelgradige depressive Episode, Schlafstörungen, Affektlabilität.
Der Kläger sei noch in der Lage, 6 Stunden und mehr mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen leichte körperliche Arbeiten im
Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien schweres Heben und Tragen, länger
währende Zwangshaltungen, Klettern und Steigen sowie Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und/oder unter Absturzgefahr, besonderer
Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und taktgebundene Arbeiten, Akkordarbeiten, Arbeiten
unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe, Einfluss
von Reizstoffen, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, die nervliche Belastbarkeit,
das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr.
Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht.
Nach den Ausführungen von Dr. P. liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vor:
1. Koronare 3-Gefäßerkrankung
2. Zustand nach Herzkranzgefäßerweiterungen (PTCA) RIVA 4/95, 7/95, 12/95 sowie 1/04 und 3/12 mit erneuter Stentimplantation
3. Zustand nach Rekanalisation der RCA mit Stentimplantation 10/97 sowie erneute PTCA mit Stentimplantation 1/04 und 5/12
4. Zustand nach PTCA RCX 6/98 und erneute PTCA mit Stentimplantation 2000
5. Zustand nach Vorderwandinfarkt 1995
6. Zustand nach Hinterwandinfarkt 1997
7. Arterielle Hypertonie
8. Fettstoffwechselstörung
9. Zustand nach chronischem Alkoholabusus und Entzugsbehandlung
10. Bekannte chronische Bronchitis, zurzeit keine Obstruktion
11. Verdacht auf Meniskusläsion links
12. Verdacht auf Tennisellbogen links.
Der Kläger könne 6 Stunden täglich leichte Arbeiten mit den arbeitsüblichen Pausen verrichten. Seine Einsatzfähigkeit im Erwerbsleben
sei nur durch die Beschwerden des Bewegungsapparates beeinträchtigt. Tätigkeiten unter Zeitdruck, Einzel- und Gruppenakkord,
Fließbandarbeiten und taktgebundene Tätigkeiten, Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel
sowie häufiges Treppen- und Leitersteigen seien nicht zumutbar. Da die Knieschmerzen des Klägers sich verschlechtert hätten,
sollte eine erneute orthopädische Untersuchung durchgeführt werden.
Nach Beiziehung eines weiteren Befundberichts des Orthopäden Dr. H. hat das SG die Klage mit Urteil vom 7. Februar 2013 abgewiesen. Nach dem Gutachten von Dr. B. und Dr. P. könne der Kläger noch 6 Stunden
täglich leichte Arbeiten verrichten. Eine weitere Sachaufklärung etwa in Form der Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens
sei nicht erforderlich. Mit dem Kläger sei bei erhobener Stimme und Blickkontakt eine Verständigung problemlos möglich gewesen,
obwohl dieser ohne Hörgeräte erschienen sei. Die vom Kläger geltend gemachte Mittelohrbelüftungsstörung sei einer fachärztlichen
Behandlung zugänglich. Schwere spezifische Leistungseinschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
seien beim Kläger nicht gegeben.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Seine chronische Bronchitis und seine psychische
Erkrankung seien unberücksichtigt geblieben. Täglich kämen neue Beschwerden hinzu. Es sei ihm finanziell nicht möglich, diese
von einem Arzt behandeln zu lassen.
Der Senat hat Befundberichte des Kardiologen Dr. E. beigezogen und gemäß §
106 SGG Beweis erhoben durch ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. vom 13. September 2013.
Dr. B. hat beim Kläger folgende Diagnosen gestellt:
1. Degeneratives Lumbalsyndrom unter dem Bild einer multisegmentalen Osteochondrose und Spondylose ohne radikuläre Ausfälle
und mit nur geringgradigen Funktionseinschränkungen
2. Initialer Hüftgelenksverschleiß beidseits bei Coxa vara beidseits
3. Knorpelschaden Kniegelenk links medial und retropatellar mit degenerativem Innenmeniskusriss, kernspintomographisch gesichert
4. Zustand nach konservativ behandelter kindlicher Unterarmfraktur links mit verbliebener leichter Einschränkung der Unterarmumwendfähigkeit,
Fibroostose am Epicondylitis humeri ulnaris links mit leichten Beschwerden, beginnender Knorpelschaden Ellbogengelenk links
5. Initiale Knorpelschäden Schulterhauptgelenke beidseits, hypertrophe Schultereckgelenksarthrose beidseits bei Ausschluss
einer Rotatorenmanschettenruptur.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte und fallweise mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung schwerer körperlicher Arbeit
gehend, stehend und sitzend unter Vermeidung ausschließlichen Gehens und Stehens im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig
zu verrichten. Das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus, mit häufigem
Bücken, stark kniebelastende Arbeiten mit häufigen knienden Arbeitsanteilen, häufiges Besteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten
mit Absturzgefahr sowie kraftvolle Überkopfarbeiten seien nicht mehr zumutbar. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaube
auch unter Würdigung des internistisch-kardiologischen Fachgebiets noch die Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise
in ungelernten Arbeiten gefordert werden. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Die Umstellungsfähigkeit des
Klägers erscheine nicht eingeschränkt. Weitere fachärztliche Untersuchungen seien nicht erforderlich. Bezüglich der beidseitigen
Hörminderung mit Hörgeräteversorgung ergebe sich keine weitere Leistungsbehinderung.
Eine Stellungnahme des Klägers hierzu ist nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Februar 2013 und des Bescheids der Beklagten vom
19. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2011 zu verurteilen, ihm antragsgemäß Rente wegen
voller Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 19. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
15. Dezember 2011 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI anstelle der von ihm bereits bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.
Gem. §
43 Abs.
2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Senat ist aufgrund der schlüssigen Gutachten von Dr. B., Dr. P. und Dr. B. davon überzeugt, dass eine quantitative Leistungseinschränkung
beim Kläger nicht vorliegt. Der Kläger ist danach noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet.
Bei der eingehenden Untersuchung des Klägers durch den erfahrenen Gerichtsachverständigen Dr. B. war der Kläger in einem regelgerechten
Allgemein- und adipösen Ernährungszustand. Es zeigten sich kein Ikterus, keine Zyanose und keine allgemeinen Gewebswassereinlagerungen.
Die Pulse an den Extremitäten waren gut tastbar, die periphere Muskulatur war normal tonisiert.
Bei der Untersuchung der Wirbelsäule des Klägers stellte Dr. B. einen Beckengeradstand bei physiologischer Rückenform und
normalen Schwingungsverhältnissen fest. Bewegungen führte der Kläger mäßig flüssig vor, der Lagewechsel gelang ihm jedoch
ohne Ausgleichsmanöver. Die paravertebrale Muskulatur war im gesamten Wirbelsäulenverlauf unauffällig und durchaus kräftig
ausgebildet. Die Kopfhaltung des Klägers war physiologisch bei freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Bei der Untersuchung
der Brust- und Lendenwirbelsäule ergab sich, dass ein Vornüberneigen für den Kläger mäßig zügig durchführbar war bei einer
mäßigen Einschränkung der Vorneigefähigkeit mit einem Finger-Boden-Abstand von mehr als 25 cm. Das Wiederaufrichten aus der
Vorneige gelang dem Kläger jedoch ohne Zuhilfenahme der Arme aus eigener Kraft der Wirbelsäule. Die Reklination war frei.
Neurologische Ausfälle konnte der erfahrene Gerichtsachverständige nicht feststellen. Bei der neuroorthopädischen Untersuchung
waren die Reflexe der oberen und unteren Extremitäten beidseits seitengleich mittellebhaft produzierbar. Neurologische Ausfälle
konnte Dr. B. nicht objektivieren. Das Zeichen nach Laségue war beidseits negativ. Der Kläger war auch in der Lage, den Langsitz
einzunehmen. Die Zehenheber- und Fußheberfunktionen waren ungestört. Hieraus resultieren nach der den Senat überzeugenden
Einschätzung von Dr. B. nur qualitative Leistungseinschränkungen im Form des Ausschlusses von schweren Hebe- und Tragebelastungen
sowie Arbeiten aus ungünstigen Wirbelpositionen heraus.
An den oberen Extremitäten zeigten sich beim Kläger symmetrische Konturen an den Schulter-, Ellbogen-, Hand- und Fingergelenken.
Muskelathropien fanden sich ebenso wenig wie Weichteilschwellungen oder Ergussbildungen. An den Schultergelenken ließ sich
radiologisch eine hypertrophe Schultereckgelenksarthrose bestätigen. Die Beweglichkeit war jedoch nicht eingeschränkt, die
Funktionsgriffe der Schultergelenke (Überkopf-, Nacken- und Schürzengriff) waren dem Kläger beidseits frei durchführbar. Auch
die grobe Kraft war nicht gemindert bei seitengleich durchaus kräftig entwickelter Muskelummantelung. Die Impingementzeichen
über beiden Schultern waren negativ. Die Funktionsstörungen an den Schultern führen allein zu einem Ausschluss von kraftvollen
und dauernden Überkopfarbeiten. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.
An den Ellbogengelenken lagen bandstabile Verhältnisse vor. Bereits seit einer Unterarmfraktur im Jahr 1964 ist die Drehfähigkeit
des linken Unterarms gering eingeschränkt bei erhaltener Beuge- und Streckfähigkeit. Wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen
resultieren nach den Ausführungen von Dr. B. hieraus nicht. Der anlaufende Verschleißprozess degenerativer Art am Ellbogen
links (sog. Golferellbogen) führt allein zu einer Belastungsminderung für schwere manuelle körperliche Arbeiten. Denn im Übrigen
war die Beweglichkeit der Arme frei bei kräftig erhaltener Muskelummantelung ohne erkennbares Seitendefizit.
An den Händen und Fingern zeigten sich ebenfalls regelrechte Konturen ohne Kapselschwellung und Ergussbildung. Die Hände waren
seitengleich normal beschwielt, eine Kraftminderung war nicht vorhanden. Die Funktionsgriffe waren dem Kläger beidseits vollständig
möglich.
An den unteren Extremitäten waren alle Gelenke regelrecht konturiert bei normal ausgebildeter Muskulatur. Ödeme, Entzündungs-
oder Stauungszeichen waren nicht nachweisbar. An den Hüftgelenken waren die Trendelburg'schen und Duchenn'schen Zeichen negativ.
Die Hüftgelenksbeweglichkeit war - abgesehen von einer endgradig schmerzhaft eingeschränkten Innenrotation - seitengleich
frei erhalten. Hieraus resultiert allein ein Ausschluss von Arbeiten, die ausschließlich gehend oder stehend bzw. mit Absturzgefahr
auf Leitern, Treppen und Gerüsten verbunden sind. Die Kniegelenke waren ebenfalls normal konturiert und ergussfrei bei freier
Verschieblichkeit beider Kniescheiben. Sie wiesen beidseits eine stabile Bandführung bei negativen Meniskuszeichen auf. Dr.
B. hat dargelegt, dass die Beschwerden des Klägers am linken Kniegelenk auf die anlaufenden Knorpelschäden sowie den kernspintomographisch
bewiesenen Innenmeniskusriss zurückzuführen sind. Das Verschleißleiden des Klägers sei jedoch nur gering altersüberdurchschnittlich
und zudem einer Behandlung in Form einer Arthroskopie zugänglich. Aufgrund des Kniebefunds könnten dem Kläger allein keine
stärker kniebelastenden Arbeiten, also häufig kniend, gebückt oder gehockt zu erbringende Tätigkeiten, zugemutet werden.
Hieraus hat Dr. B. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich
leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Den aus den orthopädischen Gesundheitsstörungen resultierenden
Funktionseinschränkungen kann durch qualitative Leistungseinschränkungen und hierbei insbesondere durch den Ausschluss von
schweren Hebe- und Tragebelastungen sowie Arbeiten aus ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus hinreichend Rechnung getragen
werden.
Dr. B. steht dabei im Einklang mit den Feststellungen des orthopädischen Vorgutachters Dr. B ... Dieser hat ebenfalls noch
keine quantitative Leistungseinschränkung des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt feststellen
können.
Dr. B. hat bei seiner Leistungseinschätzung auch ausdrücklich die Gesundheitsstörungen des Klägers auf internistischem Fachgebiet
unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. P. mitgewürdigt. Dr. P. hat dargelegt, dass beim Kläger derzeit keine höhergradigen
Stenosierungen der epicardialen Gefäße mehr vorliegen. Auch klinisch besteht keine wesentliche Beschwerdesymptomatik. Im Hinblick
auf die Durchblutungsstörungen des Herzens liegt nach den Ausführungen des erfahrenen Gerichtsachverständigen ein stabiler
Zustand vor. Dr. P. hat beim Kläger eine perkutorisch und auskultatorisch unauffälligen Befund über Lunge und Herz erhoben.
Die Herzaktionen waren regelmäßig, periphere Herzinsuffizienzzeichen waren nicht festzustellen. Die peripheren Pulse waren
unauffällig. Im unauffälligen Ruhe-EKG zeigten sich keine Erregungsrückbildungsstörungen. Die technischen Untersuchungen belegten
einen normalgroßen linken Ventrikel ohne regionale Wandbewegungsstörungen bei normaler linksventrikulärer Funktion, normale
Rechtsherzabschnitte sowie unauffällige Klappen. Ein Anhalt für eine Stenosierung der extracranialen Gefäße fand sich nicht.
Die Blutgasanalyse ergab nur Hinweise auf eine diskrete respiratorische Partialinsuffizienz, jedoch nicht auf eine Obstruktion.
Der Senat ist daher in Übereinstimmung mit allen Sachverständigen davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten zu verrichten.
Ungeachtet dieses quantitativen Leistungsvermögens wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben,
wenn bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen
würde und dem Kläger keine Tätigkeit benannt werden könnte, die er trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens
6 Stunden täglich verrichten kann. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige
schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen.
Das Merkmal " Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl
von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche
Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine
konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten
keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende
Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 64/02 R, in [...]).
In Bezug auf die qualitativen Leistungseinschränkungen geht der Senat von den für ihn nachvollziehbaren Feststellungen von
Dr. B. und Dr. P. aus, die im Sachverhalt dargelegt worden sind. Hieraus ergibt sich jedoch weder eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Die von den Sachverständigen genannten qualitativen
Einschränkungen sind nicht ungewöhnlich. Einen ungewöhnlichen Pausenbedarf oder belangvolle Einschränkungen der Beweglichkeit
von Armen und Händen konnten die Sachverständige nicht erkennen. Darüber hinaus erlaubt das Restleistungsvermögen der Klägerin
nach der ausdrücklichen Feststellung von Dr. B. noch körperliche Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise
gefordert zu werden pflegen (z.B. Zureichen, Abnehmen, Reinigen von Maschinen, Sortieren usw.). Damit kommt eine schwere spezifische
Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht in Betracht (vgl. KassKomm,
SGB VI, §
43 Rn. 47 m.w.N.). Schließlich liegt auch nach den Ausführungen sämtlicher Gerichtssachverständigen keine rentenrelevante Einschränkung
der Wegefähigkeit vor. Das Gangbild des Klägers war laut Dr. B. normal, ausreichend raumgreifend und hinkfrei. Eine Stockstütze
wurde vom Kläger nicht gebraucht. Die Beschwielung der Fußsohlen war seitengleich normal ausgeprägt. Angesichts dieses Befundes
ist eine Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht begründbar.
Zur Einholung weiterer Gutachten fühlt sich der Senat nicht gedrängt. Dr. B. hat klargestellt, dass weitere Gutachten nicht
erforderlich sind. Nach seinen Angaben folgen auch aus der Hörstörung des Klägers keine weiteren relevanten Einschränkungen.
Ein psychiatrisches Gutachten ist nicht erforderlich. Dr. P. hat ausdrücklich festgestellt, dass keine psychischen Auffälligkeiten
beim Kläger vorliegen, auch Dr. B. hat von solchen nicht berichtet. Der Kläger war nach seiner Scheidung im Jahr 1994 in psychotherapeutischer
Behandlung. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Fachklinik H. ist aber seit 2004 mit einer neuen Lebenspartnerin eine
Besserung eingetreten. Derzeit ist er nicht in psychiatrischer Behandlung. Auch die behandelnden Ärzte gaben insoweit keine
Hinweise. So hat der Allgemeinarzt C. in seinem Befundbericht vom 27. April 2012 festgestellt, dass Gesundheitsstörungen auf
den Gebieten Kardiologie und Orthopädie vorliegen würden. Von Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet hat er nichts berichtet.
Nach alledem kommt die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht in Betracht.
Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI scheidet damit aus.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.